Krankheit und Tod

[691] Nach der Aufführung der »Zauberflöte« machte sich Mozart mit allem Eifer an die Vollendung seines Requiems1. Konstanze war am 7. Oktober 1791 mit ihrer Schwester Sophie wieder für kurze Zeit nach Baden gegangen. »Hätte ich nichts zu thun«, schreibt er ihr am 8.2, »so würde ich gleich auf die 8 Tage mit Dir hinausgegangen seyn; – ich habe aber daraus gar keine Bequemlichkeit zum arbeiten, und ich möchte gerne, soviel möglich, aller Verlegenheit ausweichen; nichts angenehmers als wenn man etwas ruhig leben kann, deswegen muß man fleißig seyn, und ich bin es gerne.« Das ist die einzige Erwähnung der Arbeit in Mozarts letzten Briefen nach Baden, die sonst noch den ganzen, auf Konstanze gestimmten, teils scherzhaften, teils besorgten Ton offenbaren. Um so stärker beschäftigte ihn das Werk innerlich, ja er wollte sogar keine Schüler mehr annehmen, solange es nicht fertig sei3. Diese fieberhafte Hast hing bereits merklich mit seiner Krankheit zusammen, die wiederum nur der letzte Ausläufer einer seit Jahren durch mangelhafte Ernährung, rastloses Arbeiten und schwere Sorgen aller Art bewirkten Erschütterung seiner Gesundheit war. Schon in seiner Jugend hatte er mehrere schwere Krankheiten durchgemacht, die zumeist mit den Reisestrapazen zusammenhingen4, und auch aus der früheren Wiener Zeit wissen wir durch Dr. Barisani von zwei solchen Fällen5. Zum »Titus« kam Mozart bereits als schwer leidender Mann nach Prag6, und von da an nahm seine Kränklichkeit immer mehr zu. Schon während der Vollendung der »Zauberflöte« stellten sich Ohnmachtsanfälle ein und verdüsterten seine Stimmung zusehends. Das beweist ein merkwürdiger italienischer Brief an einen unbekannten Empfänger, vielleicht da Ponte in London, vom 7. Sept. 17917:


[692] Affmo Signore. Vorrei seguire il vostro consiglio, ma come riuscirvi? ho il capo frastornato, conto a forza, e non posso levarmi dagli occhi l'immagine di questo incognito. Lo vedo di continuo, esso mi prega, mi sollecita, ed impaziente mi chiede il lavoro. Continuo, perchè il comporre mi stanca meno del riposo. Altronde non ho più da tremere. Lo sento a quel chel provo, che l'ora suona; sono in procinto di spirare; ho finito prima di aver goduto del mio talento. La vita era pur si bella, la carriera s'apriva sotto auspici tanto fortunati, ma non si può cangiar il proprio destino. Nessuno misura i propri giorni, bisogna rassegnarsi, sarà quel che piacerà alla providenza. Termino ecco il mio canto funebre, non devo lasciarlo imperfetto.


Seine Frau bot nach ihrer Rückkehr aus Baden alles auf, ihn von der Arbeit abzuhalten und auf bessere Gedanken zu bringen; er blieb zerstreut und schwermütig. Auf einem Ausflug in den Prater fing er an, mit ihr vom Tode zu sprechen und sagte mit Tränen im Auge, daß er das Requiem für sich schreibe. »Ich fühle mich zu sehr«, fuhr er fort, »mit mir dauert es nicht mehr lange; gewiß man hat mir Gift gegeben – ich kann mich von diesem Gedanken nicht losmachen8.« Dieser Ausspruch, der später zu einem ganz unbegründeten Verdacht gegen Salieri als Urheber der Vergiftung Anlaß gegeben hat9, ist ein beredtes Zeugnis für Mozarts krankhaft überreizten Gemütszustand. Aufs tiefste erschrocken versuchte Konstanze ihn mit allen Mitteln zu beruhigen; sie nahm ihm schließlich sogar die Partitur des Requiems weg und wandte sich an den Arzt Dr. Clossett um Rat.

Wirklich besserte sich Mozarts Zustand, so daß er seine Freimaurerkantate10 am 15. November vollenden und auch selbst dirigieren konnte.[693] Er fühlte sich jetzt so erholt, daß er selbst den Gedanken an seine Vergiftung als eine Folge seines Unwohlseins bezeichnete, das aber jetzt gehoben sei. Auch das Requiem ließ er sich von Konstanze zurückgeben und schrieb daran weiter.

