Dritter Auftritt

[71] Vorige. Ale kommt von rechts zurück.


AUGUST. Kommen Sie herein, Herr Schmalenbach; Ihre Schwägerin wird Ihnen erzählen, was wir miteinander gesprochen haben, und Sie sollen Ihren Senf dazu geben und – und – Er schlägt Ale auf die Schulter. na und nun zeigen Sie, daß Sie ein verständiger Mann sind – auf Wiedersehn, Frau Schmalenbach, auf Wiedersehn! Geht rechts ab.

ALE steht mitten im Zimmer, sieht August nach, wendet sich dann zu Frau Schmalenbach. Na – nu?

FRAU SCHMALENBACH. Jott, Ale, was werden Sie sagen?[71]

ALE. Der sah ja aus, als hätt' er einen hinter die Binde jekippt? Was is denn los?

FRAU SCHMALENBACH. Raten Sie doch bloß mal.

ALE. Hat er Ihnen Rätsel aufjejeben?

FRAU SCHMALENBACH. Es kommt doch fast so 'raus – er will, daß die Lene – Unterbricht sich. nee, ich sage –

ALE. Sie sagen ja nischt.

FRAU SCHMALENBACH. Seine Frau soll sie werden!

ALE sieht sie groß an, fängt an schweigend zu grinsen.

FRAU SCHMALENBACH. Na, wat sagen Sie denn dazu?

ALE. Nehmen Sie's nicht übel – nu is es bei Ihnen wohl von die Beene in den Kopp gestiegen?

FRAU SCHMALENBACH. So wahr ick hier sitze, er will sie heiraten.

ALE. Na ja – ich verstehe –

FRAU SCHMALENBACH. Was?

ALE. Was man so bei die Reichen und die Vornehmen heiraten nennt: morjennatschich.

FRAU SCHMALENBACH. Was is denn das?[72]

ALE. Das is: an die linke Hand, daß die Rechte nich weeß, was die Linke tut und immer hübsch frei bleibt, wenn die Rechte kommt. Und darum heeßt das so, weil diejenigen, welche uf die Weise jeheiratet werden, heute lachen und morjen naatschen.

FRAU SCHMALENBACH. So is es aber nich; das hab' ick zuerst auch gedacht, aber so will er es nich machen; er will das Mädchen heiraten, janz richtig und reell.

ALE. So wie Sie dunnemals sich mit meinem Bruder verheiratet haben? Janz veritabelmang?

FRAU SCHMALENBACH. Janz veritabel.

ALE. Dunner-stag und Freitag!

FRAU SCHMALENBACH. Ja – nicht wahr?

ALE. Wissen Sie denn, was Sie denn sind?

FRAU SCHMALENBACH. Was denn?

ALE. Eene Schwiegermutter.

FRAU SCHMALENBACH. Na natürlich.

ALE. Is jar nich natürlich. Nich die Schwiegermutter von so oder so eenem, sondern von so eenem, heeßt das, von einem schauderhaft reichen Mann! Er geht auf und ab. Herr Jott, is das 'ne Jeschichte! Is das 'ne Jeschichte! Er bleibt vor ihr stehen. Nu lassen Sie sich bloß mal ansehen, wie Sie eigentlich aussehen?[73]

FRAU SCHMALENBACH. Wie soll ich denn aussehn?

ALE. Merken Sie es denn jar nich, daß Sie bis über die Ohren ins Jeld drin sitzen?

FRAU SCHMALENBACH. Es is wirklich wahr.

ALE. Nu können Sie sich anschaffen, wozu daß Sie Lust haben. Und een Paar neue Beene können Sie sich och koofen.

FRAU SCHMALENBACH. Na – was das anbetrifft –

ALE. Wenn ich's Ihnen sage – merken Sie denn nu, was er damit sagen wollte, daß Sie den Sommer eine Kur brauchen sollten?

FRAU SCHMALENBACH. Is wahr, da hat er schon dran jedacht.

ALE. Nu mal 'ran mit die Bäder und mit die Ärzte! Nu haben Sie Jeld, und für Jeld kriegt man heutzutage alles, sag' ick Ihnen. Sehn Sie, da sind in Berlin Ärzte, die sind so jeschickt, wenn zu denen eener kommt und hat ein Loch im Kopp wie eine Waschschüssel, schad't nischt – sie heilen's ihm zu, daß ein Jelehrter draus wird. Nur Jeld muß man mitbringen ins Portmonnäh. Da wird jar nich jefragt »wo fehlt's?« sondern nur »haben Sie Jeld?« Ja? Na denn is allens abgemacht. Ne? Na denn adje, grüßen Sie Murmeljöh.

FRAU SCHMALENBACH. Jott, Ale, sieht's denn wirklich so aus in der Welt?

ALE. Wenn ick's Ihnen sage – ick kenne die Sorte mit's jroße Portmonnäh. Es sind Äser, die Reichen, Äser sag' ich Ihnen![74]

FRAU SCHMALENBACH. Das sollten Sie doch aber nich sagen; Sie kriegen doch nu auch Jeld.

ALE. Als wie icke?

FRAU SCHMALENBACH. Na – Sie sind doch ihr Onkel?

ALE. Das is ja aber och wahr – daran hatte ick ja noch jar nich gedacht? Er kann doch den Onkel von seine Frau nich mang die Lumpen sitzen lassen? Dazu kenn' ich den Mann zu jut; das tut der Mann nich; wer weeß, er macht mich am Ende zu seinem Kompanjong?

FRAU SCHMALENBACH. Nu, man sachte, man sachte.

ALE. Ich kenne den Mann – lassen Sie jut sein – na denn freuen Sie sich, Herr Ilefeld, Sie sollen etwas erleben; mehr sage ich nich!

FRAU SCHMALENBACH. Jott – Ale – der Ilefeld –?

ALE. Na was?

FRAU SCHMALENBACH. Wenn ich man erst wüßte, was das Mädchen dazu sagen wird?

ALE. Was das Mädchen? – Na Sie sind wol nich –? Was das Mädchen – ne so was –

FRAU SCHMALENBACH. Sie hat ihren eigenen Kopp.

ALE. Ach wat Kopp – die Köppe sind dazu da – daß sie – daß sie zurechtgesetzt werden.[75]

FRAU SCHMALENBACH blickt nach dem Fenster. Da kommt sie gerade an.

ALE setzt sich. Dann lassen Sie mir man mit ihr reden.

FRAU SCHMALENBACH. Na ja, reden Sie man.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 10, Berlin 1911–1918, S. 71-76.
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