Hochzeitsgratulation Mozarts an Schwester Nannerl

[183] Brief Mozarts an Nannerl;

Wien, am 18. August 1784


Ma très chère soeur!


Potz Sapperment; – Izt ist es Zeit, daß ich schreibe, wenn ich will, daß Dich mein Brief noch als eine Vestalin antreffen soll! – Ein paar Tage später, und – weg ists! – Meine Frau und ich wünschen Dir alles Glück [183] und Vergnügen zu Deiner Standesveränderung und bedauern nur von Herzen, daß wir nicht so glücklich seyn können, bey Deiner Vermählung gegenwärtig zu seyn; wir hoffen aber, Dich künftiges Frühjahr ganz gewiß in Salzburg sowohl als in St. Gilgen als Fr. von Sonnenburg samt Deinem H. Gemahl zu umarmen ...

... und nun schicke ich Dir noch 1000 gute Wünsche von Wien nach Salzburg, besonders daß Ihr beide so gut zusammen leben möchtet, als – wir zwey. – Drum nimm von meinem poetischen Hirnkasten einen kleinen Rat an; denn höre nur:


Du wirst im Ehstand viel erfahren,

was Dir ein halbes Rätsel war;

bald wirst Du aus Erfahrung wissen,

wie Eva einst hat handeln müssen,

daß sie hernach den Kain gebar.

Doch, Schwester, diese Ehstandspflichten

wirst Du von Herzen gern verrichten,

denn glaube mir, sie sind nicht schwer.

Doch jede Sache hat zwo Seiten:

der Ehstand bringt zwar viele Freuden,

allein auch Kummer bringet er.

Drum wenn Dein Mann Dir finstre Mienen,

die Du nicht glaubest zu verdienen,

in seiner übeln Laune macht:

so denke, daß ist Männergrille,

und sag: Herr, es gescheh Dein Wille,

bei Tag – und meiner in der Nacht.


Dein aufrichtiger Bruder

W.A. Mozart.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 183-184.
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