Zweyter Auftritt.

[56] Der Pater Mareskotti, Kamilla.


PATER MARESKOTTI. Wie befindet sich Ihre junge Gräfin, Kamilla?

KAMILLA. Ihre Besserung übertrifft unsere Hoffnung. Die Wiederkunft des Chevaliers hat die Wirkung gethan, die ich allezeit vermuthet hatte. Warum musste man doch so lange zögern, ein Mittel zu ergreifen, das der jungen Dame[56] und ihren Verwandten so viel Trübsale erspart hätte! Sie ist, seitdem sie Herrn Grandison gesehen, ganz verändert. Ihr Gesicht heitert sich wieder auf, und in ihren Begriffen und Reden findet sich immer mehr Zusammenhang. Sie erinnert sich wieder des Vergangenen und nimmt Antheil am Gegenwärtigen. Es ist wahr, sie ist noch immer dunkel und niedergeschlagen. Zuweilen scheint sie in ihre alte Schwermuth zurück zu fallen; sie sucht die Einsamkeit; sie spricht oft mit sich selbst, oder mit einem Abwesenden, der (wie es scheint) ihrem Herzen allezeit gegenwärtig ist. Aber diese Anstösse ihrer ehemahligen Krankheit dauern nicht lange; und wir hoffen, dass sie ihre völlige Gesundheit erhalten haben werde, ehe sie noch die Gemahlin des Herrn Grandison ist.

PATER MARESKOTTI. Dank sey der wohlthätigen Macht, die mit unsichtbaren Händen an unserm Glücke arbeitet, und sich oft dessen, was wir für die grössten Übel halten, als Mittel zu ihren wohlthätigen Absichten bedient! – Aber ich besorge, die Familie sey zu voreilig, sich der Hoffnung zu überlassen, die sie von dem Chevalier gefasst hat. Er ist ein hartnäckiger Mann.

KAMILLA. Ein grosser Theil ihrer Hoffnung beruhet auf Ihnen, ehrwürdiger Herr! Gehen Sie in den Garten! Seine Eminenz, der Bischof, und Herr Grandison erwarten sie daselbst. Sie sollen den letzten Versuch machen, den Verstand[57] des Chevaliers zu besiegen. Sollte es misslingen, so wird sein Herz, welches grossmüthig und zärtlich ist, einer Probe ausgesetzt werden, der es nicht wird widerstehen können.

PATER MARESKOTTI. Der Himmel gebe, dass der Ausgang unsern Wünschen gleich sey.


Geht ab.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 5, Leipzig 1798, S. 56-58.
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Klementina von Porretta
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