Erste Abteilung.

Plan eines Oratoriums. Die neunte Symphonie. Die großen Aufführungen.

[5] Wir verließen Beethoven in der neuen Wohnung in der Ungargasse, noch beschäftigt mit dem neuen großen Werk, welches jetzt seiner Vollendung entgegenging, dabei unter dem Eindrucke der Sorge um seine Gesundheit und um seine Verwandten. Zwar ist von besonderen neuen und auffallenden Störungen seiner Gesundheit keine Rede, aber Klagen über dieselbe fehlen auch in diesem neuen Jahre nicht. Sein Augenleiden (IV 433 f.) war wesentlich gebessert; ganz geheilt war es nicht, da er es noch in einem Briefe vom 23. Januar 1824 erwähnt, auch aus seiner Umgebung gelegentlich Ratschläge wegen desselben erhält. Noch spät im März, während der Vorbereitungen zu der Akademie vom Mai, sagt Schindler einmal: »Das Auge ist heute wieder schlechter als gestern. Sie werden sich wohl einige Tage schonen müssen.«1 Späterhin aber hören wir kein Klagen mehr.

Gleich beim Beginn des Jahres begegnet uns eine Zuschrift an die berüchtigte Schwägerin.2


[5] »Für die Frau Johanna van Beethoven.


am 8ten Januar 1824.


Häufige Beschäftigungen machten sogar, daß Karl und ich Ihnen nicht am Neujahrstag unsere Glückwünsche bezeugen konnten, ich weiß aber, daß Sie ohne dieses von mir sowohl als Karl nichts anders als die reinsten Glückwünsche für Ihr Wohl erwarten –

Was Ihre Noth betrift, so würde ich Ihnen gerne mit einer Summe überhaupt ausgeholfen haben, leider habe ich aber zu viele Ausgaben, Schulden, und nur manches Geld zu erwarten, um ihnen augenblicklich meine Bereitwilligkeit Ihnen zu helfen auf der Stelle beweisen zu können – Indessen versichere ich Sie hiermit schriftlich daß Sie die Hälfte Karls von Ihrer Pension nun auch fortdauernd beziehen können,3 wir werden Ihnen alle Monath die Quittung einhändigen, wo Sie alsdann selbe selbst erheben können, da es gar keine Schande ist (und ich mehrere meiner Bekannten, welche ihre Pension alle Monath erheben) selbe monathl. zu erheben, sollte ich später vermögend seyn, Ihnen eine Summe überhaupt zur Verbesserung Ihrer Umstände aus meiner Kasse zu geben im Stande seyn, so wird es gewiß geschehen, – die 280 fl. 20 Xr., welche Sie Steiner schuldig sind, habe ich ebenfalls schon lange zu bezahlen übernommen, welches man Ihnen wohl gesagt haben wird.4 Sie haben auch keine Interessen mehr geraume Zeit bezahlen müssen –

Sie haben von mir 2 Pensionsmonathe erhalten durch Schindler. – Diesen Monath am 26ten oder etwas später erhalten Sie den Pensionsbetrag für diesen Monath – wegen Ihrem Prozeß bespreche ich mich nächstens mit Dr. Bach –

Wir wünschen Ihnen alles erdenkliche Gute, Karl sowohl als ich.


Ihr bereitwilligster

L. v. Beethoven.«


Nohl staunt über den hohen Grad von Selbstüberwindung und Humanität, deren Beethoven fähig gewesen. Gewiß gehörte viel Selbstüberwindung dazu, an diese bisher so bitter gehaßte Frau so freundlich zu schreiben. Aber es waren doch, wie diese Briefe und die erwähnte Äußerung an Bruder Johann zeigen, freundlichere Gesinnungen und Beziehungen eingetreten, wenn auch Beethovens Beurteilung der [6] Frau sich nicht wesentlich änderte. Die Worte des Briefes lassen sogar vermuten, daß ein klagender Brief der Witwe vorangegangen war. Seitdem die Vormundschaftsverhältnisse geregelt und nach dieser Seite hin feste Zustände geschaffen waren, lag ein Grund zu weiteren Zerwürfnissen nicht vor, und es war ein friedlicher Zustand eingetreten; so unruhig und leidenschaftlich sich die Witwe auch weiterhin andern gegenüber gebärden mochte, unserem Meister hat sie, so viel wir sehen, seine letzten Lebensjahre nicht weiter verbittert.

Der Neffe Karl besuchte während dieses Jahres die philologischen Vorlesungen der Universität und wohnte in dieser Zeit bei Beethoven.5 Er leistete ihm viele Dienste, schrieb für ihn und machte für ihn Besorgungen; Beethoven scheint ihn im Laufe der Zeit in hohem Maße in Anspruch genommen zu haben, mehr als seine Studien eigentlich erlaubten. Er liebte ihn zärtlich und war immer auf sein Wohl bedacht, hielt sich aber verpflichtet, ihn streng zu halten; er ließ ihm, wie später Holz erzählte, sehr wenig Freiheit und behandelte ihn seiner leidenschaftlichen Natur folgend zuweilen hart; dabei mußte er es erleben, daß ihm der Neffe über den Erfolg seiner Studien falsche Vorstellungen beibrachte, welche Beethoven zu berichtigen ja nicht in der Lage war. In den Konversationen begegnet er uns von jetzt an häufig und äußert seine Meinung über alles mögliche unumwunden und selbständig; da erscheint er uns lebendig und klug, und wir finden es bestätigt, wenn von seinem talentvollen und aufgeweckten Wesen die Rede ist; seine vorschnellen und frühreifen Urteile nehmen nicht gerade für ihn ein. Dem Onkel scheint er gern zu schmeicheln und erzählt ihm gern von dem Lobe und der Bewunderung anderer Menschen; er wußte recht gut, daß Beethoven dafür empfänglich war.6 Am wenigsten gefällt es uns, wenn er sich über solche, die bei Beethoven verkehren, wie Schindler, in wegwerfender Weise ausspricht. Das war der Nachklang davon, daß sich Beethoven bei den Äußerungen seiner Abneigung gegen andere auch dem unreifen jungen Menschen gegenüber keinen Zwang auferlegte. Wenn dann Beethoven [7] neben harten Worten, an denen es nicht fehlte, wieder zu ernsten und liebevollen Ermahnungen überging, so sollte er zu spät erfahren, daß diese bei dem zu Verstellung und Unwahrheit, zu Faulheit und Genußsucht neigenden Jüngling ohne Wirkung blieben. Von einer tiefer begründeten dauernden Dankbarkeit für des Oheims große Wohltaten war bei ihm keine Rede, er gewann durch schlaue Benutzung seiner Schwächen, wie es scheint, eine Art Herrschaft über ihn.7 Diese Erziehung, die eigentlich keine war, konnte den Neffen von der abschüssigen Bahn, auf welche er mehr und mehr geriet, nicht zurückhalten. Die traurige Katastrophe, welche Beethoven so tief erschüttern mußte, bereitete sich nach und nach vor; wir werden die einzelnen Phasen noch zur Anschauung zu bringen haben. –

Von seinen Leiden mit den Dienstleuten, die noch immer fortdauerten, wollen wir nicht ausführlich sprechen; sie sind schon früher berührt. Als Haushälterin hatte wohl, da wir nichts anderes hören, die »Frau Schnaps« noch ihre Stelle, daneben pflegte er noch eine Küchenmagd zu halten, mit welcher oft gewechselt wurde. Gerade über diesen Gegenstand lesen wir öfter Bemerkungen des Neffen.8

Wenden wir uns wieder zu seiner Arbeit und seinen musikalischen Interessen. Manche musikalische Ereignisse, die in Beethovens Gesichtskreis fielen, wenn sie ihn auch nicht unmittelbar berührten, brachte diese Zeit. Im Anfange des Jahres war der Pianist Friedrich Kalkbrenner in Wien; am 25. Januar gab er ein Konzert im kleinen Redoutensaal.9 Um dieselbe Zeit war Moscheles, von seiner Kunstreise zurückgekehrt, im Lande, spielte auch in Wien, lag aber gerade damals krank in Prag. Über Kalkbrenner hörte Beethoven viel erzählen; Bruder Johann äußerte, es sei nur eine Stimme, daß Kalkbrenner besser spiele als Moscheles; auch Schindler sagte ihm, Kalkbrenner habe den Sieg davongetragen.10 [8] Das stimmt allerdings nicht mit dem Urteile überein, wie es sich im übrigen über die beiden Künstler gebildet hat.

In Schuppanzighs Quartetten, welche in dieser Zeit wiederholt stattfanden, erregten namentlich Beethovens Septett und das Quartett in F-Moll großes Entzücken.11 In dem Quartett (am 1. Februar) waren mehrere Freunde Beethovens (Tuscher, Piringer, Wolffmayer u.a.) anwesend.

Auch für seine Kunstgenossen und Freunde fährt er fort sich zu interessieren; manches wird ihm von ihnen erzählt. Da begegnet auch die Mitteilung Schindlers, daß Salieri sich auf dem Krankenbette anklage, Mozart vergiftet zu haben. Aus der wiederholten Beteuerung Schindlers, daß Salieri selbst dies gesagt habe, darf man wohl entnehmen, daß Beethoven daran nicht glaubte, wie denn auch gar kein Recht besteht, einem solchen Gerücht irgendwelche Bedeutung beizulegen.12

Was nun Beethovens eigene Arbeiten betrifft, so lagen noch einige Pläne vor, von denen kurz zu sprechen ist. Daß der Gedanke an die Oper Melusine (IV S. 399 u.ö.) zunächst nicht aufgegeben war, wurde schon beim vorigen Jahre bemerkt, auch Grillparzer hoffte noch darauf, wenn er auch Beethoven nicht drängen wollte; mit Duport einig zu werden, drängten ihn seine Freunde,13 Schindler ist im allgemeinen mit dem Text einverstanden, besonders gefällt ihm der dritte Akt, in welchem viel Kraft und Handlung sei. »Hier und da harte Worte, nicht wahr? Ich habe zu viele Elisionen gefunden, die hart klingen.« Die Rolle der [9] Bertha sei für die Unger geeignet; er ist begierig, wie Beethoven den derben Troll behandeln wird. Mit Rücksicht auf den Erfolg, besonders den pekuniären, redet besonders Bruder Johann zu, doch auch andere; man erwartete mit Recht einen großen Erfolg von einer neuen Beethovenschen Oper. Man wartete vergebens.

Ein anderer Plan, der noch nicht vollständig aufgegeben war, war Bernards Oratorium »Der Sieg des Kreuzes«. Auf diese Arbeit hatte er, wie wir wissen, schon einen Vorschuß erhalten (IV S. 101, 161, 200). Daß er neben der Hauptarbeit, die ihn jetzt beschäftigte, nicht an die Ausführung ging, setzt uns nicht in Erstaunen, zumal wenn wir an seine sonstigen Lebensverhältnisse denken. Der Vorstand der Gesellschaft der Musikfreunde wurde ungeduldig und richtete im Januar 1824 an ihn folgenden Brief:


»An des Herrn Ludwig van Beethoven

Wohlgeboren!14


Euer Wohlgeboren!