Allein die Besserung war nur von kurzer Dauer. Schon nach wenigen Tagen kehrte die trübe Stimmung mit den Vergiftungsgedanken wieder, seine Kräfte verfielen mehr und mehr, Hände und Füße schwollen an, und eine fast völlige Unbeweglichkeit trat ein, auf die später plötzliches Erbrechen folgte. Nach Joseph Deiners11 Bericht kam er im November 1791 in die »silberne Schlange«, elenden Aussehens und über sein Befinden klagend, und bestellte Deiner für den anderen Morgen, um Holz für den Winter einzukaufen. Den anderen Tag erfuhr dieser von der Magd, in der Nacht sei ihr Herr so krank geworden, daß sie den Doktor habe holen müssen. Deiner fand Mozart im Bette liegend; er begrüßte ihn mit den kaum hörbaren Worten: »Joseph, heute ist's nichts, wir haben heut zu tun mit Doktors und Apothekers12.« Am 28. November war der Zustand so bedenklich, daß Dr. Clossett noch den Primararzt am allgemeinen Krankenhause, Dr. Sallaba, zu einer Beratung zuzog. Mozart blieb während der fünfzehn Tage, die er im Bette verbrachte, völlig bei Besinnung; er hatte den Tod beständig vor Augen und sah ihm gefaßt entgegen, aber nicht ohne Schmerz trennte er sich vom Leben. Erreichten ihn doch wenige Tage vor seinem Ende zwei Anträge, die ihn aller Not überhoben hätten: ein Teil des ungarischen Adels sicherte ihm eine Subskription von jährlich 1000 fl. zu, ein anderer, noch günstigerer Antrag kam aus Amsterdam13, und nun sollte er selbst fort und die Seinen einer ungewissen Zukunft überlassen! Trotzdem verließ ihn seine Herzensgüte auch jetzt nicht: niemals verriet er die geringste Ungeduld. Nur ungern ließ er seinen geliebten Kanarienvogel zuerst ins Nebenzimmer und dann noch weiter weg bringen, weil er sein Schlagen nicht mehr vertrug.

Sophie Haibl erzählt:


Nun als Mozart erkrankte, machten wir beide ihm die Nachtleibel, welche er vorwärts anziehen konnte, weil er sich vermög Geschwulst nicht drehen konnte, und weil wir nicht wußten, wie schwer krank er sei, machten wir ihm auch einen wattirten Schlafrock – – daß, wenn er aufstehete, er gut versorgt sein möchte, und so besuchten wir ihn fleißig, er zeigte auch eine herzliche Freude an dem Schlafrock zu haben. Ich ging alle Tage in die Stadt ihn zu besuchen, und als ich einmal an einem Sonnabend hineinkam, sagte M. zu mir: »Nun, liebe Sophie, sagen Sie der Mama, daß es mir recht sehr gut gehet, und daß ich noch in der Octave zu ihrem Namensfeste [22. Nov.] kommen werde, ihr zu gratulieren«.


Aufs lebhafteste verfolgte er den steigenden Beifall der »Zauberflöte« und war, mit der Uhr in der Hand, im Geiste bei der Aufführung: »jetzt ist der[694] erste Akt aus – jetzt ist die Stelle: Dir, große Königin der Nacht«14. Noch am Tage vor seinem Tode sagte er zu Konstanze: »einmal möchte ich doch noch meine Zauberflöte hören«, und summte ganz leise vor sich hin: »der Vogelfänger bin ich ja«. Der gerade anwesende Kapellmeister Roser ging darauf zum Klavier und sang das Lied, zu Mozarts sichtlicher Freude15. Auch das Requiem beschäftigte ihn fortwährend. Jede Nummer ließ er nach ihrer Vollendung gleich singen und spielte, solange es ihm noch möglich war, die Begleitung auf dem Klavier. Am Tage vor seinem Tode, um 2 Uhr nachmittags, ließ er sich die Partitur aufs Bett bringen und übernahm selbst die Altstimme16, während Schack wie gewöhnlich den Sopran, sein Schwager Hofer den Tenor und Gerl den Baß sang. Sie waren bei den ersten Takten des »Lacrimosa«, als Mozart im Gefühl, daß er es nicht vollenden werde, heftig zu weinen anfing und die Partitur beiseite legte17.

