Sechster Auftritt.

[100] Gracchus, Cornelia, Licinnia, Priester, Sclavinnen; Euporus, später Metellus mit Gefolge.


EUPORUS von hinten hereinstürzend. Alles ist hin – Pomponius, Lätorius gefallen – Erblickt den Sterbenden, steht erschüttert still.

GRACCHUS matt. Ich muß fort. – Cornelia – Rom – ihr meine Mütter, vergebt mir! – Rache und Freiheit – den Tiger und das Roß hatt' ich zusammengeschirrt; o meine Rache, die du die Freiheit zerfleischtest! So, so rächt' ich meinen Bruder Tiber!

LICINNIA. Gajus – tödte mich!

GRACCHUS. O Licinnia, meine Liebe überlebt meinen Haß; grüß' meine Lippen noch einmal, eh auch sie erlischt. O was für ein Kuß![100] Süß, süß wie Frieden und Vergebung – schmerzvoll wie die Schuld – – So zu sterben – ach! Stirbt.

LICINNIA. Todt! Gajus todt! – O Mutter, hast du keine Thränen für ihn?

CORNELIA furchtbar ruhig. Ihr Götter da oben, nun habt ihr nichts mehr zu fordern: meinen Letzten habt ihr mir genommen! – – Geweissagt hatten sie mir's, eh ich ihn gebar: eine Flamme werde er sein, die Rom verzehren werde oder ihn selbst. Den Thränen nahe. Die goldene, goldene Flamme – erloschen liegt sie nun da. Nein ich will nicht weinen; Rom ist mehr, als der Cornelia Sohn!

METELLUS kommt von rechts, bewaffnete Senatoren und Sclaven um ihn her; Trompeten und Hörner. Er tritt hastig vor, erblickt den Todten und betrachtet ihn in stummer Bewegung.

CORNELIA. Consul Metellus! Sieh her: Mein Sohn Gajus ist todt. Für Rom bracht' ich ihn zur Welt – für Rom bring' ich ihn heut als Opfer dar, mit gehorsamer Seele – Blickt still auf ihn hin; plötzlich mit gewaltsam sich lösendem Schmerz. Mein Sohn! mein Sohn! mein Sohn! Wirft sich über ihn hin.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Gracchus der Volkstribun. Berlin [1872], S. 100-101.
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