Als die Gesellschaft der Musikfreunde des öst. Kaiserstaates Euer Wohlgeboren vor vier Jahren einlud, ein Oratorium zu schreiben, welchen Antrag Sie sowie die Bedingungen annahmen, überließ sie Ihnen die Wahl des Gedichtes u. des Dichters. Sie erfuhr bald hernach, daß H. Bernard die Verfassung des Gedichtes übernommen habe. So oft wir uns an Ew. Wohlgeboren in dieser langen Zwischenzeit wendeten u. anfragten, ob Sie bereits mit dieser Arbeit beschäftigt seien, hörten wir, daß Sie die Poesie noch nicht in Händen haben. Wir konnten einem Tonsetzer Ihrer Art nicht zumuthen, daß er den Plan seiner musikalischen Composizion entwerfen sollte, bevor er sich mit dem Ganzen des Gedichtes betraut gemacht u. es nach seinem Wunsch angelegt u. ausgeführt gefunden haben würde; wir konnten uns daher immer nur an H. Ber nard wenden, u. ihn betreiben. Endlich hat er der Gesellschaft das vollendete Gedicht gegen Ende Oktobers 1823 eingehändigt u. erklärt daß er auch Ihnen unter einem eine Abschrift übergeben habe, Da wir nun einerseits von dem Gedichte nur dann Gebrauch machen können, wenn Sie, der Tonsetzer, es nicht nur wirklich zur Composizion wählen, sondern auch die Composizion wirklich beendigt haben, anderseits aber von Ihnen der Entschluß ein solches Werk der Gesellschaft zu liefern wiederholt ausgesprochen u. durch die auf Verlangen geleistete Abschlagszahlung bestättigt worden sind, so ersuchen wir Euer Wohlgeboren, der Gesellschaft mit Bestimmtheit [10] zu wissen zu machen ob Sie das von H. Bernard gelieferte Gedicht in Musik setzen werden u. in welcher Zeit wir hoffen dürfen, dieses Werk zu erhalten, welchem jeder Freund der Musik u. Verehrer Ihres großen Talentes nun schon so lange mit gespannter Erwartung entgegensieht.

Empfangen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten Achtung.

Wien – Jänner 1824.«


Wohl gleichzeitig schrieb die Direktion an den Textdichter folgendes:15


»An des Herrn J. C. Bernard

Wohlgeboren.


Euer Wohlgeboren!


Sie haben der Gesellschaft zu Handen ihres Sekretairs, des H. Regierungsrathes Sonnleithner, eine Ab schrift des Oratoriums übergeben, welches Sie für H. Ludwig van Beethoven zur Composizion bestimmt haben. Die gegenwärtige Antwort erhalten Sie so spät, weil sich der leitende Ausschuß der Gesellschaft zum ersten Mahl am 9. d. versammelte. Es mußte der Gesellschaft sehr angenehm sein, die Beendigung dieser Arbeit zu erfahren, welcher sie seit einigen Jahren entgegensah. Da sie dem Hrn. van Beethoven die Wahl des Gedichtes überlassen hatte, so ersuchte sie ihn unter einem, sich baldmöglichst zu erklären, ob er die Composizion dieses Gedichtes liefern u. bis wann er ungefähr selbe vollenden werde. Ohne dem Werthe Ihrer gelungenen Arbeit im Geringsten nahe treten zu wollen, können wir nicht unbemerkt lassen, daß die Gesellschaft erst dann davon Gebrauch machen kann, wenn H. v. Beethoven die Composizion vollendet hat, u. Ihr Gedicht von der Censur zugelassen worden ist. Wir bewahren es indessen auf u. wünschen, daß Ew. W. sich mit uns beeifern wollen den H. v. Beethoven zu bewegen daß er diese von der ganzen musikalischen Welt so lang erwartete Arbeit beendige.

Empfangen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten Achtung.

Wien den – Jänner 1824.«


Beethoven antwortete darauf der Direktion der Gesellschaft:16


»am 23ten

Jänner 1824.


Euer Wohlgeboren!


Überhäuft beschäftigt u. noch immer mit einem Augenübel behaftet werden Sie mir gütigst meine späte Antwort verzeihen. – Das Oratorium betreffend, so hoffe ich veritas odium non parit nicht ich wählte H. v. B. dasselbe zu schreiben, mir ward versichert, der Verein habe ihn hiezu beauftragt, [11] denn [da] H. v. B. die Zeitung zu redigiren hat, so ist es schwer sich mit ihm viel zu besprechen; Es mußte doch zu eine lange Geschichte werden, ja sehr verdrießlich für mich, da H. v. B. für Musik nichts wie die Libussa geschrieben hat, u. welche damals noch nicht aufgeführt war, welche ich aber seit 1809 kenne u. seit der Zeit sehr vieles daran auch geändert worden ware, so konnte ich mit vollem Vertrauen nicht anders als das Unternehmen mit ihm schwierig betrachten, ich mußte um so mehr darauf halten deswegen das ganze zu haben, freilich erhielt ich endlich einmal den ersten Theil, allein nach B. Aussagen mußte derselbe wieder geändert werden u. ich mußte ihn wieder zurückgeben, so viel ich mich erinnere; endlich wieder zur selben Zeit mit dem Verein kam mir dann das ganze zu, eingegangene andere Verbindlichkeiten, welche ich durch meine frühern kränklichen Umstände nicht erfüllen konnte, mußte ich jetzt wirklich eilen mein Wort zu halten, um so mehr da ihnen bekannt sein wird, daß ich leider nur durch meine zu schreibenden Werke leben kann, nun aber muß mehreres u. vieles geändert werden an B–s Oratorium, ich habe schon einiges angezeigt u. werde bald damit zu Ende seyn u. alsdann B. damit bekannt machen, denn so wie es ist, ob schon der Stoff sehr gut erfunden u. die Dichtung ihren Werth hat, kann es einmal nicht bleiben; Christus am Oelberg ward von mir mit dem Dichter in Zeit von 14 Tägen geschrieben, allein der Dichter war musikalisch17 u. hatte schon mehreres für Musik geschrieben, ich konnte mich jeden Augenblik mit ihm besprechen, lassen wir den Werth d. g. Dichtungen ununtersucht, wir wissen alle, wie wir das hiemit nehmen können, das gute liegt hier in der Mitte, was mich aber angeht, so will ich lieber selbst Homer, Klopstock, Schiller in Musik setzen, wenigstens wenn man auch Schwierigkeiten zu besiegen hat, so verdienen dieses diese unsterblichen Dichter – sobald ich mit den Abänderungen des Orator mit B. fertig bin, werde ich die Ehre haben ihnen diese anzuzeigen u. zugleich die Zeit bekannt machen, wann der Verein sicher hierauf rechnen könne, das ist vor der Hand alles, was ich hierüber sagen kann – was diese 400 fl. W. W. betrift, welche man mir unaufgefordert geschickt hatte, so würde ich selbe längst zurückgesendet haben, hätte ich wirklich einsehen können, daß mit diesem Orat. es noch über meine Vorstellung viel länger hätte dauern können, es ward mir vielmehr schmerzlich mich darüber nicht äußern zu können,18 in dieser Rücksicht hatte ich die Idee, um dem Verein wenigstens die Interessen dieser Summe zu verschaffen, vor eine Vereinigung mit dem Verein zu einer Akademie, allein weder H. Schindler noch mein Bruder hatten den Auftrag hierüber etwas mitzutheilen, u. es war mein entferntester Gedanke, daß es auf solche Art geschehen sollte, ich bitte gefälligst auch H. v. Sonnleithner hiemit bekannt zu machen; ich danke übrigens herzlich für das Anerbieten des Gerü stes u. der Hülfe überhaupt, welche der Verein angebothen hat u. werde zu seiner Zeit Gebrauch davon machen – mit Vergnügen werde ich es hören, wenn der Verein von den Werken, worunter auch eine neue Sinfonie, wird später nach meiner Akademie Gebrauch machen wollen, denn eigentlich ist die große Messe mehr im Oratorien Styl u. wirklich besonders [12] auf den Verein berechnet, ein besonderes Vergnügen werde ich empfinden, wenn man hierin meine Uneigennützigkeit u. zugleich meinen Eifer dem Verein zu dienen, erkennen wird, an dessen wohlthätigem Werke für die Kunst ich allzeit den größten Antheil nehmen werde. – Genehmigen Euer Wohlgeboren noch besonders meine hohe Achtung für Sie in allen Rücksichten.


Ludwig van Beethoven.«


Aus diesem langen Entschuldigungsbriefe erfahren wir zunächst, daß Beethoven mit dem Oratorium noch nicht begonnen hatte, ja, daß er dem Texte bisher ein inneres Interesse nicht abgewonnen hatte. Jedenfalls mußten noch Abänderungen eintreten, und es erwächst schon hier die Befürchtung, daß es zur Komposition des Oratoriums nicht kommen werde. Einstweilen aber hatte er noch die Absicht, es zu schreiben. Dann aber hören wir, daß Beethoven den erwähnten Vorschuß unaufgefordert erhalten hatte,19 und daß er für jetzt den Gedanken hatte, sich mit der Gesellschaft zu einer Akademie zu vereinigen, in welcher seine neuen großen Werke zur Aufführung kommen sollten; darüber also hatten Schindler und Bruder Johann der Gesellschaft ohne Auftrag voreilige Mitteilungen gemacht. Es kam nicht zur Ausführung eines solchen Vorhabens; der Plan des Werkes selbst aber war nicht aufgegeben. Aus seiner Umgebung hörte er verschiedene Stimmen; auch Erzherzog Rudolf war dafür, daß er das Werk schreibe.20 Noch in demselben Jahre wiederholt Beethoven ganz energisch sein Versprechen. Im September schrieb er – wir wollen die Angelegenheit hier möglichst zu Ende führen – an den uns bekannten Freund Hauschka.21


»Lieber werther Freund!


Indem ich dir schreibe, daß ich, sobald ich in die Stadt gelangt bin, das Bernardische Oratorium schreiben werde, bitte ich dich ebenfalls Herrn vonBernard das Honorar erfolgen zu lassen; – über das Weitere was wir [13] brauchen und nötig haben, bereden wir uns in der Stadt – indem ich dich als großmächtigsten Intendanten aller Sing u. Brummvereine als K. K.ches general Violoncello als K. K. Inspicient aller K. K. Jagden, wie auch Diakonus meines gnädigsten Herrn ohne Domicil, ohne Dach u. Fach wie auch ohne Präbende (wie auch ich) meines gnädigsten Herrn treuesten Diener grüße, wünsche ich euch dieses und jenes woraus ihr das beste nehmen könnt – damit kein Irrthum statt findet melden wir daß wir dasBernhardsche Oratorium, ›Der Sieg des Kreuzes‹ ganz gewiß in Musik setzen u. baldigst beendigen werden laut unserer Unterschrift u. unserm Siegel.

Baden am (Siegel) 23ten Septemb.


1824

L. v. Beethoven.

1ste Nachschrift.


Laßt das Wildpret nicht durch Katzen raten u. Mäuse verzehren versteht mich, eröffnet euch bessere Wege u. Konkurrenz.


2te Nachs.


Was nun das Fähnlein auf dem

weißen Thurm anbelangt, so hoffen

wir, daß es bald wieder wehn wird.


der Eurige

in Christo

u. Apollo

Beethoven


3te Nachs. etc. etc. etc.


Beethoven hat sich also, vermutlich auf Grund einer neuen Anfrage Hauschkas, durch diesen ersichtlich in guter Laune geschriebenen Brief nochmals fest verpflichtet, das Oratorium zu komponieren. Daß er trotzdem nie ernstlich daran gegangen ist, wissen wir.