Als Sophie Haibl gegen Abend erschien, wurde sie von Konstanze mit den verzweifelten Worten empfangen: »Gottlob, daß Du da bist, heute nacht ist er so schlecht gewesen, daß ich schon dachte, er erlebt diesen Tag nicht mehr; wenn er heute wieder so wird, so stirbt er die Nacht.« Als sie zum Bette trat, rief Mozart ihr zu: »Ach gut, liebe Sophie, daß Sie da sind, Sie müssen heute Nacht dableiben, Sie müssen mich sterben sehen.« Sie suchte ihm, mühsam ihre Fassung bewahrend, diese Gedanken auszureden; er antwortete: »Ich habe ja schon den Totengeschmack auf der Zunge, und wer wird dann meiner liebsten Konstanze beistehen, wenn Sie nicht hier bleiben?« Sie bat, nur auf einen Augenblick zu ihrer Mutter gehen zu dürfen, um ihr Nachricht zu bringen. Auf Konstanzes Wunsch sprach sie unterwegs bei den Geistlichen von St. Peter vor und bat, es möge einer wie von ungefähr zu Mozart kommen. Sie hatte große Mühe, »einen solchen geistlichen Unmenschen« zum Kommen zu bewegen. Vielleicht schreckte sie Mozarts Freimaurertum ab, vielleicht ein anderer Grund; gekommen scheint einer von ihnen schließlich aber doch noch zu sein18. Bei ihrer Rückkehr fand Sophie Haibl den Schwager in eifriger Unterhaltung mit Süßmayer über das Requiem, wobei er mit feuchtem Auge sagte: »Habe ich es nicht gesagt, daß ich dies Requiem für mich schreibe?« Er war seines nahen Todes so sicher, daß er seiner Frau auftrug, sie sollte, ehe sonst etwas verlautete, Albrechtsberger von seinem Tode benachrichtigen, denn ihm gehöre vor Gott und der Welt seine Stelle an der Stephanskirche19.

Spät abends schickte man noch zum Arzt und fand ihn nach langem Suchen im Theater; er erbot sich, nach Schluß der Vorstellung zu kommen. Insgeheim verständigte er Süßmayer von der Hoffnungslosigkeit der Lage[695] und verordnete noch kalte Umschläge um den Kopf, die den Sterbenden so erschütterten, daß er das Bewußtsein verlor. Von jetzt ab lag er in wirren Phantasien da, anscheinend immer noch mit dem Requiem beschäftigt; er blies die Backen auf und suchte mit dem Munde die Pauken nachzuahmen. Gegen Mitternacht richtete er sich auf und blickte starr ins Leere, dann neigte er sein Haupt gegen die Wand und schien einzuschlummern. 55 Minuten nach Mitternacht20 trat am 5. Dezember der Tod ein21.

Gleich darauf erschien Graf Deym22 und nahm die Totenmaske ab23; am frühen Morgen wurde Deiner gerufen, »um den Herren anzuziehen«. Die Leiche wurde mit einem Toten-Bruderschaftsgewande von schwarzem Tuche bekleidet auf eine Bahre gelegt, ins Arbeitszimmer gebracht und in der Nähe des Klaviers aufgestellt; dort fand sich tagsüber eine Schar Leidtragender ein, um den Künstler noch einmal zu sehen. Die Wiener Zeitung sagte24:


In der Nacht vom 4. zum 5. d.M. verstarb allhier der k.k. Hof-Kompositor Wolfgang Mozart. Von seiner Kindheit an durch das seltenste musikalische Talent schon in ganz Europa bekannt, hatte er durch die glücklichste Entwickelung seiner ausgezeichneten Naturgaben und durch die beharrlichste Verwendung die Stufe der größten Meister erstiegen; davon zeugen seine allgemein beliebten und bewunderten Werke, und diese geben das Maaß des unersetzlichen Verlustes, den die edle Tonkunst durch seinen Tod erleidet.


