Vorwort.

Als der seither verstorbene Seniorchef des Hauses Breitkopf & Härtel, Herr Geheimrat Dr. Oskar von Hase, an mich die schmeichelhafte Aufforderung richtete, an Stelle des Prof. Dr. Eusebius Mandyczewski die Biographie Joseph Haydns von C.F. Pohl durch Fertigstellung des dritten Bandes zu vollenden, war ich mir mit meiner bereitwilligst gegebenen Zusage nicht bewußt, wie lange und wie schwierig sich die Erfüllung dieser Zusage gestalten werde. Mannigfache Ereignisse, angestrengte Tätigkeit auf anderem, praktischem Gebiete, die alle meine Kräfte in Anspruch nahm, ließen mich vorerst mit der Arbeit an diesem biographischen Werke nicht vorwärts kommen. Überdies befand sich das von Pohl hinterlassene, mir von Mandyczewski freundlichst zur Verfügung gestellte Material in einem Zustande chaotischer Unordnung. Es war erst notwendig, alles zu sichten, dann auszuscheiden, was sich auf die bereits erschienenen zwei Bände bezog, das für den dritten Band in Betracht Kommende nach verschiedenen Gesichtspunkten zu ordnen und einzuteilen, eine Arbeit, die nebst allem anderen dadurch auch erschwert wurde, daß die Handschrift C.F. Pohls von mikroskopischer Kleinheit und vielfach nur mit dem Vergrößerungsglas zu entziffern war. Daß Pohl in seinem bewunderungswürdigen Fleiße vieles zusammengetragen hat, das sich für die Arbeit als unnötig oder unverwendbar erwies, andrerseits viele Hinweise und Daten wiederholte Male, oft zum Überdruß, notiert hatte, war gleichfalls eine Erschwerung für die Feststellung jenes Materials, das für die Bearbeitung des nun vorliegenden dritten Bandes in Betracht kam. Der Weltkrieg und seine Folgen haben die ungestörte Fortsetzung der Arbeit schon wegen meiner eigenen Kriegsdienstleistung und wegen aller anderen mit dem Kriege im Zusammenhang stehenden traurigen Verhältnisse noch weiter verzögert. Als der Krieg und die Umsturzjahre vorüber waren, die Welt und mit ihr auch ich etwas[5] ruhiger geworden war, wurde es möglich, an die Fertigstellung der Arbeit zu schreiten, bis es mir nun endlich gelungen ist, sie zu Ende zu führen. – Lange war ich auch unschlüssig hinsichtlich der inneren Behandlung des ganzen Stoffes. Wege und Ziele der musikgeschichtlichen Forschung haben sich seit den Zeiten Carl Ferdinand Pohls stark geändert. Für Pohl bildete in seinen ersten zwei Bänden das Chronistische die Hauptsache und überwog sogar das Biographische. Ich war der Ansicht, daß diese starke Betonung und eingehende Darstellung der Zeitverhältnisse heutigentags nicht mehr als in eine Biographie gehörend angesehen wird; außerdem sind die musiksozialen Verhältnisse jener Zeit durch zahlreiche seit Pohl erschienene Werke bereits zur Genüge geschildert. Mir erschien die Konzentration auf die Lebensschicksale Haydns als das wesentlichste und nur gelegentliche Hinweise auf die künstlerischen und gesellschaftlichen Verhältnisse um ihn herum angemessen. Auch hielt ich es für entsprechender, zuerst in einem Abschnitte alle Ereignisse der betreffenden Lebensepoche bis zu des Meisters Tode zur Darstellung zu bringen und die Betrachtung seiner Persönlichkeit und seiner Werke zwei getrennten Abschnitten vorzubehalten. Wenn ich speziell den letzteren, die Werke Haydns behandelnden Abschnitt nicht mit jener Ausführlichkeit behandelt habe, wie viele, und mit ihnen auch ich, es gewünscht haben mögen, so muß ich wieder andrerseits darauf hinweisen, daß eine eingehende kunstkritische und entwicklungsgeschichtliche Darstellung, wie sie den Werken Haydns gegenüber am Platze wäre, den Rahmen einer Biographie übersteigt. Der vorliegende dritte Band der Biographie soll entsprechend den ersten zweien in erster Linie das gesamte biographische Material, soweit es auf Grund bisheriger und gewissenhaft fortgesetzter Forschertätigkeit zusammengetragen werden konnte, in geschlossener Darstellung vorlegen und dadurch ein möglichst lückenloses Gesamtbild des Lebens und Wirkens von Joseph Haydn geben. Diesen Zweck glaube ich erfüllt zu haben; denn in unermüdlichem Eifer habe ich über das von Pohl hinterlassene Material hinaus Forschungen angestellt, die einschlägige Literatur zu Hilfe genommen und Quellen benutzt, von denen viele vorher unbekannt waren. Ich kann auch ruhig sagen, daß Irrtümer oder Unrichtigkeiten in den von mir[6] angeführten Daten ziemlich ausgeschlossen sein dürften, was man leider von vielen in früherer und auch in allerjüngster Zeit erschienenen Haydn-Biographien nicht behaupten kann. – Ich habe den dritten Band der Biographie noch durch ein Register über alle drei Bände und eine Zusammenstellung der existierenden Haydn-Bildnisse, welche letztere selbstverständlich nur relative Vollständigkeit besitzt, ergänzen zu sollen geglaubt. Dagegen habe ich es nicht für notwendig gefunden, eine Zusammenstellung der bereits über Haydn erschienenen Literatur zu geben, weil eine solche Bibliographie im großen und ganzen sich mit der von C.F. Pohl in der Einleitung zum ersten Bande gegebenen Übersicht so ziemlich decken würde; denn es sind wenige, nahezu gar keine Werke seit damals erschienen, welche biographisch etwas Neues bringen. Manch wertvolles Material enthalten allerdings einzelne Artikel und Aufsätze in Zeitschriften, die, von mir verwendet, meistens an der betreffenden Stelle angeführt sind.