Der Stoff des Bernardschen Textes, »Der Sieg des Kreuzes« ist der Geschichte Konstantins des Großen entnommen und behandelt den Sieg des christlichen Kreuzes über das Heidentum, dessen Vertreter der Gegenkaiser Maxentius mit seinen Scharen ist.22 Konstantin ist über die Alpen nach Italien gezogen, er hat die Erscheinung des Kreuzes (in hoc signo vinces) gehabt, er fühlt den Beruf, den wahren Glauben gegen seine Widersacher zu retten. Auch Maxentius hat sein sibyllinisches Orakel, daß der Feind des Römertums zugrunde gehen werde. Am Tiber (Ponte molle) stehen die Heere sich schlachtbereit gegenüber. Auf der christlichen Seite hören wir die Chöre der Christen – der christlichen Krieger, daneben allegorische Gestalten: Glaube, Hoffnung, Liebe –; entsprechend auf der heidnischen – die heidnischen Krieger, Chöre der Auguren, der Dämonen Haß und Zwietracht –; es scheint der [14] musikalischen Behandlung vorgearbeitet zu werden. Konstantin tritt auf und spricht sich, nicht ohne einiges Zagen, über den Beruf aus, den er erkennt; ihm antwortet der Chor der Märtyrer, mahnend, während die Dämonen etwas objektiver, nicht als bestimmte Partei, ihre Worte aussprechen

Da erscheint Julia, Konstantins Tochter und Maxentius' Gattin (davon weiß die Geschichte nichts) aus dem feindlichen Lager; noch in heidnischer Anschauung befangen gibt sie ihrem Schmerze über den bevorstehenden Kampf zwischen Römern und über ihr eigenes Unglück Ausdruck, das ihr in jedem Falle bevorstehe, welcher von beiden auch unterliegen werde; Konstantin aber hat seine Absicht ernst erwogen und muß sie ausführen. Da geschieht etwas Wunderbares; man hört aus der Höhe einen Chor der Engel, Konstantin sieht das Kreuz in den Lüften, er fühlt sich mit den Seinigen neu gestärkt und ermutigt, das Werk zu vollbringen. Auch Maxentius hört es und ist betroffen,23 doch deuten es seine Genien (Haß und Zwietracht) zu seinen Gunsten, die Magier schließen daraus auf den Untergang der Feinde, Maxentius baut auf sein Orakel. Aber auch Julia hört die Stimmen, wird von dem Strahl höheren Lichts berührt und wird umgestimmt; sie will nun zu dem Gemahl, ihm das Wunder zu verkünden und ihn von seinem Wahne zu befreien, worin Konstantin sie ermutigt; sie will Versöhnung bewirken. Da sie ihre Absicht ausführt und auf den Gatten mahnend eindringt, ergrimmt dieser und spottet über die Verkündigung; er befiehlt ihr, sogleich den Göttern zu opfern, und droht ihr den Tod, wenn sie sich weigere; dazu ist sie in ihrer Entzückung bereit, und so wird sie zum Tode geführt. Es wird nun zum Kampfe aufgerufen; auf beiden Seiten stehen den Herrschern die schon erwähnten Genien zur Seite. Konstantin teilt den Seinigen mit, daß Maxentius die Freundeshand zurückgewiesen und die Gattin geopfert habe; jetzt müsse das Schwert entscheiden. Das Kreuzpanier wird erhoben.24 Die Schlacht entbrennt;25 eine Stimme schildert ihren Verlauf; sie schwankt lange unentschieden, die Christen werden bedrängt. Da schwebt von oben eine Lichtgestalt hernieder, der Geist Julias; sie verkündet als höheren Ratschluß den Sieg des Kreuzes und Maxentius' Untergang. Die Schlacht wendet sich, die Feinde fliehen, Maxentius kommt im Tiber um (er singt aber noch vorher). Konstantin erhebt einen Freudengesang und ruft zum Einzuge in Rom auf; dort auf dem Forum soll jetzt das Panier des Kreuzes prangen. Chöre der ihn Umgebenden (darunter auch jene allegorischen Gestalten) singen Lob- und Dankgesänge und preisen den Sieg. Mit christlichen Gesängen (»Hosanna – Ehre sei Gott«) schließt der Text.


Beethoven hat wiederholt christlichen Empfindungen Töne geliehen, und der Grundgedanke des Textes hätte ihn wohl nicht abgehalten, den Stoff musikalisch zu bearbeiten. Aber die Behandlung konnte ihm nicht behagen. [15] Schon aus den großen Abstrichen, welche Bernard doch gewiß auf seine Veranlassung vorgenommen hatte, erkennt man, daß ihm der Wortreichtum zu groß war, daß er die Entwicklung rascher wünschte. Daß so wenig tiefere Motivierung gegeben war, daß alles äußerlich, zum Teil durch Wunder vor sich geht, mochte ihn auch nicht zur Komposition einladen. Ein weltbewegendes Ereignis, wie der Kampf zwischen Christentum und Heidentum, ließ sich nicht in diese kurze Form des Oratoriums bringen, und auch nicht auf die Entscheidung durch eine Schlacht beschränken, auf welche sich doch schließlich alles konzentriert. Dies bedurfte einer mehr individuellen Motivierung durch lebende, menschlich fühlende Personen; dazu aber reichte Bernards Erfindungskraft nicht aus. Seine Verse sind nicht ganz übel und auch zur Komposition nicht ungeeignet; aber Gestalten erfinden und ihnen individuelle persönliche Gedanken verleihen kann er nicht. In der Umgebung der Machthaber möchte man dieselben suchen, diese selbst bleiben ja wesentlich Vertreter ihres Prinzips, statt lebendige, menschlich denkende und fühlende Personen; aber neben ihnen läßt er außer den Chören nur die gestaltlosen allegorischen Figuren musikalisch auftreten. Dieser waren Beethoven ersichtlich zu viel, die auf der christlichen Seite genügten ihm, auf der heidnischen streicht erz.B. Haß und Zwietracht ganz. Um dem einfachen und zu allgemeinen Text etwas Mannigfaltigkeit zu geben, erfindet Bernard die Gestalt der Julia, zuerst Heidin, dann durch übernatürliche Erleuchtung überzeugte Christin; eine persönliche Färbung und Gestaltung weiß er auch ihr nicht zu geben, man kann trotz der Verkündung ihrer Geisterstimme nicht sagen, daß sie es ist, die das Geschick wendet. Ihr Tod vergrößert nur die Schuld des Maxentius.

Beethoven mochte, nachdem er eben die Messe beendet, vielleicht nicht gleich wieder einem hochreligiösen Stoffe seine Kraft zuwenden, dessen Einordnung in ein Geschichtsereignis, vollends eine Schlachtschilderung, ihm wohl auch nicht zusagte; die Schwäche der Bernardschen Poesie stieß ihn vollends zurück. Er hat das Werk trotz aller Versprechungen nie ernstlich in Angriff genommen; es finden sich nirgendwo Skizzen dazu; Holz erzählte O. Jahn, daß Beethoven nie ernstlich daran gearbeitet habe. »Wie soll ich mich dafür begeistern« habe er gesagt.

Nach Schindlers Erzählung (II S. 97) trat infolge der Unterlassung eine Entfremdung zwischen ihm und Bernard ein. Der Vorstand des Vereins hat weiterhin die Sache ruhen lassen und niemals einen Schritt getan, die vorschußweise gegebene Summe zurückzuerhalten; er hat sich [16] auch nicht abhalten lassen, Beethoven zum Ehrenmitgliede zu machen. Wenn Schindler den Verein wegen seines loyalen Verhaltens lobt, Beethoven aber tadelt, so werden wir ihm nicht widersprechen können. Auch uns wird es schwer, Beethovens Verhalten in dieser Sache zu rechtfertigen. Doch wissen wir, welchen Trübungen in jener Zeit sein Leben ausgesetzt war, wie schwer er damals an Schöpfungen herantrat, deren Stoff ihm von außen gebracht und nicht dem eigenen Innern entnommen war.

Aus dem obigen Schreiben Beethovens erfahren wir zweierlei: erstens, das die neue Symphonie fertig oder nahezu fertig war, und zweitens, daß eine Akademie zur Aufführung der neuen Werke schon damals geplant war. Als den Zeitpunkt der Beendigung gibt Schindler, welcher damals unmittelbarer Augenzeuge der Ereignisse war, den Februar 1824 an. Die endliche Fertigstellung des großen Werkes, dessen Entstehung und Ausarbeitung unter Schwierigkeiten aller Art mehrere Jahre in Anspruch genommen hatte, hatte nach Schindler auch auf seine Gemütsverfassung einen wohltätigen Einfluß. Er gönnte sich Stunden der Erholung; »man sah ihn wieder durch die Straßen schlendern, mit seinem am schwarzen Bändchen hangenden, Stecher' die schönen Auslagekästen belorgnettierend und manchen Bekannten oder Freund nach langer Zeit wieder einmal im Vorbeigehen begrüßend.«


Die neunte Symphonie.


Über die neunte Symphonie liegt eine umfangreiche Literatur vor;26 diese noch zu vermehren würde ein bedenkliches Unternehmen sein, und wir suchen uns daher tunlichst kurz zu fassen. Zu diesem Werke hat wohl jeder, der sich etwas eingehender mit Beethoven beschäftigt hat, ein bestimmtes Verhältnis gewonnen, und im Bewußtsein aller Hörenden hat es im Laufe der Jahrzehnte immer tiefere Wurzeln geschlagen. Unsere [17] Aufgabe an dieser Stelle ist nur, die Zeit der Entstehung und Ausführung dieses Werkes, soweit die vorhandenen Nachrichten dies gestatten, festzustellen und weiterhin zu versuchen, das Werk zu Beethovens Leben und sonstigem Schaffen in Beziehung zu setzen. Dabei wird es nicht unterlassen werden können, auf den Inhalt und einzelne der von andern geäußerten Ansichten in Kürze einzugehen.

Bezüglich der Zeitbestimmung müssen gerade hier mit dankbarer Anerkennung die Verdienste Nottebohms hervorgehoben werden, der für dieselbe aus den Skizzen erwünschte Resultate gewonnen hat. –

Um die Zeit, als Beethoven an der achten Symphonie arbeitete, deutete er in einer Skizze an, daß den beiden Symphonien in A und F eine dritte in D-Moll folgen solle.27 Das blieb aber unausgeführt, und wir wissen nicht, ob er schon Motive zu einer solchen im Sinne hatte. Das erste, was uns aus dem bekannten Inhalte der neunten Symphonie begegnet, ist der Ansatz zu einer Fuge


1. Abteilung

Ende langsam


welcher sich in einem aus dem Jahre 1815 stammenden Skizzenbuche neben Entwürfen zur Sonate Op. 102 II findet28; das ist das Motiv zum zweiten Satz der neunten Symphonie, steht aber ganz vereinzelt und ohne Fortgang da, so daß es als Anfang der Komposition der neunten Symphonie kaum gelten kann, wenn auch Beethoven in jener Zeit schon an eine neue Symphonie gedacht hat. In etwas veränderter Gestalt, doch rhythmisch entsprechend geformt tritt das Thema 1817 wieder auf29:


1. Abteilung

Hier sollte es Grundlage zu einer fünfstimmigen Fuge für Streichinstrumente werden, die auch ein Vorspiel erhalten sollte; nach Nottebohms Annahme war sie für die von Tob. Haslinger veranstaltete geschriebene Sammlung der Werke Beethovens bestimmt; an ihre Stelle trat dann die Fuge Op. 137. Beethoven hat die Arbeit in dieser Gestalt nicht zu Ende geführt; doch findet sich das Motiv in beiden Fassungen in den [18] späteren Skizzen zur Symphonie wieder. In einem Skizzenhefte, welches (nach anderen in demselben vorhandenen Entwürfen)30 etwa vom September 1817 bis Mai 1818 benutzt wurde, finden sich nun neben Entwürfen zu den drei ersten Sätzen der Sonate Op. 106 und der Fuge Op. 137 ausgedehnte Skizzen zum ersten Satze der neunten Symphonie, wie solche auch auf zerstreuten Blättern aus dem Jahre 1817 begegnen. Hier erscheint das Hauptthema festgestellt, während die Nebenmotive noch fehlen; dem dritten Satze sollte das bereits angedeutete Fugenthema zu Grunde liegen, welches in verschiedenen Gestaltungen auftritt; auch zwei ganz neue Themata (als »letztes« und »zweites Stück« bezeichnet). Das spätere Adagio und Finale sind noch mit keiner Note angedeutet; der letzte Satz (»letztes« Notteb. S. 160, auch ein Fugenthema) sollte auch ein Instrumentalsatz werden; an eine Verwebung mit Schillers Ode wird noch nicht gedacht.31 Die Sextolen am Anfang des ersten Satzes sind Ergebnisse besonderer Erwägung; Beethoven hatte daneben auch an Triolen gedacht.

