Neunter Auftritt

[284] Satilatlas. Temin von rechts zu den vorigen.


BERNHARD.

Ja, Sarazenen, doch so echte Ritter,

Als jemals fochten in der Christenheit.

MATFRIED zu Hugo.

Die Mauren – Fluch und Tod.

HUGO.

O das wird schlimm.

BERNHARD.

Mein Herr und Kaiser, diese edlen Mauren,

Sie haben Botschaft; wollt Ihr es erlauben,

Daß sie des Auftrags sich entledigen?

KAISER LUDWIG.

Für wen ist Eure Botschaft?

SATILATLAS.

Für Lothar,

Den König von Italien.

KAISER LUDWIG.

Und von wem?

SATILATLAS.

Vom Aquitanierkönige Pipin,


Allgemeine Bewegung.


Den vor zehn Tagen wir am Strom der Rhone

Im Lager fanden.

KAISER LUDWIG.

Meldet Eure Botschaft.[284]

SATILATLAS zu Lothar.

Herr, also hieß uns Euer Bruder sprechen:

»Ich bin vor Worms am festgesetzten Tag,

Und halte Euch das Netz – schafft Ihr die Fische.«


Große stürmische Bewegung.


KAISER LUDWIG.

Fluchwürd'ger Hohn! Das mir von meinen Söhnen?

WALA.

Ein Wort nur Herr –

KAISER LUDWIG erhebt sich.

Mein Herz steht in mir auf

Und sieht mich mit den Augen meines Jüngsten

Vorwurfsvoll an. – Karl, mein geliebter Sohn,

Komm an mein Herz, das Unrecht will ich sühnen,

Das ich dir tat.


Karl erhebt sich, tritt zum Vater.


Und hier aus meinem Herzen

Stoß' ich Euch aus, Euch beide, fort mit Euch!

Heim nach Italien, du, der Wall der Alpen

Türme, Lothar, sich zwischen dir und mir,

Und Ludwig, heim zur Donau!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Vater!

Du tust mir unrecht!

KAISER LUDWIG.

Brut der Unnatur.

Ihr küßt des Vaters Hand, solang sie schenkt

Und beißt hinein, wenn sie zu schenken aufhört.

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Ha, schnödes Unrecht!

LOTHAR.

Bruder Ludwig, laß,

Man rechtet nicht mit Kindern und mit Greisen.

KAISER LUDWIG.

Aus meinen Augen, gottverlass'ner Sohn![285]

WALA.

Allmächt'ger Gott, erbarme dich der Franken!

Gedenkt, o Herr, was Ihr zu Aachen schwurt!

BERNHARD.

Was geht uns Aachen an. Wir sind in Worms!

Des Reiches einst'ge Teilung ist zerrissen

Durch den Verrat der Söhne Irmengards.

LOTHAR.

Sprich das ein einzig Mal noch –

BERNHARD winkt.

Krone her!

Mit Händen sollt Ihr meine Antwort greifen!


Von rechts ein Ritter, welcher eine goldene mit bunten Steinen besetzte Krone auf purpurnem Kissen trägt.


BERNHARD nimmt ihm Kissen und Krone ab.

Dies Kleinod riß ich, Herr, im Maurenstreit

Vom Haupte des gekrönten Sarazenen.

Erweist mir Gnade, nehmt es zum Geschenk

Und krönt damit das Haupt des jungen Karl.

LOTHAR.

Kaiser, du nimmst sie nicht!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Bedenk' dich, Vater!

KAISER LUDWIG.

Gebt mir die Krone her.

LOTHAR UND LUDWIG.

Nein – wir verwehren's!


Stellen sich zwischen Bernhard und die Thronesstufen.


JUDITH steigt vom Throne herab.

Laßt sehn, ob Ihr auch mir zu wehren wagt.

Herzog, die Krone.

BERNHARD reicht ihr die Krone, leise.

Königliches Herz.[286]

LOTHAR.

Ah! Wär't Ihr etwas andres als ein Weib –


Tritt mit Ludwig zurück.


Besorgt für Kaiser Ludwig eine Spindel

Und aus dem Flachs macht seinem Weib 'nen Bart!

JUDITH zu Bernhard.

O Mann und Held. – Bernhard, du hast gesiegt.


Sie ersteigt mit der Krone den Thron.


