6.

Lehr- und Wanderjahre.1

Wir finden Haydn auf der Straße wieder. Es war an einem feuchten Novemberabende im Jahre 1749, wenige Wochen nach dem Priesterjubiläum im Dome. Haydn's ganzer Reichthum bestand in seinen abgenutzten Kleidern, die er am Leibe trug. Gequält von Hunger, die Taschen leer, ohne Freund, den er um ein schützendes Obdach hätte angehen können, irrte der Arme die Nacht hindurch in den Straßen Wiens umher, bis er endlich erschöpft sich auf die nächstbeste Sitzbank niederließ. So fand ihn der grauende Morgen und mit ihm trat die Noth mit verdoppelter Strenge an ihn heran. Wohl mögen seine Gedanken zunächst auf das Vaterhaus gerichtet gewesen sein und über den Entschluß, dahin seine Schritte zu lenken, hätten vielleicht die nächsten Stunden entschieden. Da führte ihm der Zufall einen Bekannten zu; es war der Tenorist Spangler, zu jener Zeit Erzieher in einem Privathause und Chorist in der Hofpfarrkirche St. Michael. Haydn erzählte ihm sein Mißgeschick und der Sänger, von der trostlosen Lage des Verstoßenen gerührt, bot ihm seinen Schutz an. Spangler gestand, daß er mit Weib und Kind zwar nur ein einziges Dachzimmer inne[117] habe, daß sich aber eine, wenn auch bescheidene Lagerstätte wohl werde herrichten lassen. Haydn folgte seinem Retter und war für die nächste Zeit geborgen. Suchen wir unterdessen über den braven Mann Näheres zu erfahren.2

Johann Michael Spangler hatte, 27 Jahre alt, am 12. Febr. 1748 die ledige Maria Theresia Kürner geheirathet. Die Trauung fand bei St. Michael statt. Die dieser Ehe entsprossenen Kinder hießen Franz Michael Anton, Maria Magdalena Rosalie, Johann Georg Joseph, Maria Margaretha Thekla, Barbara und Ignaz Vincenz.3 Nach dem Tode seines Vorgängers Ferdinand Zangl, der im 70. Lebensjahre als Chorregent bei St. Michael am 23. April 1775 starb, erhielt Spangler dessen Stelle und behielt sie bis zu seinem Tode; er starb, 73 Jahre alt, am 4. Juni 1794. Als Tenorsänger und Kirchencomponist geschätzt4 war er auch eines der ersten Mitglieder (seit 1775 auch Assessor) der im Jahre 1771 gegründeten Tonkünstler-Societät (jetzige »Haydn«), welchem Vereine auch seine Söhne Georg (seit 1777) und Ignaz (seit[118] 1793) angehörten.5 Spangler's ältester Sohn Michael, geboren am 9. Febr. 1749, wurde Curat und sehr beliebter Prediger bei den Barnabiten zu St. Michael; er führte den Klosternamen Bernardus und starb am 10. Nov. 1800. – Spangler's älteste Tochter Maria Mag dalena, geb. am 4. Sept. 1750, wurde durch Haydn's Verwendung, womit er zugleich seine Dankbarkeit gegen die Eltern thätig bewies, im Jahre 1768 als dritte Discantistin in der fürstlich Esterházy'schen Kapelle angestellt. Im Jahre 1775 sang sie den Sopranpart bei der ersten Aufführung von Haydn's »Tobias« und zog im folgenden Jahre mit ihrem Manne, dem schon früher genannten Tenoristen und nachherigen Kapellmeister Karl Friberth, nach Wien, wo sie am 29. Aug. 1794 starb. – Georg, der zweite Sohn Spangler's, geb. am 22. März 1752, war Tenorist bei St. Michael und seit 1793 auch in der Hofkapelle, wo ihm nach Umlauf's Tode (1796) das Hofmusik-Archiv und die Leitung der acht Hofsängerknaben anvertraut wurde; im Jahre 1798 wurde er auch titulirter Kapellmeister-Substitut. Der Tonkünstler-Societät gehörte er als Assessor junior an und wirkte in deren Akademien als Solosänger mit. Nach des Vaters Tode erhielt er dessen Stelle als Chorregent bei St. Michael. Verschiedene Kirchencompositionen von ihm, in Abschrift verbreitet, sind noch heutzutage in Gebrauch; eine Vocalmesse schrieb er für den Fürsten Esterházy. Er starb am 2. Nov. 1802 als k.k. Hof-Vicekapellmeister. – Spangler's dritter Sohn Ignaz, geb. am 31. Oct. 1757, trat im December 1800 als Tenorist in die Hofkapelle und starb am 5. Dec. 1811. Er war zugleich Magistratsbeamter, in welcher Eigenschaft auch einer seiner beiden Söhne später genannt ist. – Die beiden jüngsten Töchter Spangler's, Thekla und Barbara, wurden unter den Namen Flamm und Steiner geachtete Beamtensfrauen; den Magistratsbeamten Flamm bezeichnet Schönfeld (S. 16) als sehr musikalisch und lobt auch dessen Tochter als eine »geschickte Altistin«. Antonie Flamm trat denn auch in der Tonkünstler-Societät in den Jahren 1794–1812 wiederholt als Solosängerin[119] auf, namentlich in Haydn's »Sieben Worte Christi am Kreuze«. Im Jahre 1798 sang sie eine eigens für sie von Haydn componirte Arie in der Advent-Akademie der Societät.

Haydn war nun (selbst dem Wortlaute nach) unter Dach. Dies war aber auch alles; es begann nun für ihn der harte Kampf ums Dasein. Eine Kette von Entbehungen und getäuschten Hoffnungen erwartete ihn; wie bitter dieselben gewesen sein müssen und wie die Erinnerungen an sie ihm noch im höchsten Alter vor Augen schwebten, entnehmen wir den Gesprächen mit den, ihm im letzten Jahrzehnt seines Lebens besuchenden Freunden, u.a. ein Jahr vor seinem Tode mit dem Componisten Nisle.6 Mit besonderem Nachdruck (berichtet Nisle) gefiel sich Haydn bei der Erzählung seiner Jugendzeit zu verweilen und der Schwierigkeiten zu gedenken, mit denen er zu kämpfen hatte und wie er sich habe plagen und oft kümmerlich behelfen müssen. Auch dem Maler Dies (S. 28–31) schilderte er seine damals hoffnungslose Lage. Als die Eltern seine Noth erfuhren, erwachte bei ihnen und namentlich bei der bekümmerten Mutter aufs Neue der still gehegte Wunsch, den Sohn sich dem geistlichen Stande widmen zu sehen. Doch weder das um die Zukunft ihres Kindes besorgte Mutterherz, noch die Ermahnungen des Vaters waren im Stande, ihn trotz all' seiner Frömmigkeit den Klostermauern zuzuführen und ihn von seinem Entschlusse, ein Musiker zu werden, abwendig zu machen. Seine Mission für diese Kunst mag ihm als ein dunkles Gefühl, das er sich selbst nicht zu erklären vermochte, vorgeschwebt haben und, ohne eigentliche Gegengründe angeben zu können, hatte er allem Zureden der Eltern gegenüber nur die bestimmte Erklärung: »Ich mag kein Geistlicher werden.« Und dennoch hätte es bald von anderer Seite geglückt, ihn wankelmüthig zu machen, denn wenn er auch den Bitten der Eltern widerstanden hatte – die Noth war mächtiger, der Hunger gewann die Oberhand und hielt selbst die Liebe zur Musik in Schranken. In einem Anfalle von Trostlosigkeit entschloß er sich wirklich, in den Orden der Serviten[120] zu treten, um sich (wie Dies sagt) doch endlich einmal satt essen zu können. Dieser Vorsatz war aber nur vorübergehend; Haydn's glückliches, der Melancholie wenig zugängliches Temperament siegte und der Humor half ihm, sich über das Traurige seiner Lage hinweg zu setzen. An ein eigentliches Studiren war aber vorderhand nicht zu denken, so lange er mit einem jungen Ehepaar und einem erst nach Monaten zählenden Sprößlinge ein- und dieselbe Kammer theilen mußte. Auch stand die Sorge ums tägliche Brod obenan. Haydn schlug sich den Winter über durch, so gut es eben ging; er geigte bei den verschiedensten Gelegenheitsmusiken, spielte wohl auch zum Tanze auf, besorgte Arrangements für ein und mehrere Instrumente – kurz, er griff zu, wo es etwas zu verdienen gab, dabei auf allerlei Projecte sinnend, die er, rasch gefaßt, ebenso schnell wieder verwarf.

Unterdessen war der Winter verstrichen; der Frühling kam und mit ihm erwachte bei Haydn die Sehnsucht ins Freie. Eine der von Wien nach dem bekannten Wallfahrtsorte Mariazell in Steiermark abgehende Procession mag Haydn veranlaßt haben, sich ihr anzuschließen – er war also Pilger geworden. Sein Auftreten in Mariazell erzählen Griesinger und Dies in der Hauptsache ziemlich übereinstimmend.7 Haydn stellte sich bei seiner Ankunft dem Chormeister P. Florian Wrastil als einen ausgetretenen Kapellsänger bei St. Stephan vor, zeigte einige Gesangsstücke (wahrscheinlich eigene Compositionsversuche) und bat, sie in der Kirche singen zu dürfen. Der Chormeister aber fertigte ihn kurz ab: es käme Lumpengesindel genug von Wien, Jeder gäbe sich für einen Kirchensänger aus und wenn es darauf ankäme, wüßte Keiner eine Note zu treffen. Haydn nahm nun seine Zuflucht zu einer List. Er begab sich am folgenden Tage auf den Chor, hörte eine Weile dem Organisten Franz Xaver Widerhofer zu und mischte sich mit der unbefangensten Miene unter die Sänger. Unbemerkt suchte er sich nun dem Solisten zu nähern und ihn zu überreden, ihm seinen Part[121] zu überlassen. Da der Sänger aus Furcht vor seinem Vorgesetzten einzuwilligen zögerte, nahm Haydn den Augenblick wahr, wo das Solo beginnen sollte, bemächtigte sich ohne weiteres des Notenblatts und sang so schön, daß der ganze Chor verwundert aufhorchte und der Dirigent nach Beendigung des Hochamtes sich entschuldigte, ihn so rauh abgewiesen zu haben. Auch die Geistlichen, der Superior P. Petrus Bierbaum an der Spitze, erkundigten sich nach dem fremden Sänger und luden ihn zur Tafel. Damit war dem Erfolg der Reise die Krone aufgesetzt. Haydn nahm die Einladung hocherfreut an und dehnte sie auf acht Tage aus. Wohlgesättigt und im Besitz einer kleinen, für ihn aber immerhin beachtenswerthen Summe Geldes, das Resultat einer für ihn veranstalteten Collecte, verließ unser Pilger das gastliche Dach und den freundlichen Ort und kehrte wieder nach der Kaiserstadt zurück.

In Wien angekommen, galt es nun selbständig zu werden. Spangler war in ein anderes Stadtviertel gezogen und seine Familie hatte Zuwachs erhalten; überdies wäre es unbescheiden gewesen, wenn Haydn von der ihm für den Augenblick gebotenen Hülfeleistung ferner Gebrauch gemacht hätte. Wo aber die Mittel hernehmen, um ein wenn auch noch so bescheidenes Lager zu finden, um sich zu kleiden, zu ernähren und in seinem Berufe zu vervollkommnen? Die Bedrängniß war groß, doch die Hülfe nicht fern. Eine mildthätige Familie ebnete ihm den Weg, indem sie ihm in der uneigennützigsten Weise für den ersten Augenblick die Mittel zu seiner Erhaltung bot. Im ersten Testament Haydn's (dat. 1801) lesen wir unter den Legaten §. 58: »Der Jungfrau Anna Buchholzin 100 Fl., weil mir Ihr Groß Vatter in meiner Jugend und äußersten Noth 150 Fl. ohne Interessen geliehen, welche ich aber schon vor 50 Jahren bezahlt habe.« Dieses Legat ist auch im zweiten Testament (dat. 1809) §. 32 wiederholt und ist die Empfangsbestätigung der ausgesetzten Summe eingetragen. Dies (S. 36) giebt eine wenig bemittelte Strumpfwirker-Familie an, die sich Haydn gegenüber sehr menschenfreundlich erwies. Die ihm erwiesene Wohlthat muß so recht zu gelegener Stunde gekommen sein, da sich Haydn ihrer noch nach fünfzig Jahren erinnerte und dankbaren Herzens Dienst mit Gegendienst vergalt. Wie die Nachforschungen in den Pfarr-Registern und Todten-Protokollen ergaben, wäre[122] hier der bürgerliche Bandmacher (Posamentirer) Johann Wilhelm Buchholz gemeint, der im März 1753 beim weißen Rößl am Neubau (Vorstadt Wiens) im 61. Lebensjahre verschied; seine Witwe Maria Anna starb ebendaselbst im Jahre 1773, 80 Jahre alt. Der Umstand jedoch, daß auch bei der Vermählung Haydn's ein Buchholz als Beistand genannt wird, berechtigt nicht minder zu der Annahme, eben ihn als den Mann zu bezeichnen, der hier Haydn aus der Noth half. Es war der bürgerliche Marktrichter Anton Buchholz, damals wohnhaft beim goldenen Krebsen in der Ungargasse, Vorstadt Landstraße. Buchholz starb am 17. Sept. 1769, 84 Jahre alt, im großen Jesuitenhaus nächst dem h. Kreuzerhof, und seine Frau, Eva, unmittelbar nach ihm am 14. Oct., alt 74 Jahre.

Haydn war nun plötzlich ein reicher Mann geworden. Hundertundfünfzig Gulden! eine solche Summe hatte er bis dahin wohl nie zu Gesicht bekommen, vielweniger selbst besessen. Nunmehr konnte er sich vor Allem eine Wohnung suchen, die er obendrein in der innern Stadt und in einem geistlichen Hause fand. Zwar war es abermals nur eine Dachkammer, die er bezog, aber er war ja in dieser Beziehung nicht verwöhnt und konnte doch endlich einmal in ungestörter Ruhe seine Studien verfolgen.

Es ist nicht undenkbar, daß Haydn beim Einzug in seine neue Wohnung den Gedanken faßte, dieselbe mit einer umfangreichen Arbeit gewissermaßen einzuweihen. Bei seiner kindlich frommen Denkungsart war dazu ein der Kirche dargebrachtes Werk wohl das geeignetste. Mußte er doch noch ganz erfüllt gewesen sein von seiner Pilgerfahrt nach Mariazell. Nicht weniger unwahrscheinlich dürfte die Annahme sein, daß er schon dort, angeregt durch seine gastfreundliche Aufnahme, sich die Aufgabe setzte, dem dortigen Kloster zu zeigen, was er zu leisten im Stande sei. So dürfen wir es wohl immerhin wagen, die früher erwähnte Messe, Haydn's erste Messe, hier einzureihen. Wir werden für sie in dieser ersten Lebensperiode Haydn's, weder früher noch später, kaum einen geeigneteren Platz finden. Ihre ganze Anlage, ihre Unfertigkeit im Einzelnen, die grammatikalischen Unebenheiten, der schwankende, in ausgefahrenen Formen sich bewegende Stil und gleichzeitig die sorglose Ungezwungenheit und kecke Durchführung, namentlich der beiden[123] Solostimmen, denen nicht wenig zugemuthet wird, deuten insgesammt auf eine Zeit hin, in welcher der jugendliche Componist im Schaffen sich sozusagen noch vogelfrei bewegte, alle Augenblicke strauchelte und, einer festen Grundlage entbehrend, fast Alles dem Zufall und angeborenen Instinkt anheim stellen mußte. Bei den zwei concertirenden Sopran-Solostimmen mag Haydn etwa an sich und an seinen Bruder gedacht und nichts niedergeschrieben haben, das Beide nicht im Stande gewesen wären auszuführen. Diese beiden Solostimmen, mit Trillern und verzierten Gängen reich bedacht, bewegen sich über einem dreistimmigen Chor (Sopran, Alt, Baß), begleitet von zwei Violinen, Contrabaß und Orgel. In den kirchlichen Musikarchiven findet sich diese Messe häufig vor, wenn sie auch nur selten benutzt wird; im geistl. Stifte Göttweig, dem meistens tüchtige Sängerknaben zu Gebote standen, wurde sie jedoch seit dem Jahre 1785 neunzehnmal aufgeführt. Als sie voriges Jahr (1873) bei St. Stephan unter Direction des Domkapellmeisters Preyer zur Aufführung kam, machte sie einen eigenthümlichen Eindruck. Niemand mochte in ihr wohl eine Arbeit von Haydn ahnen; kaum daß hie und da ein verwandter Zug an dessen spätere Schreibweise anklingt, man müßte denn im Ganzen die, auch in seinen späteren Messen oft gerügte Lebendigkeit und Munterkeit in Anschlag bringen, der gegenüber der, dem Agnus Dei innewohnende Ernst um so mehr überrascht. In Haydn's thematischem Verzeichniß seiner Werke ist diese Messe erst von dritter Hand nachträglich zugefügt, denn sie war Haydn ganz aus dem Gedächtniß entschwunden und nur ein Zufall brachte sie ihm wieder in die Hände. Bertuch und Dies8 erwähnen ihrer bei ihren Besuchen im Jahre 1805. Gegenüber der ganz unwahrscheinlichen Behauptung Bertuch's, Haydn habe die Messe im Jahre 1742 noch als Chorknabe bei St. Stephan geschrieben, trifft die Bemerkung Dies', der vom Wiederfinden des seit 52 Jahren verlorenen Kindes spricht, mit der hier angenommenen Zeit, Anfang der 50er Jahre, zunächst zusammen. Dem rasch alternden, kränklichen Meister bereitete der unerwartete[124] Fund eine herzliche Freude; mußte er sich doch in diesem Augenblick des Ausgangs seiner muthvoll durchkämpften Laufbahn lebhaft erinnern und mit stolzer Befriedigung der gewaltigen Höhe gedenken, die er seit jener Zeit erklommen. Da überdies gerade eine Milderung seiner körperlichen Schmerzen eintrat, nahm er nach langer Zeit sogar die Feder wieder zur Hand und unternahm es, der Messe durch Hinzufügung von Blasinstrumenten einen Aufputz zu geben, dabei ganz übersehend, daß dies überreiche Gewand sein an sich anspruchloses Geisteskind erdrücken mußte. Dabei ließ er alle Fehler im Satz, selbst die augenfälligsten, stehen und trug sie selbst zum Theil auf die Blasinstrumente über. »Was mir (sagte Haydn zu Dies) an diesem Werkchen besonders gefällt, ist die Melodie und ein gewisses jugendliches Feuer, und das bewegt mich, täglich einige Takte niederzuschreiben, um den Gesang mit einer Harmoniemusik zu begleiten.« Auf diese Weise traten Flöte, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Trompeten und Pauke hinzu und noch während der Arbeit schrieb der liebenswürdige Greis an seine Verlagshandlung Breitkopf & Härtel, um die Messe zur Herausgabe zu befördern, da er damit seinem Gönner, dem Fürsten Esterházy, noch dankbar huldigen wollte. Die Messe wurde auch richtig abgeschickt und war noch im Katalog der großen Auction genannter Verlagshandlung (1836) als vorräthig angezeigt, aber nur im Manuscript. Eine gedruckte Ausgabe, Singstimmen mit Orgelbegleitung, erschien nur in London bei Novello (Nr. 11 der Haydn'schen Messen). Die aus dem Nachlasse Haydn's stammende Partitur, nun im fürstl. Musikarchiv zu Eisenstadt, ist, soweit es Singstimmen, Streichinstrumente und Orgel betrifft, von der Hand Elßler's, Haydn's Copisten; die Blasinstrumente sind dem Anscheine nach von Polzelli, einem Schüler Haydn's, hinzugefügt. Im Zusammenhang mit Haydn's sonstigen Compositionen aus seiner frühesten Periode wird auch dieser Messe nochmals gedacht werden.

Das dem Barnabiten-Collegium gehörige sogenannte »alte Michaelerhaus«9 am Kohlmarkt (einer Straße in der Richtung[125] zwischen dem Graben und der kais. Burg), wo Haydn nun wohnte, hatte damals, wie das sorgfältig geführte Zinsbuch10 ausweist, einige für uns interessante Miethparteien. Im ersten Stock wohnte seit dem Jahre 1745 bis zu ihrem Tode die Fürstin Maria Octavia, Witwe des Fürsten Joseph Anton Esterházy, der, nur wenige Monate regierend, im Jahre 1721 gestorben war. Bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes Paul Anton (der Haydn als seinen Kapellmeister anstellte) führte diese Fürstin das Majorat und zog dann nach Wien. (Wir werden der fürstlichen Frau, die sich die Hebung ihrer Musikkapelle angelegen sein ließ, später nochmals begegnen.) Haydn befand sich also schon jetzt mehrere Jahre lang mit einem würdigen Mitgliede jenes Fürstenhauses, dem er nahezu ein halbes Jahrhundert lang ein treuer Diener war, unter einem Dache. Im dritten Stockwerk des weitläufigen Hauses wohnte der gefeierte Dichter Abbate Metastasio, der seinen Liebling, Marianne Martines, die Tochter einer ihm eng befreundeten Familie, Haydn als Schülerin im Clavier anvertraute und ihn mit dem berühmten italienischen Gesanglehrer und Componisten Porpora bekannt machte. – Gedenken wir noch des im neuen Michaelerhause wohnenden erzbischöfl. und k.k. Hof- und Universitäts-Buchdruckers Johann Peter Edlen von Ghelen11, der hier Druckerei und Bücherverlag führte. Bei ihm konnte Haydn ein in Augsburg gedrucktes Werk (6 Symphonien und 6 Sonaten) von Josephus Gregorius Werner im. Verkaufsladen aufliegen sehen, das schon im Jahre 1735 im Wiener Diarium von Ghelen angezeigt erscheint. Auch auf Werner wie auf die vorgenannten Persönlichkeiten kommen wir später zurück; Werner war fürstl. Esterházy'scher Kapellmeister und Haydn's unmittelbarer Vorgänger im Amt.

Folgen wir nun Haydn auf der breiten Treppe, die im[126] alten Michaelerhause zu den Dachwohnungen führt, die sozusagen den fünften Stock des Hauses bilden. Die Zimmer daselbst, jetzt nur zu Magazinen verwendet, wurden damals einzeln vermiethet; mehrere hatten einen Holzverschlag und zwei, nahe zusammengerückt, geboten sogar über den Luxus einer Kammer. Eine dieser Kammern mit niederer, schräg laufender Decke nahm unsern Haydn auf. Was ihr an Räumlichkeit abging (sie zählte fünf bis sechs Schritte in der Länge und Breite), ersetzte die Fensterlücke durch eine allerdings überraschende Aussicht über den belebten Michaelerplatz hin nach dem Eingang der kaiserlichen Burg. Die Miether der Dachzimmer mit einer Kammer, Haydn's unmittelbare Nachbarn, waren abwechselnd ein Buchdrucker-Factor, Kammerheizer, Copist, Lakai und ein Koch; außerdem wohnten da noch ein Tafeldecker, Thürhüter, Sprachmeister und eine Jungfer, zum Theil Bedienstete der Herrschaften im Hause. Sie Alle sind namhaft gemacht; dagegen fehlen als Afterparteien die Namen der die Kammern Bewohnenden und also auch Haydn. Nach der Schilderung von Dies und Anderen war Haydn in seiner Bodenkammer allen Unbilden des Wetters preisgegeben; im Sommer drang der Regen und im Winter der Schnee durch die Fugen des Daches und da selbst ein Ofen fehlte, suchte und fand Haydn zeitweise zur Nachtzeit Schutz bei der früher erwähnten Familie, die ihm aber, da sie selbst unbemittelt war, nur den Fußboden als Lagerstätte anbieten konnte. Wenn nun auch die Schilderungen, im Hinblick auf ein so solid gebautes Haus, häufig übertreiben (Manche sprechen sogar vom Mangel eines Fensters und setzen dem Hause noch ein sechstes Stockwerk auf), so bestätigt es sich doch, daß hier die Kälte, wie ja in jeder Dachwohnung, im Winter empfindlich genug war; sie nöthigte Haydn sogar häufig, sein Waschwasser, das in der Nacht gefror, vom Brunnen weg selbst zu ersetzen.

Doch dergleichen Entbehrungen sind nicht im Stande, einen aufstrebenden Kunstjünger niederzudrücken; eher können sie ihn reizen und aufstacheln, dem Schicksale Trotz zu bieten. Haydn war ja auch nicht mehr allein; seine Kammer theilte ein, wenn auch altes und wurmstichiges Clavier. Bei ihm, dem theilnehmenden Freunde in Leid und Freud, vergaß Haydn auf alle Sorgen und »beneidete (wie er sagte) keinen König um sein[127] Glück«. Nebstdem wurden aber auch die Uebungen im Violinspiel und das Studium der Composition, wenn auch nach keinem geregelten Plan, eifrig betrieben und dazu selbst die späten Nachtstunden zu Hülfe genommen. Es muß bei alledem verwundern, daß wir Haydn in keinem der früher genannten Orchester mitwirkend finden und er scheint sich auch um eine dauernde Stelle nicht beworben zu haben; wenigstens hat er nie davon erzählt, daß er irgendwo wäre abgewiesen worden. Und gut war's, daß es so kam: Haydn wäre vielleicht in einer behäbigeren Stellung nicht der Mann geworden, den wir noch heute verehren. Er wollte kämpfen und lieber darben, als auf der gewöhnlichen Heerstraße dahinwandeln. »Junge Leute (sagte er im hohen Alter) werden an meinem Beispiele sehen können, daß aus dem Nichts doch Etwas werden kann; was ich aber bin, ist Alles ein Werk der dringendsten Noth.« (Dies, S. 14.)

Doch vom Studium allein konnte Haydn nicht leben und nicht alle Tage fand sich eine wohlthätige Familie. Wir hören denn auch bald von Clavierlectionen, die ihm anfangs mit zwei Gulden monatlich bezahlt wurden. Seine frühesten Compositionen aus dieser Zeit, welche ohne Zweifel für den Unterrichtsgebrauch geschrieben waren, wanderten in Abschriften von Hand zu Hand und gingen fast sämmtlich verloren. Daß Haydn der Unterricht nicht von Herzen ging, daß er gar wohl fühlte, welche Opfer er damit seinem Schöpferdrang brachte, verrathen uns die wenigen Worte, mit denen er seine Abneigung und seine damalige Lage überhaupt schildert: »Da ich endlich meine Stimme verlohr, mußte ich mich mit unterrichtung der Jugend ganzer acht Jahre kummerhaft herumschleppen (durch dieses Elende Brod gehen viele Genie zu Grunde, da ihnen die Zeit zum Studiren mangelt), die Erfahrung traffe mich leider selbst, ich würde das wenige nie erworben haben, wann ich meinen Compositions Eyfer nicht in der Nacht fortgesetzt hätte.« (siehe Beilage II.)

»Kummerhaft herumschleppen!« – diese Worte bezeichnen grell genug jene traurige Existenz, der sich unser Meister noch nach Jahren nur mit einem Gefühl von Bitterkeit erinnerte. Wenn Haydn in späteren Jahren von Zeit zu Zeit von Eisenstadt aus nach Wien reiste und seinen Verleger Artaria besuchte, dort früher, bis zum Jahre 1789, seine Niederlage wohl ebenfalls[128] wie noch heute auf dem Kohlmarkt, aber dem alten Michaelerhause gegenüberliegend in Nr. 133 hatte12, mag er wohl oft genug, zu dem großen Gebäude aufblickend, mit Wehmuth und doch auch mit gerechtem Stolz seiner Dachkammer und der in ihr verlebten Zeit sich erinnert haben.

