Fünfter Auftritt.

[95] Der General, Grandison.


DER GENERAL. Ihre Ankunft in Bologna, Herr Grandison, hat Wunder gewirkt, höre ich. Wir sind Ihnen sehr verbunden; und Sie haben Ursache stolz darauf zu seyn, dass Sie Sich in einer Familie, wie die des Markgrafen von Porretta ist, so wichtig haben machen können.

GRANDISON. Wenn ich auf etwas stolz seyn könnte, Herr General, so wäre es auf mein Herz. Es ist unglücklich für mich, dass Sie in dieser ganzen Zeit von Bologna entfernt gewesen sind, in welcher Ihre schärfste Aufmerksamkeit auf mein Betragen meine beste Rechtfertigung gewesen wäre. Erlauben Sie mir aber Ihnen zu sagen, dass ich Ansprüche an Ihre Hochachtung mache, weil ich mir bewusst bin, dass ich sie verdiene, und dass ich keine andere Ansprüche zu machen habe, so lange jemand in der Familie ist, der mich der seinigen unwürdig hält.

DER GENERAL. Sie reden wie man es von einem Mann erwarten kann, der von dem Triumf aufgeschwollen ist, den er über Leute erhalten hat, die in der That nicht geboren waren, unter[96] den Ritter Grandison herab gedemüthiget zu werden. Ich weiss nicht, was für ein Taumel von fanatischer Dankbarkeit meine Verwandten bethört. Aber das weiss ich, dass ich keine von den schwindlichten Seelen bin, – die sich durch den Schein einer schwülstigen Grossmuth zu Boden blenden lassen. Erwarten Sie keinen Dank von mir, Herr Grandison! Oder soll ich Ihnen dafür danken, dass Sie durch die Künste einer angenommenen Uneigennützigkeit, und einer in Freundschaft verkleideten Liebe, das Herz meiner Schwester erschlichen, dass Sie die liebenswürdigste junge Dame Italiens in eine Leidenschaft verstrickt haben, die ihren Ruhm befleckt, ihren Verstand verwirrt, und die Ruhe ihres Lebens vernichtet hat? Soll ich Ihnen dafür danken, dass Sie dieses unglückliche Geschöpf und ihre noch unglücklichern Verwandten zum Spott und zur Fabel der Welt gemacht haben? – Wahrhaftig! wir haben grosse Ursache, unsre Verbindlichkeiten gegen den Chevalier Grandison durch irgend eine ausserordentliche That zu erkennen; und es fehlt nichts, als durch die Vermählung der Klementina von Porettta mit ihm die ganze Welt zu überzeugen, dass sie ihre Krankheit der ganzen Familie mitgetheilt habe.

GRANDISON. Herr General! Sie mögen meiner Gelassenheit bey Ihren Beleidigungen eben so leicht als meinen übrigen Handlungen[97] Beweggründe leihen, die mich verunehren, aber ich bin entschlossen, gelassen zu bleiben. Ihre Vorwürfe verdienen keine Antwort. Ich sehe, dass Sie von einer Leidenschaft getrieben werden, die Ihnen nicht erlaubt gerecht zu seyn. Sie werden mich entschuldigen, wenn ich mich hinweg begebe. Eine umständliche Unterredung mit Ihrem Herrn Bruder, dem Bischofe, wird das beste Mittel seyn, Sie zu Sich selbst zu bringen.

DER GENERAL. Glauben Sie mich mit dieser angemassten Erhabenheit zu täuschen, weil sie Ihnen vielleicht bey Ungeübtern, als ich bin, gelungen ist? Ihre Gegenwart ist hier nöthig, Herr Grandison! Ich verlange nur eine Antwort auf eine einzige Frage: Unterstehen Sie Sich in meiner Gegenwart zu bekennen, dass Sie Ansprüche an meine Schwester haben?

GRANDISON. Wenn es Ihnen gefallen wird, Herr General, auf eine Art zu fragen, die einer Antwort würdig ist, so sollen Sie eine Antwort erhalten.

DER GENERAL. Dieser Übermuth ist nicht auszustehen – Doch ich will mir Gewalt anthun. Ich erinnere mich, dass Sie der Erretter meines Bruders gewesen sind – Aber der Gedanke, dass Sie meine Schwester und die ganze Familie, die durch Sie verunehret worden, im Triumf aufführen sollen, ist mir unerträglich.[98]

GRANDISON. Und ich erkläre Ihnen, mein Herr, dass mir diese Sprache unerträglich zu werden anfängt. – Wie verächtlich macht eine blinde Leidenschaft die edelsten Menschen!

DER GENERAL. Ich bediene, mich solcher Reden, die man durch Thaten erklärt.


Er greift an den Degen.


Quelle:
Christoph Martin Wieland: Sämmtliche Werke. Supplemente Band 5, Leipzig 1798, S. 95-99.
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