Zweite Szene

[31] Petruchio und Katharine, beide im Hauskleide, zu den Vorigen. Katharine sieht blaß und leidend aus, Petruchio mit einer Reitpeitsche fuchtelnd.


PETRUCHIO.

Mein liebes Weibchen, komm, wir wollen essen.

Gewaltgen Hunger hab ich. Setz dich nieder!

Verwünschtes Pack! Ihr habt den Wein vergessen.

Corpo di Bacco! Tut mir das nicht wieder!

Was staunt ihr? Wollt ihr gar nicht mehr erwachen?

Ha wartet nur, ich will euch Beine machen.


Er wirft einem die Reitpeitsche an den Kopf; der Wein wird gebracht; sich zu Katharine setzend.


Die faulen Schlingel!

Ha, mir wird zu Galle.

KATHARINE.

Bringt dich in Wut solch ein gering Versehn?

PETRUCHIO.

Verwünschte Tagediebe sind sie alle,

Doch künftig soll es anders gehn.

Iß, Käthchen, laß dir's schmecken!

Tod und Hölle! Die Suppe ist versalzen.

KATHARINE.

Nein doch nein, sie mundet mir vortrefflich!

PETRUCHIO.

Auf der Stell hinaus damit. Sie kann nicht schlechter sein.

Trink, Käthchen, trink! Doch ha, was seh ich wieder?

Der Becher meiner Frau ist nicht gespült.

KATHARINE.

Er ist ja rein.

PETRUCHIO.

Was rein! Durch alle Glieder zuckt Aerger mir,

Wie ich ihn nie gefühlt.

Nichtsnützge Schurken, schafft mir auf der Stelle

Den großen Goldpokal herbei!

Nun, wollt ihr? Sonst pack ich euch beim Felle,

Zerstampf euch wahrlich noch zu Brei.

KATHARINE.

Jetzt ist's genug. Du mußt dein Zürnen stillen.

Pfui, schäm dich! Die Ursach ist zu klein.

PETRUCHIO.

Bist du bei Trost, hier geht's nach meinem Willen.

KATHARINE.

Doch 's ist nicht schön, gleich in Wut zu sein.

PETRUCHIO.

So? Ist's nicht schön? Es freut mich, das zu hören,

Doch schön zu sein, sind ja die Frauen,

Darum soll deine Bitte gar nicht stören.

Wo bleibt der Goldpokal? Donner und Doria!

GRUMIO.

Hier, gnädger Herr!

PETRUCHIO.

Wer sagt dir, daß ich gnädig?

GRUMIO.

Ich wünsch es doch.

PETRUCHIO holt gegen Grumio zum Schlage aus.

Ha, widersprichst du mir?

KATHARINE.

Das ist zu arg!

PETRUCHIO.

Gelt, gelt? Das Fleisch ist fädig und dürr dazu.

Das ist zu arg, 's ist wahr, solch schlechtes Zeug,

Solch schlechtes Zeug auf meinem Tisch zu sehn!


Mit einem Schlage alles vom Tische wegwerfend.


Fort mit dem Bettel! Messer, Flaschen, Teller!

KATHARINE.

Ach, kümmert gar nicht dich mein Flehn?[31]

PETRUCHIO.

Was Kummer, all dies Zeug taugt keinen Heller.

Und Braten ohnehin paßt nicht für Leute,

Die so wie wir beinah cholerisch sind.

Gebt ihn den Hunden, er sei ihre Beute!

Und jetzt Adieu für einmal, liebes Kind!


Ab.

Die Diener entfernen sich, nachdem sie die Ueberreste der Tafel beiseite geschafft.


Quelle:
Hermann Goetz: Der Widerspenstigen Zähmung, frei bearbeitet von Joseph Viktor Widmann, Zürich, Wien, München [ca. 1925], S. 31-32.
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