Trotz Fleiß und Armuth trieb es Haydn, wie einst im Kapellhause, auch jetzt noch mitunter an, seinem Hange zu Schelmereien freien Lauf zu lassen und sich damit zu rechter Zeit die Grillen zu vertreiben. In späteren Jahren schlug diese angeborene Schalksnatur oft in rührender Weise um, wie z.B. bei der bekannten Abschieds-Symphonie, mit der es Haydn gelang, seinen Fürsten auf eine herzgewinnende und feinfühlige Art gefangen zu nehmen. Für jetzt war es mehr der jugendliche Muthwille überhaupt, der ihn zuweilen zu einem an sich ungefährlichen Schabernack verleitete, bei dem es ihm nicht an Gesinnungsgenossen fehlte. Zwei Fälle dieser Art sind traditonell bekannt. So band er einst zur Belustigung seiner Kameraden den Rollwagen einer Kastanienbraterin an die Räder eines Miethwagens fest und rief dann dem Kutscher fortzufahren, indem er sich selbst durch schleunige Flucht den Verwünschungen der beiden Gefoppten entzog.13 Ein anderes Mal lud Haydn eine Anzahl ihm befreundeter Musiker zu einer Nachtmusik. Die Zusammenkunft war im Tiefen-Graben (einer niedergelegenen nicht gar freundlichen Straße Wiens); Haydn vertheilte die Genossen nach allen Richtungen, selbst auf der Hohen-Brücke (welche eine obere Querstraße verbindet) war ein Paukenschläger postirt. Keiner ahnte, um was es sich eigentlich handelte, jeder hatte nur den Auftrag, auf ein gegebenes Zeichen irgend ein beliebiges Musikstück anzustimmen. Kaum hatte dies höllische Concert begonnen, so öffneten sich Thüren und Fenster und die aus dem[129] Schlafe aufgescheuchten Bewohner jenes Stadtviertels vermehrten noch durch Fluchen und Schimpfen den Skandal. Im Sturmschritt rückte nun die Rumor-Wache (die damalige Polizei) heran, deren Amtslokal, das Rumorhaus, sich obendrein im Tiefen-Graben selbst befand, was die Kühnheit des Unternehmens um so sträflicher erscheinen ließ. Die Musiker stoben entsetzt auseinander; nur der Pauker und ein Geiger fielen als Opfer und mußten für Alle büßen, verweigerten jedoch jede Auskunft über den Rädelsführer und verwegenen Störer nächtlicher Ruhe.14


Etwa anderthalb Jahre folgen nun, in denen wir uns Haydn's Thätigkeit abwechselnd auf Studium, Unterricht-Ertheilung und gelegentliche Mitwirkung in Orchestern sich erstreckend zu denken haben. Kein irgendwie bemerkenswerther Umstand scheint in dieser Zeit vorgefallen zu sein; wir wissen von keinem Hause, keinem Freunde, mit denen Haydn etwa näher verkehrt haben mochte. Seine Armuth entfernte ihn von den Menschen und er suchte um so mehr sein einziges Glück bei seinem Clavier, das ihn am besten verstand. – Unter Clavier haben wir uns hier wohl ein Spinett oder Clavichord damaliger Zeit vorzustellen. Im Gegensatz zu dem in frühester Zeit weit verbreiteten Spinett (kleiner Flügel15, in England Virginal genannt), bei dem die Saiten, durch Federkiele zum Tönen gebracht, einen kurzen, hellen und pinkenden Ton erzeugten, war das Clavichord mit Metallstiften versehen, die dem Tone mehr Sangbarkeit, mehr Ausdrucks- und Schattirungsfähigkeit verliehen. Ein besonderer Vorzug dieser Instrumente bestand auch in der Bebung und dem Tragen der Töne, indem man selbst nach dem Anschlage der Note noch einen Druck geben konnte.16[130] Domenico Scarlatti, Sebastian und C. Philipp Emanuel Bach schrieben für dasselbe; Sebastian Bach bediente sich bis zu seinem Tode eines Silbermann'schen Clavichords und sein Sohn Emanuel gab ihm auch nach Erfindung und Verbreitung des Fortepiano noch immer den Vorzug. »Das Clavicord (sagt Emanuel Bach)17 ist das Instrument, worauf man einen Clavieristen aufs genaueste zu beurtheilen fähig ist.« Der mehr schüchterne, leicht verhallende Ton bedingte natürlich auch eine andere, mit Vorschlägen, Mordenten und Trillern reicher ausgestattete Schreibweise, worauf wir bei den früheren Compositionen Haydn's Rücksicht zu nehmen haben.

Welcher Art die Clavier-Compositionen waren, deren sich Haydn bis dahin beim Studium bedient hatte, läßt sich nicht nachweisen. Die Wahl konnte ihm freilich nicht schwer fallen, denn die Zahl der veröffentlichten Clavierwerke war äußerst gering; zu wählen hatte er überhaupt nicht, er mußte vielmehr zugreifen, wo ihm menschenfreundliche Vermittelung etwas zuführte. Während er aber bei allem Eifer gezwungen war, sich in Benutzung der Lehrmittel machtlos dem Zufall zu überlassen, spielte ihm das Glück unerwartet ein Werk in die Hände, das seinem Streben plötzlich eine bestimmte Richtung gab und für seine ganze Kunstrichtung entscheidend wurde. In einer glücklichen Stunde, in der ihm seine Kasse eine kleine Extraauslage erlaubte, suchte er einen jener Buchhändler heim, deren Schätze ihm bis dahin so oft nur in den Auslagfenstern zu bewundern vergönnt war. Wir wollen uns der Annahme nicht verwehren, daß er sich dabei seines ehemaligen Nachbars Binz erinnerte und seine Schritte nach dessen Gewölb am Stephansfriedhof lenkte. Auf seine Bitte, ihm das im Augenblick bestbekannte Clavierwerk vorzulegen, holte der Buchhändler ein Heft Sonaten[131] von C. Ph. Emanuel Bach hervor und pries sie so eindringlich, daß Haydn ohne weiteres zahlte, das Heft zusammenpackte und seiner Dachkammer zueilte. »Da kam ich nicht mehr von meinem Clavier hinweg, bis die Sonaten durchgespielt waren«, äußert der greise Haydn, noch in der Erinnerung bewegt, mit jugendlicher Lebhaftigkeit gegen Griesinger.18 Das war der Mann, den er unbewußt suchte und dem er nun mit Feuereifer nachstrebte. »Und wer mich gründlich kennt (fährt Haydn fort), der muß finden, daß ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, daß ich ihn verstanden und fleißig studirt habe; er ließ mir auch selbst einmal ein Kompliment darüber machen.« Sobald nämlich Haydn's Werke durch den Druck bekannt wurden, bemerkte Bach mit Vergnügen, daß er Haydn zu seinen Schülern zu zählen habe; und so ließ er ihm gelegentlich auch sagen: »er sei der Einzige, der seine Schriften ganz verstanden habe und Gebrauch davon zu machen wisse.«19 Haydn suchte und fand auch in trüben Stunden Stärkung und Erfrischung in Bach's Werken. »Ich spielte mir dieselben zu meinem Vergnügen unzähligemal vor, besonders auch wenn ich mich von Sorgen gedrückt oder muthlos fühlte und immer bin ich da erheitert und in guter Stimmung vom Instrumente weggegangen.«20 Wie Haydn später dem Einflusse der Gesangscompositionen Gaßmann's vieles zu verdanken zugestand, so schätzte er Emanuel Bach in seinen Clavierwerken schon jetzt und bewahrte ihm fortan die gleiche Neigung. Noch in demselben Jahre, in dem Bach starb (1788), ersuchte Haydn in einem Briefe an Artaria, ihm »die letzten zwei Werke für das Clavier von C.P. Emanuel Bach zu übersenden«.[132]

Carl Philipp Emanuel Bach21, der dritte Sohn des großen Johann Sebastian Bach, wurde am 14. März 1714 zu Weimar geboren. Er nahm unter seinen Brüdern und selbst neben dem genialeren W. Friedemann den wesentlichsten Einfluß auf die Tonkunst, indem er den Uebergang von der strengeren zur freieren Schreibart durch Erweiterung und Durchgeistigung der Form vermittelte. Namentlich durch Verwerthung der von seinem Vater begründeten Technik und Reformirung der bis dahin noch wenig entwickelten Sonate, die in Johann Kuhnau und Domenico Scarlatti ihre wichtigsten Vorgänger hatte, ist Emanuel der Vater des modernen Clavierspieles geworden. Seine Compositionen sind voll Frische, Schwung und Empfindung, reich an Melodie und Rhythmus-Mannichfaltigkeit und Erfindung überhaupt. Sein Bestes hat Emanuel in die große Sonaten-Sammlung für Kenner und Liebhaber niedergelegt22, auf die wir seinerzeit zurückkommen werden. Haydn konnte, wie gesagt, damals nur die im Jahre 1742 oder 1745 erschienenen Sonatenhefte gekannt haben, doch schon in diesen fühlte er sich geistesverwandt mit dem ihm bis dahin fremden Meister. Was ihn zunächst am meisten angezogen haben mochte, war der in Bach's Compositionen bei aller Festigkeit der Führung vorwaltende humoristische Zug und unbefangene heitere Gefühlsausdruck. Diesen Vorlagen strebte nun Haydn nach, suchte sich ihre Vorzüge eigen zu machen und sich daran selbständig zu bilden. Nach und nach gestalteten sich dann die einzelnen Sätze zu reicherer Entwickelung und Durchführung, zu einem festen, einheitlichen Ganzen. Gleichzeitig fühlte sich aber auch jener[133] Frohsinn und schalkhafte Humor, jene kindlich naive Heiterkeit, die uns Haydn's künstlerisches Wesen so werth macht, immer einheimischer in seinen Werken der verschiedensten Art.

In dem ersten der beiden oben erwähnten Sonatenhefte, im Jahre 1742 veröffentlicht, besteht jede Sonate aus drei, meist zwei- und dreistimmigen Sätzen in homophoner Schreibart: ein Allegro in der kurzen Hauptform, ein Andante oder Adagio in der Liedform, ein Vivace, Presto oder Allegro assai in der Rondoform. Am gehaltvollsten ist die fünfte Sonate, C-dur; auch das Andante der ersten Sonate mit zweimal wiederkehrendem Recitativ in declamatorischem Charakter und das schön durchgeführte Adagio der dritten Sonate, E-dur, hebt sich vortheilhaft hervor. Im Ganzen ist jedoch Bach's Stil, im Uebergang begriffen, noch weniger ausgeprägt, daher dieses Heft mehr vom kunstgeschichtlichen Standpunkte interessant zu nennen ist.

Bedeutender ist die zweite Sammlung, das Heft der im Jahre 1745 erschienenen sogenannten Würtembergschen Sonaten. Obwohl in ihrer contrapunktischen und polyphonen Behandlung mehr in der alten Schule wurzelnd, treibt ihr Stamm doch schon Blüthen, die das Pulsiren eines neuen Lebens verrathen. Die einzelnen, meist 3stimmigen Sätze zeichnen sich durch wohlgeordnete Harmoniefülle und ungezwungene Verarbeitung der Motive aus und bilden eine bereits fühlbare Annäherung an Bach's späteren eigentlichen Stil. Von beiden Sonatenheften giebt Joh. Friedrich Reichardt23 eine eingehendere Charakteristik.

Mehrere zunächst veröffentlichte Einzelwerke und die, für die damals beliebten Sammelwerke geschriebenen Clavierstücke Bach's übergehend, treffen wir abermals auf ein Sonatenheft, diesmal mit veränderten Reprisen und der musikalisch hochgebildeten Prinzessin Amalie von Preußen zugeeignet. Diese im Jahre 1760 erschienenen Sonaten, in denen sich Bach's nun ausgebildeter selbständiger Stil vollkommen ausspricht, wurden so beifällig aufgenommen, daß Bach in den Jahren 1761 und 1763 noch zwei Fortsetzungen, jede zu 6 Sonaten, folgen ließ,[134] in denen er aber die in der Vorrede zur ersten Sammlung motivirte Anwendung der Reprisen wieder aufgab. Bach wollte nämlich, wie er in der Vorrede sagt, das beliebte, nach Effect haschende Verändern bei Wiederholungen den Anfängern und solchen Liebhabern, denen es an Geduld und Zeit zur Uebung und zum Studium fehlt, erleichtern, indem er die Veränderungen, die auch bei Arien der Willkühr, dem zweifelhaften Geschmack und Geschick der Vortragenden anheimgestellt waren, selbst vorschrieb. Er glaubte dadurch die Einheit der Gedanken und ihr richtiges Verhältniß zu einander gegenüber der Kühnheit in Verzierungen, die auf Kosten des Ausdrucks nur dem Beifall der Menge nachjagen, am besten zu wahren.

Bach hat ferner noch in den Jahren 1765–67 während seines Berliner Aufenthaltes, der mit dem Jahre 1768 abschließt, u.a. die folgenden Werke erscheinen lassen: Clavierstücke verschiedener Art; 6 leichte Claviersonaten; Kurze und leichte Clavierstücke, denen endlich noch eine zweite Sammlung kurzer und leichter Clavierstücke folgte. In diesen beiden erstgenannten Werken, von denen das letztere mit Fingersatz und Bezeichnung der erforderlichen Spielmanier versehen ist, hat Bach auf Anfänger Bedacht genommen; sie können daher, einige wenige ausgenommen, gleichzeitig mit den später erwähnten, dem im Jahre 1753 erschienenen Lehrbuche beigegebenen Sonaten oder besser noch diesen voraus mit Nutzen verwendet werden; doch findet, was Erfindung, Melodie und Verarbeitung betrifft, auch der geübte Spieler Anregendes genug; dies gilt namentlich von den, 1766 bei Breitkopf erschienenen 6 leichten Claviersonaten, die mehr nach der ernsten als nach der humoristischen Seite hinneigen.

Wie sehr Bach's Werke jener Zeit geschätzt wurden, bezeugen die Worte, mit denen Hiller24 die Anzeige von drei ebenfalls in jenen Jahren (1764) veröffentlichten concertirenden Sonatinen begleitet: »Es wäre eine wahre Versündigung am guten Geschmacke in der Musik und an der eigentlichen Art das Clavier zu spielen, wenn man sich nicht alle Arbeiten dieses großen[135] Meisters zu fleißiger Uebung empfohlen wollte seyn lassen. Immer reich an Erfindung, gefällig und feurig in den Melodien, prächtig und kühn in den Harmonien, kennen wir ihn schon aus hundert Meisterstücken, und kennen ihn noch nicht ganz; ein Vorrecht, das die nicht verschwenderische Natur nur wenigen glücklichen Genien verliehen hat, daß sie nach einer Menge hervorgebrachter vortrefflicher Werke, doch immer noch neue Schönheiten im Vorrathe haben.«

Wir werden noch oft an der Hand der Haydn'schen Compositionen auf jene seines Vorbildes zurückkommen. Für jetzt gedenken wir noch der Zusammengehörigkeit halber eines Lehrbuches, welches Haydn bald nach seiner Bekanntschaft mit den Bach'schen Sonaten ebenfalls kennen lernte. Es war dies der erste Theil von Bach's epochemachendem theoretisch-praktischen Werke: »Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, mit Exempeln und achtzehn Probestücken in sechs Sonaten erläutert.«25 Dieses Werk erschien im Jahre 1753 in Berlin und erlebte noch bei Lebzeiten des Verfassers drei Auflagen. Während dieser erste Theil das Solospiel und alles dazugehörige (Fingersetzung, Manieren und Vortrag) bespricht, behandelt der im Jahre 1762 erschienene zweite Theil die Lehre vom Accompagnement und von der freien Phantasie und enthält zugleich eine ausführliche Generalbaßschule. Was zur Behandlung des Claviers, zur Auffassung und zum Vortrag eines Musikstückes nur immer nöthig ist, findet sich darin in systematisch geordneten Regeln festgestellt. Haydn wußte Bach's Schrift gar wohl zu schätzen und nannte sie, wie Dies (S. 38) versichert, »das beste, gründlichste und nützlichste Werk, welches als Lehrbuch je erschien«. Es ist genugsam bekannt, welch hohen Werth Mozart und Beethoven den Werken Bach's und vorzugsweise seinem Lehrbuche beilegten; in gleicher Weise bildete es die Grundlage[136] des Studiums der hervorragendsten Clavierspieler und wurde selbst durch die neuesten und besten erweiterten Lehrmethoden, bedingt durch die allmählige Vervollkommnung des Claviers und der sich dadurch entwickelten reicheren Spielweise, nicht vergessen gemacht. Bach leistete damit für die Theorie und Praxis des Clavierspiels, was namentlich Marpurg und später Kirnberger für die Theorie der Tonkunst vollbrachten. Das Werk erschien drei Jahre nach dem Tode von Emanuel's Vater (1750), dem er damit durch Gemeinnützung der auf ihn überkommenen Grundsätze und Lehrart des Unterrichts das schönste Denkmal setzte. Zunächst wurde Emanuel Bach wohl durch ein kurz zuvor erschienenes ähnliches Werk angeregt. Was Joh. Joachim Quantz in seinem inhaltreichen »Essai d'une méthode pour apprendre à jouer de la Flûte traversière« (Berlin 1752), im Interesse eben dieses Instrumentes anstrebte, hat Bach in gleicher Weise für das Clavier gethan, nur hat ihm darin François Couperin, dem übrigens Bach volle Anerkennung zollt, in seinem »L'art de toucher le clavecin« (Paris 1717) in gewisser Beziehung vorgegriffen. Quantz gegenüber hat Bach sogar den Titel seines Werkes analog gehalten; gegen die Anmaßungen zahlreicher Nachahmer hatte er sich noch ernstlich zu wahren. Als später das Pianoforte mehr und mehr in Aufnahme kam, trat auch für dieses ein Kämpfer auf in dem churfürstl. baier. Hofmusikus, Clavier- und Harfenmeister J.P. Milchmayer, dessen Werk, »Die wahre Art das Pianoforte zu spielen«, im Jahre 1798 in Dresden beim Verfasser zu finden war. Die etwas prätentiöse Art, mit der er sein Buch in die Welt sandte, hat ihm in der Leipziger Allg. Musikzeitung (1798 Nr. 8) eine scharfe Kritik zugezogen.

Wie Bach über das Clavierspiel dachte und wie er seine Werke vorgetragen wissen wollte, hat er in seinem Lehrbuche ausgesprochen, und was er hier in den wenigen Worten sagt: »Ein Musikus kann nicht anders rühren, er sei denn selbst gerührt«, hat er am Schlusse seiner eigenen Lebensskizze26 in andern Worten nur wiederholt: »Mich deucht, die Musik müsse[137] vornemlich das Herz rühren, und dahin bringt es ein Clavierspieler nie durch bloßes Poltern, Trommeln und Harpeggiren, wenigstens bey mir nicht.« Diesem Ausspruch läßt er an derselben Stelle noch die bezeichnende Aeußerung vorangehen: »Mein Hauptstudium ist besonders in den letzten Jahren dahin gerichtet gewesen, auf dem Clavier, ohngeachtet des Mangels an Aushaltung, so viel möglich sangbar zu spielen und dafür zu setzen. Es ist diese Sache nicht gar so leicht, wenn man das Ohr nicht zu leer lassen, und die edle Einfalt des Gesanges durch zu vieles Geräusch nicht verderben will.«

Haydn's Verehrung diesem Künstler gegenüber muß es um so mehr verwundern, wie der Verfasser einer sehr allgemein gehaltenen, von Unrichtigkeiten wimmelnden biographischen Skizze in einer englischen Schrift27 es wagen konnte, Haydn zu beschuldigen, daß er es versucht habe, in einigen Sonaten, namentlich in op. 13 und 14, den Stil Emanuel Bach's zu copiren oder vielmehr zu carikiren und zwar aus Rache dafür, daß dieser feindselig gegen ihn aufgetreten sei. Dieses Umstandes gedenkt auch Zelter in seinem Briefwechsel (II. S. 103), indem er sich erinnert, daß Haydn als einer, der den bittern Ernst der Werke Emanuel Bach's und seines Vaters gewissermaßen travestirt habe, getadelt worden sei. Ersterer lebte damals (1784) noch und hielt es für angemessen genug, auf diese, mittlerweile in C.F. Cramer's »Magazin der Musik« (1784, S. 585) in deutscher Uebersetzung »nicht etwa als einen schätzbaren Beitrag zur musikalischen Biographie, sondern als eine Curiosität« aufgenommene boshafte Anschuldigung folgende Erklärung im Hamburger Unparth. Corresp. (1785, Nr. 150) abzugeben:

»Meine Denkungsart und Geschäfte haben mir nie erlaubt, wider jemanden zu schreiben: um so viel mehr erstaune ich über eine kürzlich in England inThe European Magazine eingerückte Stelle, worin ich auf eine lügenhafte, grobe und schmähende[138] Art beschuldigt werde, wider den braven Herrn Haydn geschrieben zu haben. Nach meinen Nachrichten von Wien und selbst von Personen aus der Esterházyschen Kapelle, welche zu mir gekommen sind, muß ich glauben, daß dieser würdige Mann, dessen Arbeiten mir noch immer sehr viel Vergnügen machen, eben so gewiß mein Freund sei, wie ich der seinige. Nach meinem Grundsatze hat jeder Meister seinen wahren bestimmten Werth. Lob und Tadel können hierin nichts ändern. Blos das Werk lobt und tadelt am besten den Meister, und ich lasse daher jedermann in seinem Werth.


Hamburg, den 14. Sept. 1783.

C.Ph.E. Bach.«


Schmerzlicher noch muß es berühren, daß auch Reichardt den mittlerweile Verstorbenen der Geringschätzung gleichzeitiger Männer von Ruf beschuldigte, indem er von ihm behauptete:28 »Mit den meisten großen Künstlern hatte er es gemein, daß er ungerecht gegen seine Nebenkünstler war. Dies ging so weit, daß er Männer wie Gluck, Haydn, Schulz u.a. für Künstler von geringer Bedeutung hielt.«

Nach dem früher Gesagten wäre es überflüssig, Haydn gegenüber eine Abwehr anzustrengen und zu versichern, wie ganz anders dieser von Bach dachte. War doch Niemand geneigter, fremden Verdiensten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Gestand er ja wiederholt, das Meiste, was er wisse, habe er Bach zu verdanken; ebenso sprach er mit aufrichtiger Verehrung von Gluck und Händel und, wie wir gesehen haben, von seinen Lehrern. Sein Verhältniß zu Mozart aber, das später zur Sprache kommt, wird uns diesen edelsten Charakter eines wahren Künstlers noch überzeugender würdigen lehren.


Nebst dem Clavier setzte Haydn auch seine Violinstudien fort. Dies sagt zwar (S. 42), daß er sich »der Leitung eines berühmten Virtuosen« anvertraut habe, wer dieser aber gewesen,[139] erfahren wir nirgends. Wir dürfen aber wohl annehmen, daß Haydn, wenn auch nicht damals schon, doch wenigstens im Anfang der 60er Jahre im regen Verkehr mit seinem Freunde Dittersdorf sich die Gelegenheit zu Nutze machte, von dessen Geschicklichkeit im Violinspiel zu profitiren. Jedenfalls hatte er sich eine gewisse Fertigkeit angeeignet, wenn er, wie wir gehört haben, sagen konnte, daß er, obwohl auf keinem Instrument ein Hexenmeister, doch auch ein Concert auf der Violine vorzutragen im Stande war.

Obwohl der Zeit vorgreifend, schickt es sich hier, der Art und Weise zu gedenken, wie Dittersdorf selbst sich über seinen Umgang mit Haydn äußert. Ersterer hatte im Beginn des Jahres 1762 Gluck auf einer Reise nach Italien begleitet. Während seiner Abwesenheit war der Violinvirtuose Lolli in Wien mit großem Beifall aufgetreten. Als nun Dittersdorf nach seiner Rückkehr davon hörte, nahm er sich vor, seinen Nebenbuhler aus dem Sattel zu heben. Er brachte einige Wochen, Krankheit vorschützend, auf seinem Zimmer zu und studirte mit größtem Eifer. Dann aber trat er in einer der Akademien im Theater nächst der Burg auf und überraschte derart, daß man ihm die Palme zuerkannte. »Lolli erregt Erstaunen, Dittersdorf erregt es auch, spielt aber zugleich fürs Herz« – so urtheilte ganz Wien. Indem uns Dittersdorf dies selbst erzählt29, fährt er fort: »Den Rest des Sommers und den folgenden Winter brachte ich, außer meinen Dienstgeschäften, in östermaliger Gesellschaft des liebenswürdigen Joseph Haydn zu. Welcher Freund der Musik kennt wohl nicht den Namen und die schönen Arbeiten dieses ausgezeichneten Componisten? – Ueber jedes neue Stück, das wir von andern Tonsetzern hörten, machten wir unsere Bemerkungen unter vier Augen, ließen jedem, was gut war, Gerechtigkeit widerfahren und tadelten, was zu tadeln war.« Weiterhin empfiehlt Dittersdorf die Vortheile einer solchen »echten, unpartheiischen« Kritikübung jedem angehenden Tonsetzer aufs angelegentlichste. Wie wir aus Haydn's Selbstbiographie ersehen, blieben die Freunde auch später in schriftlichem Verkehr.[140]

Ein kleines Abenteuer, das den beiden Kunstjüngern auf einem ihrer Spaziergänge begegnete, beweist uns, wie populär damals schon (zu Anfang der 60er Jahre) Haydn's Name geworden war. Haydn und Dittersdorf passirten einst zur Nachtzeit eine der schmaleren Gassen Wiens und hörten im Vorübergehen in einer Bierkneipe einen Haydn'schen Menuett erbärmlich heruntersiedeln. Zwei so aufgeweckten Köpfen, die sich gerne einem Scherze überließen, war dies eine unwiderstehliche Aufforderung, den Ohrenschmaus in nächster Nähe zu genießen. Sie gingen hinein und traten hart an die Musikanten heran. »Von wem ist denn der Menuett?« fragte Haydn in hämischer Weise den Primgeiger. Dieser antwortete in gereiztem Tone: »von Haydn«, worauf dieser trocken genug bemerkte: »Das ist ein rechter S–Menuett!« Dem in seinem Liebling beleidigten Geiger versagt vor Wuth die Sprache; mit seinem Instrumente hebt er zum Streiche auf Haydn's Kopf aus, die Genossen folgen dem Beispiel und der kräftige Dittersdorf hat gerade noch Zeit, seine Arme schützend vor seinem Freunde auszubreiten und schleunigst mit ihm die Flucht zu ergreifen.30


Die in der Chronik besprochenen Nachtmusiken boten Haydn ohne Zweifel eine willkommene Gelegenheit, sein Violinspiel und mehr noch sein Compositionstalent zu verwerthen; wie uns Griesinger (S. 17) versichert, erinnerte sich Haydn, auch einmal im Jahre 1753 ein Quintett für diesen Zweck geschrieben zu haben. »Gassatim gehen«31 nannte er diese musikalischen Abendexcursionen, bei denen irgend einer beliebten Persönlichkeit auf Bestellung Anderer oder auch aus eigenem Antrieb gehuldigt wurde.[141]

An einem für Ständchen wettergünstigen Abend (es dürfte im Herbste 1751 gewesen sein) finden wir Haydn mit einigen Kameraden vor dem Hause des Gold- und Perlenstickers Anton Dirkes (Türkes). Die Musik, die sie aufführten und die von Haydn componirt war, galt dem in demselben Hause wohnenden, damals sehr beliebten Komiker des Stadttheaters, Joseph Kurz, oder richtiger gesagt, seiner hübschen Frau Franziska. Das Haus stand schräg gegenüber dem alten Stadttheater dicht beim Widmer- oder alten Carntner- (Kärnthner-) Thor und war an die ehemalige Stadtmauer angebaut.32 Haydn's Musik erregte die Aufmerksamkeit des stets aufgeweckten Komikers; er verließ das Haus, trat zu den Musikern und erkundigte sich nach dem Componisten der eben aufgeführten Musik. Haydn stellte sich ihm vor und mußte sogleich dem etwas überraschten Komiker in dessen Wohnung folgen, wo ihm derselbe das Anerbieten stellte, für sein eben fertig gewordenes neues Theaterstück die Musik zu schreiben. Kurz suchte auch gleich seinen Mann zu prüfen, er ließ ihn sich ans Clavier setzen und einige leicht angedeutete Scenen aus dem Stegreif mit Melodieen begleiten. Namentlich lag ihm die musikalische Schilderung eines Sturmes auf dem Meere am Herzen. Da er aber die Verzagtheit Haydn's gewahrte, dessen Kenntnisse von Wässern sich bis dahin nur auf die Leitha und das Wienflüßchen erstreckten, die doch unmöglich zur Vorstellung des gewünschten Bildes anregen konnten, so suchte er, Haydn's Phantasie nachhelfend, das Ringen eines Ertrinkenden figürlich auszumalen. Unschlüssig, wie er ein Ding ausdrücken solle, das er im Leben nie gesehen, schüttelte Haydn noch immer den Kopf, während Kurz, der ganzen Leibeslänge nach über einige Sessel ausgestreckt, die Bewegungen[142] eines Schwimmenden nachahmte. Er wurde bereits ungeduldig und rief dem jungen Musiker fast ärgerlich zu: »Aber sehn's denn nit wie i schwimm'?!« Unwillkürlich geriethen Haydn's Finger endlich in der Angst in die vom Komiker gewünschte Taktbewegung. Kurz sprang auf, umarmte seinen Schützling und übergab ihm das Manuscript seiner neuesten komischen Oper, die den Titel führte: »Der neue krumme Teufel.«33 Lächelnd gedachte Haydn vier Jahrzehnte später seiner Begegnung mit Kurz, als er am Neujahrsmorgen 1791 auf der Ueberfahrt nach England in Wirklichkeit das Meer, das »ungeheuere Thier« und seine »ungestümen, hohen Wellen« kennen lernte.

