Siebenter Auftritt.

[173] Abellino plötzlich aus dem Gebüsche vor dem Dogen.


ABELLINO.

Ich, mein Fürst, wenn Ihr's erlaubt.

DOGE.

Mensch! – wer bist du?

ABELLINO.

Abellino.[173]

Euer und der Republik

Treuer und ergebner Diener.

DOGE empört, nach Schwert und Dolch suchend.

Ha! daß ich jetzt wehrlos stehe!

ABELLINO.

Fürchtet nichts, durchlauchter Herr.

DOGE mit Hoheit.

Wen suchst du auf dieser Insel?

Was hast du mit mir zu schaffen?

ABELLINO.

Abellino wollte sich

Seinem Herrn und Fürsten zeigen;

Denn man sagt, der Doge trüge

Große Neugier, ihn zu seh'n.

DOGE.

Ja, am Galgen.

ABELLINO mit Verbeugung.

Gnäd'ger Herr,

Die Erhöhung wäre wahrlich

Viel zu hoch für mein Verdienst.

DOGE.

Wie gelangtest du zur Insel?

ABELLINO.

Auf den Sohlen, durch die Luft,

Um Euch Trost zu sagen, wenn Ihr

An Banditentreue glaubt.

DOGE.

Unmensch, warum mußtest du

Don Canari's Mörder werden?[174]

ABELLINO.

Um ihn von der argen Welt,

Die ihn haßte, zu befrei'n.

DOGE.

Wer bezahlte dich?

ABELLINO.

Mein Herz.

DOGE.

Treibe deinen Höllenscherz,

Teufel, unter deinen Teufeln.

ABELLINO.

Glaubt, es ist mein baarer Ernst;

Aber Euch beliebt zu zweifeln.

Zum Beweis, wie wahr ich rede,

Gnäd'ger Herr, erlaubt zu sagen:

Euer Freund ist nicht der Letzte;

Einen Andern hol' ich nach.

DOGE.

Ungeheuer, du! was reizt dich,

Deine Hand in Blut zu tauchen,

In das Blut der besten Menschen?

ABELLINO.

Meine Liebe für ihr Blut.

DOGE.

Zittre, frecher Meuchelmörder,

Vor dem Grimm der Republik!

ABELLINO.

Zittern? ich? Hi, hi! die Feige

Zittert selbst vor Abellino.[175]

DOGE.

Wenn du uns entrinnst, du kannst

Nie der schweren Rache Gottes,

Die dich fordern wird, entgehn.

ABELLINO.

Hei, ich denke, wenn dort oben

Mit uns abgerechnet wird,

Will ich, sonder Müh' und Noth,

Meine Blutschuld leicht verfechten.

Wollt' Ihr aber Buße pred'gen,

Da sind andere Signoren;

Diebische Prokuratoren,

Falsche Staatsinquisitoren,

Hinterlist'ge Senatoren,

Ha! welch eine Menge – Ohren! ...

Ihnen predigt, gnäd'ger Herr!

Und ich will Euch Texte geben,

Bei St. Peter und St. Paul!

Eure Leute soll's dabei

Wie das kalte Fieber schütteln.

Macht nur einen Abendgang

Mit mir, durch Paläst' und Zellen,

Durch die Winkel, wo kein Licht brennt,

Und nichts geht vom Zehngebote,

Als das sechste auf den Kauf ...

DOGE.

Keinen schwärzern Bösewicht

Fänd' ich überall, als dich.

ABELLINO.

O Verzeihung, gnäd'ger Herr!

Es gibt da noch fromme Leute, –[176]

Wär' ich schwärzer, als ein Mohr,

Schneeweis prangt ich neben ihnen!

Edle Herrn, zum Beispiel, welche

Lieber heute noch, denn morgen,

Unsre große Republik

In die Lüfte sprengen möchten,

Um vom Geld- und Aemter-Regen

Sich ein Sümmchen zu erfegen.

Frömmler, die im heil'gen Eifer,

Wegen dieser Welt Verderben,

Fast vor Leid und Jammer sterben,

Aber dann, im Hinterstübchen,

Sich nicht scheuen, selbst dem Himmel

Tapfer X für U zu machen.