Ein Brief aus Prag vom 12. Dez. 1791 berichtete25:


Mozart ist – todt. Er kam von Prag kränklich heim, siechte seitdem immer; man hielt ihn für wassersüchtig und er starb zu Wien Ende voriger Woche. Weil sein Körper nach dem Tode schwoll, glaubte man gar, daß er vergiftet worden. Eine seiner letzten Arbeiten soll eine Todtenmesse gewesen sein, die man bei seinen Exequien aufgeführt hat. Nun er todt ist, werden wohl die Wiener erst wissen, was sie an ihm verloren haben26. Im Leben hatte er immer viel mit der Kabale zu thun, die er indessen wohl zuweilen durch sein Wesen sans souci reizte. Weder sein Figaro, noch sein Don Juan machten in Wien Glück, doch desto mehr in Prag. Friede sei mit seiner Asche!
[696]

Konstanze, die am Tage vorher so unwohl gewesen war, daß der Arzt auch ihr Arznei verordnete, brach nunmehr völlig zusammen und legte sich sogar in das Bett des Toten, um von derselben Krankheit ergriffen zu werden und ihm im Tode nachzufolgen. Sie blieb auch jetzt ihrer Natur getreu27, und ebenso war es mit van Swieten. Er fand sich zwar alsbald im Trauerhause ein, suchte die Witwe zu trösten und veranlaßte sie, für ein paar Tage im Hause einer befreundeten Familie Wohnung zu nehmen. Zugleich gab er ihr aber den dringenden Rat, in Anbetracht der dürftigen Verhältnisse das Begräbnis doch ja so einfach wie nur möglich einzurichten. Es fand denn auch mit dem Kondukt dritter Klasse statt, der 8 fl. 36 kr. kostete, dazu kamen 3 fl. für den Leichenwagen. So lohnte dieser schwerreiche Mann und große Musikpapst dem Künstler alle die vielen Dienste, die er ihm fast zehn Jahre hindurch erwiesen hatte!

Am 6. Dezember nachmittags 3 Uhr wurde die Leiche bei St. Stephan in der Kreuzkapelle an der Nordseite, wo sich die Capistranskanzel befindet, eingesegnet. Es herrschte ein heftiges Regen- und Schneewetter; die wenigen Freunde, die sich zur Feier eingefunden hatten, unter ihnen van Swieten, Salieri, Süßmayer, Deiner, Roser, der Cellist Orsler28, standen mit Regenschirmen um die Bahre, die dann durch die große Schulerstraße dem Friedhofe von St. Marx zugeführt wurde. Da das Wetter sich immer mehr verschlechterte, beschlossen die Leidtragenden, beim Stubentore umzukehren29; kein Freund stand am Grabe, als der Sarg hinabgesenkt wurde. Es war nach Swietens Rat ein Armengrab, das für gewöhnlich fünfzehn bis zwanzig Särge aufnahm und alle zehn Jahre neu besetzt wurde. So fand Mozart seine letzte Ruhestätte bei den Allerärmsten von Wien; kein Mal gab Kunde von dem Orte, wo er begraben wurde. Deiner fragte die Witwe, ob sie ihm nicht ein einfaches Kreuz setzen lassen wolle; sie antwortete, er bekomme sowieso eines, da sie der Meinung war, daß die Pfarre, wo die Einsegnung stattfinde, auch für ein Kreuz sorge. Als sie nach ihrer Genesung einige Zeit darauf mit Freunden den Kirchhof besuchte, empfing sie ein neuer Totengräber, der ihr das Grab ihres Mannes nicht mehr zu zeigen vermochte. Alles Suchen war vergebens, und auch später ist es trotz allen Anstrengungen nicht gelungen, Mozarts letzte Ruhestätte mit Sicherheit zu ermitteln30. Konstanzes[697] Verhalten dabei ist gewiß nicht zu entschuldigen; es war ganz ihre Art, die Dinge gehen zu lassen, wie sie wollten; auch ihre charakteristischen Temperamentsausbrüche ändern daran nichts. So schrieb sie auf die Rückseite des Albumblattes von Dr. Barisani31:


Was Du einst auf diesem Blatte an Deinen Freund schriebst, eben dieses schreibe nun ich tiefgebeugt an Dich, vielgeliebter Gatte! mir und ganz Europa unvergeßlicher Mozart! Auch Dir ist nun wohl, auf ewig wohl!