Wir sind hier an dem Punkte angelangt, wo es geboten ist, über den vorgenannten Komiker Kurz Näheres zu erfahren. Johann Joseph Felix Kurz34, der Sohn eines Principals einer herumziehenden Komödianten-Truppe, war in Wien am 22. Febr. 1717 geboren35; Jos. Anton Stranitzky und seine Ehefrau Maria Monica und ein zweites Ehepaar vom Stadttheater waren seine Taufpathen. Es scheint, daß er bei seinem Vater, der u.a. namentlich Brünn in den Jahren 1725 bis 1751 als Schauspieler häufig besuchte36, die ersten Lehrjahre verlebt hatte. In Wien trat er, wie wir in der Chronik gesehen haben, im Jahre 1737 zum erstenmale im Stadttheater auf. Er war von ausgezeichnet komischem Talente, lebhaft, vitzig und erfinderisch. Obschon er sich an innerlich komischer[143] Kraft mit Prehauser nicht messen konnte, so war er in seinen Caricaturen doch noch unternehmender, reicher an Wortwitz und scharfsinniger. Er hatte dem Publikum alle seine schwachen Seiten abgemerkt und gab seinen unverschämtesten Späßen eine neue Würze, indem er sie in Zweideutigkeiten kleidete; er hatte tausenderlei Hülfsmittel zur Hand und verschmähte keines. Das alte Hanswurstwesen wurde durch ihn schon modernisirt. Seine Stärke im Niedrigkomischen machte ihn Prehauser so gefährlich, daß es dieser vorzog, mit dem jüngeren Nebenbuhler gemeinschaftliche Sache zu machen. Kurz hatte in einer gewissen Rolle als Bernardon Beifall erhalten und behielt nun diese Bezeichnung als Theatername bei; auch schrieb er eine Unzahl extemporirter Theaterstücke, die auf diesen, aus Dummheit und Spitzbüberei zusammengesetzten Charakter berechnet waren und zum Theil auch bei Ghelen im Druck erschienen sind.37 Sie waren nach den Grundsätzen der überdachtesten Oekonomie verfaßt: jede Arie, jeder Fußtritt, jede Maulschelle wurden dem Schauspieler unter dem Namen »Nebengefälle« besonders bezahlt. Dabei versah Kurz seine Stücke reichlich mit einem bunten Apparat von Flugwerken, Gaukeleien, Verkleidungen und Kinder-Pantomimen, die ihnen denn auch, durch sein unleugbares Schauspieltalent gewürzt, jahrelang einen unglaublichen Zulauf verschafften.38[144] Selbst der kaiserliche Hof wohnte denselben zuweilen bei und unterhielt sich an den derb gewürzten Späßen des Komikers, bis dieser einmal im Uebermuth durch eine unverschämte Antwort die Gnade der Kaiserin derart verwirkte, daß sie einen Schwur that, ihn nie wieder spielen sehen zu wollen. Nach einjähriger Abwesenheit kehrte Kurz im Jahre 1744 nach Wien zurück, diesmal seine erste, oben erwähnte Frau mitbringend. Als die Anläufe zu regelmäßigen Stücken, die Nachcensur und überhaupt die Reformpläne der Kaiserin gefährlicher zu werden drohten, wurde Kurz die Wiener Luft zu schwül, er verließ die Stadt zum zweitenmal vor Ostern 1753. Er ging damals zur Koch'schen Gesellschaft (beim Taufact seines jüngsten Sohnes wird er als Pragerischer Theatral-Impresario aufgeführt), kehrte aber in der Mitte des nächsten Jahres abermals nach Wien zurück und hatte nun unter der Direction Durazzo's den Gipfel seines Ruhmes und Glückes überstiegen. Vergebens kämpften die regelmäßigen Stücke gegen die Posse, die gleichsam in drei Colonnen, die extemporirten Farcen von Kurz und Weiskern und die Zauberkomödien von Huber, gegen sie auftrat. Die Ersteren, denen für Lust- und Trauerspiele nur je ein Abend in der Woche eingeräumt war, brachen sich nur langsam Bahn, denn die Wenigsten hatten einen Begriff von der Sittenveredlung der Bühne; der große Hause hielt vielmehr dafür, daß deren Aufgabe darin bestehe, die Leute über die ausgelassensten Narrenspossen lachen zu machen. Nachdem Kurz seine erste Frau im Jahre 1755 durch den Tod verloren hatte, vermählte er sich zum zweitenmal und blieb bis zum Jahre 1759 in Wien. Die vielen Neuerungen behagten ihm jedoch nicht; zum drittenmal die Stadt verlassend, durchzog er mit seiner Truppe Oesterreich und Deutschland (1760 spielte er in Prag, 1765 übernahm er das Theater in München). Mit seinem diesmaligen Scheiden erlitt die Possenreißerei den ersten Todesstoß. Vergebens versuchte es der Schauspieler Brenner, an Stelle des Kurz dessen Charakterrolle durchzuführen und sich selbst als Burlin eine neue Rolle zu schaffen. Noch weniger gelang es Christoph Gottlieb als Jakerl durchzudringen. Auch die Maschinen-Komödien verfingen nicht mehr und die Darsteller des Niedrigkomischen starben Mann auf Mann. Huber war schon todt, nun folgten auch Leinhaas, Weißkern und Prehauser. Dazu kam noch Sonnenfels'[145] scharfe Feder, der in seinem Wochenblatt »Der Mann ohne Vorurtheil« (1765) gegen die bisherige Wirthschaft erbarmungslos zu Felde zog. Es half nichts, daß Sonnenfels dafür von Prehauser in Klemm's Komödie, »Der auf den Parnaß versetzte grüne Hut« aufs empfindlichste angegriffen (Febr. 1767), und selbst von den italienischen Operisten auf der Bühne carikirt wurde – das morsche Gebäude war nicht mehr zu halten. Als nun Kurz nach zehnjähriger Abwesenheit gegen Ende des Jahres 1769 nochmals sein Glück in Wien versuchte, mochte er wohl auf die Unterstützung des Directors Affligio39 rechnen, dem das deutsche wie überhaupt jedes edlere Schauspiel ein Dorn im Auge war. Kurz kam ihm gerade recht, denn der gealterte Komiker, der keine Ahnung hatte, welche Wandlung sich bereits vorbereitet hatte, versprach ihm goldene Berge, wenn er ihn schalten ließe. Gezwungen jedoch, seine Stücke regelmäßig geschrieben der Censur vorzulegen, sah sich Kurz durch Beseitigung aller Zweideutigkeiten, auf die er die größte Hoffnung gesetzt hatte, der Haupteffecte beraubt. Als er das erstemal wieder am 6. Jan. 1770 in der von ihm zugestutzten Operette La Serva padrona (»Die Magd eine Frau«, mit Musik von Ignaz Gspann) auftrat, lief zwar Alles hin, den ehemaligen Liebling zu begrüßen, doch seine besten Freunde wurden nun erst den veränderten, geläuterten Geschmack gewahr. Seine Grimassen und Caricaturen erregten nur Abscheu und schon am zweiten Abend hatte der Zulauf nachgelassen. Es folgten in längeren Zwischenräumen noch »Der Philosoph auf dem Lande« (komische Oper), »Bernardon der Weiberfeind« (Singspiel), »Der unruhige Reichthum« (Lustspiel nach dem Französischen) und am 24. November »Der neue krumme Teufel«. Entgegen der irrigen allgemeinen Annahme, daß Kurz den Affligio persiflirt habe, wurde vielmehr[146] er selber durch den Schauspieler Müller in einer, vom preuß. Gesandtschaftssecretär Jester geschriebenen Parodie, »Vier Narren in einer Person«, mit so viel Geschick carikirt, daß er bei seinem nächsten Auftreten kaum dem Auspfeifen entging. In dem kläglichen Schicksal seines Singspiels, »Die Judenhochzeit oder Bernardon der betrogene Rabbiner«, sah endlich Kurz im Januar 1771 auf derselben Bühne, auf der sein Ruhm am längsten gewährt, seinen Stern für immer erbleichen. Als im Jahre 1770 die Brüder Lange am Theater nächst der Burg angestellt wurden (Michael Joseph, der ältere und vorzüglichere, starb am 29. Juli 1771), kamen sie eben noch recht, um die Burleske in den letzten Zügen liegen zu sehen. Prehauser und Consorten waren ihnen fremd geblieben, sie konnten also nur nach dem Eindrucke urtheilen, den sie durch das Spiel des letzten Komikers der derben Schauspiel-Gattung jener Zeit empfingen, über welche sich Joseph Lange, der jüngere der Brüder, in folgenden Worten äußert: »Mag es doch nach der Ansicht neuerer Aesthetiker wahr seyn, daß das freye, keke Komische mit Hanswurst und Bernardon auf der Bühne verlosch. Ich muß es ihnen überlassen, den Verlust zu würdigen und zu betrauern. Das aber darf ich sagen, daß die Darstellungen mit Hanswurst nur extemporirte Fratzen waren, ohne künstlerische Absicht flüchtig entworfen, reich an Prügeleyen, Zotten und gemeinen Späßen, die sogar ungefähr immer dieselben blieben.«40

In Wien war Kurz nun allerdings geschlagen, doch war damit seine Thätigkeit noch lange nicht abgeschlossen. Er wendete sich zunächst nach Breslau, befriedigte die Gläubiger der Witwe Schuch, Principalin einer Schauspielertruppe, und wanderte als deren Mitdirector mit ihr nach Danzig. Im folgenden Jahre trennte er sich von dieser Truppe und zog nach Polen. In Warschau führte er dann noch jahrelang gleichzeitig die Direction über drei Schauspiel-Unternehmungen: eine polnische, deutsche (beide mit Ballet) und eine Opera buffa; bei Letzterer waren Rosa Bernardi, das Ehepaar Liverati, Mlle. Gibetti und Montaneri, Domênico Guardasoni, Bondichi und Marini angestellt. – In Warschau wurde Kurz auch in den[147] Freiherrnstand erhoben, welches einige polnische Cavaliere bewog, ihn kameradschaftlich in Geldsachen auszunutzen.41 Im Jahre 1784 finden wir ihn nochmals in seiner Vaterstadt Wien, wo ihn sein Ende erwartete. Freiherr Joseph von Kurz starb am 2. Febr. desselben Jahres in der Krugerstraße im Hause »zum goldenen Löwen« (neu Nr. 3) auf einem Monatzimmer beim Rauchfangkehrer Fassatti und, wie die Verlassenschafts-Acten ausweisen, nicht gerade ganz mittellos.42

Von seinen Collegen ließ sich Kurz gerne »Herr Vater« anreden. Er war ein wohlgebildeter, mit vielen Anlagen ausgestatteter Lebemann, der auch außer dem Theater durch seinen heiteren und witzigen Umgang in höheren Kreisen beliebt war und selbst ein großes Haus führte. In ihm starb der letzte Komiker einer Schauspiel-Epoche, die sich längst überlebt hatte. Sonnenfels hatte Hanswurst und Bernardon von der Bühne verdrängt; die Freunde des Kurz ließen nun das Porträt des Letzteren genau nach dem vorhandenen des Sonnenfels als Gegenstück, beider Antlitz einander zugekehrt, in Kupfer stechen.43

Franziska, die erste Frau des Kurz, der Haydn's Serenade galt, war (nach Kurz's eigener Angabe in den Verlassenschafts-Acten seiner Frau) eine arme, ganz mittellose Kammermagd aus Sachsen, die Kurz dort geheirathet hatte.44 Als Kurz im[148] Jahre 1744 zum zweitenmal in Wien auftrat, wurde sie zugleich mit ihm engagirt. Man schätzte sie sowohl wegen ihres Talentes und wegen ihrer schönen Stimme, als auch wegen ihrer hübschen Gestalt, und als sie im 27. Lebensjahre am 14. Juli 1755 nach langwieriger und schwerer Krankheit in dem früher bezeichneten Hause starb, wurde ihr Verlust sehr bedauert.45 Sie war in der Operette und der Komödie beschäftigt und besonders im komischen Fache beliebt. Bei dem Umstande, daß dem vorliegenden Textbuche von Haydn's erster Oper das Druckjahr fehlt und darin sogar schon die zweite Frau des Kurz namhaft gemacht ist, bleibt es dahingestellt, ob die im Operntexte in den verschiedensten Sprachen abgefaßten Arien schon für die hübsche Franziska geschrieben waren.

Die zweite Frau des Kurz, Theresia geborene Morelli aus Toscana, trat im Stadttheater am 15. April 1758 in Gegenwart des kaiserlichen Hofes in einer neuen Maschinen-Komödie ihres Mannes, »Die glückliche Verbindung des Bernardon« (eine Anspielung auf Beider vorangegangene Verehelichung), zum erstenmale auf und fand als Sängerin und Schauspielerin allgemeinen Beifall. (Wiener Diarium. Nr. 3l.)46 Sie war, wenigstens so weit es der Vortrag der Arietten verlangt, mehrerer Sprachen mächtig; in der genannten, wie auch in einer andern Kurz'schen Komödie, »Die fünf kleinen Luftgeister«, finden wir sogar spanische und türkische Arietten-Texte.[149] Im Jahre 1759 verließ Theresia Kurz mit ihrem Manne Wien, übernahm nach dessen Weggang von München im Jahre 1765 die Theaterleitung und führte dann ihre Truppe nach Salzburg, Frankfurt und den Rhein entlang. In ihrem Personal befand sich auch der geachtete Schauspieler Bergobzoomer, der dann in Wien und Prag engagirt wurde und die geschätzte Sängerin Katharina Schindler (eigentlich Leidner) zur Frau nahm. Am 26. Juni 1770 debutirte Theresia Kurz wieder in Wien (sie gab die Rolle der Eugenia in der Komödie »Die verliebten Zänker«) und hier war es denn auch, wo sie bei der Wiederaufführung der Haydn'schen Oper mitgewirkt haben wird. Sie mochte nebstbei gerne für eine tragische Schauspielerin gelten, hatte aber das Misgeschick, einmal als Königin in »Richard III.« (von Weiße) ausgepfiffen zu werden. Im Jahre 1772 war Theresia Kurz noch beim Wiener Theater; drei Jahre später ist sie schon im Personalverzeichniß ihres Mannes in Warschau verzeichnet, wo sie im Schauspiel und der Opera buffa beschäftigt war. Während ihr Mann in Wien starb, befand sich Freiin Therese von Kurz in Anspach; ihr weiterer Lebenslauf war nicht zu eruiren.

Auch die Schwester des Kurz, Monika, und deren Mann, Friedrich Wilhelm Ellizon, spielten aller Wahrscheinlichkeit nach in Haydn's Oper. Monika Kurz war im Stadttheater schon im Jahre 1741 und als Frau Ellizon abermals seit 1751 aufgetreten und soll im komischen Fach etwas geleistet haben. Ellizon (auch Elendson oder Elenson) war aus Sachsen gebürtig und gab die Rolle des Pantalon; auch er wurde 1751 angestellt. (Der Schauspielername Elenson kommt schon im Jahre 1673 im Ballhause in der Himmelpfortgasse vor.)

Es bleibt noch Einiges über die Kinder des Kurz zu sagen übrig, für die in Haydn's Oper die Pantomime geschrieben war. Im Taufprotokoll der Dompfarre zu St. Stephan sind im Zeitraume von 1745–53 aus der ersten Ehe des Kurz sieben Kinder aufgezählt; von diesen waren die drei ältesten:47 Eleonore, Joseph und Antonie (provinziell Lenorl, Seperl und Tonerl[150] genannt) für das Theater abgerichtet. Sie mußten agiren, singen, tanzen und sich in Verkleidungen flink und gewandt zeigen.48 So heißt es in der Komödie »Arlechin der glücklich gewordene Bräutigam«: »NB. Die kleine Colombine, welche die Antonia Kurtzin vorstellet, wird sich in vier Caracteren und vier lustigen Arien besonders distinguiren.« Als Kurz im Jahre 1754 zum drittenmale im Stadttheater angestellt wurde, begrüßte er das Publikum mit einer Komödie, von der wie gewöhnlich die Arien gedruckt sind49 und im Avertissement besonders auf die Pantomimen und, bei der »allzugroßen Jugend« der Kinder auf die Mühe, denselben »die natürlichen Actionen und Tänze beizubringen«, Nachdruck gelegt wird. Allerdings ging dies nicht immer leicht von Statten, da Kurz, wie er selbst gesteht, »von Natur etwas ungeduldig« war und es daher »zu Zeiten mit den Kindern empfindliche Verdrüßlichkeiten« absetzte. Nach dem Tode seiner ersten Frau führte Kurz »zu einer Zeitverkürzung« eine von ihm seinen drei Kindern angepaßte, nach Gellert eingerichtete Zauber-Operette auf.50

In den Kurz'schen Balleten, Operetten und Schattenspielen[151] sind noch folgende Kinder als mitwirkend genannt: Theresia Sephin, Louise Souvirant, Johannes und Maria Anna Julio, Johanna Weiskern und namentlich Maria Anna, Louis und Franziska Bernardi. Aus den Verlassenschafts-Acten des Kurz ersehen wir die Schicksalswendung seiner ihn überlebenden Kinder. Lenorl, Seperl und Tonerl sind angeführt als: Frau Eleonore Freiin von Kurz, Klosterfrau in Venedig; Joseph Freiherr von Kurz, dessen Aufenthalt unbekannt; Frau Antonie verwitwete Gräfin von Predau zu Prosnitz in Mähren; ihnen reiht sich noch an: Franz Freiherr von Kurz, k.k. Cadet, dazumal in Garnison zu Mödling bei Wien.


Als Haydn mit seiner Oper fertig war und sie zu Kurz brachte, wollte ihn die Magd abweisen, da ihr Herr gerade studire. Wie sehr erstaunte aber Haydn, als er durch die Glasthüre Bernardon vor einem großen Spiegel stehend Gesichter schneiden und mit Händen und Füßen die lächerlichsten Contorsien machen sah. Das waren die Studien des Herrn Bernardon.51 – Haydn erhielt angeblich für seine Arbeit die, für einen angehenden Componisten und für jene Zeit kaum glaubliche Summe von 24 oder 25 Ducaten52, in deren Besitz er sich damals freilich für einen fast reichen Mann mag gehalten haben. Die Oper gefiel53, wurde aber nach zweimaliger Aufführung wegen beleidigender Anzüglichkeiten im Texte verboten. So behauptet[152] Dies (S. 41); nach Bertuch54 copirte der Schauspieler in der Rolle des hinkenden Teufels einen anwesenden italienischen Grafen, der das Verbot der Oper erwirkte.55

Der vollständige Titel des gedruckten Textbuches, dem leider das sonst übliche Avertissement des Autors fehlt, lautet:


Der neue | krumme Teufel. | Eine |Opera comique | von zwey Aufzügen; | nebst einer | Kinder-Pantomime, | betitult: Arlequin | der neue Abgott Ram | in America. | Alles componiret | von Joseph Kurz.56


Die Pantomime folgt nach dem ersten Act. Außerdem ist noch im zweiten Aufzuge ein Intermezzo eingeschoben. Zum Schlusse heißt es:


NB. Die Musique sowohl von der Opera comique, | als auch der Pantomime ist componiret | von | Herrn Joseph Heyden.57


Des berühmten französischen Dichters Le Sage bekannter Roman Le diable boiteux, der die Liebesabenteuer eines spanischen Studenten schildert, wurde in den verschiedensten Bearbeitungen für die Bühne verwerthet; zunächst unter demselben Titel in der Comédie italienne zu Paris im Jahre 1746.58 Der[153] Kurz'schen Bearbeitung liegt die Absicht zu Grunde, einen alten verliebten Gecken von seiner Narrheit zu heilen. Dazu soll nun der Teufel verhelfen, in dem wir es also mit einem von der gutmüthigen Art zu thun haben, wie die Handlung selbst bezeugt, deren Dialog durchwegs ausgeführt ist (also keine extemporirte Posse). Anzüglichkeiten im Text kommen nicht vor; fanden solche statt, müssen sie der Maske oder den Gesten des Schauspielers zugeschrieben werden.


Agirende Personen in der Comedie:


Arnoldus, ein unglückseliger Doctor Medicinae.

Angiola, dessen Schwester.

Argante, eine Base desselben.

Fiametta, ein angenommenes Zuchtmädel. des Arnoldus.

Catherl, ein Stubenmädel. des Arnoldus.

Bernardon, ein Bedienter des Arnoldus.

Leopoldel, ein Bedienter des Arnoldus.

Casparus, Gemahl der Angiola.

Gerhard, Gemahl der Argante.

Asmodeus, der neue krumme Teufel.

Zwei Notare.


Im ersten Aufzuge sehen wir den Doctor Arnoldus in seinem Zimmer am Schreibtische sitzen und Recepte mustern; dabei klagt und seufzt er, daß all sein Wissen in der Medicin ihm nichts helfe, da er verliebt sei und sich daher selber als einen armen Patienten betrachten müsse. Dem eintretenden Bernardon befiehlt er, Fiametta, das im Hause auferzogene Mädchen, herbeizuholen. Nach mancherlei Einwendungen, daß sie krank sei, erscheint sie endlich doch. Der Doctor kommt ihr zärtlich entgegen und will ihr den Puls fühlen; sie widersetzt sich und klagt, daß sie unglücklich sei. Von seiner Kur will sie schon gar nichts wissen, er sei ein Seelenlieferant, ein Mensch, durch den nur die Tischlerzunft und der Todtengräber reich würden. Der Doctor sucht sie zu beschwichtigen und meint, sie werde bald von ihm Besseres erfahren. Er geht ab und Bernardon eröffnet der arglosen Fiametta, daß ihre Hochzeit mit Arnoldus bevorstehe. Es erfolgt Ohnmacht und Wiedererwachen. Wer wird helfen?! »Das wird der Teufel thun«, ergänzt der im Hintergrunde erschienene Asmodeus. Die Scene verwandelt sich und stellt einen mit Statuen gezierten Garten vor. Arnoldus, seine Verwandtschaft und zwei Notare erscheinen. Der Doctor zeigt ihnen an, daß er gesonnen sei zu heirathen; schon fünfzig Jahre lebe er im Junggesellenstande und habe es nun satt; die Liebe sei bei ihm nicht blind, denn Fiametta wäre ein schönes[154] Kind. Die Verwandten rathen ab. Nun kommt Fiametta selbst; der Doctor nennt sie seine Braut und diese dagegen nennt ihn ein altes Häringsfaß; eher will sie sterben als sich mit ihm verehelichen. Sie stellt sich verrückt und verläßt singend und tanzend die Bühne. Der Doctor glaubt Bernardon in Fiametta verliebt und klagt ihn an, ihm das Herz derselben weggeschnappt zu haben; er solle sich trollen. Bernardon geht schimpfend ab. Indem eilt Katherl, das Stubenmädchen, herbei und jammert, daß sich Fiametta erstochen habe und rings um sie allerlei Unthiere hausen. Nun kommt auch Leopoldel mit der Nachricht, daß sich Bernardon erschossen habe und fürchterliche Geister ihn umgeben. Es erfolget Donner und Blitz – Alle fahren durcheinander und singen im Chorus: der Teufel ist los! Die Statuen verwandeln sich auf einen Wink des Asmodeus in Pferde und mit ihnen fliegen Fiametta und Bernardon im Reiseanzug in die Luft. Alle Anwesenden sind bestürzt; Asmodeus aber packt den Arnoldus und versinkt mit ihm in die Erde. –

Dieser Act enthält elf Arien und ein Duett und schließt mit einem größeren Finale. In der nun folgenden Pantomime bemüht sich Asmodeus, dem Arnoldus klar zu machen, was von der Liebe zweier ungleicher Gatten zu erwarten sei.

Der zweite Aufzug führt uns in eine Stadt; Arnoldus und Asmodeus treten auf. Arnoldus sieht finster drein, er begreift nicht, was Asmodeus mit ihm vor hat. Dieser tröstet ihn, er solle nicht nach altem Brauch glauben, daß der Teufel immer nur des Menschen Feind sei; er meine es im Gegentheil gut mit ihm und habe dies schon dadurch bewiesen, daß er ihm in der Pantomime ein lehrreiches Beispiel im Bilde vorgehalten habe; nun solle er noch den armen Bernardon sehen, der schon zwei Jahre im elenden Ehezustande schmachte. Auf des Teufels Wink erscheinen sofort Bernardon und Leopoldel. Ersterer klagt, daß seine Frau verschwunden sei, und Leopoldel zeigt ihm das Haus, wo er sie finden werde. Sie klopfen an. Fiametta tritt nun der Reihe nach als Bolognesischer Doctor, als Polichinel, als Pantalon und Arlequin auf und singt in jeder Verkleidung eine Arie in je einer anderen italienischen Mundart. Erst als Leopoldel ihr die Maske vom Gesicht reißt, erkennt Bernardon seine Frau. Er will sie erstechen, doch sie entflieht. Der betrogene Gatte klagt sein Leid in einer Arie und warnt vor den[155] treulosen Weibern. Asmodeus und Arnoldus treten wieder vor und Letzterer versichert, er sei bereits geheilt. Um ihm aber die Heirathsgedanken völlig zu benehmen, führen Bernardon, Angiola und Fiametta auf Anstiften des Asmodeus ein italienisches Intermezzo auf, das so einschlagend wirkt, daß Arnoldus fortan von keiner Braut, und sei sie auch die schönste, mehr etwas wissen will. Dem Bernardon aber, der ihn dauert, da er das leiden muß, was ihm bevorstand, will er zwölf tausend Gulden vermachen. Nun treten alle Personen, auch die der Pantomime, auf. Bernardon dankt dem Doctor für die große Summe Geldes, die ihm gestattet, nun glücklich zu leben; Fiametta küßt Arnoldus die Hände; die Verwandtschaft findet seinen Entschluß, ledig zu bleiben, vortrefflich, da sie dadurch mehr Erbschaft zu erwarten hat und die Personen der Pantomime, Kinder und Erwachsene, fragen, ob sie ihre Rolle gut gespielt haben. Arnoldus ist mehr und mehr erstaunt und glaubt gar, daß er gefoppt worden sei, worauf ihm Asmodeus erwidert: das Eine ist wahr, das Andere ist nicht erlogen. Dem Teufel kostet es nun nur wenig Mühe, um Arnoldus zu bestimmen, das zu bleiben was er war, und einzugestehen, daß er mit seiner Lieb' ein rechter Narr gewesen, worin ihm Alle im Chorus beistimmen, denn: Nur gleich und gleich gehört zusammen.

