Zustand

[1042] Zustand eines Körpers (Bd. 5, S. 539) oder sonstigen materiellen Systems (Bd. 6, S. 333). Derselbe wird in der Energielehre und Wärmetheorie durch diejenigen Größen x, y, ... charakterisiert, welche als Unabhängigvariable die Energie E des Systems bestimmen. Als Zustandsänderungen sind dann die Aenderungen von x, y, ... und der dadurch bestimmten Größen (E, S, T, s. Bd. 3, S. 450; S. 815) ins Auge zu fassen. Kehrt das System nach irgendwelchen Zustandsänderungen in seinen Anfangszustand zurück (d.h. zu den anfänglichen x, y, ... und damit auch zu den anfänglichen E, S, T), so hat man es mit einem Kreisprozeß (s.d.) zu tun.

Bei beliebigem Koordinatensystem besteht die Gesamtenergie E = F(x, y, ...) = N + U aus der augenblicklichen (erkennbaren) lebendigen Kraft oder aktuellen Energie N und der sonst im System vorhandenen Arbeitsfähigkeit oder virtuellen Energie U, welche in der Wärmetheorie für N = 0 als Energie schlechtweg (S. 815) und in der Mechanik bei Existenz eines Kräftepotentials als potentielle Energie bezeichnet zu werden pflegt (Bd. 3, S. 450). Die Größen, welche N bestimmen, charakterisieren den äußeren Zustand, diejenigen, welche U bestimmen, den inneren Zustand des Systems. In der mechanischen Wärmetheorie (s.d.) werden in erster Linie Fälle betrachtet, in welchen von äußeren Kräften (Bd. 1, S. 103) nur ein auf die Oberfläche gleichmäßig verteilter Normaldruck von p pro Flächeneinheit wirkt und dieser zusammen mit dem Volumen v den inneren Zustand bestimmt, U = F(p, v). Wenn dann noch, wie gewöhnlich, N = 0 angenommen wird, so hat man auch die Gesamtenergie E = U = F(p, v). Zugleich besteht eine Beziehung ψ (p, v, t) = 0 zwischen p, v und der Temperatur t, welche die Zustandsgleichung heißt.

Die Aenderung der Energie eines Systems kann nur durch Aufnahme von außen oder Abgabe nach außen bedingt sein, wobei sowohl die Arbeit d K äußerer Kräfte (vgl. Aeußere Arbeit) als die sonstige Energie d Q (Wärme u.s.w.) in Betracht kommen, d E = d K + d Q. Umkehrbare Zustandsänderungen lassen sich derart rückgängig machen, daß unter Verwendung ungeänderter Energiequellen für die Abgabe und Aufnahme von d Q, d K die den Zustand bestimmenden Größen x, y, ... (in der Wärmetheorie meist p, v) beim Rückgange genau in entgegengesetzter Folge durchlaufen werden wie beim Hingange, womit das Gleiche für die Energie und andre durch x, y, ... bestimmte Größen gilt (für E, S, T bezw. U, S, T), und an jeder Stelle, wo beim Hingange gewisse Energiemengen d Q, d K zuzuführen waren, beim Rückgange genau die gleichen Quanta zu entziehen sind, und umgekehrt. Gelangt das System nach beliebigen, sämtlich umkehrbaren Zustandsänderungen in seinen Anfangszustand zurück, so hat man einen umkehrbaren Kreisprozeß (Bd. 5, S. 690). Die Bedingungen der Umkehrbarkeit sind von den auftretenden Energieformen abhängig. Bei Volumenänderungen müssen stets die auf die Oberfläche wirkenden äußeren Kräfte mit den ihnen von innen entgegenwirkenden Kräften im Gleichgewichte sein (abgesehen von Unendlich kleinen Verschiedenheiten, wie sie zum Beginne der Volumenänderungen nötig sind), weil sonst nicht nacheinander Expansion und Kompression stattfinden könnte. Während eines Wärmeübergangs zwischen dem betrachteten System und einem äußeren Körper müssen die beiderseits in Frage kommenden Teile fortwährend von gleicher Temperatur sein, weil bei verschiedenen Temperaturen der Uebergang nur in der Richtung von der höheren zur niederen Temperatur erfolgen könnte (vgl. Temperatur). Unendlich kleine Verschiedenheiten, wie sie der Beginn des Uebergangs erfordert, sind auch hier zugelassen. Unter den gewöhnlichen Voraussetzungen der mechanischen Wärmetheorie (s.d.) genügen diese zwei Bedingungen der Umkehrbarkeit, welche zwar häufig als zutreffend angenommen werden, aber auch dann im allgemeinen nur annähernd erfüllt sind. Beziehungen für die Zustandsänderungen der Wärmetheorie s.d. und Gase, Dampf (gesättigter und überhitzter), Aeußere Arbeit, Kreisprozeß, Adiabatische, Isothermische, Isodynamische, Polytropische Zustandsänderung, Isodiabatische Zustandsänderungen u.s.w.


Literatur s. Energie, Wärmetheorie und die zuletzt erwähnten Stichworte.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 1042.
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