Vorwort.

Ich habe Holland und die Holländer in einer merkwürdigen Zeit kennen gelernt. Ich sah ein Volk, das von Natur einem Kriege, besonders zu Lande, abgeneigt ist, sich ohne Noth in einen kostspieligen Krieg verwickeln. Ich sah ein Volk, das einst aus Republikanern bestand, die Spaniens Scepter zerbrachen und Ludwig XIV. Uebermuth demüthigten, für einen – – König sein Schwerdt ziehn, um beleidigte Majestätsrechte[5] an einem benachbarten Volk zu rächen. Zweifelhaft geworden an der Geschichte der Vergangenheit, schlug ich noch einmal ihre Blätter auf und las manche Zeile anders, als vorher. Ich untersuchte die elektrische Sphäre der Gegenwart und fand sie künstlich geladen und mit geheimen Agentien geschwängert, die das Gewitter, das schon lange über Holland und Belgien stand, zum Ausbruch brachten. Meine Analysen, Ansichten und Urtheile darüber findet der Leser in diesem Werkchen zerstreut, bald ernsthaft und bald scherzhaft, wie ich jedesmal die Laune dazu hatte. Daß ich mich über die höfische Natur des Krieges nicht geirrt, beweisen die jetzigen Zugeständnisse des Haager Kabinetts, nachdem Antwerpen gefallen, das heißt, nachdem Hollands sinkendes Nationalvermögen um nichts und wieder nichts, einer[6] legitimen Grille wegen, noch tiefer zum Sinken gebracht worden. Meine Prophezeihungen der nächsten Zukunft erwarten von dieser ihre Belege.

Wie ich außerdem meinen Aufenthalt in Holland benutzt und fruchtbar gemacht habe, wie ich Kunst, Natur und Menschen aufgefaßt, Gegenwart mit Vergangenheit verglichen und alle zerstreuten Züge des holländischen Nationalcharakters in einen Brennpunkt zu sammeln bemüht gewesen, wird der Leser hoffentlich nicht ohne Theilnahme ersehen.

Daß meine eigne Persönlichkeit überall sehr stark hervortritt, bitte ich nicht als eine Unart, sondern als eine natürliche Folge der Umstände, des Orts und der Zeit zu betrachten. Holland ist ein zu eigenthümliches Land, um sich selbst darin zu verlieren, man spiegelt[7] sich auf Schritt und Tritt in Sumpf und stehendem Wasser. Die Zeit aber war und ist noch für den Deutschen kein lebendiger Strom, in den er in Selbstvergessenheit und Thatenlust eintauchen und untergehn möchte; es beugt die Weisheit und die Thorheit ihr Haupt über das Ufer und spiegelt sich wohlgefällig ab in der trägen Welle, ohne sich die Zehe naß zu machen.[8]

Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Holland in den Jahren 1831 und 1832
Holland in den Jahren 1831 und 1832: Ein Reisebericht
Holland in den Jahren 1831 und 1832.