Wir kommen nun zu den Zwischenspielen, der Pantomime und dem Intermezzo. Die Zwischenspiele in den Komödien jener Zeit hatten den Zweck, den Zuschauer aus der ernsten Stimmung, auf die es die Haupthandlung abgesehen hatte, in eine heitere zu versetzen oder auch umgekehrt. Zuweilen hatten sie Bezug auf die Komödie selbst, wirkten also erläuternd und nutzanwendend; zuweilen auch nicht. Schon in den frühesten Jesuiten-Theatervorstellungen waren solche Zwischenspiele gebräuchlich. Im vorliegenden Falle dienen sie an beiden Orten dazu, den eigentlichen Vorwurf zu bekräftigen. Die Pantomime, welche zwischen dem ersten und zweiten Aufzuge eingeschoben ist, zeigt das erste Spiegelbild weiblicher Untreue.


Personen der Pantomime:


Arlequin, Diener desAlba, ein afrikanischer Prinz.

Celio, ein Schiffscapitain.Mufti, ein Götzenpfaff.

Merline, eine Insulanerin.Viele Amerikaner.

Ronzi, ein Zauberer.Viele holländische Seefahrer.[156]


Die Bühne stellt eine wüste Insel vor; im Hintergrund breitet sich das Meer aus, dessen vom Sturme aufgeregte Wellen sich allmälig beruhigen. Arlequin, der mit seinem Herrn Schiffbruch gelitten, kommt von weitem geschwommen, tritt ans Land und trifft hier Merline, die mit ihrer Mutter an diese Insel verschlagen wurde. Ihre Mutter ist todt und überließ Merline die Sorge, sich vor den wilden Insulanern zu schützen. Die Annäherung der beiden Gestrandeten folgt rasch. Die Handlung macht nun die üblichen Verwirrungen einer Pantomime durch; zunächst sehen wir die Verwandlung der Scene in einen Tempel, in dem ein Zauberer in Gestalt des neuen Abgotts Ram thront, der dem Arlequin zu seinem Glück verhelfen will. Er bekleidet ihn mit den Abzeichen des Abgottes, der Gouverneur und die Wilden kommen unter den Klängen eines kriegerischen Marsches und bringen ihre Opfergaben. Sie gewahren wohl ihren Irrthum, doch weiß ihnen Arlequin zu imponiren und sie tragen ihn als ihren König und Herrn frohlockend davon. Unterdessen kommt Celio der Schiffscapitain, der sich gleichfalls gerettet hat, und trifft hier mit Merline zusammen. Auch mit ihm findet sich das Mädchen bald zurecht; sie singen sich in einem Duett ihre Liebe zu und geloben einander ewige Treue. Mitten in ihren Betheuerungen kommen die Wilden, nehmen sie gefangen und führen sie Arlequin zu, der noch immer als Abgott thront. Der Gouverneur erscheint und giebt Arlequin zu verstehen, daß es bei ihnen Sitte sei, fremde Menschen aufzufressen. Arlequin stimmt ihm zu, gebietet aber den Wilden, ihn vorerst mit den Beiden allein zu lassen. Obwohl von Merlinen's Untreue verletzt, überläßt er sie doch nach schwerem Seelenkampfe seinem Herrn. Die Indianer haben den Vorgang belauscht, brechen hervor und führen nun alle drei ab. Die Scene verwandelt sich und stellt den Ort vor, wo die Wilden ihre Opfer zu schlachten pflegen. Alles ist bereitet. In ihrer Angst wendet sich Merline flehend an den vornehmsten Wilden, der sie zu retten verspricht unter der Bedingung, daß sie ihn heirathet. Sie willigt ohne Zaudern ein und ist somit gerettet; Arlequin jedoch soll gespießt und Celio geviertheilt und in einem Kessel gesotten werden. In diesem kritischen Momente vernimmt man Trommelwirbel und Trompetengeschmetter, die Scene verwandelt sich und man erblickt eine holländische Kriegsflotte. Es kommt zum[157] Kampfe, die Indianer unterliegen und die Opfer sind gerettet. Merline hat als Ungetreue wohl einen schweren Stand, doch wird ihr verziehen; unter Jubelgeschrei besteigen Alle die Schiffe und der Chor besingt die Freuden nach bösen Stunden. – Diese Pantomime enthält elf Arien, ein Duett, einen Marsch und den Schlußchor; ausdrücklich erwähnt ist noch »eine Musique, welche mit einer Mühle accompagniret«.

Nach dem sechsten Auftritt im zweiten Act beginnt ein Intermezzo, das aus sechs Scenen besteht und durchaus in italienischer Sprache und in Versen abgefaßt ist. Der Titel lautet:


Intermezzo, intitolato: Il Vecchio ingannato.


(Der betrogene Alte.)


Attori:


Pancrazio – Giuseppe Kurz.

Pandora – Cattarina Meyrin.59

Bettina – Theresa Kurzin.


Es sind, wie schon erwähnt, Bernardon, Angiola und Fiametta, die wir hier in der Maske eines Alten (Pancrazio) und einer Mutter und Tochter (Pandora und Bettina) vor uns haben. Die Mutter eröffnet der Tochter, daß sich für sie ein Bräutigam gefunden habe; er sei zwar alt, doch habe er Geld; sie solle zugreifen, denn die Schönheit verblühe gleich einer Blume. Zudem werde ihr sein Reichthum schon auch junge Liebhaber erwerben. »Dann nehme ich ihn!« ruft die Tochter entschlossen und die Mutter freut sich, in ihr diejenigen Eigenschaften wiederzufinden, die sie selbst in der Jugend zierten. Allein gelassen, geht die Tochter mit sich zu Rath: Erfahrung macht klug; es seien ihr schon Viele entschlüpft, dieser endlich solle an der Angel zappeln. Im Gespräch mit der Mutter steigen dem Alten denn doch einige Zweifel auf; er fürchtet wirklich, daß er zu alt sei. Doch die Mutter kämpft alle Bedenken nieder, indem sie die Tochter als Engelreine hinstellt, die kaum[158] wisse, was Brautschaft und Heirath, ja nicht einmal was Liebe sei. Sie (die Mutter) habe ihr dies erst im Bilde des Cupido erklären müssen, den sie (die Tochter), als mit Pfeil und Bogen bewaffnet, für einen Soldaten hielt. »Welche Unschuld! welche Taube!« ruft der Alte zwischen jeder neuen Eröffnung – glücklich, daß er derjenige sei, der sie zuerst in die Liebe einweihen werde. Die Tochter kommt und findet ihren Zukünftigen älter als einen Raben. »Der um so eher sterben wird«, ergänzt die Mutter tröstend. Den Alten packt das Fieber vor Liebe; die Tochter zweifelt nicht, ihn zu curiren und je eher je lieber ins Jenseits zu befördern. »Welch' schöner Moment, welch' beglückte Liebe!« ruft der verzückte Alte. »Eine saubere Ehe wird dies werden«, denkt halblaut die Mutter. Und Alle: »Genuß, Freude und Vergnügen wird jederzeit sich vermehren.«

Dies Intermezzo enthält fünf Arien; eine der Pandora und je zwei des Pancrazio und der Bettina; am Schlusse vereinigen sich alle Drei zu einem Tutti.


Und die Musik von Haydn? – wird der Leser schon längst gefragt haben. Die Musik zum neuen krummen Teufel wurde bis jetzt nicht aufgefunden. Die Partitur ist verschollen, obwohl die Operette an vielen Orten wiederholt gegeben wurde. Einer etwaigen Wiederauffindung als Anhaltspunkte dienend, folgen hier die bekannt gewordenen Aufführungen:60


In Wien (außer den genannten) im Jahre 1783, 28. Sept. im Theater »zum Fasan« (Vorstadt Neustift, jetzt Neubau, Bezirk VII.)

In Prag im Jahre 1771, 17. und 27. Nov., und 1772, 11. Oct. unter der Direction des Joh. Baptist Bergobzoomer.

In Berlin in den Jahren 1771–75 von der Koch'schen Gesellschaft zwölfmal gegeben.

Im Obersächsischen (Altenburg, Eisleben, Querfurt, Zeitz,[159] Erfurt) in den Jahren 1796–98 von der Gesellschaft des Franz Huber.

In Heitersheim (Amtsbezirk Staufen im Breisgau) im Jahre 1765 im Carneval von der jungen Schauspieler-Gesellschaft des Felix Berner. (»Dieses war die erste Opera, so Herr Berner vor dem Grafen und Commandeur von Heitersheim aufführte.«)61


Obgleich Kurz mit Haydn's Musik zufrieden war, so hat er ihn glücklicherweise doch nicht weiterhin beschäftigt. Was wäre auch aus Haydn geworden, wenn er sich – ein zweiter Wenzel Müller – der Lokalposse zugewendet hätte!

Gleich dem Faust wurde auch Le diable boiteux immer wieder von Zeit zu Zeit von den Theaterdichtern als dankbarer Stoff neu bearbeitet. Noch im Jahre 1839 wurde in Wien »Asmodeus der hinkende Teufel, oder: die Promenade durch drei Jahrhunderte« als Original-Posse von Karl Haffner im Theater an der Wien gegeben (Nestroy als Asmodeus). In demselben Jahre wurde im Kärnthnerthor-Theater »Der hinkende Teufel« auch als pantomimisches Ballet in drei Acten von Coralli und Gurgy, Musik von Casimir Gide und Anderen, 27 mal aufgeführt. Dieses Ballet hatte zuvor in Paris Furore gemacht durch die Mitwirkung der gefeierten Fanny Elßler als Florinde. Durch eine artige Verkettung von Umständen tanzte demnach die Tochter des Johann Elßler, langjährigen Copisten und treuen Dieners Haydn's, in demselben Sujet, das dem Meister und Vorgesetzten ihres Vaters als Folie seiner ersten öffentlichen Wirksamkeit gedient hatte.


Michael Haydn scheint unter den Kapellknaben eine hervorragende Stellung eingenommen zu haben. Er war bald im[160] Stande, den Organisten am Dome zu suppliren, versuchte sich frühzeitig im Componiren und hatte unter seinen Mitschülern eine Art Tribunal errichtet, bei dem er präsidirte und über alle auftauchenden Plagiate strenges Urtheil fällte. Schon damals entwickelte sich bei ihm auch die Neigung zu wissenschaftlicher Bildung; er machte schnelle Fortschritte in der lateinischen Sprache und beschäftigte sich fleißig mit der klassischen Literatur, der er durchs ganze Leben zugethan blieb.62 Ueber das gegenseitige Verhältniß der Brüder Joseph und Michael sind wir sehr dürftig unterrichtet. Nur Dies63 erzählt, daß sie zuweilen die Eltern in Rohrau besuchten, wo dann der Vater wie ehemals seine Harfe hervorholte, um seine Lieblingslieder mit ihr zu begleiten. Wenn Michael in späteren Jahren in traulicher Gesellschaft bei guter Laune war, gab er wohl einen der uralten Menuetts seines Vaters mit all dessen altmodischen Eigenthümlichkeiten im Vortrage zum Besten, dabei des Verweises nicht vergessend, den ihm eine gutgemeinte Correctur zugezogen hatte. Denn die Söhne, auf ihre Lehrmeister pochend, wußten dieses und jenes auszusetzen, dagegen sich der Vater auf Jenen berief, der ihm in der Jugend die Sache gelehrt habe, »der wäre der Mann gewesen, der hätte es wissen müssen«. Keine Partei wollte nachgeben, bis endlich der erhitzte Vater jede weitere Einrede mit dem Machtspruche abschnitt: »Ihr seid's Alle Esel!«64

Doch Gesang und Spiel sollten im Elternhause bald verstummen. Des Wagners und nunmehrigen Marktrichters Frau, die Mutter Haydn's, starb am 23. Febr. 1754 (Beil. I, S. 10); sie hatte kurz zuvor ihr 46. Lebensjahr zurückgelegt. Bei der Darstellung von Haydn's Kindheit haben wir sie selbst bei dem Wenigen, was über sie bekannt wurde, als eine brave, tüchtige Hausfrau und liebevolle Mutter kennen gelernt. Das Schicksal ihres ältesten Sohnes stand noch ungelöst vor ihr. Welch unaussprechliche[161] Mutterfreude hätte sie erfüllt, wenn sie eine Ahnung davon hätte haben können, daß sie in ihm der Welt jenen Mann gegeben, der das erste Glied jener Kette bildete, auf welche das verflossene Jahrhundert mit Stolz hinweist. Haydn's Vater vermählte sich am 19. Juli 1755 (mit Dispensation von allen drei Aufgeboten) zum zweitenmale. Mit Maria Anna, der Tochter des Inwohners Michael Seeder, erzeugte er fünf Kinder, die aber alle bald nach der Geburt starben. Kaum ein Jahr nach dem Tode des Mathias Haydn heirathete seine zweite Frau den Witwer Franz Bonack, Mitnachbar zu Wildungsmauer bei Petronell. Die weiteren Lebensumstände seiner Stiefmutter blieben Haydn unbekannt, doch gedachte er ihrer in seinem ersten Testamente; §. 52 bestimmt für sie 150 Fl., die für den Fall, »daß sie nicht mehr am Leben sei, ihren vorhandenen Kindern zukommen«.

Wir kehren nun zurück ins Michaelerhaus auf dem Kohlmarkt. Bereits haben wir erfahren, daß dort gleichzeitig mit Haydn der Dichter Metastasio wohnte und daß dieser, wohl endlich aufmerksam geworden auf den fleißigen Musiker über ihm im Dachstübchen, ihn zum Clavierlehrer der Tochter seines von ihm hoch geschätzten Freundes Martines bestimmte. Pietro Metastasio wurde im Jahre 1730 von Kaiser Karl VI. zu seinem Hofpoeten ernannt. Er bezog zu Georgi 1735 im 3. Stock des Michaeler Hauses eine aus sechs Zimmern bestehende Wohnung, die er bis zu seinem Tode, 12. April 1782, gemeinschaftlich mit der Familie Martines inne hatte.65 Metastasio wird in gewisser Beziehung, natürlich nicht nach dem Standpunkt der Jetztzeit, als der Schöpfer des besseren musikalischen Dramas angesehen. Er war als Bühnendichter ungemein beliebt; zahlreiche Componisten, Vinci, Caldara, Predieri, Hasse, Bonno, Fux, Reutter, Wagenseil, Gaßmann, Gluck u.A. setzten seine dramatischen Werke in Musik; seine l'Isola disabitata componirte Haydn im Jahre 1779. Auch Metastasio's Oratorien, Cantaten, Pastorellen, Arien, Canzonetten und Madrigale wurden vielfach benutzt. Daß er als Hofpoet jedes Fest in der kaiserlichen Familie in Versen verherrlichte, versteht sich von selbst. Erzherzog Joseph, nachmaliger Kaiser, sahen wir im Jahre 1748, kaum erst[162] 7 Jahre alt, ein Complimento vortragen.66 Ebenso recitirten und sangen die übrigen kais. Kinder an jedem Geburts- und Namensfeste die Verse Metastasio's vor ihren hohen Eltern. Zu seinen Dramen nahm sich der gefeierte Dichter die antike Tragödie zum Muster und ließ die Handlung aus der psychologischen Darstellung der Charaktere und Leidenschaften sich entwickeln. Seine Poesie, voll Reinheit, Anmuth und Klarheit der Sprache, ist dabei von so hinreißendem Wohllaut, daß sie sich gleichsam im Lesen schon musikalisch wiedergiebt. Aber es fehlt den Dramen die Kraft, starke Leidenschaften darzustellen; sie sind in jeder Lage gleich anstandsvoll, klar und wohlmeinend wie Metastasio selbst. Gluck war einer der ersten, der, seine bisherige Bahn verlassend, Metastasio's Werke trotz ihrer dichterischen Schönheiten nicht geeignet fand, mit ihnen jene Wirkungen hervorzubringen, deren er das musikalische Drama fähig hielt. Er bedurfte Stahl und Erz, um aus ihnen jene Schöpfungen herauszumeißeln, die ihm im Geiste vorschwebten. Daher verband er sich, nachdem er eben noch (1760) Metastasio's Il Trionfo di Clelia für Bologna geschrieben hatte, nunmehr mit dem Dichter Raniero von Calzabigi, der ihm die Opern Orfeo (1762) undAlceste (1767) lieferte. Dem zur Dürftigkeit angewiesenen Haydn mußte Metastasio's Auftreten gewaltig imponiren; während seine Persönlichkeit an und für sich Ehrfurcht einflößte, war ganz besonders der Ausdruck seines vollen, lebenswarmen Antlitzes, sein heller, freier und wohlwollender Blick für ihn einnehmend. Bei Betrachtung seines von Joh. Steiner gemalten Porträts, gestochen von Heath, wird man Burney, der ihn im Jahre 1772 besuchte, gerne beistimmen, wenn er sagt: »Für sein Alter (Metastasio zählte damals 74 Jahre)67 ist er der schönste Mann, den ich kenne; seine Mienen verrathen Genie, Güte des Herzens, Redlichkeit, Milde und Sittlichkeit. Sein Antlitz war so angenehm und betrachtenswürdig, daß ich meine Augen nicht davon abwenden konnte.«68 Zur Zeit da ihn[163] Haydn kennen lernte, war Metastasio ein starker Funfziger. Gefeiert vom Hofe und von den ausgezeichnetsten Männern der ersten Kreise, lebte er dennoch sehr eingezogen. Die unruhigen Förmlichkeiten des Hoflebens, die lärmende Pracht, die dort herrscht, sagten seinem innersten Wesen wenig zu. Er gestand selbst, daß er zum Hofmann nicht tauge;69 er schlug auch jeden Titel, jede sonstige Ehrenbezeigung aus und wollte dem Kaiser eben nur als Metastasio dienen. Die Pflege seiner Muse und Ruhe ging ihm über Alles. »Sein ganzes Leben ist eben so sanft dahinfließend als seine Schriften«, schreibt Burney.70 »Seine häusliche Ordnung geht pünktlich nach Uhr und Glockenschlag, wovon er nicht abweicht. Seit den letzten dreißig Jahren hat er nicht außer dem Hause gegessen; er läßt sich sehr schwer sprechen und ist so wenig für neue Personen als für neue Dinge.« Von dieser Pünktlichkeit in der Hausordnung hat ihm Haydn Manches abgesehen; im Punkte des Fleißes jedoch war er das grade Gegentheil von Metastasio, denn dieser setzte die Feder nur an, wenn er durchaus mußte. Bei diesem längeren Zusammenleben unter Einem Dache befremdet es einigermaßen, daß Haydn, das dankbarste Gemüth, nie und nirgends seiner Stellung Metastasio gegenüber eingehender gedenkt; ebenso wird er von all den genannten Biographen mit wenigen Worten abgethan.71 Und doch wäre es dem einflußreichen Dichter ein Leichtes gewesen, die Lage des armen fleißigen Musikers zu verbessern; doch dieser blieb nach wie vor auf Unterrichtgeben und auf seine armselige Dachkammer ohne Ofen angewiesen. Ein Umstand muß dabei berücksichtigt werden: Metastasio verfiel seit dem Jahre 1745 in eine tiefe Melancholie, welche auch auf seine Arbeiten einen erdrückenden Einfluß ausübte; inwiefern dieser Geisteszustand auch auf seinen Umgang in den 50er Jahren hemmend wirkte, muß dahin gestellt bleiben.72[164]

Einen Theil seiner Wohnung hatte Metastasio, wie oben erwähnt, an die ihm eng befreundete Familie Martines abgegeben. Der von spanischen Eltern abstammende Neapolitaner Nicolò de Martines, Gentiluômo oder Ceremonienmeister bei der apostolischen Nunciatur, hatte zwei Töchter, deren Erziehung sich Metastasio sehr angelegen sein ließ. Selbst musikalisch gebildet, denn Metastasio componirte73, spielte Clavier und sang auch (come un serafino, wie er sich scherzend äußerte), mußte es ihn um so mehr freuen, namentlich in der älteren Tochter seines Freundes Talent für Wissenschaft und Kunst überhaupt und insbesondere für Musik zu entdecken.

Marianne (eigentlich Anna Katharina) von Martines, geboren zu Wien am 4. Mai 174474, wurde der erklärte Liebling Metastasio's, der ihre Ausbildung leitete und mit Stolz auf seinen Zögling blickte.75 Nebst dem Clavierunterricht bei Haydn gab ihr der Dichter die erste Unterweisung, seine Lieder in Musik zu setzen. Sie wurde dann in der Composition von Hasse, und im Gesang von Porpora unterrichtet, bei welcher Gelegenheit Haydn am Clavier begleitete. Marianne machte große Fortschritte in der Musik, und als im Jahre 1761 von dem l7jährigen Mädchen eine Messe von ihrer Composition in der Hofpfarrkirche St. Michael aufgeführt wurde, bewunderten alle Kunstverständigen deren Vortrefflichkeit. (Wiener Diarium, Nr. 78). Burney, der sie zehn Jahre später hörte, ist vollen Lobes über ihren Gesang und über ihr Spiel. Auch Hasse versicherte Burney, sie sänge mit großem Ausdruck, spiele sehr nett und habe den Contrapunkt vollkommen inne. Metastasio meinte, daß ihre Art zu singen sonst nirgends mehr angetroffen werde, da solche den heutigen Sängern zu viel Mühe und Geduld[165] kosten würde.76 Die Kaiserin Maria Theresia ließ Marianne häufig zu sich rufen und erfreute sich an ihrem Kunsttalente. Die Accademia de' Filarmonici zu Bologna ernannte sie im Jahre 1773 zu ihrem Ehrenmitgliede und lobte die Zierlichkeit, das Genie, den Adel des Ausdrucks und die erstaunliche Präcision ihrer Composition.77 (Wiener Diarium, Nr. 62). Die Wiener Tonkünstler-Societät führte im Jahre 1782 ihr Oratorium »Isacco« (Text von Metastasio) auf und zahlreiche Compositionen jeder Art, zum Theil in ihrer eigenen Handschrift erhalten auf der kais. Hofbibliothek und im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde zu Wien, zeugen von ihrem Fleiß und einem angenehmen Talente. Der Sänger Kelly war in den 80er Jahren bei ihr eingeführt und hebt es hervor, daß sie, obgleich vorgerückt an Jahren (sie zählte jedoch damals erst 40 Jahre) die Lebhaftigkeit und Heiterkeit der Jugend bewahrt und sehr einnehmend im Umgang gewesen sei. Kelly hörte sie auch häufig mit Mozart, der ihre musikalischen Abende besuchte und ihr sehr zugethan war, vierhändige Compositionen spielen.78 Im Testament Metastasio's reichlich bedacht, konnte sie ein sorgenfreies Leben führen und ihr Haus wird dann auch in dem letzten Jahrzehnt ihres Lebens unter jenen genannt, die regelmäßige musikalische Gesellschaften und Productionen veranstalteten. Marianne starb am 13. Dec. 1812, zwei Tage nach dem Tode ihrer, um drei Jahre jüngeren Schwester Antonie.79[166]

Haydn scheint Marianne, die damals ins zehnte Lebensalter trat, wohl nur die erste Anleitung im Clavierspiel ertheilt zu haben. Der Unterricht soll drei Jahre gedauert haben und Haydn genoß in dieser Zeit für seine Mühe freie Kost.80 Daß er an Metastasio's Tafel gesessen, wie Fröhlich behauptet81, ist wohl kaum anzunehmen, da der Dichter jeden Zwang in seinem Hauswesen scheute. Indem aber Metastasio ohne Zweifel den Unterricht überwacht haben wird, konnte es nicht an häufiger Berührung mit dem erfahrenen Dichter fehlen. Haydn war geradezu angewiesen, sich die italienische Sprache anzueignen und wird gewiß so Manches, namentlich in Anwendung des richtigen musikalischen Ausdrucks gewonnen haben, wie dies später auch Salieri zugute kam.82

Indem Haydn in der Singstunde Marianne am Clavier begleitete, lernte er den damals bereits siebzigjährigen italienischen Gesanglehrer und Componisten Porpora kennen und wurde mit der ausgezeichneten italienischen Gesangmethode desselben vertraut.83

Nicolò Porpora, von den Italienern der Patriarch der Melodie genannt, war im Jahre 1685 zu Neapel geboren und ging aus der ruhmeswürdigen neapolitanischen Schule des Alessandro Scarlatti hervor. Hochgeschätzt als Gesangslehrer gründete er zu Florenz jene berühmte Schule, der die weltbekannten Castraten Farinelli (Carlo Broschi), Gaetano Caffarelli (Majorano), Felice Salimbeni, Antonio Porporino (Hubert) angehörten. Auch die Sängerinnen Benedetta Emilia Agricola (Molteni) und Regina Mingotti waren Porpora's[167] Schülerinnen. Theoretischen Unterricht hatte er u.A. Hasse ertheilt, der dann zu Scarlatti überging. Porpora's Lebensgang ist uns nur sehr lückenhaft erhalten. Einige Jahre soll er als Kapellmeister am Conservatorium dei Incurabili zu Venedig gewirkt haben. Im Jahre 1733 wurde er als Componist und Leiter für die italienische Oper im Theater zu Lincoln's-Inn-Fields nach London engagirt.84 Im Jahre 1748 erfolgte seine Berufung nach Dresden als Singmeister der Kurprinzessin Marie Antonie nebst gleichzeitiger Ernennung zum Kapellmeister. Sein ehemaliger Schüler, der nunmehrige Oberkapellmeister Hasse, mochte wohl in Porpora einen Rivalen fürchten und wußte es trotz der Gunst seiner hohen Gönnerin durchzusetzen, daß sein einstiger Lehrer gegen Ende des Jahres 1751 mit lebenslänglicher Pension seiner Stelle entsetzt wurde und bald darauf Dresden verließ.85 Porpora hatte Wien im Jahre 1724 mit seinem Schüler Farinelli besucht; sein zweiter Aufenthalt fällt in die Jahre 1753–57. Den Rest seines Lebens brachte er mit Unterrichtgeben in Neapel zu, wo er in großer Dürftigkeit im Jahre 1766 (nach A. 1767) verschied. Als Tonsetzer war Porpora sehr fruchtbar, doch steht er hier auf minder hoher Stufe; bei allen sonstigen Vorzügen empfindet man in seinen Werken einen Mangel an Erfindungskraft und eine nicht zu verkennende Magerkeit in der Instrumentation. Er schrieb eine große Anzahl verschiedener Werke, Opern, Oratorien86, Messen, Cantaten, Motetten, Gesangs-Duetten (6 Duetti latini erschienen lateinisch und deutsch bei Breitkopf & Härtel), Soli und Solfeggien,[168] 6 Trios für 2 Violinen und Baß (in London unter dem Titel Sei Sinfonie di Camera erschienen), 12 Sonaten für Violine und Baß (oder Clavier und Violoncell) und einige Clavierstücke (neu er schienen bei Breitkopf & Härtel und bei Senff in Leipzig). In Wien kamen zur Aufführung die OpernArianna e Teseo (1714), Temistocle (1718), die Serenade Angelica (1720) und das Oratorium Il Gedeone (1737).87 Wie wir gesehen haben, wurden in den 50er Jahren zur Zeit seiner Anwesenheit in Wien noch zwei große Chöre von Porpora aufgeführt. Auch erschienen in derselben Zeit, von G. Nicolai sehr schön in Kupfer gestochen, die eben erwähnten, der sächs. Prinzessin Marie Antonie Walburga gewidmeten 12 Sonaten, die der Buchhändler Bernardi in einem ausführlichen Avertissement im Wien. Diar. (1755, Nr. 7) anzeigte.88 Obwohl nun[169] Porpora in seinen 6 Trios bewies, daß der Instrumentalsatz nicht sein eigentliches Feld sei, so zeigte er doch nach dieser Zeit in seinen 12 Sonaten, daß er die berühmten Corelli'schen Sonaten mit Fleiß studirt hatte. Dieselben bieten im Hinblick auf die früher erschienenen Compositionen ähnlicher Art89 in mannigfacher Hinsicht eine interessante Studie und es ist wohl kein Zweifel, daß Haydn, der gerade in der Zeit ihres Erscheinens bei Porpora studirte, dieser Arbeit seines Meisters seine volle Aufmerksamkeit zuwendete.