Sehr bemerkenswert ist eine längere Aufzeichnung Beethovens auf einem Skizzenblatt von 1818;32 aus dieser geht hervor, daß er noch eine zweite Symphonie im Sinne hatte, in welcher im letzten Satze oder auch daneben schon im Adagio Singstimmen hinzutreten sollten. Auch da findet sich noch kein Gedanke an Schillers Freudenlied; den Gedanken an zwei Symphonien hielt er noch längere Zeit fest, wie er ja 1822 zu Rochlitz von zwei Symphonien spricht (vgl. IV S. 287). Darauf kommen wir noch zurück.

Dann ruhte die Arbeit längere Zeit und mußte anderen weichen – den drei letzten Sonaten, der OuvertüreOp. 124 und vor allem der Messe. [19] Erst 1822 wurde sie wieder aufgenommen. In einem Skizzenheft aus diesem Jahre begegnen außer Skizzen zur »Weihe des Hauses«, zum Liede »Der Kuß« (beides 1822), auch solche zu allen Sätzen der neunten Symphonie mit Ausnahme des Adagios; der erste Satz ist weiter vorgerückt, zum »dritten Stück« findet sich ein nicht weiter benutztes Thema, welches dem Trio der zweiten Symphonie ähnlich sieht (vgl. S. 40 Anm. 2); dann wird, was besonders beachtenswert ist, als »Finale« das Freudenthema mit dem Texte notiert. Das war aber, wenn es überhaupt auf dieDmoll-Symphonie Bezug hatte (was man nach dem Zusammenhang annehmen muß) noch kein fester, unabänderlicher Entschluß. Nach einer anderen Aufzeichnung, die vielleicht mit dem Londoner Auftrage zusammenfällt oder demselben bald folgte, sollte die für London bestimmte Symphonie vier Instrumentalsätze enthalten, deren letztem das Fugenthema von 1817 zugrunde liegen sollte; eine folgende (Nottebohm S. 166) bringt wieder ein paar ganz andere Themen.

Wieder eine andere (Nottebohm S. 167) hat die eigentümliche Aufschrift und Fassung


»Sinfonie allemand entweder mit Variation nach der Chor


1. Abteilung

alsdann eintritt oder auch ohne Variation. Ende der Sinfonie mit türkischer Musik und Singchor«.


Die Bezeichnung Sinfonie allemand kann sich nur auf die projektierte zweite Symphonie beziehen, und wir sehen, wenn man auf diese flüchtigen Aufzeichnungen Vermutungen gründen kann, daß Beethoven noch schwankte, welche der Symphonien die Freudenode erhalten sollte, und daß die Melodie für dieselbe noch nicht feststand. Jedenfalls war, als er dies schrieb, in seinem Sinne die »Sinfonie allemand« nicht die für England bestimmte, und für diese »deutsche« Symphonie bestimmte er damals (wenn auch nur für kurze Zeit) das Freudenthema. Dagegen nimmt wieder eine letzte Aufzeichnung für dieDmoll-Symphonie fünf Sätze in Aussicht, den uns bekannten ersten, den zweiten mit dem Fugenthema, das Adagio (ohne Skizze), ein Presto 2/4 in D-Moll als vierten, und als fünften und letzten das uns bekannte Freudenthema.

[20] Mitten zwischen diesen Aufzeichnungen steht die Bemerkung: »auch statt einer neuen Sinfonie eine neue Overtüre auf Bach33 Da haben wir also durch Beethoven einen zweiten unmittelbaren Beweis (vgl. S. 19), daß er noch an eine zweite Symphonie dachte, daß aber der Entschluß noch nicht feststand. Nun schwebten im Jahre 1822 die Verhandlungen mit der philharmonischen Gesellschaft in London über die Komposition einer Symphonie; Beethoven hatte sich schon im April dazu bereit erklärt, im November wurde der Antrag förmlich an ihn gerichtet, und am 20. Dezember nahm er ihn »mit Vergnügen« an. Die Symphonie, welche er für England schrieb, war die inDmoll, an welcher er, wie wir wissen, gerade damals arbeitete34 und welche ihn während des ganzen Jahres 1823 beschäftigte;35 die Symphonie, welche er selbst als »Sinfonie allemand« bezeichnete, kann, wie Nottebohm zutreffend bemerkt, nicht für England bestimmt gewesen sein.36 Beethoven deutete schon durch die Bemerkung, daß er »statt einer neuen Sinfonie« eine Ouvertüre über Bach schreiben wolle, an, daß er diesen Gedanken preiszugeben bereit war, wie sich denn außer der einen bereits angeführten, keine weiteren Aufzeichnungen zu einer zweiten Symphonie finden. Die Londoner Anerbietungen und der ernstliche Beginn der Arbeit an der Dmoll-Symphonie werden dazu beigetragen haben, daß der Gedanke an die zweite Symphonie aufgegeben wurde. Damit wurde denn die Bearbeitung des Schillerschen [21] Freudenhymnus mit der uns bekannten Melodie für die D moll-Symphonie bestimmt. Aber auch dabei fanden noch Schwankungen statt. Neben einer Skizze zum Mittelsatze des Adagios finden sich von Beethovens Hand aus dem Jahre 1823 (als der erste Satz in seinen Hauptzügen festgelegt war), die Worte: »Vieleicht doch den Chor freude schön...« [noch ein unleserliches Wort], welche uns in dieses Schwanken hineinblicken lassen. Die Bemerkung zeigt, daß der Gedanke eine Zeit lang aufgegeben war. Dazu stimmt es, daß er nochmals dem Gedanken nahe trat, der Symphonie einen instrumentalen Schlußsatz zu geben. In einem Skizzenhefte, welches gleichzeitig Entwürfe zur Komposition der Schillerschen Ode enthält,37 findet sich folgendes:


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Das ist, wie jeder sieht, die Grundlage für das leidenschaftliche Thema des letzten Satzes desAmoll-Quartetts, welches aber einer erheblich späteren Zeit angehört und von welchem damals noch keine Rede sein konnte. Dasselbe erscheint in demselben Hefte noch einmal in etwas geänderter Gestalt, und weiter geändert auf einem in Wien befindlichen Skizzenblatt38 neben Arbeiten zum Schlußchor und zu den Bagatellen Op. 126, was also auf die Zeit gegen Ende 1823 hinweist.

Aus diesem Schwanken Beethovens, in das wir hineinblicken, dürfen wir schon jetzt eine Folgerung ziehen. Schon der lange Zeitraum, in welchem zum Teil unter ganz anderen Verhältnissen die Grundlagen zu [22] den ersten Sätzen sich entwickelten, dann aber der Umstand, daß das Chor-Finale erst allmählich als letzter Satz für die Symphonie bestimmt wurde, zeigt deutlich, daß die ersten Sätze nicht von Anfang an einen notwendigen inneren Bezug zu dem jetzigen letzten Satze hatten, und daß eine schon von vornherein bestimmte Beziehung derselben zu Schillers Gedicht nicht vorhanden ist, sondern erst, nachdem sie im wesentlichen fertig waren, durch des Meisters Willen auf künstlerischem Wege festgestellt wurde.39 Bei so manchen früheren Werken, der Eroica, der C moll-Symphonie, manchen Werken für Klavier und Kammermusik empfinden wir ja den inneren Zusammenhang der Sätze und den Fortschritt in denselben. Den Grundgedanken: aus dem Dunkel und aus der Leidenschaft zum Licht und zur Klarheit kann man so manchem Beethovenschen Werke vorsetzen. Auch die Chorphantasie Op. 80, welche in äußerer Beziehung zur Vergleichung einlädt, läßt sich unter diesen Gesichtspunkt stellen; hier ist organischer Fortschritt. In andern Fällen hat Beethoven keinen Anstand genommen, bereits vorhandene Sätze wieder wegzunehmen oder durch andere zu ersetzen. Beispiele werden jedem einfallen; man denke an die Sonate Op. 30, 1, an die Waldstein-Sonate, an das B-Dur-Quartett. Wir müssen womöglich beachten, wann und unter welchen Umständen ein Werk entstanden ist. Bei der neunten Symphonie sprechen die begleitenden Umstände ziemlich klar. Von den ersten Sätzen zu dem Schlußchor führt keine vorher planmäßig entworfene Brücke; die mußte erst nachträglich gebaut werden.

Die Arbeit an der D moll-Symphonie wurde nun mit größtem Eifer gefördert: schon 1822 begonnen, nahm sie den größten Teil des Jahres 1823 in Anspruch, welches, wie Nottebohm sagt, als das eigentliche Geburtsjahr der neunten Symphonie bezeichnet werden kann. Das allmähliche Wachsen und Werden des großen Werkes veranschaulichen namentlich die in Berlin befindlichen Skizzen, welche dort in dem »Notierungsbuch O« vereinigt sind. Dieses Notierungsbuch verdient wohl eine ausführlichere Mitteilung in der Weise, für welche Nottebohm an verschiedenen Stellen das Muster gegeben hat;40 wir müssen uns darauf [23] beschränken, kurz zu bezeichnen, was es uns lehrt. Einen großen Raum nehmen die Entwürfe zum ersten Satz ein, dessen Elemente nach allen Seiten aufgezeichnet und bearbeitet werden, welcher allmählich bleibende Gestalt gewinnt, und dessen Beendigung nun der letzten Ausarbeitung vorbehalten bleibt. Dazwischen taucht das Thema des Mittelsatzes des Adagio auf, anfangs in A-Dur41 und mit einem eigenen Seitensatze (Nottebohm S. 174 ff. teilt es mit), was die Annahme nahe legt, daß dasselbe anfangs einen besonderen Satz bilden sollte. Unter den Skizzen zu den späteren Stellen des Adagios taucht einmal das Thema des Mittelsatzes auf, als käme ihm erst da der Gedanke, ihn mit dem Adagio zu verbinden. Das Adagio selbst gewinnt sehr langsam Gestalt. Als der erste Satz in den Skizzen fast fertig war, stand das Thema des Adagios noch nicht fest; dasselbe wird dann verschiedentlich in anderer Fassung versucht, auch seine Variationen und der Schlußteil. Nach Nottebohms Ansicht war das Adagio etwa im Oktober 1823 im Entwurf fertig, der zweite Satz etwa im August. An diesen wurde aber auch schon gedacht, als der erste Satz noch in Arbeit war, wie ja Beethoven gern an mehrerem gleichzeitig arbeitete. Es wird das uns bekannte Fugenthema in den beiden Fassungen von 1815 und 1817 herangezogen, und so gestaltet sich allmählich das Thema in seiner Entwicklung, auch mit dem dreitaktigen Rhythmus. Verhältnismäßig spät wird das Trio gefunden; für dieses scheinen auch andere Versuche gemacht zu werden (einmal heißt es: »trio auch in F«), und es kommen in Verbindung mit den Skizzen zum zweiten Satze Motive vor, die sich auf ein beabsichtigtes Trio beziehen lassen, wenn sie auch nicht, wie das jetzige, den 2/4 Takt haben. An dieses, welches nun festgestellt wurde, reichen sie nicht heran (vgl. S. 40 Anm. 2).

