Differentialquotient

[764] Differentialquotient (Ableitung) einer Funktion y = f(x) von x heißt der Grenzwert, dem der Bruch f(x + Δx)/Δx = Δy/Δx bei fortwährendem Abnehmen des Zuwachses Δx zustrebt.[764]

Dieser Grenzwert kann aber nur dann einen endlichen, vom Vorzeichen von Δx unabhängigen Wert besitzen, wenn f(x) stetig und eindeutig ist; andernfalls wird er unendlich groß oder unbestimmt. Wird bei endlichen Differentialquotienten der Zuwachs der Veränderlichen unendlich klein, so wird es auch der Zuwachs der Funktion; beide gehen in Differentiale über, und der Differentialquotient ist daher das Verhältnis zweier Differentiale dy und dx. Man bezeichnet ihn mit dy/dx oder df/dx oder, wenn die unabhängige Veränderliche x selbstverständlich ist, mit y' oder f'(x).

Eine Funktion ableiten oder differenzieren heißt: den Differentialquotienten derselben bilden. Deutet man x als Abszisse, y als Ordinate einer Kurve, so daß y = f(x) deren Gleichung ist, so ist y' gleich der trigonometrischen Tangens des Winkels, den die Kurventangente mit der positiven x-Achse bildet. Die Kurve {steigt/fällt} je nachdem y {positiv/negativ} ist. Mittels der Gleichung dy = y'dx kann man die Aenderung (das erste Differential) von y ausdrücken durch den Differentialquotienten und die Aenderung von x.

Der Differentialquotient ist eine Funktion von x; man kann daher von ihm aufs neue den Differentialquotienten bilden und erhält:


Differentialquotient

als zweiten Differentialquotienten und d2y = y"dx2 als zweites Differential oder Differential zweiter Ordnung. Das letztere ist dem Quadrat von dx proportional und kann, mit einem ersten Differential verglichen, vernachlässigt werden dy + d2y = dy. Durch Fortsetzung dieses Verfahrens erhält man höhere Differentialquotienten. Der n. Differentialquotient wird bezeichnet: y(n) oder f(n)(x); ist n eine größere Zahl, so schreibt man römische Ziffern, z.B. yIV. Hängt eine Größe z von zwei unabhängigen x und y ab, so kann man x ändern und y unverändert lassen und erhält als Differentialquotient ∂z/∂x; bei der Ausführung dieser Operation wird angenommen, x allein sei unabhängige Veränderliche, y dagegen wird als Konstante behandelt. Aendert man y und läßt x ungeändert, so erhält man ∂z/∂y. Die beiden Größen ∂z/∂x = p und ∂z/∂x = q werden als partielle Differential quotienten bezeichnet. – Aus beiden setzt sich die Aenderung von z zusammen, wenn x und y zugleich geändert werden: dz = ∂z/∂x dx + ∂z/∂y dy das sogenannte totale Differential von z. Es gibt auch höhere partielle Differentialquotienten: r = 2z/∂x2; s = 2z/∂x∂y; t = ∂2z/∂y2. Dabei ist zu bemerken, daß die Reihenfolge der partiellen Differentiationen umgekehrt werden kann, d.h. es ist: 2z/∂x∂y = 2z/∂y∂x u.s.w., desgleichen für mehrere Veränderliche. – Ueber Bildung von Differentialquotienten und Rechnung mit denselben s. Differentialrechnung.

Wölffing.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 764-765.
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