42.

Wie Lewfrid sampt seiner geselschafft den nechsten auff Lysabona reiten, was er und Walter für einen anschlag machten.

[374] Der new tag jetzund durch frölichen gesang der vögel verkündt wardt. Lewfrid und sein liebster brůder Walther am abent ir ordnung haben gemacht, urlaub von vatter und můter genommen und inen Lotzman den lewen trewlich befolhen. Und sobald deß morgens der tagstern am himmel gestanden, seind sie auff zů roß gesessen, mit begirigem hertzen den weg auff Lißbona für sich genummen. Leuwfrid sich auff solicher reyß mancherley bedocht, weß er sich halten wolt. Zůlest fande er einen raht bey Waltern, das er zů Lißbona bliben solt, dem graffen und seiner tochter schreiben, wie er noch frisch und gesundt were; sein will und meynung aber wer nit eh gen hoff zů kummen, er hette dann zůvor ein ritterliche that begangen, rittersorden erlangt; alsdann wolt er mit freüden widerkeren, verhoffen ein genedigen herren zů finden. Diser rhatschlag gefiel Lewfriden hertzlichen wol, so anderst Walter die brieff selb antwurten wolt; dann er noch in sorgen stund, im möcht ein verdeckt essen fürgetragen[374] werden; alsdann wer weder im noch seiner liebsten junckfrawen geholffen. Diß alles versprach im Walter mit allem fleiß und ernst außzůrichten; dann er wol gedacht, der graff wird kein hand an in legen noch einnichen gewaldt mit ihm brauchen.

Lewfrid aber machet seine rechnung weit anderst; dann er nam im für, durch seltzam practick personlich mit dem graven und seiner tochter zů reden oder grosse gefar darob zů beston. Er aber behielt im semlichen anschlag gar heimlich, so das er auch seinem vertrewten brůder nichs davon sagt. Dann als sie gen Lißbona kummen seind, hat Lewfrid seiner liebsten Angliana einen brieff auff nachvolgende meynung geschrieben:

›Mein grůß, heyl und alle wolfart seind euch zůvor! Mein hertzallerliebste junckfraw, was grossen betriebniß mir mein hinscheiden von euch, meiner liebsten, brocht hat, ist mir gar keines wegs müglich zů beschriben.‹ Aber noch vil mer beschwert mich eüwer hartseliges leben, in welchem ich euch gantz ellendiglich hab verlassen müssen. Dann so offt ich bedocht, mit wie mancherley unfal ir überschüt seind gewesen, hat mir mein hertz in meinem leib geweint; dann ich bin ungezweifelt euch ein hertzliche beschwerniß gewesen. Ist das der, zů dem ir alles vertrewen gesetzt haben, so flüchtig von euch sunder alles urlub gescheiden ist, so ich euch doch zum offtern mol versprochen hab, biß in den todt nit von euch zů weichen, allen unfal williglichen mit euch zů leiden. Demnach hab ich auch mit schweren gedancken zů hertzen genummen, was ir, mein allerliebste junckfraw, zorniger, harter und streflicher wort, derer ir doch vormolen an eüwern gütigen vater nit gewondt, hand hören müssen. Ach, wie beschwerlich seind die eüwerem bekumberten hertzen gewesen, ich gschweig der grossen scham, so ir getragen, so ir bedocht, wie alles hoffgesind jetzund von euch sagen und sprechen: ›Secht zů, wie hat sich unser gnedige junckfraw so wol verheyrat! Jetzund ist sie mit einem verloffnen und hinflüchtigen jüngling, von schlechten eitern erboren, behafft. Wo wirt mer einer ein hohen stands kummen iren begerend, dieweil sie vormals vil dapferer werber hat außgeschlagen!‹ Das und[375] derglichen geschrei habt ir, allerliebste, gwiß zů hertzen genummen, ob es gleichwol nit also ergangen ist. Dann so mir der bott, so von eüwerem herren und vatter zů mir gesant, die rechten worheit bekant, hat worlich alles hofgesind ein hertzlichen bedauren mit uns beiden gehabt, allein der verreterisch bößwicht, so mich understund in dem wald mit seinem spies zů erschiessen, dem dann auch sein verdienter lon darüber worden ist. Nu wer mir semlichs alles begegnet, wo ich nit von dem frummen ewers herr vatters schiltbůben gewarnet, der dann in der harnaschkammer verborgen allen anschlag, so über mich gemacht, von anfang gehört, mich bey nechtlicher weil vor dem schalckhafftigen mörder gewarnet. Do möcht mir der zeit nit mer werden, zů euch, meiner liebsten junckfrawen, zů kummen. Ich můß mich aber gegen euch entschuldigen. Was wird ich und mir für unrot gestifft haben, so ich auff solche trüwe vermanung nit gewichen, do eüwer herr vatter noch inn feürigen zorn gegen mir brennen thet! Wer mir gewiß nit anderst gangen, dann das ich den tod het leiden müssen. Was wer euch dann, liebste junckfraw, geholffen gewessen, dann das ir eüwer übrige zeit in senen und klagen hetten verzeret, so anderst ewer liebe gegen mir ist, als ich euch dann gwißlich vertrew! Darumb, liebste junckfraw, solt ihr mich noch nit anderst meynen gegen euch gesinnet sein dann alwegen. Sind auch des gewiß, das ich auff künfftigen sonnentag personlich bey euch sein will, ewer lieblich angesicht anschawen und weiters euch meinen willen zů verston geben. Ir wert mich aber in verkerter gestalt sehen; dann ich laß mir von grawem hotzen eines waldtbrůders kutten anmachen, ein schön bůchlein einbinden einem so betbůch gleich. In dem werdt ir nach aller leng mein endtliche meynung vernemmen; dann euch zů lassen ist mir nit müglich. Got pfleg ewer, mein allerliebste junckfraw!

Disen brieff nam Lewfrid, versiglet den mit seinem bitschafftring. Demnach schrib er dem graffen auch einen brieff, in welchem er in zům höchsten umb verzeihung bat, demnach zů dem höchsten umb sein geleit danck saget, und daß er gentzlichen willens wer nit mehr für in zů kommen, er het dann zůvor den orden der ritterschafft erlanget. Dise zwen[376] brieff gab er Waltern, sagt im aber nichts von seinem fürnemen, bat in auff das getrewlichest, im sein sachen fleißig außzůrichten, deß dann Walter willig was. Also ritt Walter und sein diener mitt deß graffen botten den nechsten weg des graffen schloß zů.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 374-377.
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