Brückenverstärkungen

[359] Brückenverstärkungen, die an beliebenden, vorzugsweise eisernen Brücken durch Hinzufügung von Verstärkungsgliedern vorgenommene Erhöhung ihrer Tragfähigkeit.

Solche Verstärkungen sind jetzt bei den meisten älteren eisernen Eisenbahnbrücken notwendig geworden, und zwar nicht etwa wegen eingetretener Verminderung ihrer Tragfähigkeit, sondern teils wegen der Mängel in der Detaildurchbildung und Dimensionierung, die durch die[359] Fortschritte in der Theorie und Praxis des Brückenbaues aufgedeckt wurden, hauptsächlich aber wegen der seit der Erbauung dieser Brücken beträchtlich schwerer gewordenen Fahrbetriebsmittel in Verbindung mit der erhöhten Fahrgeschwindigkeit. Während man vor zwei bis drei Dezennien nur mit dreiachsigen Lokomotiven von höchstens 12–13 t Achsdruck zu rechnen hatte, verkehren jetzt auf den Hauptbahnen vierachsige Lokomotiven mit Achsdrücken bis zu 15 t und darüber. Die neue österreichische Brückenverordnung vom Jahre 1904 schreibt fünfachsige Lokomotiven mit Achsdrücken von 16 t, dreiachsige Tender mit Achsdrücken von 13 t vor; es kann aber, für den Fall, daß weniger als fünf Achsen der Lokomotive auf dem Brückenträger Platz finden, die Erhöhung einer Last bis auf 20 t notwendig werden, um der Stoßwirkung der Lasten Rechnung zu tragen. Ebenso hat im Laufe der Zeit auch die Verkehrslast der Straßenbrücken eine bedeutende Erhöhung erfahren, und werden heute Straßenwalzen mit Achsdrücken von 8 t und 10 t zur Anwendung gebracht. Aehnliche Vorschriften, die eine Erhöhung der Verkehrslasten bezwecken, sind fast in allen Staaten zu finden. Die Brückenverstärkung geschieht in der Regel unter vollständiger Aufrechthaltung des Bahnverkehrs. Zu diesem Zwecke ist durch genaue Berechnung festzustellen, welche von den Konstruktionsteilen einer Ergänzung bedürfen; vielfach werden nur die Gurtungen der Hauptträger davon betroffen, während die übrigen Teile widerstandsfähig genug sind. Um eine gleichmäßige Beanspruchung zu erzielen, wäre eine Entfernung zu schwacher Konstruktionsglieder und ein Ersatz derselben durch stärkere angezeigt; da dies aber bei den meisten Gurtungsquerschnitten sehr beschwerlich wäre, namentlich infolge der Stoßverwechslungen in den Gurtungen, so hilft man sich in der Regel damit, daß man eine Verstärkung der Gurtungen durch Aufbringen von Lamellen herbeiführt. Wird dabei die Brückenkonstruktion nicht durch Unterbauung mit einem Gerüste entlastet, so nehmen die hinzugefügten Teile allerdings keinen Anteil an den Spannungen vom Eigengewichte der Brücke. Man wird in der Praxis bei Brückenverstärkungen vom Baue fester Gerüste der Kostenersparnis wegen in der Regel absehen; allerdings wird dadurch häufig nur eine recht unvollkommene Wirkung der angebrachten Verstärkungen erzielt. Einfacher gestalten sich Verstärkungen der Fahrbahn. Zunächst handelt es sich in der Regel um eine Verstärkung der Fahrbahnträger, der Querträger- und Schwellenträgeranschlüsse, wobei es bei eingleisigen Bahnbrücken allerdings oft schwierig ist, den Verkehr ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten. Das Fachwerk der Fachwerksträger wird entweder durch Hinzufügen neuer Strebensysteme (Verwandlung des einfachen Ständerfachwerks in ein gekreuztes System) oder durch Verstärkung der vorhandenen Ausfachungsstäbe verstärkt. Bei umfassenderen Auswechslungen und Verstärkungen der Hauptträger wird eine vollständige Einrüstung oder wenigstens eine Entlastung einzelner Knotenpunkte nicht zu umgehen sein. Bei Drahtbrücken hat man Verstärkungen in der Weise bewirkt, daß man den vorhandenen Kabeln neue zufügte, die gemeinsam mit jenen die Last zu tragen hatten. Ein Beispiel dieser Art bietet die Verstärkung der Drahtseilhängebrücke über die Saane bei Freiburg [1]. Weitere Beispiele für Brückenverstärkungen in der letzten Zeit sind: Aenderung der Hängebrücke bei Gotha, Verstärkung der Havelbrücke bei Rathenow [2].


Literatur: [1] Deutsche Bauztg. 1885. – [2] Zeitschr. f. Bauwesen 1895. – [3] Handbuch der Ingenieurwissensch., Bd. 2, Abt. 6, Leipzig 1903. – [4] Huß, Die Verstärkung eiserner Brücken in Oesterreich, Zeitschr. d. österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1889. – [5] Holzer, Die Verstärkung und Rekonstruktion der Etzelschen Netzwerkbrücken der Südbahn, Zeitschr. d. österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1895.

E. Horowitz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 359-360.
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