Das Verhältniß der beiden Männer Porpora und Metastasio muß ein sehr intimes, auf gegenseitige Achtung gegründetes gewesen sein. Porpora huldigte dem Dichter, indem er folgende Werke von ihm in Musik setzte: die Oper Siface (aufgeführt im Jahre 1726 in Venedig); die Oratorien Il Giuseppe riconosciutoI Pellegrini al sepolcro di nostre SalvatoreSant' Elena al Calvario (sämmtlich in Dresden componirt); 12 Cantaten (1735 zuerst in London, dann in Neapel erschienen). Letztere wurden wegen der Ausbildung des Recitativs, wegen musterhafter und klassischer Bearbeitung und wegen des schönen, edlen und einfachen Gesanges hoch geschätzt.

Haydn wurde für seine Bemühung als Clavierbegleiter dadurch entschädigt, daß ihm Porpora in der Lehre der Composition nachhalf. Haydn fühlte sicherlich längst schon, daß er sich ohne gründliche Anleitung nur dilettantisch forthelfen konnte. Nun war ihm auf einmal geholfen und obendrein wußte er sich in den Händen eines Mannes, der als einer der tüchtigsten Lehrer anerkannt war. Daß er diesen Vortheil dankbar zu schätzen wußte, bezeugen seine eigenen Worte, welche die früher erwähnte Aeußerung ergänzen: »Ich schriebe fleißig, doch nicht ganz gegründet, bis ich endlich die Gnade hatte von dem berühmten[170] Herrn Porpora (so dazumal in Wien ware) die ächten Fundamente der setzkunst zu erlehrnen.« (Selbstbiogr., Beil. I.) Die Schale, in der ihm diese Labung gereicht wurde, war übrigens rauh genug; Haydn konnte sie immerhin als einen Prüfstein seiner Demuth betrachten, denn der heftige Lehrer ließ ihn sein ganzes Uebergewicht fühlen. Bèstia. Asino, Birbànte, Cogliòne und ähnliche Scheltworte wechselten mit Rippenstößen; Porpora fand es sogar angemessen, daß ihm Haydn durch volle drei Monate (so lange soll dies Verhältniß gedauert haben) förmliche Bedientendienste leistete. Aber gleich Sebastian Bach, der unverdrossen zu Fuß von Lüneburg nach Hamburg wanderte und Calcantendienste versah, um das treffliche Orgelspiel Reinken's zu studiren, ertrug auch Haydn willig jede Erniedrigung, »denn (sagte Haydn) ich profitirte bei Porpora im Gesang, in der Composition und in der italienischen Sprache sehr viel.«90 Nichtsdestoweniger bot der Verkehr mit Porpora und Metastasio eine gefährliche Klippe, indem Haydn der Gefahr ausgesetzt war, ins Fahrwasser der italienischen Schule zu gerathen; doch bewahrte ihn ein guter Genius davor, seiner eigenen Natur untreu zu werden. Er schrieb wohl später eine Anzahl italienischer Opern, die er sogar an Werth den gleichzeitigen Operncomponisten nicht nachstellte, doch hätten diese seinen Namen wohl schwerlich dauernd verewigt. Gleichwohl hat ihm die Einsicht in das Wesen der italienischen Manier nicht geschadet; er nahm sich, gleich Mozart, das Beste heraus und blieb dabei gut deutsch.

Porpora unterrichtete auch des venezianischen Botschafters Geliebte, die schöne, für Musik schwärmende Wilhelmine. Auch hier wurde Haydn von seinem Meister als Begleiter in der Singstunde verwendet. Pietro Correr, der vom März 1753 bis Mai 1757 in Wien seine Regierung vertrat91, hielt sich im Sommer im Bade Mannersdorf auf und nahm dahin auch seine Geliebte und deren Gesanglehrer sammt Haydn mit. Der Botschafter[171] spielte sich gerne auf den kunstverständigen Liebhaber hinaus und gab auch im Badeort musikalische Soireen. Eine solche beschreibt Dittersdorf.92 Es waren der Prinz von Hildburghausen, die Sängerin Mad. Vittoria Tramontani-Tesi und der kais. Hofcompositor Bonno zum Diner geladen. Um 6 Uhr war Concert, das mit einer Symphonie begann, durch die Musikkapelle des Prinzen aufgeführt, wobei wegen Unpäßlichkeit des Concertmeisters Trani Dittersdorf an der Spitze der Violinen stand. Die Gemahlin (?) des Botschafters sang eine Arie, Bonno saß am Clavier und Dittersdorf leitete abermals das Orchester und spielte dann auch ein Violinconcert. Der Herr des Hauses lobte ihn bei dem Prinzen, zugleich versichernd, er müsse dies am besten verstehen, da er selbst, obwohl Dilettant, doch einProfessore di Violino wäre. Dittersdorf aber, der seine Unwissenheit rasch durchschaute, wußte ihn auf eine listige Art zu foppen und gestand später dem Prinzen, der Botschafter habe sich als ein leerer Windbeutel erwiesen, der nicht eine Note kenne und seinen Nachbarn seine erlogenen Kenntnisse aufdringen wollte.

Mannersdorf, ein Marktflecken mit Schloß, an der ungarischen Grenze und unweit Bruck an der Leitha gelegen, war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts das Ischl der haute volée. Der Ort lehnt sich an das Leithagebirge an, dessen leicht zugängliche Anhöhen mit reichem Laubholz bewachsen sind. Der Besucher findet hier zahlreiche Alleen und Ruheplätze und überblickt die vor ihm ausgebreiteten Ebenen auf der Wiener Seite bis Mähren und auf der entgegengesetzten Seite tief nach Ungarn hinein. Mitten im Walde, eine Viertelstunde vom Orte entfernt, liegt die berühmte sogenannte Karmeliterwüste. Das dortige Laubwerk ist ein Lieblingsaufenthalt der Nachtigallen. Der Ort war schon im 14. Jahrhundert durch seine Heilquellen berühmt; zu Haydn's Zeit wurden die Gäste von Wien aus umsonst mittelst Wagen dahin befördert. Noch im Jahre 1783 erschien eine Broschüre, welche den Werth des Bades preist93, doch kaum zehn Jahre später heißt es: »Das hiesige Gesundbad[172] wird wenig mehr besucht; jetzt macht den Ort merkwürdig die hier befindliche Fabrik in Leonischen Waaren.«94 Und diese Fabrik besteht noch heutzutage, obwohl der schöne und ansehnliche Ort wiederholt vom Feuer fast verzehrt wurde; das Heilwasser aber dient nun zum Trieb der Fabrik. Der kaiserliche Hof besuchte Mannersdorf häufig: der Kaiser Franz I. belustigte sich mit der Hirschjagd, die Kaiserin Maria Theresia gebrauchte das Bad und besuchte ihre geistreiche Erzieherin und Freundin, die verwitwete Obristhofmeisterin Gräfin Karoline Fuchs auf ihrer dortigen Besitzung, dieselbe Gräfin, welcher die dankbare Monarchin eine Ruhestätte an ihrer Seite in der Kapuzinergruft zu Wien bestimmte. Auch der kleine Kronprinz, nachmalige Kaiser Joseph, und die übrigen Kinder begleiteten die Mutter zuweilen nach Mannersdorf, wo auf mäßiger Anhöhe mitten unter Reben sich eine Spitzsäule mit Inschrift erhebt und noch heute den Tag in Erinnerung hält, wo die Landesfürstin sich im Jahre 1743 mit Jung und Alt bei der Weinlese unterhielt. Im Jahre 1737 hatten, wie früher erwähnt, die deutschen Schauspieler vom Stadttheater zu Wien hier zum erstenmale die Ehre, vor der kais. Familie zu spielen, was dann noch öfter geschah. Diese Auszeichnung hatten die Schauspieler zunächst den Komikern Kurz und Prehauser zu danken, durch die der Hof, der seine Theilnahme bisher nur der ital. Oper und dem franz. Schauspiel zugewendet hatte, nun auch auf die Deutschen aufmerksam wurde.

Der Weg von Wien nach Mannersdorf wird gegenwärtig bedeutend abgekürzt durch die nach Ungarn führende Eisenbahn. Man verläßt dieselbe auf der Station Götzendorf und schlägt den Fußweg durch die Felder in grader Richtung auf Mannersdorf ein. Wer dazu einen sonnigen und obendrein sonntagstillen Sommermorgen erwählt, wird den Gang gewiß nicht bereuen: ringsum reiche Saaten, vor sich das Leithagebirge und dorten, wo das Gehölz am einladendsten winkt, der Ort selbst mit Schloß und Pfarrkirche amphitheatralisch aufgebaut und gehoben von dem üppig grünen Hintergrund. Nun überschreitet man[173] den Leithafluß, der unweit des Ortes, von Steiermark kommend, den Weg nach Bruck und weiterhin nach Rohrau einschlägt. Immer reicher zeigt sich die Fruchtbarkeit des Bodens, die Aehren sinken unter der eigenen Last; nach links und rechts nur lachende Felder, zur Linken nach der Brucker Gegend, zur Rechten nach der Seite, wo Eisenstadt liegt, sich ausbreitend. Feierliche, heilige Stille ringsum! Doch nein – schon sind wir dem Orte näher, die Glocken mahnen zum Gebete und der Gesang der Vögel, der uns schon von fern bewillkommte, wird immer lauter und vielstimmiger. Von der Anhöhe herab tönt der süße Schall der Nachtigall; ganze Schwärme brechen aus dem Laubwerk hervor, umkreisen den Ort und die Gärten und kehren wieder zurück zur grünen Wohnung. Nun sind wir angelangt und überblicken das weite Terrain, das wir soeben durchschritten und träumen uns in vergangene Zeiten zurück, wo in diesem Orte ein reges, buntes Treiben herrschte, wo glänzende Carrossen kamen und gingen, betreßte Diener ihren Herrschaften folgten und wirkliche und eingebildete Kranke sich in der Nähe des Heilbades wohler fühlten. Dies Alles ist nun vorbei: die Gassen gleichen denen jeden gewöhnlichen Ortes; die Spaziergänge zu der mit Reben bepflanzten Anhöhe und zu dem sich anschließenden Hain sind verödet und theilweise verwachsen und eingegangen. Arbeit ist nun das Losungswort; der Bauer ist jetzt der alleinige Herr. Die neuen Häuser sehen uns fremd an, das Leben im Fabrikgebäude ist nur mehr der Schatten von ehedem und das Heilwasser, das die Räder treibt, predigt leise von der Wetterwendigkeit der Menschen; wohin der Blick sich wendet, wird er an die Vergänglichkeit irdischen Glanzes gemahnt.

Haydn mochte der Ort ungewöhnlich anmuthen; lag er doch nicht ferne von seinem Geburtsorte und konnte doch derselbe Fluß, dessen Lauf er sinnend folgte, seine Grüße dem Vaterhause zuführen. Der Eindruck, den die Natur ihm bot, war gewiß ein bleibender. Hier wie später in Weinzirt, Esterház und Eisenstadt umfingen ihn die gesunden, stillen Reize lieblicher Ländlichkeit und drückten seinen Schöpfungen jenen liebenswürdigen, heiteren, kindlich unbefangenen Charakter auf, der sie uns so unnachahmlich erscheinen läßt. Gleich der Biene sog er Nahrung aus Blumen und Blüthen und gab sie im Schaffen zu duftenden Garben gebunden der Mit- und Nachwelt wieder.[174]

Für seine Clavierbegleitung bei der Dame des Botschafters erhielt Haydn monatlich 6 Ducaten und hatte nebstdem die Kost an der Officierstafel frei. Er fand aber auch Gelegenheit, sich bemerkbar zu machen, da er mitunter in den Soiréen des Prinzen von Hildburghausen am Clavier begleitete und mit Bonno, Wagenseil, Gluck und sonstigen anwesenden Musikern näher bekannt wurde. Gluck, der nun beim kais. Hoftheater als Kapellmeister angestellt war, soll Haydn öfter zugeredet haben, nach Italien zu reisen, um seine Ausbildung zu vollenden. Ueber ein annäherndes Verhältniß der beiden Männer ist nichts bekannt, doch muß Gluck den um vieles jüngern Haydn werthgeschätzt haben, da, wie Burney erzählt95, in den musikalischen Abenden in Gluck's Wohnhaus auf dem Rennweg (Vorstadt Landstraße) auch Haydn'sche Quartette zur Aufführung kamen. Burney hörte solche im Jahre 1772 ausgeführt von Starzer, Ordonez, Graf Brühl und Weigl (Vater des nachmaligen Componisten der »Schweizerfamilie«).


Von Mannersdorf zurückgekehrt, lag Haydn mit verdoppeltem Eifer seinen Studien ob und suchte sich demgemäß nach und nach die bis dahin erschienenen Lehrmethoden anzuschaffen. In seinem Nachlaß fand sich noch ein Theil vorräthig, den auch das Inventar aufzählt und der nun im fürstl. Musik-Archiv zu Eisenstadt aufbewahrt wird. Das Verzeichniß dieser Sammlung ist in der Beilage IV zusammengestellt. Rechnet man noch dazu einige andere, in jener Zeit oder bald darauf erschienene Studienwerke, z.B. Jos. Riepel's Anfangsgründe der musikalischen Setzkunst (Augsburg 1752), Em. Bach's »Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen«, 2. Theil (1762), Marpurg's »Abhandlung von der Fuge« (1753, 2. und 3. Theil 1757 und 1758)96, Marpurg's »Anleitung zur Singcomposition« (1758)[175] und dessen »Anleitung zur Musik überhaupt und zur Singkunst insbesondere« (1763) u.s.w., so hat man eine Uebersicht der Hülfsmittel, die Haydn zu Gebote standen bis zum Eintritt ins Mannesalter. Kirnberger's Hauptwerke erschienen sämmtlich in den 70er und 80er Jahren und auch ihnen widmete Haydn die nöthige Aufmerksamkeit. Nach Dies (S. 39) nannte sie Haydn »gründlich streng verfaßte Werke; aber zu ängstlich, zu drückend, zu viele unendlich kleine Fesseln für einen freyen Geist«. Ob Haydn dem zwischen Kirnberger und Marpurg mit Heftigkeit geführten Streit über verschiedene Grundsätze der musikalischen Theorie die gleiche Aufmerksamkeit schenkte, steht zu bezweifeln, denn Haydn war kein Freund vom Streiten und wird am liebsten dem Ausspruch beigepflichtet haben, daß beide Männer in der Geschichte der Musik mit Ehren zu nennen sind.

Besonders hoch hielt Haydn den Gradus ad Parnassum von Fux; er rühmte das Buch noch im hohen Alter als klassisch. Das Werk ist bekanntlich in Fragen und Antworten abgefaßt und in zwei Theile abgetheilt, einen theoretischen und praktischen. Ursprünglich lateinisch geschrieben, erlebte es zahlreiche Uebersetzungen. Das vorliegende Exemplar benutzte Haydn zum eigenen Studium und später auch beim Unterricht seiner Schüler, da er auf Kirnberger hinweist (Kirnberger negavit; bene contra Ph. Kirnb.). Auch auf Regeln früherer und gleichzeitiger Componisten, Reutter mit inbegriffen, wird der Schüler aufmerksam gemacht (NB. et hunc usurpabant veteres, etiam G. Reutter). Druckfehler in Schrift und Noten sind von Haydn verbessert und die angegebenen Errata an Ort und Stelle berichtigt; häufig ist die Bezifferung ausgeführt und der Rand mit Anmerkungen(bene-melius, male, nihil valent etc.) angefüllt. Zuweilen trifft man ein einzeln stehendes NB, als habe sich Haydn die Stelle zur Nachfrage angemerkt; manche Stellen, ursprünglich mit blasser Tinte oder nur mit Bleistift angegeben, sind von Haydn nachgefahren, um sie kenntlicher zu machen. »Mit unermüdeter Anstrengung«, sagt Griesinger (S. 10), »suchte sich Haydn Fuxens Theorie verständlich zu machen; er ging seine ganze Schule praktisch durch, er arbeitete die Aufgaben aus, ließ sie einige Wochen liegen, übersah sie alsdann wieder und feilte so lange daran, bis er es getroffen zu haben glaubte.« Dies dagegen (S. 39) sagt über den Eindruck, den[176] das Fux'sche Lehrbuch auf Haydn machte: »Er fand nichts darin, was seinem Wissen mehreren Umfang hätte geben können; doch gefiel ihm die Methode oder Lehrart und er bediente sich derselben bei seinen damaligen Schülern.« Eine angefangene Excerptarbeit ist noch vorhanden; das Heft wurde in Esterház im Jahre 1789 wahrscheinlich nach Haydn's Handschrift copirt und ist mit F.C. Magnus unterzeichnet. Es führt den Titel: »Elementarbuch der verschiedenen Gattungen des Contrapuncts. Aus dem größeren Werke des Kapellmeister Fux von Joseph Hayden zusammengezogen.«97 Der kurze Abriß beginnt mit den »Regeln des Contrapuncts: von den Consonanzen und Dissonanzen; von den drei Bewegungen, Grade-, Gegen- und Seitenbewegung; von den 5 Gattungen des Contrapuncts«; von den Beispielen sind einige Mattheson's Vollkommnem Kapellmeister entnommen. Nebst dem Fux'schen Werk hatte Haydn eben dieses am meisten im Gebrauch; es ist ganz zersetzt und die meisten Blätter losgelöst. Haydn »fand die Grundsätze zwar für ihn nicht mehr neu, dennoch aber gut; die ausgearbeiteten Beispiele jedoch trocken und geschmacklos. Er unternahm zu seiner Uebung die Arbeit, alle Beispiele des genannten Werkes umzuarbeiten. Er behielt das ganze Skelet, sogar die Anzahl der Noten bey und erfand neue Melodien dazu.«98 Auch David Kellner's »Treulicher Unterricht im Generalbaß« (von 1732–96 achtmal aufgelegt) hat Haydn fleißig benutzt, wie die vielen handschriftlichen NB., Correcturen und mancherlei Bemerkungen beweisen. Dies Lehrbuch ist nach Heinichen und Mattheson gearbeitet und war seiner Anordnung, Faßlichkeit und gedrängten Kürze wegen sehr gesucht.

Im Jahre 1757 konnte Haydn den Büchern schon die stolze Signatur beifügen: Ex libris Josephi Haydn. Bei einigen steht sogar der Preis des Ankaufes und Einbandes (das Buch 1 Fl. 42, Einband 34 = 2 Fl. 16 Kr.). Einigemal mußte die innere Deckelfläche auch als Wäschzettel dienen; diesem Doppelzweck verfiel namentlich Mattheson's »Kern melodischer[177] Wissenschaft« (Hemder 8, Bindl 6, Diechl 9, Bardtuch 1, Haube, graue Strümpfe). Oder es ist, wie z.B. im Gradus ad Parnassum, die Zahl gegebener (erhaltener?) Lectionen angegeben (Lezioni ||| ||| ||| ||| 6. Lehr- und Wanderjahre ||| = 15 mal).

So dürftig und lückenhaft auch die Nachrichten aus Haydn's Lehrzeit vorliegen, läßt sich doch aus Allem entnehmen, daß er eigentlich gar keine geregelte musikalische Ausbildung genossen hatte. Der andauernden künstlerischen Beaufsichtigung und Nachhülfe entbehrend, hing bei ihm Alles vom Zufall ab. Er war aufs eigene Beobachten angewiesen; aber durch verfehlte und wiederholte Versuche, den rechten Weg zu finden, nicht minder »durch einen gewaltigen und gleichsam unwillkürlichen Trieb seines Genies« (wie Lessing in seinem »Sophokles« von Aeschylus sagt) gewann er nach und nach jene gewisse Unabhängigkeit und Selbständigkeit, die seinen Werken mehr und mehr den Stempel der Originalität aufdrückten. Wie gesagt: »Das Talent lag freilich in mir, dadurch und durch vielen Fleiß schritt ich vorwärts.« Und diesen Fleiß, der ihm schon im Vaterhause als Kind angewöhnt wurde, bewahrte Haydn durchs ganze Leben. Längst schon ein berühmter Mann, widmete er doch täglich regelmäßig 16 bis 18 Stunden der Arbeit99, dabei immer auf seine Weiterbildung bedacht.

Obwohl sich Haydn, was Theorie betraf, selbst noch auf schwankem Boden bewegte, aber über das in sich Aufgenommene nachdachte und es sich klar zu machen wußte, fand er doch auch bereits Gelegenheit, Andere zu unterrichten. Er mag dabei dem Grundsatze Docendo discimus gehuldigt haben – indem er Andere unterwies, wurde er selber fester. Zwei seiner Schüler aus jener Zeit, wohl die frühesten im Theoretischen, sind nachzuweisen: Mikysch und Kimmerling.

Abund Mikysch, geboren im Jahre 1733 zu Taub in Böhmen, trat im 20. Lebensjahre in den Orden der barmherzigen Brüder, kam 1754 nach Wien und versah hier die Chorregentenstelle an der Kirche seines Ordens mit vielem Ruhm. Unterricht im Contrapunkt erhielt er von Haydn und Seuche; er that sich als Violinspieler und Organist hervor und schrieb[178] eine Reihe Kirchencompositionen, die sich vieler Anerkennung erfreuten. Mikysch starb zu Graz am 9. April 1782.

Während wir bei diesem Schüler auf eine einzige Quelle angewiesen sind100, die uns überdies nur spärliche Auskunft giebt, sind wir über den zweitgenannten Schüler um so besser unterrichtet.

Robert Kimmerling, geb. am 8. Dec. 1737 zu Wien, trat 1753 in das geistl. Stift Melk. Zur Zeit da er in seiner Vaterstadt theologische Vorlesungen hörte, erhielt er durch Haydn Unterricht in der Composition und wurde bald einer seiner innigsten Freunde. Im Jahre 1761 verrichtete er am Petri- und Paul-Feste sein erstes heiliges Meß-Opfer und wurde ihm die Präfectur über die studirende Jugend und das Amt eines Chorregenten in Melk übertragen, das er 16 Jahre lang mit Auszeichnung bekleidete. Er war ein trefflicher Tenorist, Clavier- und Orgelspieler und schrieb besonders für die Kirche viele größere und kleinere Werke. Ein Requiem in (C-moll, Miserere inD-moll, Offertorien u.s.w. besaß Melk noch im Jahre 1826; seine Messe C-dur für zwei Chöre wurde als ein Meisterwerk geschätzt. Der Katalog von Hoffmann & Kühnel (Leipzig 1802) nennt auch Lieder und Clavierstücke von ihm. Der Zustand der Tonkunst war im Stifte Melk in den Jahren 1760–85 am blühendsten. Kimmerling, Ruprecht, Helm, J. Georg Albrechtsberger, Maximilian Stadler erhoben wechselweise den Kirchenchor zu einer auf dem Lande seltenen Vollkommenheit. Als am 12. März 1764 der Kaiser, der Kronprinz Joseph und Erzherzog Leopold auf der Reise zur Krönung nach Frankfurt das erste Nachtlager in Melk hielten, wurde von den Chorknaben ein auf diesen hohen Besuch bezügliches Sinngedicht gesungen. Auf der Rückreise, wobei Maria Theresia von Wien ihrem nunmehr gekrönten erstgeborenen Sohne entgegenfuhr, wurde im Stift ebenfalls eine musikalische Festlichkeit veranstaltet. Auch die am 18. April 1770 vermählte Erzherzogin Marie Antonie hielt auf ihrer Reise nach Frankreich Nachtlager in Melk, empfangen vom Kaiser Joseph, und abermals ließ Kimmerling ein von ihm componirtes[179] Singspiel mit Ballet, »Rebecca, die Braut Isaacs«, von seinen Zöglingen aufführen und erhielten die Mitwirkenden zum Beweise der Anerkennung vom Hofe werthvolle, auf die Vermählung sich beziehende Denkmünzen und nahm der Kaiser die Partitur mit nach Wien in seine Privat-Bibliothek. Das größte Verdienst erwarb sich Kimmerling durch die Ausbildung seiner besonders befähigten Zöglinge Marian Paradeiser, Cajetan Andorfer, Gregor Mayer, Achaz Müller und die Doctoren Seeliger und Rudolph. Kimmerling starb, allgemein geachtet, am 5. Dec. 1799 als Pfarrer in Oberweiden.101


In seiner Lebensskizze nennt Haydn einen »Herrn von Fürnberg, von welchem ich besondere Gnade genosse«. Dieser Fürnberg war ein großer Musikfreund und lud Haydn öfters auf seine Besitzung Weinzirt, um mit ihm zu musiciren. Die kleine Gesellschaft machte hier mit der, den Dilettanten damals geläufigen Kammermusik Bekanntschaft; es wurden Streich-Trios und Quartette durchgenommen und hier war es, wo Haydn, der für diesen Zweck auch schon einige Trios geschrieben hatte, auf Anregung des Hausherrn sich zum erstenmal selbst im Quartettsatz versuchte. Es war also, wie Haydn gegen Griesinger sich äußerte, »ein ganz zufälliger Umstand«, der sein Augenmerk auf eine Kunstgattung lenkte, die ihm einst die schönsten Früchte verdanken sollte. Das waren für Haydn glückliche Tage: keine Nahrungssorgen, eine anregende Gesellschaft und Aufmunterung zum Selbstschaffen – dies alles verdankte er Fürnberg, der ihm obendrein bald darauf auch zu einer Kapellmeisterstelle verhalf. Somit hat dieser Mann ein Anrecht auf den Dank der Nachwelt und verdient es, daß wir uns eingehender mit ihm beschäftigen, und er verdient es um so mehr, als er bisher höchstens nur dem Namen nach genannt wurde.[180]