Um 1 Uhr nach Mitternacht vom 4. zum 5. Dezember deß Jahres verließ er in seinem 36. Jahre – o, nur Allzufrühe! – diese gute, aber undankbare Welt – o Gott! – Acht Jahre knüpfte uns das zärtlichste, hienieden unzertrennliche Band. O könnte bald auf ewig mit Dir verbunden seyn

Deine äußerst betrübte Gattin

Constance Mozart née Weber.


Wien, den 5ten Decem. 1791.


Die Lage der Mozartschen Familie nach seinem Tode war traurig32. An barem Gelde fanden sich 60 fl. vor, wozu noch 133 fl. 20 Kr. rückständige Besoldung kamen; andere Ansprüche mußten von vornherein aufgegeben werden33. Der ganze Hausrat, mit Mozarts Kleidung und Bibliothek34, wurde auf noch nicht 500 fl. geschätzt. Dem gegenüber standen aber beträchtliche Schulden, nicht nur an Puchberg, der kein Wort darüber verlor und Konstanze bei der Ordnung des Nachlasses treulich zur Hand ging, sondern auch an Handwerker und Kaufleute aller Art, die bezahlt sein wollten35 – im ganzen waren es 3000 fl. In dieser Lage beschloß Konstanze, die Großmut des Kaisers anzurufen. Dabei galt es zuerst einem verleumderischen Gerücht von Mozarts angeblichen Ausschweifungen entgegenzutreten, die ihn in eine Schuldenlast von 30000 fl. gestürzt hätten. Es handelte sich dabei besonders um eine Eifersuchtstragödie, die sich am 10. Dez. 1791 im Hause des KanzlistenFranz Hofdemel36 abgespielt hatte und mit der Mozarts[698] Name in Verbindung gebracht wurde37. Konstanze erhielt diese Kunde von einer Schülerin Mozarts und zugleich den Rat, den erzürnten Kaiser in einer Audienz über die Haltlosigkeit jener Gerüchte aufzuklären. So übergab sie ihr Gesuch am 11. Dezember38 dem Kaiser persönlich und wies darauf hin, daß ihr Gatte sich jene Verleumdungen allein durch sein Talent zugezogen habe. Neider und Feinde hätten seine Schulden verzehnfacht, mit 3000 fl. könnte sie alle Forderungen befriedigen; auch seien diese Schulden nicht leichtsinnig gemacht, sondern eine Folge ihrer gedrückten Vermögenslage sowie häufiger Krankheiten und Kindbetten gewesen. Leopold II. ließ sich umstimmen und forderte sie auf, ein Konzert zu geben, an dem er sich so großmütig beteiligte, daß sie ihre Schulden bezahlen konnte39. Ihr Pensionsgesuch aber wurde, da Leopold am 1. März 1792 starb, von seinem Nachfolger Franz II. auf die Fürsprache des Fürsten Starhemberg genehmigt. Sie erhielt 266 fl. 40 kr. jährlich40.

Fußnoten

1 Das Folgende nach den Berichten Konstanzes bei Niemetschek S. 34 ff. und Nissen S. 563 f. Damit stimmen die Nachrichten überein, die sie 1829 in Salzburg einer Engländerin gab (The Musical World 1837, Aug. u. Sept.; Hogarth, Mem. of the opera II 196 f.). Eine weitere authentische Quelle ist Sophie Haibls Brief vom 7. April 1825, im Auszug bei Nissen S. 573 f., vollständig bei Nohl, Mus. Skizzenbuch und Mozart n.d. Schilderung s. Zeitgen. S. 390 und neuestens MM I 21 ff.


2 B II 352.


3 So wies er eine ihm von Jos. v. Jacquin empfohlene Klavierspielerin ab, Mosel, Über die Orig.-Part. des Requiem S. 5, vgl. auch Stadler, Nachtr. S. 17.


4 I 34, 56, 95, 169.


5 I 845.


6 S.o.S. 588. Vgl. auch S. 567.


7 Im Besitz von Mr. Gouny in London, doch ist der jetzige Verbleib des Originals nicht mehr zu ermitteln. Abgedruckt B II 350.


8 Selbst Niemetschek bemerkt bei der Erwähnung von Mozarts frühem Tod: »wenn er ja nicht auch künstlich befördert war« (S. 44). Detouche erwähnt die Vergiftungsgeschichte gegenüber Sulp. Boisserée (I 292), auch Mar. Sessi glaubte daran (N. Berl. Mus. Ztg. 1860, S. 340). Selbst Konstanze sagt in einem Briefe an Reg.-Rat Ziegler in München (25. Aug. 1837) von ihrem Sohne, er wisse, daß er nicht wie sein Vater Neider zu befürchten habe, die ihm nach dem Leben trachteten.


