Türkischrotöl

[645] Türkischrotöl, ein in der Färberei und Druckerei der Baumwolle benutztes Präparat, welches durch vorsichtiges Mischen von Rizinusöl mit konzentrierter Schwefelsäure unter Vermeidung einer Erwärmung der Masse über 35° C. und der Entwicklung größerer Mengen schwefliger Säure erhalten wird.

Das Produkt wird mit Wasser durchgearbeitet; man zieht die untere wässerige Schicht ab und wäscht so lange mit Kochsalzlösung aus, bis die Waschflüssigkeit nur noch schwach sauer reagiert. Schließlich wird so viel Ammoniakflüssigkeit oder Sodalösung eingerührt, daß sich eine Probe mit Wasser vollkommen emulsionieren läßt. Nach Untersuchungen von Benedikt und Ulzer enthält das saure, noch nicht neutralisierte Türkischrotöl einen in Wasser löslichen und einen nicht löslichen Teil. Ersterer besteht aus der der Aetherschwefelsäure analog zusammengesetzten Rizinolschwefelsäure, die sich aus der beim Verseifen des Rizinusöls entstandenen Rizinolsäure nach der Gleichung:


Türkischrotöl

bildet und dadurch charakterisiert ist, daß sie beim Kochen ihrer wässerigen oder alkalischen Lösungen unverändert bleibt, beim Erhitzen mit verdünnten Mineralsäuren aber leicht in Rizinolsäure und Schwefelsäure gespalten wird. Der unlösliche Teil des Türkischrotöls besteht größtenteils aus freier Rizinolsäure neben etwas Neutralfett. Da das Türkischrotöl aus Rizinusöl ausschließlich ungesättigte Säuren enthält, während das auch wohl aus Olivenöl oder Baumwollsaatöl in ähnlicher Weise bereitete Türkischrotöl aus gesättigten Säuren, wie Oxystearinsäure oder Oxystearinschwefelsäure, besteht, so ist ersteres wegen seiner großen Oxydationsfähigkeit, die bei der Fabrikation des Türkischrots gerade in Frage kommt, letzterem bei weitem vorzuziehen.


Literatur: [1] Müller-Jacobs, Dinglers Polyt. Journ., Bd. 251, S. 449 und 547; Bd. 253, S. 473; Bd. 254, S. 302. – [2] Liechti und Suida, Mitteil. des technolog. Gewerbemuseums in Wien, I, S. 31 u. 59. – [3] Schmid, H., Dingl. Polyt. Journ., Bd. 254, S. 346. – [4] Benedikt und Ulzer, Zeitschr. f. d. chem. Ind., 1887, S. 298. – [5] Scheurer-Kestner, Bull. Soc. Ind. Mulh., 1891, S. 53. – [6] Julliard, Archiv des sciences phys. et natur. de Genève, 1890, S. 134. – [7] Knecht, Rawson und Löwenthal, Färberei der Spinnfasern, Berlin 1900,01.

R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 645.
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