Der Gedanke an einen Instrumentalsatz als Finale war aufgegeben, und nun wird auch der Chorsatz in seinen verschiedenen Teilen versucht. Die Melodie zu der Ode an die Freude, welche schon bald nach der Wiederaufnahme der Arbeit hervorgetreten war, gewinnt nicht gleich, [24] sondern erst allmählich ihre bleibende Form; insbesondere wird die melodische Wendung für »was die Mode strenggeteilt« nicht im ersten Anlaufe gefunden. Im übrigen kommen die Hauptmotive des Schlußsatzes schon fast alle vor, das »Seid umschlungen«, auch in der Verbindung mit dem Freudenthema, »ihr stürzt nieder« usw., in dem Orchestersatz nach dem Tenorsolo. Manche der Versuche wurden später fallen gelassen; doch nähert sich der Satz schon in der Skizze seinem Abschlusse. Längere Erwägung verursacht dann die Anknüpfung des chorischen Schlußsatzes an das Frühere.42 Wiederholt begegnet der Versuch, dem letzten Satz ein instrumentales Vorspiel voranzuschicken. Einen dieser Versuche setze ich aus den Skizzen hierher.43


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Dieser Entwurf steht den Skizzen zum ersten Satz benachbart und kann noch aus dem Jahre 1822 stammen; seine Bestimmung, dem letzten Satze vorherzugehen, geht aus der Beischrift »vor der Freude« hervor. Andere folgen später, auch die Freudenmelodie, mit ihren Steigerungen für Orchester gesetzt, findet sich schon, aber unter den früheren Skizzen noch keine, die auf eine gleichzeitig vokale und instrumentale Überleitung hindeuten. Erst in der zweiten Hälfte 1823 (Nottebohm S. 188) begegnet eine Skizze, welche in einem rezitativartigen Vorspiel einen Anklang an den ersten Satz bringt, worauf dann die Freudenmelodie von den Blasinstrumenten [25] gespielt werden sollte. Damit war aber die Anknüpfung durch Töne und Worte noch nicht gefunden; dazu kam es erst, als er von Baden nach Wien zurückgekehrt war. Wir dürfen hier Schindler folgen, der ja Augenzeuge der Ereignisse war, wenn er auch nicht alles einzelne wissen konnte. Beethoven brachte, was von der Symphonie in den Skizzen fertig war, mit nach Wien, und begann nun mit Eifer die Ausarbeitung in Partitur. An den vierten Satz gekommen, begannen für ihn besondere Schwierigkeiten. Nicht nur war er, wie er sich selbst äußerte, über die Auswahl der Schillerschen Strophen noch mit sich im Unklaren; die Art der Anknüpfung von Schillers Worten verursachte ihm, wie Schindler (II S. 55) sich ausdrückt, »einen selten bemerkten Kampf«. »Eines Tages ins Zimmer tretend«, fährt Schindler fort, »rief er mir entgegen ›Ich hab's, ich hab's!‹« Damit hielt er mir das Skizzenheft vor, wo notiert stand »Laßt uns das Lied des unsterblichen Schiller singen,« worauf eine Solo-Stimme unmittelbar den Hymnus »an die Freude« begann. [Schindler fügt das Faksimile des Skizzenblattes bei.] Allein diese Idee mußte später einer unstreitig zweckentsprechenderen weichen, nämlich: »O Freunde, nicht dieser Töne! sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.«

Die Erzählung Schindlers wird durch das in Berlin befindliche Skizzenbuch (nicht O) bestätigt44, in welchem auf S. 51 deutlich zu lesen ist: »laßt uns das Lied des unsterbl. Schiller Singen


Freude Freude Freude schöner GötterfunkenModerato«,


über den Worten »Freude« usw. kleine Noten, welche den Anfang des Gesanges enthalten; auf der folgenden Seite: »Bass Nicht diese Töne fröhlichere Freude! Freude!«; etwas Undeutliches ging vorher, außerdem wird nach Nottebohm (S. 191) das heftige Vorspiel angedeutet und es folgt die Melodie.

Beethoven hat sich, wie die Skizzen im Notierungsbuch O zeigen, ausführlich und angestrengt mit der Überleitung zum letzten Satze beschäftigt. Eine bestimmte Angabe, welche dieser Skizzen die ersten sind, wird nicht möglich sein; da die Skizzen in O sich an die der Symphonie selbst anschließen und ihnen weitere folgen, so möchte ich annehmen, daß[26] diese längeren Skizzen die ersten waren, die Aufforderung »laßt uns« jedoch nur eine kurze Episode bildete, von der er bald wieder zurückkam.

Diese Skizzen, die uns recht in den inneren Kampf hineinblicken lassen, von dem Schindler spricht, stehen in dem Notierungsbuche O von S. 71 an. Ich gebe sie hier, so gut ich sie im Skizzenbuche lesen kann; Beethoven schreibt hier meist sehr undeutlich, man ist mehrfach auf Vermutungen angewiesen bezüglich dessen, was er gewollt hat.45 Auch hat er manches, so gleich die erste Seite, mit Blei durchstrichen.

Er bringt zuerst im Baß den heftigen Anfang des letzten Satzes


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und schreibt darüber mit Bleistift


»Nein dieses würde unß erinnern

an unsern verzweifl

voll Zu.«

[Zustand?]


und gleich darauf, wieder mit Bleistift »etwas zärtl.«, zunächst ohne Beziehung; die dabei stehenden Noten sind nicht zu deuten. Dann wird zweimal das Thema des Adagios geschrieben und nach diesem das Freudenthema; es sieht so aus, als habe er, als er dieses schrieb, nach dem verzweifelten Aufschrei zuerst das milde Adagio.Thema und dann das Freudenthema bringen wollen. Zwischen den Anführungen aus dem Adagio, zu einer kurzen nicht völlig klaren Rezitativstelle, wieder mit Bleistift


»dieses ist zu sehn.« [schw.? sehr?]


Dann wird es etwas deutlicher. Wieder folgt das heftige Eingangsmotiv, diesmal in hoher Lage; daran schließen sich die Worte, wie folgt:


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46


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[27] 47, 48, 49


usw., das Folgende zum Teil undeutlich, es folgt dann


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[28] 50


Er notiert dann das Thema des Adagios und fährt in folgender Weise fort:


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51


Dann gibt er noch einmal das Thema des Adagios an und läßt dann folgen:52


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53


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[29] 54, 55


Diese letzte, für ihn entscheidende Stelle hat er kurz nachher nochmals skizziert (S. 75 f. des Skizzenbuchs.) Hier wird der Eingang des letzten Satzes notiert, dann die Anführungen aus den früheren Sätzen; die Baßrezitative, wie wir sie kennen, doch ohne beigefügte Worte, gewinnen Gestalt; die ganze Arbeit erscheint weiter gefördert. Nachdem dann das Freudenmotiv, wie in der Partitur, in der Dominantenharmonie erklungen, nimmt er das Wort


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56


Jeder sieht, daß hier der Gang des »und freudenvollere« schon vorliegt. Es ist also eine der letzten Skizzen des Vorspiels. Es folgt dann die Bearbeitung des Freudenmotivs für Orchester mit den Variationen.

[30] Beethoven wollte also die Vorbereitung des Chores, wie wir sehen, anfangs ganz vokal halten und kam erst nachträglich, da ihm seine eignen Worte nicht paßten, auf den Gedanken eines Rezitativs der Bässe. Der Kampf, den ihm diese Überlegung kostete, und von welchem Schindler spricht, findet seinen Ausdruck in dem Plaue zu der kurzen Aufforderung »Laßt uns das Lied des unsterblichen Schiller singen«, welche dann den schönen von ihm selbst gewählten Worten, zu denen das Motiv in der Hauptsache schon vorhanden war: »O Freunde, nicht diese Töne«, weichen mußte. Jetzt erst, ganz vor dem Abschlusse, entwickelte sich die wunderbare Einleitung, wie wir sie kennen.

Die Symphonie war nach Schindler etwa im Februar 1824 in der Handschrift fertig. Nottebohm entwirft (II. Beeth. S. 192) eine kurze Übersicht über die Zeit, welche die neunte Symphonie in Beethovens Schaffen einnimmt. Das erste, ganz vereinzelte Vorkommen des Motivs zum zweiten Satze (1815 und 1817), vermutlich zu anderen Zwecken, muß hier außer Betracht bleiben.57 Von der Zeit an, da er mit dem ersten Satze begann (1817/18), bis zur Beendigung sind etwa 61/2 Jahre verflossen. Aber auch diese Zeit brachte größere Unterbrechungen durch andere Werke. Die ernstliche und anhaltende Arbeit an der Symphonie folgte erst nach der Vollendung der Messe, sie begann 1822, füllte den größten Teil des Jahres 1823 und endigte Anfang 1824. Er hat also etwa ein Jahr und etwas darüber an der Symphonie gearbeitet. In den Konversationen sagt einmal Schindler um die Zeit des ersten Konzertes (1824): »Der Bruder will wissen, Sie hätten ein ganzes Jahr gearbeitet an der Symphonie, – Quod nego. – Dezember haben Sie angefangen. Nicht wahr?« – Da möchte man gern Beethovens Antwort kennen. Schindler kann nur die eigentliche zusammenhängende Niederschrift nach den Skizzen im Auge gehabt haben. –

