Zweiter Auftritt

[298] Agnes, Rieke kommen Arm in Arm von links.


STROBAND erhebt sich. Nu – Agnes, mein Kind? Bist du müde?

AGNES. Nein, Oheim.

STROBAND. Oder fehlt es wo?

AGNES. Nein, Oheim.[298]

STROBAND. Nicht müde, nicht krank, und so blaß? Dann hast du wohl gar Kummer?

AGNES wendet sich schweigend ab.

STROBAND. Kind – bist ja noch viel zu jung dazu.

RIEKE. Der Kummer kommt, wann's ihm paßt, nicht wann's uns beliebt.

STROBAND. Hat sie auch mitzureden, die Jungfer Naseweis? Was weiß denn sie von Kummer?

RIEKE. Mehr als mir lieb ist.

STROBAND. Dumme Gedanken hast du im Kopf, verstanden? Und die treibe ich dir aus.

RIEKE fällt Gertrud um den Hals. Ach Muhme, wir wollen ins Kloster, die Agnes und ich.

GERTRUD. Aber Kind, was sprichst du?

STROBAND faßt sie am Arm. Daß ich dir nicht den Kopf zurechtsetze! Treibt man Spott mit solchen Sachen?

RIEKE bricht in Tränen aus. Kein Spott, es ist mein Ernst; und ich bin unglücklich! So – so – unglücklich –

AGNES führt sie fort. Komm fort, komm.


Beide nach rechts hinter dem Hause ab.


STROBAND. Ins Kloster! So soll dich doch – Will ihr nach.

GERTRUD hält ihn zurück. Laßt sie gehn. Wißt Ihr wohl, das Weinen klang gar nicht wie Spaß.[299]

STROBAND hat sich wieder gesetzt. Weiß ich denn etwa nicht, wo es herkommt? Sie hat sich den Bengel in den Kopf gesetzt und ich gebe es nicht zu.

GERTRUD. Wen?

STROBAND. Mein Geselle von vorm Jahr – der Köhne Finke.

GERTRUD. Ist es ein schlechter Mensch?

STROBAND. Das wäre zuviel gesagt. Aber er hat nichts und wird nichts und dabei führt er ein loses Maul, und kurz und gut, ich geb' es nicht zu und es wird nichts dadraus.

GERTRUD. Henning Stroband, wenn ich denke, wie es mit uns steht, und Euch ansehe, dann könnt' ich Euch beneiden.

STROBAND. Mich – beneiden?

GERTRUD. Ja, weil Ihr es noch in Händen habt, Euer Kind glücklich zu machen, wenn Ihr wollt.

STROBAND. Aber wenn ich doch nicht glaube, daß es ihr Glück ist.

GERTRUD. Junge Herzen sind darin gescheiter als alte.

STROBAND. Ihr – sprecht – sonderbar ernst.

GERTRUD. Alte Leute nehmen die jungen nicht ernst; das ist nicht recht; junge Herzen leiden mehr als alte. Ich hab' es auch nicht geglaubt, bis ich es fühlen gelernt habe. Henning Stroband, es ist ein schreckliches Ding, sein Kind verkümmern zu sehn unter seinen Augen.


Pause.
[300]

GERTRUD. Seid Ihr mir böse?

STROBAND. Ihr – müßt viel erlebt haben.

GERTRUD. Ja, Gott behüte Euch vor meiner Erfahrung.

STROBAND wendet sich nach dem Hause. Wer kommt da?


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 298-301.
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