9 Er sollte sich auf seinem Totenbette dessen selbst bezichtigt haben (AMZ XXVII 413). Das bestreitet Carpani (Biblioteca Italiana 1824) mit Nachdruck unter Hinweis auf die Aussagen von Salieris Krankenwärtern Rosenberg und Porsche und auf ein ärztliches Zeugnis, wonach Mozart an Gehirnentzündung gestorben sei. Nach Moscheles (Autobiogr. Notizen, Leipzig 1874) hat Salieri selbst auf seinem Sterbebette das Gerücht als unwahr bezeichnet, ebenso trittNeukomm, Berl. Allg. mus. Ztg. 1824, S. 172, energisch für Salieri ein. Nach Beethovens Konversationsheften erzählte Schindler dem Meister Anfang 1824: »Mit Salieri geht es wieder sehr schlecht. Er ist ganz zerrüttet. Er phantasiert stark, daß er an dem Tod Mozarts Schuld sey und ihn mit Gift vergeben habe. Das ist Wahrheit, denn er will dieß als solche beichten. – So ist es wahr wieder, daß Alles seinen Lohn erhält.« Vgl. Kalischer Mk IV, H. 2, S. 119. Natürlich haben solche Phantasien eines Sterbenden gegenüber den sonstigen Nachrichten keine Beweiskraft. Salieris Freund, der Kapellmeister Schwanenberg in Braunschweig, meinte sogar zu dem Gerücht, Mozart sei dem Neide der Italiener zum Opfer gefallen: »Pazzi! non ha fatto niente per meritar un tal onore« (AMZ XXI 120. Sievers, Mozart und Süßmayr S. 3 f.). Daumer (Aus der Mansarde IV 75 f.) wollte endlich wissen, Mozart sei durch den Freimaurerorden vergiftet worden! Schließlich ist die Vergiftungslegende noch von Gustav Nicolai zum Gegenstand einer ziemlich traurigen Novelle gemacht worden (»Der Musikfeind«, Arabesken für Musikfreunde I, Leipzig 1825).


10 S.o.S. 63.


11 I 841.


12 Wiener Morgenpost 1856, Nr. 28. Nohl, Mozart n.d. Schilderungen s. Zeitgen. S. 384 f. Prochazka S. 180 f.


13 Vgl. das spätere Gnadengesuch Konstanzes, Beil. I, 17.


14 AMZ I 149.


15 Monatsschrift für Theater und Musik 1857, S. 446.


16 Mozart hatte eine zarte Tenorstimme. Nur wenn er beim Dirigieren lebhaft wurde, sprach er kräftig und laut (Hogarth, Mem. of the opera II 198).


17 Nach Schacks Mitteilung, AMZ XXIX 520 f. Nissen, Nachtr. S. 169.


18 Vgl. Kreitmaier, Mozart S. 111, wo diese grobe Pflichtverletzung auf die Erziehung der Geistlichen in den josephinischen Seminarien zurückgeführt wird.


19 S. I 825.


20 Diese genaue Zeitangabe verdanken wir Marianne, Notteb. S. 109. Vgl. Journal d. Luxus u.d. Moden 1808, II 803.


21 Der Totenschein nennt Mozarts Krankheit ein »hitziges Frieselfieber«. Die Ärzte waren sich über ihre Natur nicht einig (Niemetschek S. 37). Die Diagnose auf Gehirnhautentzündung (s.o.) hat wenig für sich, da Mozart bis auf die letzten wenigen Stunden bei Besinnung blieb. Dr. Güldner vermutete 1824 (bei Carpani) ein damals epidemisches »rheumatisches Entzündungsfieber«, andere rieten auf Wassersucht (s.u.) oder auf Schwindsucht (Nissen S. 571), Dr. J. Barraud auf die Brightsche Nierenkrankheit, Schurig II 277.


22 S.o.S. 574.


23 Nissen S. 574, Anh. S. 181, Brief Konstanzes b. Notteb. S. 133. Diese Maske ist später verschollen. Konstanze soll einen Abguß davon zerbrochen haben. Nohl, Mozart n.d. Schilderungen s. Zeitgen. S. 392. Engl. S. 50.


