12.

Wie Angliana Lewfriden das büntelin gibt in beywesen aller irer junckfrawen.

[296] Aurora, die edel morgenröte, jetzund mit freuden den newen tag doherbracht, die nachtgall und andere vögelin den tag mit freuden verkündten. Angliana uffstůnd, sich in gar zierlich gewand anthet, an ein fenster saß, dem gesang der vogel zůzůhören, von dem sie gar eines frischen gemüts ward.

Nun hatt Lewfrid die vergangen nacht gantz ungeschlaffen hinbracht; dann er groß verlangen het nach dem künfftigen tag, damit er möcht erfaren, mit was kleinot ihn die junckfraw wolt verehren. Er stůnd auff, legt seine schönsten kleider an, so er hat, ging mit grossen freuden in den schönen garten unwissen, das Angliana, sein liebste junckfrauw, schon auffgestanden und jetzund an dem fenster sitzen solt. Lewfrid saß an sein gewonliche statt under die rosenhurst, fing an mit gar frölicher stim zů singen. Des nam Angliana bald war, spitzet die oren, hort irem lieben jüngling mit freüden zů. Von ungeschicht blicket Lewfrid durch den hag, ersicht sein liebste junckfrauw under dem fenster, ein gar schönes artigs hündlin und papagey bey ir habend, mit welichen sie ir kurtzwil hat, aber nicht dest weniger dem gesang des jünglings mit allem fleyß auffloset. Lewfrid wol zů můt was, als er sein junckfraw jetzund zůgegen wusst, kein fleyß in seinem gesang spart; das so lang trib, biß in zeit daucht auff seinen dienst zů warten, also auß dem garten für der junckfrawen gemach gieng.

In dem kamen ire junckfrawen nach ir gewonheyt. Sobald die in das gemach kummen und Angliana ein seligen tag gewünscht, sie in auch gar früntlich gedanckt und mit freüden so empfangen, hatt sie gleich gefragt, ob Lewfrid der jüngling nit vor dem zimmer stünd. Sie sagten, er wer vorhanden.[297] ›So heyssend mir in bald inherkummen‹, sagt Angliana, ›dann er sol mir meinem herren und vatter etwas nötigs bringen.‹ Diß ward volbracht, der jüngling ward hineinberůffen.

Er kam in grossen freüden und gleichsam, als so einer auß einem finsteren gewelb kumpt, urplitzig den klaren schein der sonnen erblicket, also was auch dem jüngling, do er sein junckfraw ansehen und erblicken ward. Er wünschet der junckfrawen zůvor, demnach allen iren gespilen einen frölichen und glückseligen tag, thet in dabey gebürliche reverentz. Angliana, die von seiner zůkunfft nit minder freüd empfangen, fieng in an mit schimpflichen worten zů fatzen unnd sagt: ›Lieber mein Lewfrid, sag mir doch, was hatt dich disen morgen so frü auß deinem bett getriben unnd zů solchen frölichen unnd gůten gesang verursachet? Dann die nachtegall unnd trostel sampt andren waltfoglein dir nit lang vorgangen sind, du hast in mit deiner süssen stimm gefolgt; hast mich auch warlich damit bezwungen, das ich dir mit allem lust unnd fleiß hab müssen zůhören, wiewol ich ungezweiffelt bin, das mir dein gesang nit zů dienst beschenen, laß mich aber das nit kümmern. Die junckfrauw aber, deren du dich in solcher gestalt dienest, můß dir den danck darfür geben; welches dann ungezweifelt beschehen wirt, sonst wolt ich sagen, sie ein gantz unverstanden unnd harte junckfrauw sein müßt. Sag an, mein lieber Lewfrid, welche under disen meinen junckfrawen dich so gantz frü ermundert unnd wecken thůt! Sie soll mir fürwar die angenemest inn meiner gesellschafft sein.‹

Die junckfrauwen sich der schimpfflichen wort Angliane nit genůg verwunderen kundten; je eine die ander gantz schamrot ansehen ward; dann jegkliche meynet, Angliana hett auff sie geredt. Lewfrid auch nit weniger sich schammet, das im dann sein schöne zwifachet. Dann er von natur eines weissen angesichts was, langes gerades und wol proporzenierten leibs, einer auffrechtigen dapfferen stirnen; sein har was einem gespunnen gold zů vergleichen, welches gantz schon und zierlich gekreußt was; er hat ein starcke und volkommene brust, starcker glider; und in summa so was er der schönest jüngling, so an dem gantzen hoff was; er fürtraff alle jüngling des landes an geradigkeyt, schöne und tugenden.[298]