Das in den schwäbischen Reichslanden entsprossene adeliche Geschlecht der Fürnberg102 führte ursprünglich den Namen Weber und waren die Voreltern nach Steiermark und Oesterreich eingewandert. Johann Karl Weber, Doctor der Medicin, wurde mit seinen Brüdern Ignaz Joseph und Johann Friedrich im Dec. 1732 von Kaiser Karl VI. in den Ritterstand Nieder-Oesterreichs mit dem Prädicat Edler von Fürnberg erhoben. Johann Karl Weber Edler von Fürnberg, k.k. Regierungsrath in Sanitätssachen u.s.w., Herr der Herrschaften Weiteneck, Leiben, Weinzirt, Weichselbach und Wocking, sämmtlich unweit Melk in Nieder-Oesterreich gelegen, wurde im Febr. 1738 als ein Landesmitglied unter dem neueren Geschlechte des Nieder-Oesterreichischen Ritterstandes angenommen, jedoch erst im Jan. 1743 sammt seinem Sohne Karl Joseph bei der Versammlung der drei oberen Herren Stände introduzirt und vorgestellt. Er starb im Jahre 1748. Sein Sohn Karl Joseph war k.k. Truchseß und nieder-österreichischer Regierungsrath, bekam vom Vater die Allodialgüter und Herrschaften Weinzirl, Weichselbach, Wocking und Wilderstein und machte sich um das Gemeinwohl jener Gegenden so verdient, daß das Andenken an ihn bis auf den heutigen Tag sich ehrenvoll erhalten hat. Wir finden den Namen u.a. im Wiener Diarium 1760 (Nr. 82) erwähnt bei Beschreibung des Einzugs der Braut des Erzherzogs Joseph: unter den Nieder-Oesterreichischen Landständen, die in 94 sechsspännigen Wägen den Einzug eröffneten, sind als die ersten genannt Jos. von Managetta und Jos. von Fürnberg. Karl Joseph Edler von Fürnberg starb zu Weinzirt am 21. März 1767 im 48. Lebensjahre und hinterließ zwei Kinder aus erster und fünf Kinder aus zweiter Ehe. Seine zweite Frau, Marie Antonie, geborne von Germetten, welcher Haydn's gute Pflege in Weinzirl oblag, starb am 19. Dec. 1779 ebenfalls zu Weinzirl, 52 Jahre alt. Die in Vergessenheit gerathene Familiengruft in der auf der alten Zwisila gelegenen Pfarrkirche zu Wieselburg bei Weinzirt wurde erst vor mehreren Jahren durch Zufall wieder aufgefunden und renovirt. Mehrere wohlthätige und fromme[181] Stiftungen für die Pfarre Wieselburg bezeugen, daß die Familie ein Segen für jene Gegend gewesen. Aus den Verlassenschaftsacten ist ferner zu ersehen, daß die Fürnbergs ihren Reichthum auch auf Kunst und Wissenschaft verwendeten, denn außer Musikalien und Musikinstrumenten besaßen sie eine ansehnliche Bibliothek und Gemäldesammlung. Noch im Jahre 1805 besaß einer der Nachkommen ein Fortepiano, »von dem die Franzosen den Namensschild des Erbauers abgerissen hatten, ein Passetl (Violoncell) so etwas ruinirt und vier Violinen«. Die Original-Porträts des Vaters und Großvaters (Johann Karl und Karl Joseph) besaß eine Schwester des Jos. v. Fürnberg, Frau Hofräthin Eleonore von Pelser in Wien. Die drei ältesten Kinder, die zur Zeit der Anwesenheit Haydn's in Wieselburg im Elternhause lebten, zogen später alle drei nach Wien und Haydn wird diesen Häusern wohl nicht fremd geblieben sein. Bernhard starb zu Wien am 6. Sept. 1805 im Witwerstand als Lehensritter von Loosdorf; die genannte Frau Eleonore von Pelser (ihr Mann war k.k. Hofrath bei der obersten Justizstelle)103 lebte damals als Witwe ebenfalls in Wien; Joseph, der älteste Sohn, k.k. Obristlieutenant, besaß zahlreiche Herrschaften und machte sich durch seine großen und kostspieligen Unternehmungen im Holzhandel um Wien sehr verdient.104 Nach seinem Austritt aus dem Militärdienst wurde Fürnberg Posteigenthümer und Besitzer zahlreicher Wirthschafts-Realitäten zu Purkersdorf (der ersten, westlich von Wien gelegenen Poststation auf der Straße nach Linz). Für seine Verdienste wurde diesem Fürnberg im Jahre 1796 der Grafenstand verliehen, doch nachträglich wieder entzogen, da er sich weigerte, die üblichen Taxen zu zahlen. Er starb, 58 Jahre alt, am 13. Sept. 1799 in seinem Hause zu Wien (Vorstadt Wieden,[182] Hauptstraße, neu Nr. 3), wurde aber auf dem Friedhof zu Wieselburg in der Nähe der Gruft seiner Eltern an der Außenseite der Kirche begraben. Im Leben ein Sonderling, enthält auch die Grabschrift seltsame Inschriften (u.a. die lakonischen Worte »Cosa rara«, Titel einer bekannten Oper von Martin); ebenso seltsam waren die Bedingungen, die er an gewisse Vermächtnisse knüpfte: so sollte z.B. bei seinem Grabe ein Armer jede Mitternacht einen Rosenkranz beten »für alle billigen und gerechten Richter«.

Was die Ortschaft Weinzirt betrifft, so findet sich nirgends eine genaue Angabe, welcher Ort eigentlich damit gemeint sei. Die Bezeichnung »in der Nähe« oder »einige Posten von Wien« ist sehr allgemein gehalten und läßt die Wahl unter einem Dutzend gleichnamiger Orte. Carpani allein nennt etwas bestimmter Purkersdorf, wo sich Fürnberg »meistens aufhielt«105, und in der That wäre man versucht, das etwa drei Stunden von dort, bei dem Dorfe Ollern gelegene Weinzirl reizend genug zu finden als Landaufenthalt eines begüterten Mannes. Doch die Nachforschungen ergaben, daß das daselbst gelegene Schlößchen, der sogenannte Reichersbergerhof (ein Dominialhof)106, nie im Besitz der Fürnbergs gewesen. Wohl aber besaß, wie gesagt, der letztgenannte Fürnberg in und um Purkersdorf Liegenschaften, und dieser Umstand mag auch Carpani irregeführt haben, denn das eigentliche Weinzirt haben wir, wohl noch in Nieder-Oesterreich gelegen, aber mehr westwärts über Melk hinaus zu suchen.

Man verläßt gegenwärtig, wenn man von Wien kommend Melk passirt hat, die Eisenbahn bei der Station Kemmelbach und gelangt auf der Hauptstraße oder besser auf dem reizenden Waldwege in anderthalb Stunden nach dem Markte Wieselburg, am Zusammenfluß der großen und kleinen Erlaf gelegen. Wir[183] befinden uns hier in einer überaus lieblichen Gegend, deren Hauptschmuck der malerische Anblick des bei 6000 Fuß hohen Oetscher und seiner Voralpen bildet. Zwei Straßen ziehen von Wieselburg aus längs den genannten Flüssen hin. Die breitere Straße folgt der großen Erlaf und führt nach Purgstall, Scheibbs und Gaming, die schmälere führt an der kleinen Erlaf hin in die sogenannte Eisenwurzen und nach Steinabrück. Wir folgen der letzteren und gelangen in der, durch eine freundliche Thalebene führenden Obstallee in einer Viertelstunde nach dem Dörfchen Weinzirt, dessen Häuschen zwischen Gärten zerstreut liegen. Unser Ziel, das herrschaftliche Schloß107, unweit eines sich gegen Westen hinziehenden Höhenrandes gelegen und noch jetzt wohl erhalten, ist von älterer Bauart und ziemlichem Umfang. Mit seinen vier Flügeln, einem Haupteingangs-Thurm und vier Eckthürmen mit Spitzdächern gewährt das Schlößchen einen pittoresken Anblick; es gelangte im Jahre 1738 in den Besitz des Johann Karl von Fürnberg, wurde 1795 von der k.k. Familien-Güterdirection angekauft und ist gegenwärtig Eigenthum des Kaisers Ferdinand. Kaiser Franz hielt sich in Weinzirt der balsamischen Luft und des vortrefflichen Wassers wegen oft und gerne auf und in dem nicht allzufern am linken Donauufer gelegenen Schlosse Persenbeug, das später ein Lieblingsaufenthalt seiner Gemahlin wurde, übte er sich im Verein mit dem Grafen Wrbna, Feldmarschall-Lieutenant Kutschera und Hofkapellmeister Eybler eifrig im Quartettspiel.

Der Kreis, der sich zu gleichem Zweck, von Fürnberg eingeladen, in Weinzirl vereinigte, bestand nach Griesinger's Angabe aus dem Pfarrer des Ortes, dem Verwalter des Hausherrn, Haydn und dem Violoncellisten Albrechtsberger.108 Das[184] erste Quartett, B-dur 6/8 das hier Haydn auf Anregung Fürnberg's für dessen Haus componirte, fand sogleich so lebhaften Anklang, daß der überglückliche junge Mann dadurch angeeifert wurde, in dieser Gattung weiter zu arbeiten, und so entstanden in kurzen Zwischenräumen die ersten achtzehn Quartette, wie sie in Partitur in den Ausgaben von K. Ferd. Heckel in Mannheim, 1. Band Nr. 1–18, und Trautwein in Berlin, Nr. 58–75, und zwar in der Reihenfolge, wie sie in Haydn's eigenem Katalog verzeichnet sind, im Druck vorliegen. Wenn das Entstehen der ersten Quartette Haydn's der allgemeinen Annahme entgegen (das erste soll im Jahre 1750 componirt worden sein) hier beiläufig um fünf Jahre hinausgerückt wird, so waren dazu zwei Umstände bestimmend. Erstens ist es nicht denkbar, daß Fürnberg, der sich offenbar für Haydn interessirte und seine Lage thatsächlich zu verbessern trachtete, ihn die vollen fünf Jahre hätte darben lassen. Zweitens zeugen diese ersten Quartette, auf die wir später eingehender zurückkommen, bei aller Einfachheit doch bereits eine so sichere Factur, wie sie nur durch andauernde vorangegangene Studien erworben werden konnte. Dazu diente eben diese Zeit des Lernens und der Erfahrung, für Haydn zugleich Jahre der Noth und Entbehrung. Daß nun für ihn die bessere Zeit angebrochen war, spricht aus jedem dieser Quartette, die, obwohl es ihnen nicht an ernsteren und mitunter herzinnigen Zügen fehlt, sich doch hauptsächlich an Munterkeit, Frohsinn, an sorgloser und häufig selbst ausgelassener heiterer Laune einander überbieten zu wollen scheinen. Ihre ungewohnte Erscheinung gewann ihnen rasch in weiten Kreisen viele Freunde, zog ihnen aber auch ebenso viele Tadler zu. Man schrie über Herabwürdigung der Musik zu komischen Tändeleien, prophezeite dem Componisten Verflachung und sprach ihm jedes ernstere Streben ab.

Haydn ließ sich jedoch nicht irre machen, sondern ging gleichzeitig einen Schritt weiter, nahm nun auch, vielleicht zur[185] spätern Benutzung für seine Wiener Freunde, Flöte, Oboe und Waldhorn zu Hülfe und schrieb sechs Scherzandi, harmlose, herzige Divertimenti, die gleichsam die Vorboten seiner Symphonien wurden und im Jahre 1765 bei Breitkopf in Leipzig in Abschrift zu haben waren. Auch diese müssen ihre Freunde gefunden haben, denn sie erschienen zwei Jahre später für Clavier allein ebenfalls in Abschrift, scheinen aber nie in Druck gekommen zu sein; Haydn mag sie bei Abfassung seines Katalogs wohl vergessen haben, oder er hat sie absichtlich nicht aufgenommen. Auch eine Anzahl Streich-Trios für zwei Violinen und Violoncell, für Violine, Viola und Violoncell und einige Divertimenti für fünf und mehr Instrumente, von denen ein Theil zehn und zwölf Jahre später den Weg in die Oeffentlichkeit fand, mögen ihre Entstehung dem Aufenthalt Haydn's in dem gastfreundlichen Weinzirt verdanken, von dem wir hiermit für immer Abschied nehmen, um nach der alten Kaiserstadt zurückzukehren.


Wir haben uns Haydn's Thätigkeit in den Jahren 1755–58 auf Unterrichtgeben, Componiren, gelegentliche Orchestermitwirkung und Kirchendienst vertheilt zu denken. Der Sonntag namentlich gehörte der Kirche. Nach Griesinger (S. 17) war Haydn für jährl. 60 Fl. Vorspieler in der Kirche der barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt (Vorstadt Wiens), dann spielte er die Orgel in der gräfl. Haugwitz'schen Kapelle und sang zuletzt im Stephansdom (also wieder unter Reutter). Jede Mitwirkung beim Gottesdienst wurde ihm mit 17 Kr. vergütet. Keine dieser Amtsthätigkeiten ist jedoch authentisch nachzuweisen. Ist die erstgenannte Kirche richtig bezeichnet, so war damals daselbst Werner Hymber109 Chorregent. Dagegen sagt eine Notiz110, und wird dies auch im Kloster selbst bestätigt, daß dorten nur ausnahmsweise Figuralmusik Statt hatte, z.B. am Feste des h. Schutzherrn. Eine andere Notiz111 nennt Haydn geradezu[186] ohne weitere Gewähr Chorregent in der Karmeliterkirche. Das gräfl. Haus Haugwitz hielt damals oder später eine stabile Musikkapelle von 23 Mitgliedern, 8 Gesangsolisten und 16 Choristen und besaß auf Schloß Namiest in Mähren eine reiche Musik-Bibliothek.112

Für das eigentliche Selbststudium blieben Haydn nur wenige Stunden des Tags; er mußte die Abende und Nächte zu Hülfe nehmen und selbst da noch für das Bedürfniß des Augenblicks namentlich so manche Claviercompositionen für seine Schüler schreiben, denen er selbst nur wenig Werth beilegte; er verschenkte sie und hielt sich für geehrt, wenn man sie nur annahm. Griesinger (S. 19) sagt hier weiter: »Haydn wußte nichts davon, daß die Musikalienhändler gute Geschäfte damit machten und er verweilte mit Wohlgefallen an den Gewölben, wo die eine oder die andere Arbeit im Druck zur Schau gestellt war.« Daß hier nur geschriebene Musikalien gemeint sein können, wurde schon in der Chronik nachgewiesen; diese haben denn auch zeitlich ihren Weg ins Ausland gefunden und dort wurden sie allerdings auch bald im Druck verbreitet, aber doch erst zu einer Zeit, wo Haydn schon nicht mehr in Wien war. Es befanden sich darunter Trios, Quartette, Cassationen, Divertimenti und Symphonien, die in Paris, London und Amsterdam erschienen und zum größeren Theil in Breitkopf's themat. Katalog angezeigt sind. Haydn selbst war es nie beigefallen, gleich Bach und Leopold Mozart seine Werke etwa in Kupfer zu radiren; dazu fehlte ihm Zeit, Gelegenheit und auch Geschick.

Haydn's Lectionen mehrten sich und seine Einnahmen dafür stiegen von monatlich zwei auf fünf Gulden, was ihn zunächst veranlaßte, sich nach einer erträglicheren Wohnung umzusehen. Er fand eine solche auf der sogenannten Seilerstätte (Straße am ehemaligen Karolinenthor), hatte aber hier das Mißgeschick, seiner wenigen Habseligkeiten beraubt zu werden. Er schrieb, wahrscheinlich in der ersten Bestürzung, an seinen Vater und bat, ihm doch wenigstens Leinwand für Hemden zu schicken. Der Vater kam aber selber nach Wien, gab dem Sohne einen Siebzehner und die Lehre: »Fürchte Gott und liebe deinen[187] Nächsten.«113 Durch die Freigebigkeit guter Freunde sah Haydn seinen Verlust bald wieder ersetzt und ein mehrwöchentlicher Aufenthalt bei Fürnberg heilte alle Wunden.

Einen ausgiebigen Rückhalt fand Haydn in dieser Zeit an der Bekanntschaft mit dem gräfl. Hause Thun. Er verdankte sie lediglich seinem Talente und dem glücklichen Zufall. Die seltsame Art der ersten Begegnung mit der Herrin des Hauses wird (wahrscheinlich nach einer Mittheilung Pleyel's) von Framery114 und nach ihm von Fétis115 weitläufig erzählt, und wenn man die etwas verdächtig ausgeschmückte Anekdote ihres Beiwerks entkleidet, giebt sich uns etwa der folgende Sachverhalt: Die für Musik schwärmende Gräfin Thun116 hatte eine der in Abschrift coursirenden Sonaten Haydn's zu Gesicht bekommen und wünschte den Componisten selbst kennen zu lernen. Haydn wurde ausgekundschaftet und ersucht, sich der Gräfin vorzustellen. Die Gräfin hatte ohne Zweifel den günstigen Eindruck, den ihr die Sonate gemacht, im Vorhinein auch auf den Verfasser derselben übertragen und war nicht wenig erstaunt, einen jungen[188] Mann in ärmlicher Kleidung und wenig empfehlender Haltung vor sich zu sehen. Die Möglichkeit einer unliebsamen Verwechselung argwöhnend fragte sie daher Haydn, ob er wirklich selber der Componist sei. Doch rasch schwand jeder Zweifel und sie folgte nun mit steigendem Interesse der einfach natürlichen Erzählung seines von wenig Sonnenblicken erhellten Schicksals. Die edle Gräfin erkannte den Werth des jungen Mannes und hatte Mitgefühl für seine Lage; Haydn wurde der Gräfin Lehrer im Clavier und Gesang und sie beschenkte ihn gleich anfangs reichlich für seine Composition, die seine Bekanntschaft veranlaßte. Haydn aber hatte später in seiner hervorragenderen Stellung noch oft Gelegenheit, mit dem Hause Thun in Berührung zu kommen. –

Im Jahre 1757 erlebte es Haydn, daß sein um fünf Jahre jüngerer Bruder Michael ihm mit einer festen Anstellung zuvorkam. Ueber dessen Thun und Treiben bis dahin, über die Art, wie er seinen Lebensunterhalt erwarb und über das gegenseitige Verhalten der Brüder, über alles dieses liegt ein dichter Schleier. Daß auch hier Unterrichtgeben aushelfen mußte, ist wohl kaum zu bezweifeln. Jedenfalls aber war Michael im Studium der Composition sehr fleißig, dies bezeugen zwei Umstände nachdrücklich: er copirte sich nicht nur die vollständige Missa canonica von Joh. Jos. Fux, sondern hatte schon mehrere Jahre früher selbst eine umfangreiche Messe componirt, die in allen Theilen ein beachtenswerthes Vertrautsein mit den Regeln der Harmonie und des Contrapunktes, im Gesang und Instrumental-Satz bekundet. Die durchaus von Michael's Hand geschriebene Fux'sche Messe, im Besitz der kais. Hofbibliothek in Wien, trägt die Bemerkung: »Descripsit Michael Hayden117 5ta 7er 1757.« Das Autograph der Messe, ebenfalls auf der kais. Hofbibliothek (neue Signatur 15589), ist bezeichnet: »Missa in honorem Stmae Trinitatis«, und am Schlusse: »O.A.M.D.Gl. (Omnia ad majorem Dei Gloriam)Joan. Mich. Haydn, composuit Ao. 1754.« Die Schriftzüge dieser frühzeitigen Arbeit zeigen bereits eine feste geübte Hand und ähneln fast zum Verwechseln[189] denen seines Bruders. Diese Messe befindet sich in ausgeschriebenen Stimmen im geistl. Stifte St. Peter in Salzburg und müßte nach der dortigen Bemerkung »Temesvar« Michael sich schon damals (vielleicht auf Besuch) in Ungarn befunden haben. Die Anstellung dorthin erfolgte aber erst im Jahre 1757, indem ihn der Bischof von Großwardein, Graf Firmian, als Kapellmeister zu sich berief. Er bezog daselbst einen nur bescheidenen Gehalt, wußte sich aber durch seine Compositionen so vortheilhaft bekannt zu machen, daß er schon nach fünf Jahren vom Erzbischof Sigismund (Schrattenbach) nach Salzburg berufen wurde, wo er dann auch zeitlebens verblieb.118


Endlich sollte auch für Joseph Haydn das Nomadenleben ein Ende nehmen; er wurde (der allgemeinen Annahme nach) im Jahre 1759 und, wie Haydn selbst sagt, »durch Recomendation« Fürnberg's beim Grafen Morzin, der im Winter in Wien, im Sommer auf seinen Gütern bei Pilsen in Böhmen lebte, als Musikdirector und Kammercompositor mit 200 Fl. Gehalt119, freier Wohnung und Kost an der Offiziantentafel angestellt. Also auch hier war es der wackere Fürnberg, der Haydn's Geschick lenkte, was dieser auch in seiner Lebensskizze dankbar anerkennt. Ueber Morzin und seine Musikkapelle ist so sehr wenig Positives bekannt, daß wir uns damit behelfen müssen, auf weiten Umwegen wenigstens Einzelnes zu erfahren, um von Ort und Personen ein halbwegs annäherndes Bild zu gewinnen.

Ferdinand Maximilian Franz Graf von Morzin120[190] k.k. Kämmerer, Geh. Rath und des größeren Landrechts Beisitzer zu Znaim in Mähren, besaß 11/4. Post südlich von Pilsen im westl. Böhmen die Güter Merklin, Temin, Ober- und Unter-Lukavec.121 Dlabacz nennt den Grafen an mehreren Stellen (z.B. S. 357, Artikel Werner) den »berühmten Wohlthäter der Künste«, den »Musikverständigen« und den »großen Beförderer der Tonkunst«. Auf dem Gute Unter-Lukavec122, am Flüßchen Bradlanka erbaute dieser Graf ums Jahr 1708 ein Schloß sammt einer in einem Seitenflügel gelegenen Schloßkapelle und ließ nach seiner Angabe durch den berühmten Prager Professor der Geometrie und Architektur, Joh. Ferd. Schor (gest. 1767) einen Lust- und Ziergarten anlegen und von dem trefflichen Bildhauer Andreas Guitainer von Friedland in Böhmen mit vielen Bildsäulen ausschmücken.123 Der Graf hatte eine Anzahl Musiker in Sold, die er, wie es scheint, vorzugsweise in Prag beschäftigte; Dlabacz spricht auch hier wiederholt (z.B. S. 377, 583 etc. von der »berühmten Kapelle« des Grafen in Prag und läßt ihn sogar (S. 534) selbst sich mit dem Studium der Tonsetzkunst befassen, denn er ist nebst andern Mitgliedern des böhmischen Adels (Graf Herzan, Czezka, Pachta) als Schüler des berühmten Contrapunktisten Franz Joh. Habermann genannt, derselbe, der auch der Lehrer Misliweczek's war. Graf Morzin starb am 22. Oct. 1763 im 70. Lebensjahre auf seinem Gute Lukavec. Sein Sohn Karl Joseph Franz[191] (geb. 1717, gest. 1783) erbte vom Vater die Liebe zur Kunst. Er war kais. Kämmerer und Geheimerath und vermählt mit Wilhelmine, der Tochter des Franz Wenzel Freiherrn Reisky von Dubnitz; vorzugsweise bewohnte er Lukavec und brachte den Winter in Wien zu. Dort finden wir ihn im Jahre 1760 zweimal im Wiener Diarium erwähnt; einmal bei einer großen, vom Hofe veranstalteten Schlittenfahrt; das zweitemal als einer der ersten k.k. Kammerherren, die am 6. Oct. in sechsspännigen Wägen den Einzug der Braut des Erzherzogs Joseph eröffneten. Von seinem Vater scheint er noch bei dessen Lebzeiten mit den Angelegenheiten der Musikkapelle betraut worden zu sein; er erweiterte sie, beschäftigte sie aber nur in Lukavec. Nach Angabe Dies' (S. 42) mußte sich jeder Musiker verpflichten, so lange er im Dienst des Grafen stand, sich nicht zu verheirathen.

Daß viele Mitglieder des böhmischen Adels im 18. Jahrhundert Musikkapellen unterhielten, ist bekannt. Dlabacz (II, S. 42) nennt uns die Grafen Hartig, Mansfeld, Thun, Trautmannsdorf, Czernin, Netoliczky, Jos. Canal, Joh. v. Pachta, Fürst v. Fürstenberg. Von all' diesen war im Jahre 1796 nur noch die meist aus Livréebedienten bestehende Harmonie des Grafen Pachta übrig; doch bewährte der Adel auch später noch seinen Sinn für die Tonkunst, indem er im Jahre 1808 das Conservatorium zu Prag gründete.124 In den Werken von Walther, Rieger, Gerber und Dlabacz125 sind wenigstens einige Mitglieder der gräfl. Musikkapelle namhaft gemacht: Jos. Anton Sehling, »ein sehr guter Compositeur« (gest. 1756 zu Prag); Potz, »einer der stärksten Violoncellisten in Böhmen«, Bernardon, Klarinettist und Waldhornist (gest. zu Prag), und gleichzeitig mit ihm Werner, »ein berühmter Violoncellist« und vorzüglicher Dirigent, gebürtig von Kommotau (gest. 1768 zu Prag); Anton Taubner, ein »vortrefflicher Flötist« (gest. 1797); Joh. Friedrich Fasch, ein Schüler von Kuhnau und Graupner, als Componist im Jahre 1721 von Morzin angestellt, bei dem er 11/2 Jahr verblieb und später als hochfürstl. Anhaltischer Kapellmeister[192] nach Zerbst berufen wurde, wo er bis zu seinem Tode (1759) wirkte; er war der Vater des Karl Friedrich Christian Fasch, Gründers der Berliner Singakademie, und lieferte Marpurg126 eine selbst verfaßte Lebensskizze, die dann auch Gerber in seinem neuen Lexikon benutzte. Ueber den Stand der Kapelle zur Zeit Haydn's ist jeder Hinweis spurlos verschwunden.127 Wir dürfen jedoch annehmen, daß die Kapelle die Zahl von 12–16 Mitgliedern nicht überschritten haben mag und gelegentlich wohl durch gräfl. Hausbeamte und Diener verstärkt wurde. Jedenfalls wird für eine, bei Tafel oder Serenaten besonders beliebte Harmoniemusik (gewöhnlich je zwei Klarinetten, Hörner und Fagott) gesorgt gewesen sein. Wir sehen dies auch an jenen Divertimenti, von denen man annehmen kann, daß sie während Haydn's Amtsthätigkeit bei Morzin entstanden sind. Ein solches aus dem Jahre 1760 (das Autograph hat sich aus dem Nachlasse Haydn's noch erhalten) ist für je zwei Hörner, englisch Horn, Fagott und Violinen geschrieben; es erschien 1767 in Abschrift bei Breitkopf in der ersten Sammlung von sechs Divertimenti als Nr. 2 (in Haydn's Katalog Nr. 16 der Div.). Mit Ausnahme von Nr. 3 (1764 componirt aber von Haydn unter die Symphonien aufgenommen) werden die übrigen, für 5 bis 9 Instrumente geschrieben, wohl ebenfalls in die Morzin'sche Periode fallen.