24 1791, Nr. 98.


25 Mus. Wochenbl. S. 94.


26 Ein Wiener Tonsetzer – man riet auf Salieri – sagte nach Niemetschek S. 84: »Es ist zwar schade um ein so großes Genie, aber wohl uns, daß er tot ist; denn würde er länger gelebt haben, wahrlich! die Welt hätte uns kein Stück Brot mehr für unsere Kompositionen gegeben.«


27 I 813 ff.


28 Monatsschr. 1857, S. 446. Nottebohm S. 55. Sicher waren außerdem auch seine Schwäger Lange und Hofer, sowie Schack zugegen. Schikaneder fehlte nach Nissen S. 572; er soll aufs tiefste erschüttert ausgerufen haben: »Sein Geist verfolgt mich allenthalben, er steht immer vor meinen Augen.«


29 Wiener Morgenpost 1856, Nr. 28.


30 Vgl. Journ. d. Luxus und der Moden 1808, II 801 f. Die ganze ältere Literatur über die Streitfrage bei Wurzbach S. 148 ff. Daraus sind besonders zu nennen die Forschungen von Al. Fuchs in Frz. Gräffers kleinen Memoiren 1845, I 227 f. (mit negativem Ergebnis). Eine trügerische Spur kam 1845 zum Vorschein (Illustr. Familienbuch 1852, II 117). Neues Material brachte Joh. Ritter v. Lucam, Die Grabesfrage Mozarts, Wien 1856. Durch Erkundigung bei zwei Musikern, die Mozart noch gekannt hatten, Freystädter (I 827 u.o.S. 50, 53) und Scholl, ermittelte er, daß das Grab rechts vom Friedhofskreuz in der dritten oder vierten Reihe sich befunden habe. Dazu stimmt die Angabe des Totengräbers (Nissen S. 576), und amtliche Nachforschungen haben 1856 wahrscheinlich gemacht, daß es in der vierten Reihe rechts vom Kreuze in der Nähe eines Weidenstrauchs war (Wiener Blätter für Musik, Theater und Kunst 1859, Nr. 97 f.). Nach einer Dresdener Mitteilung (NZfM 1890, Nr. 52, S. 589) hätte der Totengräber, ein Verehrer Mozarts aus seiner Knabenzeit, das Grab sogleich in seinem Kalender vermerkt und zehn Jahre darauf beim Umgraben des Massengrabes den Schädel Mozarts an sich genommen, der dann von seinem Nachfolger übernommen worden sei. Dieser angebliche Schädel Mozarts ging 1842 an den KupferstecherJak. Hyrtl und dann an dessen Bruder, den bekannten Anatomen in Wien, über. Nach dessen Tode gelangte er in den Besitz des Salzburger Mozarteums, wo er sich noch befindet, vgl. Engl, MJB 1892 f., der den Schädel für echt hält. Indessen ist die Echtheit keineswegs sicher, vgl. Schafhäutl, Stuttgarter Neue Musikzeitung XI, 20. MBM Heft 22, S. 466.


31 I 845 f. mit Mozarts Nachschrift. Konstanzes Worte im Faksimile bei Schurig II 333.


32 Die Nachlaßakten in der Deutschen Mus.-Ztg. 1861, S. 284 f.


33 So 300 fl. an Franz Gilowsky, der im Juli 1787 als verschuldet entwichen zitiert wurde (Posttägl. Anzeig. 1787, Nr. 35), und 500 fl. an Anton Stadler.


34 Die vorhandenen Bücher und Musikalien wurden auf 23 fl. 41 kr. geschätzt.


35 Die Apothekerrechnung allein belief sich auf über 200 fl.


36 I 841.


37 Vgl. darüber O. Jahn, Ges. Aufsätze über Musik, S. 230 f., F. Bischoff MBM Okt. 1906, S. 306 f. Auch Beethoven weigerte sich lange, vor Frau Hofdemel zu spielen, weil sie »die Geschichte mit Mozart gehabt habe«. Thayer-Riemann II 22, 150 f.


38 S. Beilage I 17.


39 Es fand am 28. Dezember statt.


40 S. Beilage I 17.


Quelle:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Leipzig 31955/1956, S. 699.
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