[31] Es wird an der Zeit sein, den einzelnen Sätzen etwas näher zu treten.58

Ganz anders wie in den andern Symphonien beginnt er. Während er in mehreren (3. 5. 6. 8.) unverzüglich das Hauptmotiv bringt und an die Sache selbst geht, in anderen (1. 2. 4. 7.) längere Einleitungssätze in langsamerem Tempo gibt, läßt er hier, indem er gleich mit dem Haupttempo beginnt, das Hauptthema gleichsam aus dem Unbestimmten sich entwickeln. Das graue Leben, welches ihn gestaltlos und chaotisch umfängt, empfinden wir mit ihm in den Quinten-Sextolen der Saiteninstrumente und den gehaltenen Tönen der Blasinstrumente; in dem Fehlen der Terz kommt namentlich das Ungewisse zum Ausdruck. In dieses leise unbestimmte Wirren setzt er den Fuß tastend auf, mit dem Anfang des späteren Themas, doch wieder ohne Terz und ohne feste Tonart langsam abwärts schreitend. Diese tastenden, zaghaften Versuche, während die Bläser sich verstärken, wiederholt und beschleunigt er in mächtiger Steigerung, bis sich daraus das Hauptthema in D-Moll entwickelt, unisono von allen Instrumenten gespielt, mit dem Charakter einer finsteren, festen Entschlossenheit.59 Erst sein Abschluß bringt die vollen Akkorde in D-Moll die in einem emphatischen Es-Dur-Akkord gipfeln und sich dann zum Halbschluß [32] auf den A-Dur-Akkord wenden; zu gewaltigen Akkorden und mächtigen Trompetenstößen auf A tritt ein kräftiger Aufschwung der Geigen, der dann auf Deinen vorläufigen Abschluß findet. Daraus entwickelt sich die unbestimmt suchende Anfangsperiode nochmals, diesmal auf D als Grundton, wieder ohne Terz; sie führt in beschleunigten Figuren nach B-Dur, in welchem das Hauptthema zum zweiten Male erscheint. Mit einem Motiv desselben in mächtigen Unisonos schließt die Periode auf der Dominante; hier treten nachdrückliche Achtelschritte mit einer Gegenbewegung auf, an welcher zuerst in der zweiten Geige eine unruhig bewegte Sechzehntelfigur teilnimmt, die dann auch in die übrigen Instrumente übergeht, indem sie die Schritte des Achtelmotivs andeutet und gleichsam in dunkler verzweifelter Unruhe arbeitet; ein unmutiges Wehren gegen unerfreuliche Gedanken, ein heftiges Arbeiten zunächst ohne Ziel. Die Bewegung schließt etwas beruhigt auf der Dominante von B, und es erklingen jetzt freundlichere Töne. In drei zweitaktigen Perioden bringen die Blasinstrumente wechselnd ein Motiv von zuversichtlich hoffendem Ausdruck; dann tritt B-Dur ein (Beethoven wechselt hier die Vorzeichnung), und ein kurzes Motiv, welches aber in der Folge der Instrumente einen größeren Zusammenhang darstellt, richtet sich zagend auf und scheint unsicher auszublicken; im gewöhnlichen Sinne kann es als zweites Thema gelten. Die leise abgestoßene Sechzehntelbegleitung der Saiteninstrumente läßt uns noch die innere Willenskraft empfinden; das Motiv gestaltet sich beim Schlusse etwas weicher; die unruhig treibenden Sechzehntel mit ihren Gegenbewegungen führen zu einem sieghaften Abschlusse in B, der sich aber bald wieder in träumendes Sinnen (H-Dur) verliert; es entwickeln sich daraus dunkle, unheimliche, leise in die Höhe steigende Gänge, nach welchen ein neues Motiv sich vernehmen läßt, welches in dem Wechsel der kleinen und großen Sexte (ges und g) doch nur der Unsicherheit des Hoffens Ausdruck gibt. Das marschartige Endmotiv klingt in der Pauke nach, der Wechsel wird beschleunigt; mit aller kräftigen Anstrengung rafft [33] er sich auf und entreißt sich dem Druck; seinem Befehle folgen die Geister; zu beachten ist das zagend abwärts steigende Motiv der Bläser, weiter getrieben durch den wiederholten Befehl des gebietenden Willens. In siegreichem Aufschwunge endigt dieser reiche erste Teil. Beethoven läßt ihn nicht wiederholen, geht aber, um den Anfang des zweiten einzuleiten, nachdem er in echt Beethovenscher Weise die Instrumente von B nach A hat sinken lassen, in die unsichere Bewegung des Eingangs zurück, moduliert jetzt aber anders. Die Ode will uns wieder umfangen, da erklingt, indem die A-Quinte nach D geht, im Baß die Dur-Terz (fis) und umfängt uns wie ein freundliches Versprechen (als sollte die Schlußtonart schon angedeutet werden); aber es war nur der Dominantakkord zu G-Moll, in welchem nun in wachsender Bewegung und Steigerung das punktierte Motiv in den Blasinstrumenten erscheint und das ganze Orchester mit der Schlußwendung des ersten Teiles, diesmal nicht siegbewußt, sondern heftig und unwillig, in G-Moll schließt. Da bringen die Bläser leise ein neues Motiv, dessen Hauptelement aber schon da war (Part. S. 25); hoffnungslos und ermattet erklingt es und schließt auch so in verlangsamter Bewegung, dann tritt in G-Moll das Anfangsmotiv, ausdrucksvoll und schmerzbewegt, in längerem melodischen Zusammenhange auf, verstärkt sich aber rasch und geht mit dem gleichen heftigen Schlusse nach C-Moll über. Auch hier wieder, wie vorher, der ermattende Schluß mit den langsamen Takten;60 alles Hoffen scheint vergebens, es beginnt nun die Arbeit, der Kampf (Durcharbeitung des 2. Teiles.) – Die Schlußtakte des Hauptthemas


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in Verbindung mit einer schon dagewesenen Sechzehntelfigur werden die Grundlage einer Bearbeitung im mehrfachen Kontrapunkt; wir hören sie zuerst in den Bässen, dann in den Geigen und hohen Blasinstrumenten; das Thema steigt in seinen Anfangsnoten und nimmt weitere Dimensionen an, während in den Bässen die Sechzehntelbewegung ruhelos fortarbeitet; wir gewinnen das Bild eines heftigen Kampfes. Die Harmonie wendet sich nach A-Moll, in dieser Tonart tritt, gleichsam ausruhend, ein zartes Motiv (aus dem Hauptthema hervorwachsend) imitierend auf, zu welchem die Violoncelli das Achtelmotiv des Themas weiterführen;61 daran schließt [34] sich der eigentümliche Gang der Sechzehntel in den hohen Blasinstrumenten, der wie Geisterklang an uns vorüberzieht, aber uns doch in Spannung erhält (Part. S. 35). Das zweite Thema mit seinen verlangenden Ausblicken wagt sich leise hervor, in A-Moll und in F-dur (Bläser und Bässe), in der Tiefe hören wir wieder die Achtel mit weiten Sprüngen


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dann sammelt sich plötzlich alles, um in unisono-Sechzehnteln zum Eingang in D-Moll zurückzukehren; aber wie anders hier62 – nicht mehr unsicher und tastend, sondern kräftig wollend und mit Entschiedenheit auftretend. Im Baß die Terz (fis), also der volle Akkord, dazu die wirbelnde Pauke, die Figur belebt (alles in höchster Kraft); nach kurzem Durchgang durch B tritt mit ganzer Wucht, zur Begleitung des ganzen Orchesters das Hauptthema in D-Moll auf mit einer Gegenbewegung in den Bässen, von den Blasinstrumenten wiederholt, zu der schwirrenden 32 tel Bewegung, alles dem Anfang analog, aber alles kräftiger, entschiedener trotz der Erweiterungen.63 Hier ist der Höhepunkt des Kampfes; in der imitierend wiederholten Schlußwendung (Part. S. 43) meint man schrille Weherufe zu hören; musikalisch-technisch ist die höchste Kunst entfaltet.64 Mit aller Gewalt wehrt er sich gegen die Mächte der Verzweiflung; man meint, hier könne kein Widerstand mehr bestehen. – Nach kurzem Nachlassen der Anstrengung empfängt uns äußerst wohltuend jenes zweite Thema mit seiner Vorbereitung, diesmal in D-dur (früher in B), doch dauert die Hoffnung nicht lange, der Blick verdunkelt sich wieder; das siegreiche Schlußmotiv weist uns nicht so hoffnungsvoll weiter wie das erstemal; die selbstvergessene Träumerei (früher H-Dur), diesmal in Es eingeführt, macht gleich wieder den dunkeln Sechzehntelgängen Platz; es folgt das zarte zwischen Moll und Dur wechselnde Motiv


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und


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mit seinen Fortsetzungen und Steigerungen und dem markigen Abschluß, diesmal in D-Moll, dann folgt die Coda, schöner und größer als er sonst eine geschrieben hat. [35] Das Hauptthema, im Anfang so gewaltsam abwärts schreitend, ertönt leise mit zarten melodischen Abschlüssen, von mehreren Instrumenten unterstützt und mit ihnen wechselnd, dazu die Sextolen in den tieferen Geigen und die gebrochene Gegenbewegung (pizz. auf den schlechten Taktteilen); außer der letzteren, welche nach der Höhe weist, ist hier alles anders, der Mut gebrochen, der Wille gelähmt, sich in Klagen auflösend. Dabei kann er aber nicht lange verharren, die Erregung wird wieder stärker, die Kraft steigert sich, wir kommen wieder zu dem Einsatz auf der Quinte mit den (2 und 2 jedesmal) gebundenen Sechzehntelgängen; ein ratloses Umherschauen des Verlassenen, der nicht mehr weiß, wo Fuß zu fassen. Die sich wiederholende Wendung führt zu der sieghaften Schlußfigur (S. 60 der Part.), die in gewaltsamen melodischen Schritten sehr finster anmutet, dann wieder zur Quinte und zu einer Periode von ganz eigenartiger Schönheit. Das gesamte Streichorchester bleibt wie aufhorchend und erwartend auf A liegen; das Horn bringt in D-Dur das nachdrückliche Achtelmotiv vom Schlusse des Hauptthemas65, welches vorher unterdrückt war, die Bläser begleiten kontrapunktisch mit dem kurzen Sechzehntelmotiv, die Streichinstrumente nehmen unisono in D-Moll die Achtelbewegung auf, Mut und Wille wachsen wieder, mit großer Entschiedenheit steigt diese Bewegung in die Höhe, mit kühnen, mehrfach unerwarteten Schritten (so der Schritt von fis auf gis, das erwartete G-Moll wird vermieden); wir fühlen den unbeugsamen Willen, der nur momentan dem Verhängnisse sich widerwillig beugt; die Quinte (A) wird wieder erreicht, und mit den schon bekannten beiden ritardierenden Abschlüssen gelangen wir wieder nach D-Moll. Aber so kann das verwirrte, wilde Gemüt nicht schließen; zuerst in den Bässen, dann in den höheren Streichinstrumenten erhebt sich grollend ein chromatisches, zwischen d und a abwärts und wieder aufwärts steigendes Motiv


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in den höheren Instrumenten in 32-stel Bewegung der einzelnen Noten; dazu hören wir in den Bläsern eine fest auftretende, von Schmerz erfüllte Schlußwendung


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[36] Sie erreicht ihren Höhepunkt, als die Streichinstrumente wieder in weiten Schritten an die Achtel des Hauptthemas erinnern, und die Bläser in kühnen (schon bekannten) Schritten zum Abschluß drängen. Das ganze Orchester stimmt noch einmal in größter Kraft das Hauptthema an, um mit der entschlossenen Achtelfigur zu schließen. Das ist nach aller Verzweiflung und allen Schmerzen der Ausdruck des festen Willens, sich nicht von den dämonischen Gewalten bezwingen zu lassen; ich will kämpfen und erringen, mit diesem Entschlusse werden wir entlassen. Nie ist, nach Mendelssohns Äußerung, in einem Schlusse größerer Schwung entfaltet worden, als im ersten Satze der neunten Symphonie.