Priester, die in stolzer Demuth,

Freien Denkern Scheiterhaufen,

Brudermördern Ablaß spenden;

Die Vernunft des Volks beschneiden,

Um die willenlose Heerde

Unterm Hirtenstab zu weiden.

DOGE.

Schweig, denn mich gelüstet, wahrlich,

Deines Lästerwitzes nicht.

Du hast Trauer, hast Entsetzen

Ueber unsre Stadt gebracht;

Und je länger hier dein Fuß weilt,

Je unsel'geres Verderben

Ruft dein böser Geist hervor.

Du kannst deine Schuldenlast

Nicht mit tausend Henkerqualen,

Nicht mit hundert Toden zahlen. –[177]

Dennoch soll mich's nicht gereu'n,

Gnade dir, für Recht, zu bieten,

Räumst du, ungesäumt zur Stunde,

Das Gebiet der Republik.

Mangelt dir der Reisepfennig?

Hier ein Beutel voll Dukaten.


Schleudert ihm denselben zu.


ABELLINO wirft die Börse nachlässig auf den Boden.

Herr, ich bin nicht, um Zechinen

Zu erpressen, hier erschienen;

Sondern, daß Ihr rühmen möget:

Den Banditen Abellino

Sahet Ihr, in dieser Stunde,

Angesicht zu Angesicht.

Einst kann die Erinn'rung freuen.

DOGE.

Schwerlich, Mensch, in deinem Sinn.

ABELLINO ernst.

Hört mich! faßt mein Wort mit Glauben,

Und bewahrt es im Gedächtniß;

Denn es ist das Wort der Wahrheit

Und der Wahrsagung zugleich;

Sonst ein seltnes Schwesterpaar!

Bis dies Wort erfüllet worden,

Werd' ich Euch nicht mehr erscheinen.

Die geheiligte Person

Eurer Durchlaucht steht gehütet;

Jedes Haar von Euerm Haupt

Wird von einem Dolch bewacht.[178]

Wenn im tiefsten Grund erschüttert,

Bald, vielleicht in wenig Tagen,

Eures Staates Feste wankt:

Zittert nicht, erlauchter Herr,

Traut auf Euer treues Glück,

Auf Venedigs guten Stern!

Wenn, vielleicht heut' oder morgen,

Der und Jener unversehens

Aus dem Lande der Lebend'gen

In das Reich der Todten zieht:

Härmet Euch nicht um die Todten!

Traut auf Euer treues Glück,

Auf Venedigs guten Stern!

DOGE.

Ich vertrau' ihm, selbst wenn du

Seinen Untergang verkündigst.

ABELLINO.

Herr' gedenket meiner Worte!

DOGE.

Still, Würgengel, steh' mir Rede!

Sprich, wo ruht Canari's Leichnam?

Leider kannst du nicht sein Leben,

Doch die Asche wieder geben.

ABELLINO.

Sucht ihn in der blauen Luft.

Sucht mit tausend Luchsenaugen;

Dennoch müßt Ihr ihn nicht finden.

Wen ich mir aufs Korn genommen:

Weggeblasen, und verstoben

Ist er aus der Welt, als hätte[179]

Ihn sein Schöpfer nie geschaffen.

Basta! Habt ihr mehr zu fragen?

DOGE mit zorniger Bewegung.

Steh' mir Rede! Wisse, rings

Ist die Insel scharf bewacht.

Sbirren horchen in der Nähe.

Waffen her! – Du bist gefangen!

ABELLINO.

Ich gefangen? Hi, hi, hi!

Abellino schon gefangen?

Ei, da wär' er werth zu hangen.

DOGE schreiend.

He da! Hilfe! Leute, Hilfe!

ABELLINO richtet dicht vor dem Dogen einen Pistolenschuß in die Luft und verschwindet im Gebüsch.

Also Basta! und Adio!

DOGE zurücktaumelnd.

Halt! Wohin ist er geflüchtet?

Lebt kein Rächer mehr dort oben?

Leute, hieher! hieher, Leute!


Er geht rasch gegen den Hintergrund.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 173-180.
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