KAISER LUDWIG nimmt ihr die Krone ab.

Knie' nieder, Karl.

WALA stürzt sich vor dem Kaiser nieder.

Hört mich in letzter Stunde

Zum letztenmal! Hütet Euch vor der Krone

Und vor der Hand, die Euch die Krone reicht!

Mir sagt mein Herz –

BERNHARD.

Ein Narr mit Eurem Herzen!

Wo zielen Eure giftigen Worte hin?

Wen meint Ihr, Abt?

WALA.

Dich mein' ich, du Verderber!

Noch sehe ich die düstre Quelle nicht,

Die deinen Eifer nährt –

BERNHARD.

Spart Euch die Mühe,

Und laßt's genug sein mit der Litanei!

Hört nicht auf diesen Schwätzer, Herr und Kaiser,

Krönt Euren Sohn.

WALA.

Noch nicht, o Herr, noch nicht!


Tritt auf Bernhard zu.


Arm kam ich in die Welt, arm werd' ich gehn,

Ein Gut nur hatte ich, es war das Reich

Des Großen Karl, das du mir heut zertrümmerst,


Legt die Hand auf Bernhards Schulter.


Sieh mir ins Angesicht und schwöre, Bernhard,[287]

Daß du dies alles, was du heute tatest,

Daß Haß du sä'test zwischen Kind und Vater,

Zwieträchtig machtest Kaiser und Vasall,

Schwör', daß du's tat'st aus Absicht reinen Wollens,

Aus Treue nur für Ludwig, deinen Herrn.

KAISER LUDWIG.

Laßt es genug sein.

LOTHAR, LUDWIG, DIE FRANKEN.

Schwören! Er soll schwören!

BERNHARD erhebt die Rechte.

So schmett're mich der Donner Gottes nieder

Und tilge mich hinweg von diesem Fleck,

Wenn Falschheit wohnt in meinem Eid – ich schwör's!

JUDITH.

Was sagt Abt Wala nun?

WALA.

Er – hat – geschworen. –


Bricht auf den Thronesstufen zusammen.


KAISER LUDWIG.

Auf deine Knie, Karl.


Karl kniet vor dem Kaiser.


Blickt her, Ihr alle,

So heb' ich ihn aus Staub und Niedrigkeit

Zu gleichem Recht empor mit seinen Brüdern –


Setzt ihm die Krone aufs Haupt.


Und so steh auf als König.

LOTHAR.

Büberei!

Ah! Du scheinheiliger, gleißnerischer Graubart!

BISCHOF EBO.

Um Jesus, denkt, Ihr sprecht zu Eurem Vater!

LOTHAR.

Dort predigt Buße, wo man Eide bricht!

Komm, Bruder Ludwig, kommt, Ihr Edlen alle,[288]

Sein männlich Angesicht erhebt der Zorn,

Nichts von Versöhnung mehr, Partei! Partei!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Ja gegen diesen ungerechten Vater

Wird Unnatur Gebot; empor das Banner

Und unser Recht!

DIE FRANKEN.

Für Ludwig und Lothar!

BERNHARD.

Rebellen Ihr vom ersten bis zum letzten,

Ist keiner, der für seinen Kaiser steht?

RUDTHARDT.

Heil Kaiser Ludwig!

DIE DEUTSCHEN.

Für den Kaiser wir!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Bedenkt Euch, deutsche Herrn!

RUDTHARDT.

Es ist bedacht,

Treulos undankbar pflichtvergeßne Söhne!

LOTHAR.

Nichts mehr zu diesen, und in diesen Staub,

Den scheidend ich von meinen Füßen schüttle,

Tret' ich hinunter jedes letzte Band,

Das zwischen mir und diesem Vater war!

WALA stürzt auf Lothar zu, ihm zu Füßen.

Geht nicht, Lothar, die heilige Natur

Wirft jammernd sich zu Euren Füßen nieder

Und fleht Euch an, laßt ab von diesem Streit!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Natur ist tot, nur eins noch ist geblieben.

Auf unsrer Seite steht das gute Recht!


Lothar, Ludwig, die Franken stürmisch links ab.
[289]

WALA.

Weh', Reich der Franken, wehe, großer Karl!


Er sinkt in die Arme der Geistlichen.

Vorhang fällt.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 7, Berlin 1911–1918, S. 284-290.
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