Die Großartigkeit dieses Satzes und alle Momente, welche ihn von früheren unterscheiden, sprechen für sich selbst. Es ist ein dunkles Bild, es ist, wie richtig gesagt worden ist, der Abdruck des eigenen Lebens. War doch alles auf sein Gemüt eingestürmt. Krankheit, mißliche äußere Umstände, das Leid mit dem Neffen; das alles verdüsterte sein Gemüt, regte aber auch sein ganzes Inneres auf, sich dagegen zu wehren. Beethoven selbst meinte durch die Andeutung des Motivs an seinen verzweiflungsvollen Zustand erinnert zu werden (S. 27); es ist aber nicht nur Druck und Verzweiflung, was hier zur Erscheinung kommt, sondern dazu der unabhängige Wille, die trotzige Entschlossenheit, und wir hören auch Töne herben und weichen Schmerzes und der Hoffnung.66 Dieser in gutem Sinne subjektive Charakter beeinträchtigt nicht die ernste und meisterhafte künstlerische Behandlung. Es ist bewunderungswürdig, wie dieser Satz mit verhältnismäßig einfachen Mitteln organisch aufgebaut, wie meisterhaft die Elemente des Themas in der bekannten Beethovenschen Weise thematisch verarbeitet werden, wie er mehrfach in kurz abgemessenem Raume eine Fülle von tief empfundenem Inhalt zusammendrängt, wie logisch und innerlich motiviert auch die verschiedenartigsten Bilder miteinander verknüpft sind. Der Satz, ein großartiges Seelengemälde, ist auch musikalisch-technisch ein Meisterwerk.67

Der zweite Satz ist, wie öfter in Beethovens späteren Werken, das Scherzo; Beethoven gebraucht diesen Ausdruck nicht, sondern schreibt einfach Molto vivace. Wir erwähnten schon, daß es das früheste von den Motiven der 9. Symphonie ist. Aus dem Anfangstakte des Themas, dem punktierten Oktavenmotiv, welches später den Satz beherrscht, wird[37] eine kurze Vorbereitung gebildet, welche natürlich nicht zufällig an das Hauptmotiv des ersten Satzes erinnert; bemerkenswert ist der Einsatz der Pauke mit der Terz, gleichsam eine Vorherverkündung der scherzhaften Rolle, welche dieses Instrument im Verlaufe noch spielen soll; schon hier führt sie zu einer überraschenden Verschiebung des Rhythmus. Das Thema68 wird dann in seiner großen Einfachheit in 4-taktigen Perioden nach Fugenart fünfmal wiederholt, und dann in Anhängen, die sich aus der Viertelbewegung entwickeln und, immer ganz leise, vom ganzen Orchester gebracht werden – ein ruheloses, die Spannung erregendes Treiben »ein Wunder von Wiederholung ohne Monotonie.« Es sind fast durchweg stufenweise folgende, aufwärts und abwärts steigende Noten, welche die Motive bilden. Dieselben führen in kräftiger Steigerung zum Hauptthema zurück, welches nur homophon behandelt in lebendiger Kraft sich ergeht und nach C-Dur moduliert und zu einer herrlichen Harmoniefolge führt, an der die Streicher mit dem punktierten Motiv des Eingangs teilnehmen. Daraus entwickelt sich ein wild fröhliches Thema in der Paralleltonart, von den Holzblasinstrumenten gespielt, von den Streichern mit dem Eingangsmotiv begleitet, alles in höchster Kraft – leider aber unter Benachteiligung eines deutlichen Hervortretens der Motive bei dem starken Sturm des Orchesters.69 Die Rhythmen werden [38] kürzer, noch einmal hält eine kleine getragene Episode, die aus dem zweiten Thema hervorwächst,70 die Entwicklung auf, dann kommt der erste Teil zum Abschlusse, indem das punktierte Motiv das Feld behauptet. Mit kurzer Rückung wird D-Moll wieder erreicht, und nach 3-taktiger Pause (man beachte die Beethovensche Pause) wird der erste Teil wiederholt, dann der zweite eingeleitet. Mit dem Anfangsmotiv wird in kurzen Perioden weiter moduliert und dann auf h als Dominante zu E-Moll Halt gemacht. Hier beginnt die geniale Stelle mit dem dreitaktigen Rhythmus (Ritmo di tre battute schreibt Beethoven vor), in welchem in 6 Perioden das Thema immer ansetzt und nicht zu Ende geführt wird, ein fortwährendes Suchen und nicht Finden, eine völlige Ruhelosigkeit. Da erhebt sich die Pauke mit dem Motiv auf F,71 zürnend sammelt sie die unruhigen Geister mit dem Befehlswort; viermal erklingt sie und die Instrumente folgen; beim 5 ten Mal hören wir sie erst im zweiten Takte, andere Instrumente übernehmen ihre Rolle, die Kraft ist vermindert, eine Beruhigung tritt ein und der 4-taktige Rhythmus kehrt wieder. Dieser ganze Abschnitt zeigt uns den wilden Humor auf seinem Höhepunkt; Genialeres ist selten geschrieben. Von großer Wirkung ist es dann, wenn das Streichorchester pianissimo den Septimenakkord von Es anhält und innerhalb desselben verschiedene Blasinstrumente mit dem Motiv nach oben steigen; dann geht es in starkem Aufschwung nach D-Moll zurück, das Hauptthema braust wieder daher, diesmal nicht mit der fugierten Behandlung anfangend, mit dem punktierten Motiv in den Bässen. [39] Die Entwicklung verläuft analog dem ersten Teil, doch mit bemerkenswerten modulatorischen Veränderungen – überraschend ist der Übergang von Bnach D-Dur, etwas ausgeführter wie der frühere nach C. In dem hellen D-Dur tritt dann, analog wie früher in C, das gewichtige zweite Thema auf, geht aber bald wieder in das dunkle Moll über, und darin endet der Teil entsprechend dem ersten. Auch hier knüpft sich ein kurzer Übergang in zweitaktigen Rhythmen an, auf der Dominante wird ein Halt gemacht, wir hören noch einmal leise das Hauptthema auch in kurzen Rhythmen, es verstärkt und steigert sich schnell und schließt in dem beschleunigten 4/4 Takt – das Gemüt will sich frei machen von den dunkeln phantastischen Bildern und strebt Freundlicherem zu. Ein mächtiger Posaunenstoß erklingt – er wird bei der Aufführung so manches Mal überhört72 – und es steht vor uns (im Trio) ein Bild von so anmutvoller behaglicher Freundlichkeit, daß es Worten kaum gelingen wird, dem Reize dieses Satzes nahe zu kommen.73 Das ist wie eine Erinnerung an fernes friedvolles Glück, an eine freundliche Landschaft, nach allem wilden Sturme eine Sehnsucht nach stillem Frieden. Das einfache Thema [40] erscheint zuerst nur in den Bläsern, in der unteren Stimme von einer Viertelfigur begleitet, welche später – doppelkontrapunktisch – oben erscheint; dann ringen sich tief aus dem Herzen die Töne der Streichinstrumente empor; in ganzer Wonne wiegen wir uns in den Klängen, wenn das Horn das Motiv des Themas bringt und die Begleitungsfigur wechselnd in den Geigen erklingt, wenn sich dann die Oboe in langer Kantilene selig ergeht und endlich der volle Chor der Instrumente zu den leuchtend ausgehaltenen Tönen das Thema mit seiner Begleitung bringt; die Viertelfigur mit ihren Abschlüssen in den tiefen Saiteninstrumenten zu den vollen Akkorden der übrigen, besonders der Blasinstrumente – auch die Posaunen nehmen jetzt teil – machen es recht fühlbar, wie das Herz immer höher und wärmer anschwillt und die schöne Erscheinung wenigstens in der Erinnerung festhalten möchte. Vergebens! Die wonnige Erhebung klingt aus, ein schmerzvoller Gang im letzten Takte bringt die Molltonart wieder und das phantastische Treiben des Scherzos empfängt uns von neuem in seiner früheren Entwicklung. Am Schluß noch einmal der Posaunenstoß, eine kurze Erinnerung an den Mittelsatz, die aber jäh abbricht; durch den energischen Schluß wird sie beseitigt. Es sind doch trotz des wilden Humors dunkle Bilder, die sich entrollt haben. Wenn Beethoven, als er den Freudenchor an die früheren Sätze anzuknüpfen suchte, das Scherzo zwar »etwas heiterer« fand als den ersten Satz, so war es ihm doch nicht die Musik zu der Freude, welche er suchte. –

[41] Aus der Unbefriedigung sammelt er sich zu stiller Einkehr; die zarten Regungen der Demut und Hoffnung, die in seinem Herzen wohnen, kommen zur Geltung, und es gelingt ihm, dieselben unter Verbannung allen Ungestüms zum reinen Tönen zu bringen. Es beginnt das Adagio molto sostenuto. In einer kurzen Vorbereitung von zwei Takten treten vier Blasinstrumente mit einer kurzen abwärts steigenden Figur auf und stellen die Dominantharmonie von B fest, die durch das Ges des Basses sehr ernst gefärbt ist. Die Kantilene, die dann folgt, ist gewiß eine der schönsten und ergreifendsten, die aus Beethovens Feder geflossen sind. Hier ist alles demütige Hingebung und Andacht; am Schlusse, wo der höchste Ton der Melodie (1. Abteilung) erreicht ist und die Bewegung sich steigert, inbrünstiges Flehen. Schön werden die letzten Takte jedesmal von den Blasinstrumenten wiederholt, was in ergreifender Weise beruhigend wirkt.74 Wenn die Klarinette den Schluß nochmals wiederholt und weiterführt, lassen die Streicher gebrochene Akkorde erklingen und es wird in der Beethoven später so eigenen Weise überraschend nach D moduliert. Da erhebt sich in sanft ansteigenden Motiven ein kleiner Satz von entzückender Schönheit (Andante moderato), der den vorigen gleichsam innerlich ergänzt; nicht in froh jubelnder Weise, sondern sanft schwellend und mit inniger Zuversicht steigt die Hoffnung empor.75 In gleicher [42] Kürze wirdB zurückgewonnen, und das erste Thema in bewegteren Figuren variiert, welche eine größere Zuversicht andeuten. Der Gegensatz erscheint dann statt in D-in G-Dur, das Thema schwebt, zum Teil in der Höhe, in den Blasinstrumenten, mit ausdrucksvollen Figuren begleiten es die Streicher. Nun wird nach Es moduliert; das Thema des Adagios beginnt wieder, wird aber in ganz neuer Weise weitergeführt; sanfte Blasinstrumente bringen es, unter denen das zweite Horn seine besondere bedeutsame Rolle spielt; die Streicher geben nur kurze pizzicato. – Figuren hinzu; der Quartenschritt des Anfangs wird wiederholt intoniert und führt zu entlegenen Tonarten; in zweitaktigen Perioden, in schwankendem Nebellichte verläuft dieser wunderbare Satz. Es ist wie ein träumendes Erinnern an das Ersehnte, selbstvergessen und weltverloren versenkt sich der Tondichter in das, was ihm als Wunsch vorschwebt, wir hören mit ihm das wunderbare Klingen. Vor diesem Zauber verstummt und lauscht alles, nur in dem kurzen pizzicato durch alle Tonlagen gibt sich das Aufmerken der Seele kund. Wunderbar ist der traumhafte Übergang nach Ces-Dur, am wunderbarsten und wie weltentrückt die Tonleiter des zweiten Horns. – Mit einem raschen Aufsteigen nach B raffen wir uns aus dem Traume wieder auf zu klarem Bewußtsein; die demütige Bitte, aber bewegter und zuversichtlicher, erhebt sich in der lebhaft figurierten zweiten Variation mit ihrer herrlichen Klangwirkung und den schönen melodischen Wendungen76 – pizzicato der Saiteninstrumente zur Melodie der ersten Geige, die in den bewegteren Gängen einen noch flehenderen Ausdruck annimmt, die weichen Töne der Bläser, welche lange den Schluß anhalten – auch hier ist das bewegliche vierte Horn zu beachten77, – bis sich nach dem leisen Verklingen des Abschlusses alles zu einer kurzen Fanfare emporschwingt, mit dem Ausdrucke freudigen Wollens. Das Motiv des [43] Adagiothemas wird nochmals angedeutet und erhebt sich zu andächtigem Flehen, die Violine ergeht sich in bewegten, an das tiefe Horn erinnernden Figuren, die Fanfare wird wiederholt; dann hören wir in Des eine tiefernste Mahnung, aus der sich mit immer neuen Wendungen, in berauschender Schönheit Bitte, Hoffen, Ergebung entwickeln und zum Ende führen. Die Ergebung ist nicht ohne den Nebenklang unruhigen Erwartens – die Sechzehnteltriolen mit dem ges in dem Motiv der Blasinstrumente – er rafft sich schnell auf, lenkt in die Figuren des Themas zurück und schließt mit festem Ausdrucke des Entschlusses, dem höheren Willen sich zu beugen. Nach den Skizzen (Notteb. II. Beeth. S. 179) sollte das Adagio anfangs einen einfacheren Schluß haben. Vielleicht wurde der ausgeführte Schluß mit dem Ausdrucke einer bangen Erwartung erst bei der letzten Ausarbeitung geschrieben, als der Entschluß feststand, den letzten Satz mit dem Chore, wie wir ihn kennen, an das Adagio anzuknüpfen; in der Tat schließt sich derselbe unmittelbar und logisch an.