So gebe ich denn den dritten Band der Biographie Haydns in der Hoffnung heraus, daß er sich nicht allzu dürftig neben den so ausgezeichneten ersten zwei Bänden des verdienstvollen C.F. Pohl ausnehmen möge und von der Öffentlichkeit als entsprechender Abschluß des so lange Zeit Torso gewesenen biographischen Werkes aufgenommen werde.

Es erübrigt mir nur noch, all denen, welche mir bei der Fertigstellung dieses Bandes hilfreiche Hand geboten haben, an dieser Stelle herzlich zu danken:

Vor allem meinem innigst verehrten Freunde Hofrat Prof. Dr. Eusebius Mandyczewski, dem kenntnisreichen und hilfsbereiten Führer aller jener, die sich mit der Geschichte der Wiener Klassiker beschäftigen, nicht minder Herrn Hofrat Prof. Dr. Guido Adler, der meine Arbeit durch Rat und Tat in weitestgehendem Maße gefördert hat. Weiter gilt mein Dank verschiedenen Sammlungen und Bibliotheken für ihr freundliches Entgegenkommen: der Nationalbibliothek in Wien und dem Leiter ihrer Musikaliensammlung, Herrn Dr. Robert Haas, der Staatsbibliothek zu Berlin, dem Leiter ihrer Musikaliensammlung, Herrn Prof. Dr. Wilhelm Altmann und Herrn Prof. Dr. Johan nes Wolf, der Stadtbibliothek zu Wien und ihrem Bibliothekar Herrn Dr. Alfred Orel, der Bibliothek der Gesellschaft der[7] Musikfreunde in Wien, in der mir außer Dr. Mandyczewski auch Dr. Hedwig Kraus hilfreiche Hand bot, endlich den beiden Verlagshäusern Breitkopf & Härtel und Artaria & Comp. für die Überlassung wertvollen Materials. – Die Bibliothek von Eisenstadt ist infolge der Kriegs- und Nachkriegsereignisse lange Zeit unerreichbar gewesen und ist auch jetzt nicht mehr zur Gänze in Eisenstadt befindlich. Erst nach begonnener Drucklegung des Buches erhielt ich die Erlaubnis zur Besichtigung der Bestände in Eisenstadt, wofür ich der fürstlichen Verwaltung und deren Bibliothekar, Herrn Dr. Hajnal, hiermit danke. Wenn diese Erlaubnis für die Fertigstellung des Buches auch ohne praktischen Wert war, so brauche ich dies umso weniger zu bedauern, als seinerzeit von Pohl genaue Aufzeichnungen in chronistischer und bibliographischer Hinsicht gemacht wurden, welche mir zur Verfügung standen und von mir verwertet wurden. – Zum Schlusse danke ich auch Herrn Dr. Fritz Beyer für seine Mitarbeit bei der Anlage des Registers.


Wien, im Dezember 1926.

Dr. Hugo Botstiber.[8]

Quelle:
Pohl, Carl Ferdinand / Botstiber, Hugo: Joseph Haydn. Band 3, Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1927..
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