Vierter Auftritt

[301] Agnes, Rieke gehen von rechts durch den Garten nach links hinüber.


PERWENITZ. Da sind ja auch die Mädchens. Na, kommt heran, könnt mir auch noch 'mal die Hand geben. Agnes und Rieke treten herzu, reichen ihm eine nach der andern die Hand. Morgen geht's in den Krieg; ja Agnes, wir wollen dir deinen Vater 'rausholen aus dem Quitzow seinen Turm.

RIEKE. Aus dem Turm von Friesack?

PERWENITZ. Ja Rieke, was sagste dazu? Es wird stramme Arbeit.

STROBAND. Das will ich meinen! Gutwillig wird sich der Teufel nicht ergeben.

PERWENITZ lachend. Ne, davor steh' ich Euch; Dietrich Quitzow, das is kein Pappenstiel. Aber die Berliner werden auch nicht von Sirup sein; lauter stramme Jungens! Er sieht sich pfiffig lächelnd um. Eigentlich hatt' ich gedacht, ich würde hier noch jemanden finden, der adjes sagte –

RIEKE sieht sich ängstlich um.

PERWENITZ. Einen, der morgen auch mit ausrückt –

RIEKE umklammert seinen Arm. Wen meint Ihr?

STROBAND. Rieke –

RIEKE ohne Perwenitz loszulassen. Ach Vater –

STROBAND. Frau Trude, Ihr kennt ja Burg Friesack? Ein höllisches Nest? Nicht wahr?

GERTRUD. Es hat Türme wie Berge und seine Mauern sind hart wie Dietrich Quitzows Herz.[302]

PERWENITZ. Kriegen tun wir's aber doch: Unser Markgraf wird ihm ein Lied aufspielen, wie er's noch nie gehört hat.

STROBAND. Was meint Ihr?

PERWENITZ. Die große Donnerbüchse hat er sich kommen lassen aus Thüringen, und damit da schießen sie Kugeln, und wo so eine Kugel in den Turm schlägt, gibt's ein Loch und, wer seinen Kopp davor hält, kriegt 'ne Beule.

STROBAND. Nun wird mein Quitzow klein werden.

PERWENITZ. Kurz und klein.

AGNES tritt plötzlich heran. Sagt mir – sagt mir – ist auf Burg Friesack – Konrad von Quitzow auch?

PERWENITZ. Aber Mädchen – kreideweiß siehst du aus?

AGNES. Konrad von Quitzow auch?

PERWENITZ. Konrad und Dietrich, alle zwei beide.

AGNES hebt beide Arme. Konrad! Sie wankt.

GERTRUD fängt sie in ihre Arme. Agnes! Denke an Gott!

AGNES ohne Tränen. Konrad muß sterben, auf daß mein Vater lebt – so hat er es gefügt – Mutter, es gibt keinen Gott!

STROBAND. Agnes!

GERTRUD. Lästre nicht wider Gott![303]

AGNES. Du hast ihn gesehen, du hast ihn gekannt, Mutter – der schmetternde Stein soll zermalmen sein Haupt! Über sein zuckendes Herz werden sie schreiten mit stampfendem Fuß! Er hat geweint mit den Verzweifelnden – niemand wird weinen um ihn! Er war die Güte, er war barmherzig – seinen Namen bewahrt der Haß und sein Andenken wird leben im Fluch! Da wo er liegt im verlorenen Grabe, da liegen die Trümmer einer heiligen Welt, und nichts wird übrigbleiben davon, nichts als der zitternde Schrei eines Weibes, verhallend in der Wüste der Zeit! Sie bricht schluchzend zusammen.

STROBAND. Das ist ein schreckliches, unnatürliches Leid.

GERTRUD. Warum? Henning Stroband, warum nennt Ihr es unnatürlich? Für sie und für Euch und uns alle ist sie geschrieben, die schreckliche Satzung der Natur, daß die Bösen den Fluch aussäen in die Welt und daß die Guten ihn ernten und die Gerechten.


Sie richtet Agnes auf, geht mit ihr rechts ins Haus ab.

Pause.


PERWENITZ. Schade ist's um Konrad den Quitzow und ein Jammer um das Mädchen. Henning Stroband, was sagt Ihr?

STROBAND. Was soll ich sagen? Ihr habt recht.

PERWENITZ tritt zu ihm, legt ihm die Hand auf die Schulter. Wenn Ihr so denkt, dann hab' ich Euch noch 'was zu sagen: Zeigt auf das Haus. Da draußen steht einer und wartet.

STROBAND. So? Wer?

PERWENITZ. Einer, der morgen auf die Reise geht, von der niemand nich weiß, wann er zurückkommt – in den Krieg. Henning Stroband, ein schweres Herz ist ein schlechtes Reisegepäck – soll er so gehen?[304]

STROBAND nach kurzem Zögern. Na denn – meinetwegen.

PERWENITZ ruft ins Haus. Na Junge, denn komm mal 'ran.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 301-305.
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