All' diese Werke aber verlieren an Bedeutung einer Arbeit gegenüber, mit der Haydn, wie mit den Quartetten, den Grundstein legte zu einer Reihe Schöpfungen, die seinen Namen in der Musikgeschichte für immer verewigten und eine Kunstrichtung anbahnten, in der seine Nachfolger das bisher Höchste erreichten. Haydn schrieb hier im Jahre 1759 seine erste Symphonie. Die Gewißheit, daß es wirklich seine erste Symphonie war,[193] verdanken wir auch hier Griesinger, denn nach Haydn's Katalog, der nachweisbar sich nicht an eine chronologische Reihenfolge hält, ist diese Symphonie als die zehnte bezeichnet. Sie erschien in den üblichen geschriebenen Stimmen als die dritte von sechs Symphonien bei Breitkopf im Jahre 1766. Klein wie sie ist, zeigt sie doch schon eine auffallende Klarheit und Sicherheit in der Anlage und reiht sich nach ihrem innern Gehalt den vorangehenden Trios, Quartetten und Scherzi als verbindendes Glied in aufsteigender Linie und ungezwungener Weise an. Wir werden ihr in Verbindung mit den unmittelbar folgenden gleichartigen Werken nochmals begegnen.

Ueber Haydn's Lebensweise in dem, in einer flachen und anspruchslosen Gegend gelegenen Schlosse Lukavec ist uns nichts Näheres überliefert worden, doch erzählt uns Griesinger (S. 30) außer der Bemerkung, daß hier Haydn, wahrscheinlich auf einer Jagd, vom Pferde stürzte und seitdem zeitlebens der Reitkunst entsagte, noch eine artige Anekdote, die uns die volle Naivetät und Unverdorbenheit des damals 28jährigen Mannes verbürgt. In seinen spätern Jahren (theilt Griesinger S. 20 mit) erzählte Haydn gerne davon, wie er am Clavier der schönen Gräfin Wilhelmine zum Gesang begleitete und wie sie einst, um besser in die Noten sehen zu können, sich über ihn beugte, wobei ihr Busentuch auseinanderfiel. »Es war das Erstemal, daß mir ein solcher Anblick ward; er verwirrte mich, mein Spiel stockte und die Finger blieben auf den Tasten ruhen.« ›Was ist das, Haydn!‹ rief die Gräfin, ›was treibt Er da?‹ Voll Ehrerbietung entgegnete Haydn: »Aber gräfl. Gnaden, wer sollte auch hier nicht aus der Fassung kommen?!«


Im Herbst 1760 hielt sich Haydn in Wien auf und gewann seinen Unterhalt durch Lectionengeben. Zu seinen Schülerinnen zählten auch die Töchter eines Friseurs, Namens Keller, der Haydn öfters unterstützt hatte und in der Vorstadt Landstraße in der Ungargasse ein eigenes Haus besaß. Nach Dies (S. 43) hatte Haydn dort auch gewohnt128 und verliebte sich in eine der[194] jüngern Töchter des Hauses und seine Neigung wuchs bei näherer Bekanntschaft derart, daß er, da sein Fortkommen nun durch einen fixen Gehalt gesichert schien, trotz des gräfl. Verbots beschlossen hatte, sich mit ihr zu vermählen. Doch statt der gehofften Gegenliebe mußte es Haydn zu seinem Schmerze erfahren, daß seine Angebetete es vorzog, in ein Kloster zu treten. Auch dem Vater kam dieser Zwischenfall sehr ungelegen. Der talentvolle und solide junge Mann mußte ihm gefallen haben; er suchte ihn durchaus an seine Familie zu ketten und überredete ihn, als Ersatz die älteste Tochter zur Frau zu nehmen. Das Gefühl der Dankbarkeit gab den Ausschlag und Haydn führte somit (gleich dem Dichter Bürger) die Schwester des Mädchens, das er eigentlich liebte, als Gattin heim.

Johann Peter Keller, hofbefreiter Perückenmacher129, wurde am 12. Nov. 1722 bei St. Michael mit Marie Elisabeth Sailler getraut. Diese Ehe war reich an Kindern gesegnet; die älteste Tochter, die am 9. Febr. 1729 in der Taufe die Namen Maria Anna Aloysia Apollonia erhielt (Beil. I. 11), wurde Haydn's Frau. Die jüngere Tochter, die Haydn liebte130, wurde als Nonne bei den Nicolaierinnen aufgenommen und nahm den Klosternamen Josepha an; sie lebte noch im Jahre 1801 und Haydn erwähnt ihrer in seinem ersten Testamente, §. 24: »Der Schwester meiner verstorbenen Frau, der Ex Non 50 Fl.« (dieser Betrag ist nachgehends wieder gestrichen). Mit ihrem Hang zur Kirche stand sie in ihrer Familie nicht allein; auch ihre[195] Schwester, Haydn's Frau, neigte nach dieser Richtung und einer ihrer Brüder trat unter dem Klosternamen Eduard in den Augustiner-Orden zu Graz. Der Vater kam sehr herab; er wohnte zuletzt wieder wie in frühern Jahren in der innern Stadt auf dem Hohenmarkt (im damals Klersischen Hause nächst der Apotheke beim rothen Krebsen) und starb daselbst, 80 Jahre alt, am 9. Aug. 1771 so arm, daß er die gerichtliche Sperr-Kommission jeder Mühe einer Nachlaß-Abhandlung überhob.131 Haydn scheint von der hülfsbedürftigen Lage desselben nicht unterrichtet gewesen zu sein, in seinem Testamente aber hat er dessen Kinder und Enkel mit Legaten bedacht.

Da die zur Vorstadt Landstraße gehörige, damals mitten auf dem Hauptplatz gelegene St. Nicolaikirche nur eine Filiale war, fand die Vermählung Haydn's in der innern Stadt bei St. Stephan statt. Der Tag der Trauung war am 26. Nov. 1760; als Zeugen fungirten Karl Schunko, bürgerlicher Steinmetzmeister, und der schon früher genannte Anton Buchholz, bürgerlicher Marktrichter (Beil. I, 12). Gewiß folgte Haydn dem Drange seines Herzens, indem er in dankbarer Anhänglichkeit den nun bereits im Greisenalter stehenden Buchholz, der ihn einst in der Zeit der Noth unterstützte, dazu ausersah, ihm bei diesem feierlichen Acte, der sein häusliches Glück begründen sollte, zur Seite zu stehen. Haydn stand damals im 29., seine Braut im 32. Lebensjahre. Mit ihr brachte sich Haydn ein unverträgliches, zanksüchtiges, herzloses, verschwenderisches und bigottes Weib, eine keifende Xantippe ins Haus. »Nach den glaubwürdigsten Zeugnissen (sagt Dies S. 43) war sie eine gebieterische und eifersüchtige Frau, die keiner Ueberlegung fähig war und den Namen einer Verschwenderin verdiente.« Und diese Schilderung bestätigt auch Neukomm in seinen Bemerkungen zu Dies. Haydn hatte nie die Freude häuslichen Glückes erfahren und nur ein Charakter wie der seinige vermochte das traurige Loos einer solchen, obendrein kinderlosen Ehe zu ertragen. Aehnlich Albrecht Dürer und Tartini, die in gleichen[196] Banden lagen, suchte Haydn Zuflucht in seiner Kunst. Je mehr es um ihn stürmte, desto eifriger suchte er den innern Frieden zu wahren. Auch sein späteres Verhältniß zur Sängerin Luìgia Polzelli ist daraus zu erklären und in mildem Lichte zu beurtheilen, denn er bedurfte einer theilnehmenden Seele. »Mein Weib war unfähig zum Kindergebähren«, sagte er zu Griesinger (S. 21), »und daher war ich auch gegen die Reize anderer Frauenzimmer weniger gleichgültig.« Griesinger erzählt weiterhin, daß Haydn seiner Frau sorgfältig seine Einkünfte verbergen mußte, weil sie den Aufwand liebte, dabei bigott war, die Geistlichen fleißig zu Tische lud, viele Messen lesen ließ und zu milden Beiträgen bereitwilliger war, als es ihre Lage gestattete. Als sich Griesinger einst bei ihm in Auftrag erkundigte, wie eine erwiesene Gefälligkeit, für die Haydn nichts annehmen wollte, seiner Frau erstattet werden könnte, antwortete der Meister: »Die verdient nichts, und ihr ist es gleichgültig, ob ihr Mann ein Schuster oder ein Künstler ist.« Aus dem erwähnten lebhaften Verkehr mit Geistlichen, denen sich die Frau durch des Mannes Talent gefällig zeigen wollte132, mag die große Anzahl kleinerer Kirchencompositionen zu erklären sein, die namentlich in geistlichen Stiften verbreitet sind. Mit Unlust geschrieben und der Zeit abgedrungen, bewegen sie sich ohne irgend welche Bedeutung im Zuschnitt des gleichzeitig herrschenden Geschmacks. Haydn's Frau war aber auch boshaft und suchte ihren Mann geflissentlich zu ärgern. Wie Prinster und Thomas, Mitglieder der fürstl. Musikkapelle, nach mündlicher Ueberlieferung erzählten, verbrauchte die Gattin, soviel auch Haydn dagegen eiferte, seine Partituren zu Papilotten, zu Pasteten-Unterlagen u. dgl., welchem Schicksal namentlich aus der früheren Zeit so manche Handschrift zum Opfer gefallen sein mag. Seiner Langmuth und Geduld entsprach es, daß sich Haydn bei Schilderung seiner Ehehälfte gegen Dies (S. 43) des Gesammtausdruckes »Leichtsinn« bediente. Deutlicher schon sprach er sich gegen den Violinspieler Baillot aus, der ihn im Jahre 1805 besuchte. Als sie an einem Porträt vorbeikamen, das im Corridor hing, hielt Haydn inne, ergriff Baillot am Arme und sagte, auf das Bild deutend: »Das ist meine Frau;[197] sie hat mich oft in Wuth gebracht.«133 In einem Briefe an die erwähnte Polzelli (dat. 1793) schreibt Haydn: »Mein Weib befindet sich meistens schlecht und sie ist immer in derselben üblen Laune, aber ich nehme schon gar keine Notiz davon; endlich wird diese Plage doch auch ein Ende nehmen.«134 Eigentlich ließ Haydn aber auch seinem Unmuth freien Lauf. Bis zu welchem Grade ihm von diesem unverträglichen Weibe das Leben verbittert wurde, bezeugen die kraftvollen Worte, die er ebenfalls an die Polzelli im Jahre 1792 von London aus richtete: »Meine Frau, diese höllische Bestie, hat so vielerlei geschrieben, daß ich gezwungen war, ihr zu antworten, ich werde nicht mehr nach Hause kommen; von diesem Moment an hat sie Raison angenommen.«135 Die letzten Lebensjahre verlebte Frau Haydn getrennt von ihrem Manne, der sie sozusagen ins Exil schickte und für ihren Unterhalt sorgte. Sie wohnte bei einem Freunde Haydn's, dem Schullehrer Stoll, in Baden bei Wien, wo sie vergebens die Bäder gegen die Gicht gebrauchte, der sie endlich am 20. März 1800 (im Hause Nr. 83) erlag und zwei Tage darauf, beerdigt wurde (Beil. I, 13). An der Seite einer solchen Gattin wird man den Seelenfrieden, der den Compositionen Haydn's so unverkennbar innewohnt, nur um so mehr anstaunen müssen. Man wird fast versucht, Haydn bei seiner Wahl die Worte in den Mund zu legen, die Lessing den gelehrten Sohn des Kaufmanns Chrysander gegen seinen Vater äußern läßt: »Man wird es zugestehen müssen, daß ich keine andere Absicht gehabt, als die, mich in den Tugenden zu üben, die bei Erduldung eines solchen Weibes nöthig sind.«136

Ob Graf Morzin, der sich, wie erwähnt, damals obendrein in Wien befand, je etwas von der heimlichen Verheirathung seines Musikdirectors erfuhr, muß dahingestellt bleiben. Es[198] trat jedoch ein Umstand ein, der jede Gefahr beseitigte. Zerrüttete Vermögensverhältnisse zwangen den Grafen, seinen bisherigen Aufwand zu vermindern. In erster Linie wurden davon seine Virtuosen betroffen: die Kapelle sammt ihrem Musikdirector wurde verabschiedet. Glücklicherweise hatte noch kurz zuvor der damals regierende Fürst Paul Anton Esterházy137 bei einem Besuche bei Morzin an den aufgeführten Compositionen Haydn's Geschmack gefunden. Der Unterschied zwischen dieser jugendlich frischen Kraft und der strengen, ernst daherschreitenden Schreibweise seines bisherigen, bereits alternden Kapellmeisters konnte ihm nicht entgangen sein. Zur gelegenen Stunde erinnerte er sich des jungen Mannes; Graf Morzin hatte nur Worte des Lobes für ihn und auch in Wien war der Name Haydn bereits in weitere Kreise gedrungen. Das Jahr 1761 ward sofort entscheidend für den im Augenblick brodlosen jungen Ehemann: er wurde vorerst als zweiter Kapellmeister des fürstlichen Hauses Esterházy angestellt, dem er bis an sein Lebensende unter steigender Gunst und Anerkennung angehören sollte. Die Wanderzeit hatte somit ihr Ende erreicht, die Meisterjahre begannen. Suchen wir uns nun zunächst mit Eisenstadt, dem neuen Aufenthalte Haydn's, mit der fürstl. Musikkapelle und den Mitgliedern des fürstlichen Hauses, die sich dieselbe angelegen sein ließen, vertraut zu machen.

Fußnoten

1 Die chronologische Folge der Begebenheiten aus Haydn's nun folgenden zehn Lebensjahren bot die meisten Schwierigkeiten in seiner ganzen Künstlerlaufbahn. Eine endliche Feststellung zu ermöglichen, war es nöthig, aus den maßgebenden biographischen Notizen die sich kreuzenden Widersprüche nach Möglichkeit auszugleichen, dabei aber auch mehrere Hauptmomente, der allgemeinen Annahme entgegen, dahin zu verlegen, wo die größere Wahrscheinlichkeit für sie spricht. Die Beweggründe werden in den einzelnen wichtigeren Fällen näher bezeichnet.


2 Den Vorgang mit Spangler erzählen Framery und Le Breton auch hier nach Aussage Pleyel's. Die Gegenproben von Carpani und nach ihm Fétis sind nicht stichhaltig. Carpani, der überhaupt Framery ein ganzes Sündenregister vorwirft, läßt Haydn direct zum Perückenmacher Keller wandern (Le Haydine, p. 90) und greift damit um zehn Jahre voraus. Er corrigirt zugleich die Namens-Rechtschreibung (schreibt aber selber Homburg statt Hainburg u. dgl.) mit »Sprangler« und läßt diesen, um die Unmöglichkeit einer Ehe zu beweisen, als 13jährigen Knaben auftreten (S. 278). Griesinger berichtigt ebenfalls Le Breton in der Allgem. Musik-Zeitung. Er sagt (Jahrg. XIII, Nr. 8): »Spangler war jünger als Haydn und zur Zeit, wo Letzterer das Kapellhaus verließ, gewiß noch nicht verheirathet, also konnte auch Haydn bei ihm keine Zuflucht finden.« Le Breton irrt jedoch in einem Nebenumstande, indem er sagt, Haydn habe aus Dankbarkeit Spangler in die fürstl. Kapelle aufgenommen. Aber eben diese Verwechslung mit dessen Tochter spricht für die Glaubwürdigkeit von der ursprünglichen Erzählung Pleyel's. – Viele endlich geben Spangler als Meßner von St. Michael an und lassen Haydn vom Kapellhause aus direct zu ihm ins Michaelerhaus ziehen. Auch dies ist zu widerlegen, indem Spangler, wie die Zinsbücher ausweisen, erst im Jahre 1761 in dies geistliche Haus zog.


3 Pfarr-Register von St. Stephan und St. Michael.


4 Jahrbuch der Tonkunst (Schönfeld), 1796, S. 58.


5 Denkschrift der Tonkünstler-Societät »Haydn«, von C.F. Pohl. Wien 1871.


6 Joh. Nisle, Waldhornist und Componist, geb. 1788 zu Neuwied. Auf einer größeren Reise kam er auch nach Wien und beschreibt seinen Aufenthalt daselbst in der Berliner Allg. musik. Zeitung, Jahrg. 1829, Nr. 7. 8. u. 9.


7 Biogr. Notizen, S. 11; Biogr. Nachrichten, S. 32. Die Namen der damals fungirenden Personen verdanke ich der Güte des Hrn. Dr. J. Pauer, Superior und fürstl. Consistorialrath in Mariazell.


8 Karl Bertuch, Bemerkungen auf einer Reise aus Thüringen nach Wien im Winter 1805–6, 1808, II, S. 174. Dies, Biogr. Nachr., S. 72.


9 Das »alte« Michaelerhaus (1716 erbaut) als Gegensatz zum »neuen« (1735 erbaut), das als Durchhaus benutzt wird. Beide sind uumittelbar an die Hofpfarrkirche zum h. Michael angebaut.


10 Die Einsicht in dasselbe verdanke ich dem bereitwilligen Entgegenkommen des dermaligen Hrn. Procurators Don Maximilian Siegl.


11 Die Firma Edle von Ghelen (später Ghelen'sche Erben), eine der bedeutendsten Buchdruckereien Wiens, entstand daselbst 1672 und erlosch 1858. Seit August 1703 wurde von dieser Firma das hier oft citirte »Wienerische Diarium« ausgegeben, das seit 1780 als »Wiener Zeitung« noch heute besteht (seit 1858 im Verlag der Staatsdruckerei.)


12 Das Haus Nr. 133 (erste Nummerirung) wurde im Jahre 1797 mit dem kurz zuvor abgebrannten Eck- und dem in der Herrengasse anstoßenden Gebäude zu dem gegenwärtigen großen Hause Nr. 26 (neu) verbaut. Die Firma Kurutz (neben der bekannten Restauration »Zum Lothringer«) nimmt so ziemlich die Stelle ein, wo sich Artaria's Laden befand, wie dies aus der von Karl Schütz radirten Zeichnung ersichtlich ist.


13 Mittheilungen der Herren Prinster und Uhl, Mitglieder der fürstlich Esterházy'schen Musikkapelle.


14 Nach Dies, Biogr. Nachr., S. 33.


15 In den 50er Jahren scheint in Wien der Instrumentenmacher Niederhauser einen guten Ruf genossen zu haben. Das Wiener Diarium, 1752, Nr. 62, kündigt eine Auction von Musikalien und Instrumenten an, unter denen sich auch »ein veritable Niderhauser Flig« (Flügel) befindet.


16 Marpurg (Die Kunst das Clavier zu spielen, Berlin 1760, S. 21) hat für die Bebung (franz. balancement) das Zeichen 6. Lehr- und Wanderjahreüber der Note G.F. Wolf (Kurzer aber deutlicher Unterricht im Clavierspiel. Göttingen 1783) sagt über diese Spielmanier: »Die Bebung, welche durch Punkte ......, die über einer halben oder ganzen Note stehen, angedeutet wird, macht man, wenn man den Ton mit dem darauf liegen bleibenden Finger gleichsam wiegt; daß dies sanft geschehen müsse, versteht sich von selbst.« Vergl. auch C.F. Weitzmann, Geschichte des Clavierspiels. Stuttgart 1863, S. 51.


17 Carl Ph. Emanuel Bach, Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Berlin 1753. Siehe Einleitung daselbst.


18 Biogr. Notizen; S. 13. – Von Bach waren im Jahre 1742 erschienen Sei Sonate per Cembalo (dem König Friedrich II. von Preußen gewidmet); ferner im Jahre 1745 ebenfalls Sei Sonate per Cembalo (Bach's Schüler, dem 15jährigen Karl Eugen, Herzog von Würtemberg gewidmet.) Beide Werke waren in Nürnberg verlegt; das erste bei Balthasar Schmid, das zweite bei Joh. Ulrich Haffner. Mag nun Haydn die erste oder die zweite Sammlung zuerst kennen gelernt haben, so ist doch anzunehmen, daß er dabei nicht stehen blieb, sondern sich um weitere Werke Bach's erkundigte und somit auch die andere Sammlung kennen lernte.


19 Dies, Biogr. Nachr., S. 38.


20 Rochlitz, Für Freunde der Tonkunst, 1832, Bd. IV, S. 274.


21 Ueber Bach siehe: C.H. Bitter, C. Ph. Emanuel und W. Friedemann Bach und deren Brüder. Berlin 1868. – Em. Bach's Selbstbiographie (Burney's musik. Reise, deutsche Uebersetzung, Bd. III, S. 198). – Fr. Rochlitz, Für Freunde der Tonkunst, Bd. IV. – Im. Faißt, Cäcilia, Bd. XXV und XXVI. – Reichardt, Briefe eines aufmerksamen Reisenden, Thl. II, S. 10. – Philipp Spitta, Joh. Sebastian Bach, Bd. I, 1873 u.s.w.


22 Eine neue Ausgabe in 6 Heften, revidirt und mit Vorrede von E.F. Baumgart erschien bei F.E.C. Leuckart (Const. Sander). In dem Heft »Sechs ausgewählte Sonaten, bearbeitet und mit Vorwort herausgegeben von Dr. Hans von Bülow« (Ausgabe Peters), sind ebenfalls fünf aus dieser Sammlung für Kenner und Liebhaber.


23 Musikal. Almanach, Berlin 1796. Bitter's Eman. u. Friedem. Bach, I, S. 51 fg.


24 Wöchentliche Nachrichten und Anmerkungen, die Musik betreffend. 1766, fünftes Stück, S. 36.


25 Indem Dies (Biogr. Nachr., S. 38) dieses Umstandes erwähnt, preist er den Zufall, der gerade dieses Werk Haydn zugeführt habe, wie leicht »konnte ihn selbst sein natürlicher Verstand irre führen, wenn das Ungefähr ihm Werke, wie Kirnberger's Schriften, anstatt der Bach'schen in die Hände gespielt hätte«. Dieser Gefahr konnte jedoch Haydn um so weniger ausgesetzt sein, als von Kirnberger bis dahin noch gar nichts erschienen war. Später aber lernte Haydn auch dessen Werke kennen und wie er von ihnen urtheilte, werden wir bald sehen.


26 Karl Burney's Tagebuch seiner musikalischen Reisen, aus dem Englischen übersetzt. Hamburg 1773, Bd. III, S. 199 fg.


27 The European Magazine, London 1784, Oct. 6th. An account of Jos. Haydn a celebrated composer of Music. Der Aufsatz beginnt in bezeichnender Weise: »Giuseppe Haydn was born at Vienna about the year 1730.«


28 Musikal. Almanach, herausg. von J. Fr. Reichardt. Berlin 1796.


29 Karl von Dittersdorf, Lebensbeschreibung. Leipzig 1801. S. 123.


30 Nach Dies, S. 33; Griesinger, S. 30.


31 Prätorius gebraucht diesen Ausdruck bei Erklärung der Serenata, eines Abendgesangs mit drei oder mehr Stimmen, wenn man nämlich »des Abends uff der Gassen spatziren oder Gassaten gehet; und wie es uff Universiteten genennet wird, den Jungfern ein Ständichen oder Hoferecht macht, und die Ritornelli dazwischen musiciret werden«. Mich. Prätoris Syntagma musicum. Wolfenbüttel 1614–19, Bd. III; S. 18.


32 In Schimmer's Häuser-Chronik Wiens (1849) ist das Haus unter Nr. 1033 (dritte Nummerirung) angegeben. Nach dem Grundbuch finden wir 86 Jahre nach obiger Zeit ebenfalls einen beliebten Komiker Wiens hier wohnen: Johann Nestroy und seine Schwester Franziska Hofmann besaßen es in den Jahren 1837–38. Die Gasse, welche zwischen dem Stadttheater und den an die Stadtmauer angebauten Häusern hinführte, hieß die Sattlergasse. Nunmehr bedeutend erweitert, zieht sie in der gleichen Richtung längs dem rückwärtigen Theil des neuen Hofoperntheaters hin. Das Haus und dessen Umgebung wurde im Jahre 1859 demolirt.


33 In der Hauptsache dieser Erzählung stimmen Dies (S. 40), Griesinger (S. 18) und Carpani (S. 81) überein.


34 Quellen zu Kurz: Pfarr-Register und Verlassenschaftsacten. Chronologie des deutschen Theaters 1775. Répertoire des Théâtres de la ville de Vienne 1757. Die Gothaer Theater-Kalender. Geschichte des gesammten Theaterwesens in Wien (von Jos. Oehler) 1803. Wiener Theater-Almanache. Geschichte und Tagebuch der Wiener Schaubühne von J.H.F. Müller. Wien 1776. Geschichte der deutschen Schauspielkunst, von Eduard Devrient, 1848. Das gelehrte Oesterreich (De Luca), S. 371 fg. u.s.w.


35 Taufregister der Dompfarre St. Stephan. Wien. Diar. Nr. 1420.


36 Im Jahre 1732 führte Felix Kurz in Brünn die ersten deutschen Schauspiele auf dem neuerbauten Theater auf, das von Philipp Nero del Fantasia mit ital. Singspielen eingeweiht worden war. (Müller, Genaue Nachrichten von beyden k.k. Schaubühnen, 1773, S. 207).


37 Darunter waren u. a: Bernardon der 30jähr. ABC-Schütze – Bernardon im Tollhause – Bernardon der kalekutische Großmogul – Die Gelsen-Insel (welche auf hohes Verlangen öfter repetirt wurde) – Der Feuerwedel der Venus – Der Buben- und Weiberkrieg – Die glückliche Verbindung des Bernardon – Die Judenhochzeit – Bernardon auf dem Scheiterhaufen – Der wiedererweckte Bernardon – Die 33 Schelmereien des Bernardon – Bernardon's Traum in der Wüstenei – Der Teufel als Ehemann – Die Insel der gesunden Vernunft – Die eilf kleinen Luftgeister – Bernardon die getreue Prinzessin Pumphia und Hanns-Wurst der tyrannische Tartar Kulikan (eine Parodie in lächerlichen Versen) – Bernardon der Einsiedler – Die Macht der Elemente – Die liederliche Haushaltung versoffener Köche und verlöfferter Stubenmenscher. – Der größere Theil nennt Jahr und Druckort (Erzbischöfl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei mit von Ghelischen Schriften im neuen Michaelerhaus.


38 Das Répert. des Th. de la ville de Vienne sagt von ihm: Joseph Kurts dit Bernardon a beaucoup de feu, et est toujours aplaudi dans les différentes roles Comiques qui'l joue; de même que par ses pièces de Théâtre fort fréquentées par le public.


39 Der Italiener Affligio hatte das Theater seit Mai 1767 in Pacht und mußte alle Kosten tragen, die es erforderte; er war ein Abenteurer, der sich ein Obristlieutenant-Patent erschwindelt hatte und schließlich als Fälscher auf die Galeere kam. (Carpani, Le Haydine, p. 82; Kelly, Reminiscences of the King's Theatre, London 1826, I, p. 103 fg.) Affligio spielt in Mozart's Leben eine traurige Rolle, indem er die Oper des damals 12jährigen Wolfgang, »la finta semplice«, deren Aufführung Joseph II. gewünscht hatte, zu hintertreiben wußte. (O. Jahn, Mozart, 2. Aufl., I, S. 71.)


40 Biographie des Jos. Lange, k.k. Hofschauspieler. Wien 1808, S. 23.


41 Man glaubt, daß dieser Schauspieler ein ansehnliches Vermögen hinterlassen, er steht mehrentheils bei polnischen Cavalieren und liegt noch im Streit, der anjetzo noch verworrener werden dürfte. (Wienerblättchen 1784, 26. Hornung, S. 129.)


42 Kurz konnte sein Spaßen selbst auf dem Todtenbett nicht lassen. Als dessen Beichtvater ihm die letzten Minuten durch Trost erleichtern wollte, äußerte er mit der ernsthaftesten Miene; »Durchsuchen Sie meine Kästen und Schubladen und wenn Sie eine einzige Todsünde finden, so will ich sie verloren haben.« (Wienerblättchen 1784, 26. Hornung, S. 129.)