Als in nun die junckfraw Angliana lang mit worten angetast schimpfflicher weiß, gab er ihr solche antwort: ›Allergnedigste junckfrauw, ich nim euweren schimpff gern zů gůt. Das mich aber ewer gnad fraget, welcher junckfrauwen ich zů dienst gesungen, so sag ich, das auff erden nur eine lebt und leben würt, deren ich mein hertz so gantz geöffnet, ja das sie weißt, das ich ir einiger geflissener unnd stehter diener bin unnd bleiben will biß an mein letstes end. Ich erkenn aber wol, das mir nit gebürt einer solchen edlen junckfrawen holdtschafft zů tragen, wie ihr die an ewer gnaden hoff habend; dann ich armer jüngling bin im zů schlecht. Jedoch soll mich mein armůt unnd nidre geburt von junckfrauwen- und frauwendienst nimmer abwenden, hoff auch, wie von altem ein sprüchwort lang geweret hatt: Frawendienst ward nie umbsonst; was eine nit erkennet, das vergilt die ander.‹ Mit disem sein red endet.

Die junckfrauwen des jünglings schöne noch nie so wol achtgenommen hatt als eben diser zeit; dann der jüngling sich gantz zierlich angethan hatt. Angliana nam das pecklin, so sie ihm zůsammengebunden, gab im das inn beysein aller ihrer junckfrauwen; sie sagt: ›Leuwfrid, mein lieber jüngling, nim diß gepeck unnd bring das meinem herren und vatter! Sag, ich schick ihm darinn das, so er an mich begert hatt! So du ihm das überantwort hast, so füge dich wider her inn unser gesellschafft, damit mir kurtzweilig gesprech mit dir haben mügen! Des du dich dann nit solt verdriessen lassen; wer weyßt, ich und meine lieben junckfrawen mügen dir semlichen schimpff in zucht unnd ehren wol vergelten.‹ – ›Gnedige junckfraw‹, sagt Lewfrid, ›diser ewer schimpff ist mir ein sonders wolgefallen unnd kurtzweil.‹

Also gieng Lewfrid von der junckfrawen in grossen freuden. Er mocht kümmerlich gewarten, biß er in sein kammer kam, damit er sehen möcht, was in dem pecklin verborgen wer. Als er inn sein gemach kam, macht er das pecklin auff, besahe aber gar kein kleinot, so lang biß er den brieff, seiner junckfrawen meinung, gnůgsam gelesen hatt. Er nam den brieff und kußt ihn offt und dick; demnach ersucht unnd besah er die kleinot unnd den ring; darinn was versetzet ein[299] schöner blawer saphir; dann die junckfrauw mit der blawen farb anzeigen wolt die stehtigkeit der liebe gegen irem jüngling. Er nam den ring, hangt den zustund an sein halß unnd sagt: ›Nun freuw dich, Lewfrid! Dann zů diser stund hat dich das glück hoch erhaben. Wer möcht doch glückseliger sein auff gantzem erdtrich dann ich glückhaffter Lewfrid! O du mein liebster vater, mein liebe můter und ihr allerliebsten mein ernerer, herr und frauw, wolt got, mein wolfart were euch zů wissen, damit ir üch auch mit mir möchten erfreuwen unnd ergetzen! Ach solten meine gesellen, so mich für ihren könig gehalten haben, dises meines gelücks wissens tragen, on zweiffel sie wirden sich mit mir nit wenig erfrewen. Wolan, diß mag unnd soll aber noch nit geschehen, dieweil mir mein liebste junckfrauw das so theür und hoch verbotten hat. So mir aber got und das glück gnad verlihen, will ich sie meiner alsampt theilhafftig machen.‹

Als ihm nun Leuwfrid vil freud mit dißen reichen schencken unnd gaben gemacht, hatt er sich außgezogen, das schön hemmat, so ihm von Angliana geben worden, angethon unnd also wider zů den junckfrawen gangen, mit welchen er vil schimpff und kürtzweil anfing. Ward also in kurtzem darnach größlich von in alsammen geehret, sie mochten auch kein rechte freyd nit gehaben, wo Lewfrid nit zůgegen was.

Diß weret so lang, das er gar gerad und starck von leib ward. Darumb in der graff nit lenger in dem zimmer haben wolt, sunder nam in an für seinen kemmerling. Davon Lewfriden und der junckfrauw Angliana groß leyd zůstund; dann er nit mer so mit gůtem fůg und glimpff umb und bey ir wonen mocht, wiewol er dannocht mer dann ander diener an dem hoff ursach hat zů der junckfraw zů gon. Das macht, der graff, was er bey seiner dochter wolt werben oder außrichten, schicket er zů aller zeit Lewfriden zů ir. Ihm was aber beider liebe noch gantz verborgen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 296-300.
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