Bodenchemie [3]

[97] Bodenchemie, die Lehre von der Bodenzusammensetzung, von den im Boden verlaufenden Vorgängen und deren Bedeutung für die Pflanzenernährung. Infolgedessen haben wir unter Bodenchemie zu berücksichtigen: Die Entstehung des Bodens, soweit chemische Agentien dabei in Frage kommen, und die sich daran anschließende Bodeneinteilung, die chemische Bodenanalyse, die chemischen Eigenschaften und die Düngung des Bodens.

Für die Aufschließung des Bodens wird ziemlich allgemein starke Salzsäure verwendet. J. Hissink weist mit Recht darauf hin, daß diese Behandlung des Bodens mit heißer starker Salzsäure zweckdienlich ist für die Charakterisierung der Bodentypen, für die Menge und Zusammensetzung des aktiven Bodenteils, für die Verwitterungsvorgänge und für das im Boden vorhandene Nährstoffkapital. Es muß aber dahingestellt bleiben, welcher Teil des letzteren für die Pflanzenernährung in Frage kommt. Diese Frage, in welcher Weise das Düngungsbedürfnis des Bodens festgestellt werden kann, muß durch die Bodenanalyse zusammen mit pflanzenphysiologischen Untersuchungen, Düngungs- und Vegetationsversuchen und Pflanzenanalyse zu lösen versucht werden. So sehr auf diesen verschiedenen Wegen dem Ziele auch zugesteuert wird, so müssen wir doch bekennen, daß auch die neueren Versuche uns dem Endziele noch nicht näher gebracht haben. Hier bleibt auch heute noch der Düngungsversuch als aussichtsreichster Weg. Die mit der Pflanzenanalyse verknüpfte Hoffnung wird durch die Ergebnisse der Versuche von E. Haselhoff stark herabgemindert, da nach ihnen die von P. Wagner angegebenen Grenzwerte für den Phosphorsäure- und Kaligehalt der Pflanzen nicht immer eine zutreffende Grundlage für die Beurteilung des Düngebedürfnisses des Bodens geben. Auch die Begebungen von Ramann, durch die Untersuchung der Preßsäfte verschiedener Bodenarten den Löslichkeitsvorgängen im Boden auf die Spur zu kommen, lassen bis heute einen abschließenden Erfolg noch nicht erkennen; der Weg scheint aber nicht aussichtslos zu sein und wird uns vielleicht auch zu einer besseren Erkenntnis der Bodenkonstitution führen. Hier werden[97] auch die kolloidchemischen Bodenforschungen zu Ergebnissen führen, die unser Urteil über die Beschaffenheit und Zusammensetzung der Böden klären werden.

Die Natur der Humussäuren ist weiter umstritten; Br. Tache und seine Mitarbeiter bringen weitere Belege für die von ihnen angenommene Säurenatur der Humussäuren. Ehrenberg kommt zu dem Schluß, daß im Moostorf sicherlich Säuren enthalten sind, und daß die sogenannten Humuskolloide zum größten Teil aus einer Substanz bestehen, die sich elektrolytisch wie eine drei- oder vierbasische Säure verhält, die aber keine dementsprechend aufgebauten Salze bilden kann, woraus sich ihre besonderen Eigenschaften und vermutlich auch die Fähigkeit der Humussäuren erklärt, starke Säuren, wie Salzsäure und Schwefelsäure, in Freiheit zu setzen. G. Fischer konnte die Säurenatur des Hochmoorhumus durch die Messung der elektromotorischen Kraft feststellen.

Nach den heute vorliegenden Versuchen von Lemmermann, D. Meyer, E. Haselhoff u.a.m. darf angenommen werden, daß Löwes Lehre von dem Kalkfaktor der Pflanzen keine allgemeine Gültigkeit hat.

Die Bemühungen, die stickstoffbindende Kraft des Bodens durch Impfen mit sogenannten N-Kulturen so zu erhöhen, daß damit im praktischen Betriebe gerechnet werden kann, haben bisher zu keinem abschließenden Erfolge geführt. Damit fällt auch die Bedeutung des mit diesen N-Kulturen geimpften Nitraginkompostes für den praktischen Betrieb. Wir müssen auch heute noch daran festhalten, daß die Bindung des Luftstickstoffs in einer für den praktischen Betrieb bedeutsamen Menge nur durch die ursprünglichen Nitraginkulturen, deren Bakterien mit denjenigen der Leguminosenknöllchen identisch sind, erreicht werden kann.

Als katalytisch wirkende Dünger, sogenannte Reizdünger, sind uns Stoffe (Schwefel, Mangan, Blei u.s.w.) empfohlen worden, die in kleinsten Mengen im pflanzlichen Organismus eine Sauerstoffübertragung auf organische Stoffe vermitteln können und hierdurch einen starken Anreiz auf das Pflanzenwachstum ausüben; sie sollen auch die Oxydation schädlicher Ausscheidungsstoffe der Pflanzen fördern und dadurch günstig wirken. Die bisherigen Versuche von Pfeiffer, E. Haselhoff u.a.m. bestätigen diese Behauptungen nicht.

Die Versuche von E. Haselhoff über die Zersetzung der bodenbildenden Gesteine durch den Einfluß der Witterung, des Pflanzenwachstums und der Düngung haben die früheren, in dem vorhergehenden Ergänzungsband angegebenen Resultate bestätigt.

Ueber die Ausführung der Bodenanalyse haben die Verhandlungen der internationalen Kommission bisher noch nicht zu allgemein anerkannten Vereinbarungen geführt. – Vgl. auch die Art. Abwässer und Rauchschäden.


Literatur: P. Ehrenberg, Die Bodenkolloide, Dresden 1918, – O. Nolte, Düngerund Düngen, Berlin 1918. – Fortschritte der Chemie, Physik und physikalischen Chemie, Berlin. – Internationale Mitteilungen für Bodenkunde, Wien. – Landw. Jahrbücher, Berlin. – Landw. Versuchsstation, ebend.

E. Haselhoff.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 97-98.
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