43 Joseph von Sonnenfels, gemalt von F. Mesner, k.k. Maler. Dem Selben gewidmet von seinem Freunde Schmuzer, in Wien zu finden in der k.k. Kupferstecher-Akademie. – Joseph von Kurz, Author und berühmter Comicus unter dem Namen Bernardon. Dem Selben gewidmet von seinen Gönnern. Gegraben von F. Landerer. (In gleicher Weise erschien das Porträt Gottfried Prehauser's, »Author und berühmter Comicus auf dem Wiener Theater«. Demselben gewidmet von seinen Freunden. Ant. Tischler sc.)


44 In den Biographien wird irrthümlich Toscana als ihre Heimath angegeben, aber nicht sie, sondern die zweite Frau des Kurz war dorthin gebürtig.


45 Francisca Kurtzin, Femme de l'acteur de ce nom, reçue en 1744, morte en 1755, fort regrettée du Public par sa figure, sa belle voix et son talent; elle n'est pas encore remplacée (Répert. des Th.)


46 Im Avertissement zu den gedruckten Arien sagt Kurz: »Madame Theresia Kurzin wird sowol ihr Prob-stück als auch ihr Meister-stück, la alle diejenigen Caractere machen, welche eine vollkommeneActrice nur immer vorzustellen fähig ist. Und da sie eine geborne Italiänerin, folglich der Teutschen Sprache gar nicht wol kündig, so wird ihre Action um so vielmehr verwunderlich seyn. Nachdem mich die Götter mit derselben erfreuet, so soll auch das mir so gnädig geneigte Publikum an meiner Vergnügung theil nehmen.« In der Pantomime übergiebt Kurz persönlich seine drei Kinder der Rosalba (seiner Frau) und legt ihr ans Herz, daß bei ihr nie das Sprichwort von der Stiefmutter wahr werden möge.


47 Anna Eleonora Theresia Francisca, geb. 14. Febr. 1745. – Bartholom. Chrystophorus Josephus, geb. 31. Mai 1746. – Susanna Francisca Antonia, geb. 29. Aug. 1747.


48 Die Vermuthung liegt nahe, daß der bekannte Schauspiel-Unternehmer Felix Berner eben durch diese Kurz'schen Kinder-Pantomimen auf die Idee gebracht wurde, im Jahre 1758 ein selbständiges Kindertheater zusammenzustellen und damit die Bühnen von Oesterreich und Deutschland zu bereisen, sowie auch Franz Sebastiani (1761) und Kajetan v. Schaumberg (1770) in Brünn derlei Kindervorstellungen einführten. In Wien selbst wurde zu Anfang der 70er Jahre unter des berühmten Noverre's Aufsicht eine theatralische Tanzschule für Kinder errichtet und die vorzüglicheren Eleven besoldet. Laute Bewunderung erregten auch die Kinder von Mitgliedern des Stadttheaters, die im Jahre 1766 »Die bürgerliche Heirath« von Klemm aufführten; es waren die drei Jaquet'schen Mädchen, im Alter von 13, 8 und 6 Jahren, die zwei jungen Kopfmüller und der 5jährige Ludwig Meyer. (Wien. Diar. Nr. 63.)


49 Neue Arien, welche in der Comödie gesungen werden, betitult: Der, aufs neue begeisterte und belebte Bernardon nebst zweyen Pantomimischen Kinder-Balletten u.s.w.


50 »Der sich wieder seinen Willen taub und stumm stellende Liebhaber«, ein Lust-Spiel, von zwey Aufzügen, in Teutschen Versen mit vierzehn Arien welches von denen Bernardon'schen Kindern vorgestellet, und in Teutscher Sprach hier noch niemals aufgeführet worden ist. Wien, gedruckt im neuen Michaeler Haus mit v. Ghelischen Schriften, 1755.


51 Griesinger, Biogr. Notizen, S. 19.


52 Griesinger, S. 19. Dies, S. 41. Ein Reisender, der bei seinem Besuche in Eisenstadt im Jahre 1827 die Operette gesehen haben will (wohl nur die Einzeichnung des Titels), giebt dagegen ohne weiteren Nachweis nur zwei Ducaten an. (Allg. mus. Ztg., 1827, S. 819.)


53 Der Tag der ersten Aufführung ist nicht nachweisbar; er dürfte gegen Ende 1751 oder vor Ostern 1752 fallen, keinesfalls aber nach dieser Zeit, da die Oper sonst im Répertoire des Théâtres verzeichnet wäre. Der allgemeinen Annahme nach zählte Haydn damals 19 Jahre, was mit der Zeit der Aufführung zuträfe. Er selbst erwähnt der Oper in seiner Selbstbiographie gar nicht; ebenso wenig Gerber, Forkel (Almanach von 1784), das Weimarer Modejournal (1805) und das Gelehrte Oesterreich (1778). In Haydn's eigenem Katalog seiner Werke steht »Der krumme Teufel« unter den Marionettene Opern als Nr. 5 von fremder Hand nachträglich eingezeichnet.


54 C. Bertuch, Bemerkungen auf einer Reise aus Thüringen nach Wien im Winter 1805–6; erschien 1808. Bd. II, S. 179.


55 Griesinger (S. 18) und Carpani (S. 81) nennen die Oper eine Satyre auf den hinkenden Theaterdirector Affligio, weswegen das Stück nach dreimaliger Aufführung verboten wurde. Es ist dies ein, die Geschichte des Wiener Stadttheaters verwirrender Anachronismus, der trotzdem in fast alle Biographien Haydn's überging. Der Italiener Affligio wurde, wie erwähnt, erst im Jahre 1767 Theaterdirector und gerade unter ihm wurde »Der neue krumme Teufel« im Jahre 1770 wieder hervorgesucht und Kurz wird sich wohl gehütet haben, seinen Director, der ihn trotz der nun erkalteten Gunst des Publikums zu halten suchte, lächerlich zu machen.


56 L. Fernbach jun. (Der wohl unterrichtete Theaterfreund, Berlin 1830) giebt S. 20 folgenden Titel an: »Asmodeus der krumme Teufel, und die Insel der Wilden.« Opr. 8. Wien, Trattner, 1770.


57 Es ist dies das einzigemal, daß bei den Kurz'schen Komödien, soweit sie vorliegen, der Componist namhaft gemacht ist.


58 Les Spectacles de Paris, ou Calendrier hist. et chronolog. des Théâtres de Paris. 18me Partie pour l'année 1769, p. 80.


59 Katharina Mayer, eine geborene Wienerin, die zuvor beim ital. Theater war und unter Lopresti im Jahre 1751 beim deutschen Theater mit Beifall auftrat. (Gesch. des ges. Theaterwesens, Oehler, S. 146; auch Répertoire des Th. de la ville de Vienne.)


60 Titelveränderungen: Der krumme Teufel – Der hinkende Teufel – Asmodeus oder der krumme Teufel – Asmodeus oder der lahme Teufel.


61 Nachricht von der im Jahre 1758 von Hrn. Felix Berner errichteten jungen Schauspieler-Gesellschaft. Verfaßt von F.X. Garnier. Wien 1786, S. 6. – Die Berner'sche Truppe ging 1787 ein. Elise, die als Sängerin geschätzte Tochter Berner's, geb. 1766, heirathete in Regensburg den Sänger Joh. Nep. Peierl, kam 1787 mit ihrem Manne zum Hof- und Nationaltheater nach München und wurde 1796 zur Hofsängerin ernannt. Nach dem Tode Peierl's heirathete sie den Hofmusikus Franz Lang. (Baier. Musik-Lexikon von F.J. Lipowsky. Artikel: Berner.)


62 Biogr. Skizzen von Michael Haydn. Salzburg 1808, S. 9.


63 Biogr. Nachrichten, S. 29. Nur läßt Dies auch den Bruder Johann mitwandern, der um jene Zeit das Elternhaus noch gar nicht verlassen hatte.


64 Biogr. Skizzen von Michael Haydn, S. 5. – Dies, Biogr. Nachr., S. 29.


65 Bestand-Zinsbuch des Michaeler Hauses.


66 Vergl. S. 81, Anmerkung 3.


67 Pietro Trapassi, genannt Metastasio, wurde zu Rom am 3. Jan. 1698 geboren.


68 Burney's Tagebuch seiner mus. Reisen. (Deutsche Uebersetzung. Hamburg 1773. II, S. 218.


69 v. Karaian, Aus Metastasio's Hofleben. Wien 1861.


70 Burney's Tagebuch, II, S. 168.


71 Dies (S. 36) sagt: »Haydn wurde mit Metastasio bekannt, der ihm manchen nützlichen Wink gab, und in dessen Hause er schnell die italienische Sprache erlernte.«


72 Ueber Metastasio siehe ferner: Metastasto, eine Skizze von Jos. v. Retzer. Wien 1782. – Dr. Const. v. Wurzbach's Biogr. Lexikon. Artikel Metastasio. –Vita dell' Abate Pietro Metastasio scritta dall' avvocato Carlo Cristini. (Opere del Sig. Ab. Met. Nizza 1785, vol. I.)Memoirs of the life and writings of the Ab. M. by Chs. Burney. London 1796. – Hiller, über Metastasio und seine Werke. Leipzig 1786.


73 Es erschienen von ihm bei G. Cappi in Wien: 36Canoni a Sole tre Voci (in 3 Heften).


74 Pfarr-Register bei St. Michael.


75 »Metastasio avea in costume per distinguere i più illustri forestieri di pregar la signora Marianna a cantar loro sul clavicembalo qualche sua arietta.« (Opere del Sig. Ab. Met. vol. I. p. CCVI.)


76 So sagte auch Hasse zu Burney, er sei mit Metastasio der Meinung, daß die gute Schule fürs Singen verloren gegangen sei und daß seit den Zeiten des Pistocchi, Bernacchi und Porpora keine großen Schüler mehr gezogen würden. Burney's Tagebuch, II, S. 227.


77 Dagegen sagt Karoline Pichler von Marianne wie auch von der blinden Paradies (geb. 1759), die einzigen Künstlerinnen, die sich zu ihrer Zeit mit musik. Composition beschäftigten: Beide leisteten Artiges, aber es erhob sich nicht über – ja kaum an das Mittelmäßige. (Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Wien 1844. II, S. 96.


78 Reminiscences of Michael Kelly. London 1826, vol. I, p. 252. Die falsche Namensangabe (Martini statt Martines) ist dort zu berichtigen.


79 Eine ausführl. Biographie giebt A. Schmid in der Wiener Allg. M. Zeitung, 1846, Nr. 128 und 129. Dort sind auch die fabelhaften Erzählungen widerlegt, die Fétis in seiner Biographie universelle des Musiciens aufgenommen hat.


80 Griesinger, Biogr. Notizen, S. 13. Carpani, Le Haydine, p. 86.


81 Allg. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, herausg. von J.S. Ersch und J.G. Gruber. Section II, 3. Th., 1828. Der Artikel Haydn ist von Fröhlich.


82 Jg. Edler von Mosel, Ueber das Leben und die Werke des A. Salieri. Wien 1827. S. 62.


83 Nach Griesinger (S. 13) lernte ihn Haydn bei Metastasio kennen. Nach Dies (S. 35) umgeht Haydn förmlich die Frage, indem er sagt: »Ich gerieth in die Bekanntschaft des bekannten Kapellmeisters Porpora, dessen Unterricht häufig gesucht wurde; der aber, vielleicht wegen Alters, einen jungen Gehülfen suchte und solchen in meiner Person fand.« (Vergl. auch Haydn's eigene Lebensskizze.)


84 Es war dies eine zweite ital. Oper, die man eigens gegründet hatte, um Händel, mit dem man sich überworfen hatte, Opposition zu machen. (G.F. Händel, von Fr. Chrysander. Leipzig 1860, II, S. 326.)


85 Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe des Kurfürsten von Sachsen. Dresden 1862, I, S. 251.


86 Kaiser Karl VI. fand Porpora's Stil capriciös und schwülstig und zog Hasse vor, bei dem er einst auch ein Oratorium bestellte. Hasse aber betraute Porpora damit, ihn jedoch bittend, sich in seinen Gesangsfiorituren zu mäßigen. Porpora hielt sich in Schranken bis zur Schlußfuge, in der er sich weidlich entschädigte, indem er dem Motiv vier Trillernoten gab, die, von den verschiedenen Stimmen wiederholt, eine wahre Trillerkette bildeten. Selbst der sonst so ernste Kaiser brach dabei in lautes Lachen aus. (F.S. Kandler,Cenni storico critici etc. di Hasse. Venezia 1820, p. 30.)


87 v. Köchel, Joh. Jos. Fux. – Die kais. Hofbibliothek in Wien erhielt aus Kiesewetter's Sammlung in Porpora's Handschrift ein Beatus vir (a 5 voc. c. V. V. e B.); Duetti latini sopra la Passione di Gesu Christo (a 4 v. c. str.). Das Musikvereins-Archiv besitzt, ebenfalls im Autograph, ein Alma redemptoris D-dur 6/8 per voce so la con str. (1731); ferner das Musikarchiv der ital. Kirche (Minoriten) ein Te Deum, comp. in Wien auf die Feier der Schlacht bei Kollin (18. Juni 1757).


88 Sonate XII di Violino, e Basso. Vienna 1754. Was Porpora mit diesem Werk bezweckte, hat er in der ital. Dedication ausgesprochen, die der Anzeige im Wien. Diar. als Vorlage diente. Dieser Vorbericht an die Liebhaber der Musik sagt darüber: »Es scheinet als hätte dieser große Meister darauf gesehen, daß seine künstlichen Vorbilder gleichsam zu einem überzeugenden Ausspruch dienen möchten, um endlich einmal die verständigste seit langer Zeit über den Vorzug der alten und neuen, der Ital. und Franz. Music streitende Völker in Ruhe zu setzen. Dann in denen ersten mit gedoppelten Strichen, und allerley Gattungen deren so-genannten Fugen, geschriebenen sechs Sonaten, besonders aber in jener, die nach deren dreyen griechischen Arten, der Dyathonischen, Enharmonischen und Chromatischen eingerichtet worden, können bey der genauesten Befolgung deren von denen alten Meistervättern vorgeschriebenen Reguln dennoch auch die eifrigsten Anhänger deren neuen Sätzen ihr Vergnügen finden: So wie im Gegentheil von denen glücklichen und reitzenden Einfällen, aus welchen die 6 letztere Sonaten bestehen, und in der darinnen befindlichen wol getroffenen Vermischung des auserlösensten Italiänisch- und Französischen Geschmacks sich wahrscheinlich hoffen läßt, daß die wachsamsten Bewährer des erstgedachten Altertums nicht im geringsten über einige Verachtung ihrer ehrwürdigen Gesätze sich werden zu beklagen haben. Folgsam werden diese entscheidende Muster, da ohne dem alle Menschen (sie mögen Liebhaber der Music seyn oder nicht) in dem Vorzug des Guten zusammen treffen, ausbündig erweisen, daß unter denen Händen eines erfahrenen Künstlers die Richtigkeit und die Lust sich gar wol verbünden mögen.«


89 Eine eingehende Studie über die Entwickelung der Instrumentalcomposition mit besonderer Rücksicht auf Violinsatz und Violinspiel bietet das Werk; Die Violine im 17. Jahrhundert und die Anfänge der Instrumentalcomp. von J.W. v. Wasielewski. Bonn 1874.


90 Griesinger, S. 14. – Dies, S. 36.


91 Dispacci di Germania (k.k. Staatsarchiv). Die feierliche Auffahrt des Botschafters am 24. März 1754 beschreibt das Wien. Diar. Nr. 25. Seine Abschiedsaudienz hatte derselbe am 4. Juni 1757. (Wien. Diar. Nr. 45.


92 Karl v. Dittersdorf's Lebensbeschreibung. Leipzig 1801, S. 79.


93 Abhandlung von den heilsamsten Kräften und Wirkungen, dann Gebrauch des Mannersdorfer Bades, von J.M. Schofulan. Wien 1783.


94 Jg. de Luca, Geogr. Handbuch von den öst. Staaten. 1791, I. S. 272. Ausführliches über Mannersdorf findet man in Adolf Schmidl's Wiens Umgebungen auf 20 Stunden im Umkreis. Wien 1838, II. S. 471.


95 Burney, The present state of music in Germany etc. London 1773, I, p. 290.


96 In neuer Auflage erschienen, bearbeitet von Simon Sechter. Wien, C.A. Spina (Schreiber).


97 Dies Heft hat G. Nottebohm benutzt zu seinem Werke: Beethoven's Studien. Erster Band. Beethoven's Unterricht bei J. Haydn, Albrechtsberger und Salieri. Leipzig und Winterthur 1873.


98 Dies, Biogr. Nachr., S. 39.


99 Carpani, Le Haydine, p. 21.


100 G.J. Dlabacz, Allg. hist. Künstler-Lexikon für Böhmen. Prag 1815, II, S. 320.


101 Jg. Franz Keiblinger, Geschichte des Benedictiner-Stiftes Melk in Nieder-Oesterreich. 1851, I, S. 1016. – Wiener Allg. Mus. Ztg. 1818, Nr. 38. 40. – Allg. Mus. Ztg. Leipzig 1829, Nr. 25. 27. – Biographisches, M.S. im Musikvereins-Archiv zu Wien. – Allg. Wiener Mus. Ztg. 1843, S. 53. – Wien. Diar., 1764, Nr. 22 und 34; 1770, Nr. 34.


102 Ueber die Familie Fürnberg siehe: Franz Karl Wisgrill, Schauplatz des landsässigen Nieder-Oesterreich. Adels. Wien 1797, S. 141. – F.W. Weiskern, Topographie von Nieder-Oesterreich. 1768. 2. Theil, S. 278.


103 Dr. Karl von Pelser-Fürnberg, seit 1874 k.k. Staatsanwalt in Wien, ist noch ein Nachkomme dieser Familie.


104 Die Wiener Zeitung, 3. Jan. 1787, bringt über ihn Folgendes: Herr Jos. Edler von Fürnberg, k.k. Obristlieutenant, welcher den in seinen Besitzungen liegenden großen Weinspergerwald mittels eines Aufwandes beträchtlicher Summen zu einem beständigen Holzschlag anwendbar zu machen wußte, hat dieses verflossene Jahr über 28000 Klafter Brennholz auf der Donau hierher geführt.


105 Le Haydine, p. 85: dimorava per lo più a Burckersdorff.


106 Der Reichersbergerhof bei Weinzierl war zur Zeit, um die es sich hier handelt, im Besitz eines Hrn. Joh. Christoph Benaglia Satorell (Urkunde im Pfarrarchiv zu Tuln, nach gütiger Mittheilung des Cooperators Hrn. P. Adalbert Dungel). Siehe auch: Darstellung des Erzherzogth. Oest. u. d. Enns, Bd. IX, S. 222. Im Jahre 1795 kam das Schlößchen an die kais. Familien-Güter-Ober-Direction und gehört gegenwärtig Graf Grünne.


107 Darstellung des Erzh. Oest. u. d. Enns (Schweighart). Wien 1838, Bd. XIV, S. 58 (mit Ansicht des Schlosses und Ortes). Georg Math. Vischer's Topogr. von N. Oest., Bd. II, 1672: Das Viertl ob. Wiener Waldt, Nr. 126 (mit Abbildung des Schlößchens)


108 Griesinger (S. 15) nennt ihn irrthümlich einen Bruder des bekannten Contrapunktisten Joh. Georg Albrechtsberger, Domkapellmeister in Wien. Nach den Pfarr-Reg. von Klosterneuburg, wo derselbe geboren wurde, hatte er keine Brüder, doch war der oben Genannte möglicherweise aus früherer Linie verwandt, da der Familienname (nach Keiblinger, S. 1019) auch in den Pfarr-Registern von Weiteneck, Emersdorf und Weiten vorkommt. Da u.a. Weiteneck eine Besitzung Fürnberg's war, so liegt die Vermuthung nahe, daß der genannte Cellist, ob nun verwandt oder nicht mit dem Wiener Domkapellmeister, in oder um Weiteneck seßhaft war und etwa zu Fürnberg's Beamten zählte.


109 Ausführliches über ihn siehe Dlabacz, Künstler-Lexikon, I. S. 683.


110 Recensionen über Theater und Musik. Wien 1859, S. 180.


111 A. Meinrad, Gedenkbuch der Vorstadtpfarre Gumpendorf. Wien 1857, S. 55.


112 Musik. Zeitung für die öst. Staaten. Linz 1812, Nr. 11.


113 Griesinger's Aussage (S. 17) darf man hier wohl bezweifeln. Haydn war schon zu alt, um seinen Eltern beschwerlich zu fallen, und der Vater nicht so arm oder hartherzig, um dem Sohne nicht beistehen zu können oder zu wollen.


114 Notice sur Jos. Haydn, p. 7.


115 Biogr. univ. des Musiciens. Artikel Haydn.


116 Die gräfl. Familie Thun wird auch in den Biographien Mozart's, Gluck's und Beethoven's häufig genannt. Mozart fand hier die wärmste Aufnahme und Würdigung seines Talentes und erwähnt in seinen Briefen oft des stets herzlichen Antheils, den die liebenswürdige Gräfin, geborene Uhlefeld, an seiner Künstlerlaufbahn nahm, die sie auch mannigfach zu erleichtern suchte. Otto Jahn erwähnt ihrer ausführlich in seinem Mozart (2. Aufl., II, S. 40). Sie war auch im Verkehr mit Gluck, bei dem sie den englischen Musikschriftsteller Burney und später den preuß. Hofkapellmeister J. Fr. Reichardt einführte (Schmid's Gluck, S. 164 und 382). Burney spricht entzückt von ihrem Talent (Tagebuch II, S. 160 und 216); Beethoven widmete ihr das Trio op. 11; der berühmte Reisende Georg Forster spricht von Marie Christine, einer der »drei Grazien« (wie er die Töchter nennt). Gräfin Elisabeth wurde 1788 die Gemahlin des Grafen (nachmaligen Fürsten) Rasumovsky, russischen Gesandten. – Carpani (p. 278) bezweifelt auch hier die Wahrheit obiger Begebenheit.


117 Eine der wenigen Ausnahmen, wo Michael nicht gleich seinem Bruder sich »Haydn« schrieb.


118 Nach Michael's Abgang stellte der Bischof den bekannten Dittersdorf als Musikdirector an mit 1200 Fl. Gehalt, herrschaftl. Tafel, freier Wohnung, Besoldung und Kost und Livrée für einen Bedienten. (Dittersdorf's Lebensbeschreibung, S. 129).


119 Griesinger, S. 20. – Dies, S. 42, sagt weniger glaubwürdig 600 Fl.


120 Ueber dies im Jahre 1636 in den Reichsgrafenstand erhobene Geschlecht siehe: Hist. heraldisches Handbuch zum genealog. Taschenbuch der gräfl. Häuser. Gotha 1855, S. 620. – Biogr. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich, von Dr. Const. von Wurzbach, 19. Theil, 1868, Artikel Morzin. Wegen der Rolle, die Ferdinand Franz und Karl Joseph Morzin während des franz-baier. Krieges in den 40er Jahren des 18. Jahrh. gespielt, siehe Alfred Ritter von Arneth: Maria Theresia's erste Regierungsjahre. Wien 1864, I, S. 344; II, S. 225, 230, 242 fg. – Männliche Nachkommen der gräfl. Familie Morzin leben gegenwärtig noch in Prag (Graf Rudolph, geb. 1801, gest. 22. Sept. 1881) und in Wien (Graf Vincenz, geb. 1808).


121 Merklin und Temin gelangte durch Heirath an den Grafen Johann Kolowrat; die durch Vereinigung verschiedener Güter entstandene Herrschaft Lukavec veräußerte Graf Karl Joseph Morzin laut Kaufvertrag vom 2. Jan. 1781 an Karl Friedrich Reichsgrafen von Hatzfeld und Gleichen. Im Jahre 1849 kam sie durch Erbschaft in das Eigenthum des jetzigen Besitzers, Grafen Erwin von Schönborn.


122 Auf dem Wege von Pilsen nach Pÿestic und Klattau biegt nahe diesem Städtchen die Straße links ab nach Unter-Lukavec.


123 Dlabacz, Allg. hist. Künstler-Lexikon, S. 65 und 517.


124 Dr. A.W. Ambros, Das Conservatorium in Prag. Prag 1858.


125 J.G. Walther, Musik. Lex. Leipzig 1732. – Statistik von Böhmen (Rieger). Leipzig und Prag 1794. – E.L. Gerber, Lex. der Tonkünstler. – Dlabacz, Allg. hist. Künstler-Lex. Prag 1815.


126 Beiträge zur Musik. Bd. III, S. 124.


127 In Lukavec war persönliche Nachfrage erfolglos; in Hohenelbe, wohin die zum Theil sehr werthvollen Instrumente im Jahre 1817 als ein Geschenk an die dortige Kirche überführt wurden, hatte Graf Rudolf Morzin wiederholt die Güte, im Schloß- und Kirchenarchiv nachforschen zu lassen. Die etwa vorhandenen, die Musikkapelle betreffenden Acten wurden jedoch entweder schon in Lukavec als werthlos vertilgt oder fielen in Hohenelbe als Opfer wiederholter Sichtungen des Archivs.


128 Wahrscheinlich wurde Haydn hier durch einen Bruder des Friseurs eingeführt, jenes bei der Domkapelle erwähnten Georg Jg. Keller. Derselbe war aus Chlumetz in Böhmen gebürtig und ursprünglich Kammerdiener des Grafen Kinsky, böhm. Hofkanzlers. Keller wurde 1726 bei St. Stephan vermählt und ist bei der Domkapelle vom Jahre 1730 bis in die Mitte der 50er Jahre als Violinist genannt. Im Jahre 1765 wird er bei der Todesanzeige seiner Frau als kais. Hofmusikus genannt; als Mitglied der Hofkapelle ist er, damals schon sehr bejahrt, erst seit 1767 eingetragen. Er starb am 27. Mai 1771, 72 Jahre alt.


129 Wegen »hofbefreit!« siehe S. 48, Anm. 33.


130 Die Nachrichten über diese Wahl sind sehr verworren: Nach Griesinger (S. 20) liebte Haydn die älteste Tochter, »allein sie begab sich in ein Kloster«. Nach Dies (S. 43) liebte Haydn die jüngere. Wiederum bemerkt Neukomm zur Angabe Dies' (der jedoch des Klosters nicht erwähnt): »die älteste Schwester, die Haydn's Liebe erwiedert hatte, war früher gestorben


131 Wir erfahren bei dieser Gelegenheit die Namen der, den Vater überlebenden Kinder; es waren die Söhne Joseph und P. Eduard, die Töchter Josepha (Nonne), Maria Anna (Haydn's Frau), Barbara (verh. Schaiger) und Elisabeth (verw. Bittermann).


132 Man vergleiche namentlich Carpani, Le Haydine, p. 92.


133 E la mia moglie; m'ha hen fatto arrabbiare.


134 Mia moglie stamaggior parte male di salute, ed è sempre di medesimo cattivo umor, ma già io non mi curo di niente, finiranno una volta questi guai.


135 Mia moglie quella bestia infernale mi ha scritto tante cose, che era forzato di dar la riposta, che iò non tornerò più a casa, da questo momento ella ha più giùdizio.


136 »Der junge Gelehrte«, 3. Aufzug, 4. Auftritt.


137 Griesinger (S. 22) nennt irrthümlich schon hier den Nachfolger (Nicolaus).

Quelle:
Pohl, Carl Ferdinand / Botstiber, Hugo: Joseph Haydn. Band 1, Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1878.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon