Dritter Auftritt.

[73] Pomponius, Lätorius.


LÄTORIUS kommt von rechts, in dunklem Gewand, mit aufgeregten, doch leisen Schritten; wirft die Augen nach allen Seiten umher, bleibt zuletzt hinter Pomponius stehn, in die Straße zurückblickend, aus der er gekommen ist.[73]

POMPONIUS kummervoll vor sich hin, sich schüttelnd. Das Fieber, das dem römischen Staat durch die Adern läuft, steckt an: ich verspür's in mir. Ich werde krank! Immer klingt's mir wieder in den Ohren, dieses verwünschte Wort vom Gracchus: »ich verfluche dich!« – Meine Nerven sind schlecht. Ich sollte nach Hause gehn und unter die Decke kriechen – Wendet sich, erblickt Lätorius und erschrickt. Pluto und Proserpina! Wer steht da wie ein Geist?

LÄTORIUS. Ein Geist mit Fleisch und Bein, und mit Namen Lätorius.

POMPONIUS. Lätorius! – Warum stehst du auf einmal da, wie aus dem Mantel der Nacht hervorgekrochen? Mann, was führt dich hieher?

LÄTORIUS besinnt sich. Mich? – Dort nach der Wache zu sehn, – ob sie wacht, wie sie soll.

POMPONIUS. Deine Augen irren sonderbar umher, – wie wenn es hinter Wolken wetterleuchtet. Mann der ewigen Unruhe, kommst du vom Wein? Hast du zur Feier dieses schönen Friedenstages jungen Most getrunken?

LÄTORIUS. Daß ich nicht wüßte.

POMPONIUS. Oder hat dich auch das römische Fieber angesteckt? – Ich bin ein halber Arzt; gieb mir deinen Puls. Pfui! Deine Hand ist kalt und feucht. Gute Menschen, sagt man, haben trockene Hände! – Wo warst du vorhin, als das Volk mit Gajus in den Circus zog?

LÄTORIUS. Ich?

POMPONIUS. Ja, du! Warum fragst du so verloren zurück und starrst die Straße hinunter?[74]

LÄTORIUS. Ich war im Tempel des »rächenden Mars.«

POMPONIUS. Mensch, was thust du im Tempel des rächenden Mars? Hast du ihm irgend ein feindliches Land zum Opfer gelobt?

LÄTORIUS. Dies oder das, – sei es was es sei. – Pomponius, gute Nacht.

POMPONIUS. Gute Nacht! Dir kann man sie wünschen, junger Mann: nach Schlaf siehst du nicht aus. Doch wen soll's wundern: die Menschen sind wie die Zeiten! – Halb vor sich hin, weich. Ich will Gajus noch freundlich gute Nacht sagen, eh ich heimgehe: ich war vorhin mürrisch gegen ihn. – Führe dich nach Haus, Lätorius, und wünschen wir uns für morgen einen bessern Tag!

LÄTORIUS dumpf. Für Jeden, der ihn verdient!

POMPONIUS nach Scipio's Haus hinübersehend. Scipio, scheint's, kam noch nicht nach Haus. Gutmüthig lächelnd. Ich möchte nicht so »verflucht« sein wie er – nicht um die Ruinen von Carthago und Numantia! – Beim Jupiter, ich wünsch' ihm dennoch eine wohlschlafende Nacht. Mög' er von Frieden und Versöhnung träumen, und morgen mit dem rechten Bein zuerst aus dem Bette steigen! Grüßt zum Abschied, geht an Gracchus' Haus. Einer der wachenden Bürger – die fast alle in ihre Mäntel gehüllt am Boden liegen – öffnet ihm die Thür; Pomponius geht hinein.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 73-75.
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