Am Anfang des nun folgenden letzten Satzes erhebt sich ein wilder Sturm in dem gesamten Blasorchester; die B-Harmonie wird noch einmal intoniert, doch erscheint das B bald nur als Vorhalt zur Dominante von D-Moll; das gewaltige A der Pauken und Trompeten zwingt uns wieder in die alte Grundtonart des Werkes. An dem betäubenden wilden Aufschrei nimmt das ganze Blasorchester (mit Hinzunahme des Kontrafagotts) teil, er schließt im siebenten Takt. Nach der selig ergebenen Ruhe trifft ihn das wilde Leben wieder, und will ein Fest feiern! (S. 27 f.) Dagegen sträubt sich das ganze Gemüt, und dies findet Ausdruck in dem nun folgenden Rezitativ der Bässe. Beethoven hatte schon früher (z.B. im Fidelio) das begleitete Rezitativ zur Steigerung des Ausdrucks, als Vorbereitung zu einem gesuchten Ruhepunkte nach mannigfachem Wechsel der Empfindung angewendet. Ohne Worte hatte er es schon früher und hat es auch später noch in Instrumentalkompositionen verwandt, wie vor ihm Bach und Haydn; wir erinnern an die Sonaten Op. 31 Nr. 2 und Op. 110 und aus späterer Zeit an das A-Moll-Quartett. Am ausgedehntesten hat er es in unserer Symphonie getan; aber auch hier bedurfte er des Wortes nicht; dem für ihn völlig bestimmten Tonausdruck konnte das Wort keine größere Deutlichkeit verleihen.78 Nur will er die Willkürlichkeit des Vortrags hinsichtlich [44] des Tempos beseitigt wissen und schreibt daher vor: Selon le caractère d'un Recitatif, mais in Tempo. Als 1825 der Engländer Smart in Wien war, schrieb er seine Erlebnisse in ein Tagebuch, aus welchem Thayer folgendes notiert: »Smart war besonders begierig, Beethovens Absichten bei der Aufführung der Chorsymphonie zu verstehen, und sprach mit ihm über das Instrumentalrezitativ im letzten Satze; er fragt ihn wie er es ausgeführt haben wolle, da man es in London unmöglich gefunden habe, es im wirklichen Recitativstil zu machen.« Beethoven antwortete: »Das Recitativ im strengen Tempo.« Smart entgegnete, daß es so gespielt kein Rezitativ sei, auch habe es keine Worte zu rezitieren. Beethoven antwortete, »er habe es so genannt,« und schloß endlich die Unterhaltung mit den Worten: »ich wünsche, daß es im strengen Tempo gehe«; das war aus dem Munde des Komponisten natürlich entscheidend.79 In einem Konversationshefte von 1824, also vor den Aufführungen, schreibt Schindler: »Wieviel Contra-Bässe sollen die Recitative vortragen?« (Beethoven antwortet offenbar: alle.) – »Wird es möglich sein? Alle! – In strengem Takt macht es keine Schwierigkeit, aber sie singend vortragen wird große Mühe beim Einstudieren kosten. – Wenn der alte Kraus noch lebte, könnte man unbesorgt sein, denn der dirigierte zwölf Bässe die thun mußten was er wollte. – Also ganz so, als ständen Worte darunter? – Im Nothfall, werde ich ihnen Worte darunter setzen, damit sie singen lernen«80 – Es wäre sehr wertvoll, wenn wir hier Beethovens Antwort hätten.

In einem kräftigen Quintenschritte, nach welchem das Rezitativ in der Tonart abwärts steigt, wendet er sich gegen die Töne der »Verzweiflung«, welchen er entfliehen will. Das gelingt nicht im ersten Ansturm; nach dem Abschluß auf der Moll-Terz erhebt sich der Sturm aufs neue (verminderte Septimenharmonie auffis zu dem D der Pauken und [45] Trompeten), das Rezitativ fällt ein und schließt in B. Nun sucht er nach der geeigneten musikalischen Grundlage für das Fest der Freude, das er feiern will. Er hält Umschau unter den bereits fertigen Stücken. Zuerst deutet er in acht Takten das Motiv des ersten Satzes an, wünscht aber »etwas Gefälligeres«; das Rezitativ verwirft diese Andeutung in entschiedenen Tönen, geht nach A-Moll über und schließt fragend. Auch die Andeutung des zweiten Satzes wird zurückgewiesen, wenn er ihm auch »etwas heiterer« scheint. Da erklingen feierlich die ersten Takte des frommen Adagio; das macht ihn nachdenklich, das Rezitativ bewegt sich in gehaltenen Tönen, zu denen wir auch Blasinstrumente hören; aber auch dabei kann er nicht bleiben, schnell nimmt das Rezitativ die alte Bewegung wieder an und schließt mit Gis, der Dominante von Cis. Da naht sich die Lösung. Nach kurzem Übergange erklingt in der Dominantharmonie von D-dur »dolce« der Gang des Freudenthemas und umfängt uns mit einer unbeschreiblich milden Beruhigung, die uns allen Schmerz, alle Unruhe vergessen macht; und besonders schön ist es, wie dieses Thema nicht als etwas Neues und eben Beginnendes auftritt, sondern wie etwas in der Tiefe des Gemüts längst Vorhandenes. In lebhaft erfreuten Tönen erhebt sich das Rezitativ, dem sich die Blasinstrumente bestätigend anschließen, und ergeht sich in ausdrucksvollem Gange, der schon ganz mit dem Schluß des spätern Rezitativs »und Freudenvollere« übereinstimmt. Nun ist das Ersehnte gefunden,81 und sofort läßt er das Freudenthema, wie er es früher skizziert, beginnen, zuerst leise und in den Bässen, dann höher in Bratschen und Cello, mit einfacher Baßbegleitung und einer kontrapunktischen Figur des Fagotts, dann in den Violinen mit reicherer kontrapunktischer Begleitung; dabei entfernt er sich kaum aus der Tonart, alles atmet Ruhe und Befriedigung. Zuletzt erklingt das Thema, jubelnd und kräftig vom ganzen Bläserchor mit den gewichtigen kurzen Akkorden der Saiteninstrumente. Mit einem neuen Motiv82 wird eine kurze Koda angefügt, zu welcher eine schnelle Sechzehntelfigur der Geigen einen leuchtenden Glanz hinzubringt; in kraftvoller Weise, mit einem lebhaft anstürmenden Motiv sucht er den Abschluß zu erreichen – da wird er plötzlich nachdenklich, wir hören in drei Tönen eine langsame Achtelfigur, welche nach dem entlegenen Es-Moll moduliert; dann rafft [46] er sich gewaltsam auf und schließt kurz; aber war damit sein Zweck erreicht? wir glauben sein Nachdenken zu verstehen; wo bleibt sein Fest, wo Schiller und dessen Wort der Freude? Diese Frage verursacht ihm großen inneren Kampf. So braust der verzweifelte Sturm des Presto noch einmal durch das ganze Orchester hin (Part. S. 195), verminderte Septimen (cis–b) mit F in den Bässen und A in den Pauken, das Ziel scheint weit in die Ferne gerückt; da nimmt der Meister selbst das Wort und weist die verzweifelten Töne durch sein »O Freunde! nicht diese Töne« zurück; diesen Worten folgt kräftiges Signal der Instrumente und dann die Aufforderung, Freudenvolleres anzustimmen.83 So war die Anknüpfung des Wortes »Freude«, dessen Inhalt uns tonlich schon längst beschäftigt hatte, gefunden; wieder läßt Beethoven, wie vorher, den Gang der Melodie in der Dominantharmonie (Bläser) angeben. Dazu ruft der Solist »Freude« und der Chorbaß antwortet; so ist Schillers Lied eingeleitet; der Solobaß singt dann die erste Strophe zu zarter, zum Teil kontrapunktischer Begleitung, der Chor folgt nach und nach.

Beethoven wollte anfangs, wie die Skizzen zeigen, die Worte der Freude unmittelbar an die rezitativische Einleitung der Bässe anschließen, zu der er ja auch Worte niedergeschrieben hatte (Nottebohm S. 191). In der Tat bedurfte es nach der vorherigen Entwicklung nicht noch einmal der heftigen orchestralen Einleitung; nachdem aber nach längerer Erwägung die neue Art der Überleitung gefunden war, mußte eine Grundlage für das Rezitativ des Bassisten gewonnen werden, um es verständlich zu machen. Es stand ja fest, daß Schillers Freudenode ein von Beethoven gedachtes Fest verherrlichen sollte, nur wie sie anzuknüpfen sei machte ihm Kopfzerbrechen. Daher wiederholt er das stürmende Presto, und so konnte das Rezitativ folgen, und die Brücke zu dem Vortrag des Gedichtes war geschlagen. In der Chorphantasie (Op. 80), welche Beethoven selbst in seinen Briefen mit unserer Symphonie vergleicht, wird die Melodie zuerst von den Instrumenten festgestellt und verarbeitet, eine kurze unruhige Einleitung zu derselben kehrt nochmals wieder, und dann beginnt der Gesang gleich mit den Worten des Gedichts. In der jetzigen Vorbereitung [47] des Chors in der neunten Symphonie haben wir zweifellos eine der jüngsten Stellen in der Konzeption des Werkes zu erblicken.

Über die Melodie Beethovens zur Freudenode ist so manches gesagt worden, daß wir uns hier kurz fassen dürfen. Sie ist von höchster, geradezu wunderbarer Einfachheit, dem Volkstone abgelauscht, und doch ganz die Aussprache des seines Zieles sich bewußten Künstlers; sie bewegt sich durch die auf einander folgenden Töne der diatonischen Tonleiter, und wenn wir von dem tieferen A absehen, im Raum einer Quinte. Diese Schlichtheit der Tonfolge teilt sie mit manchen andern Beethovenschen Melodien,84 so eben mit der Melodie in der Chorphantasie »Schmeichelnd hold«, der sie auch sonst verwandt ist, soweit man bei dem Unterschiede von Zeiten und Stimmungen von Verwandtschaft sprechen kann. Ein Unterschied liegt namentlich darin, daß dort eine bereits vorhandene Melodie einem neu gedichteten Texte untergelegt wurde. Hier kann man nicht zweifeln, daß die Melodie für die Schillersche Ode erfunden ist; hatte er doch noch andere Versuche gemacht, die Worte Schillers mit Musik zu versehen, nicht nur bei der OuvertüreOp. 115, sondern auch in den späteren Skizzen. Es ist nicht die laut jubelnde Freude, die man nach dem Vorhergegangenen vielleicht erwartet, es ist eine gehaltene, in sich gefestigte, froh beruhigte Stimmung, aus der alle Leidenschaft, aller Zweifel, alle Unruhe gewichen ist. Die Melodie wächst aus dem Rhythmus des Gedichtes gleichsam hervor und schließt sich dabei nach Möglichkeit auch den Worten sinnvoll an. Sie ist auf strophische Komposition angelegt und in den ersten Strophen auch so durchgeführt. In den ersten Zeilen geht die Melodie gut mit dem Sinn; was in den Worten hervorgehoben wird, bekommt auch in den Tönen seine bevorzugte Stelle; man sehe auf die Worte »Götterfunken«, »feuertrunken«, »Elysium«, auf den Quintenschritt nach a zu den Worten »strenggeteilt«, auf das »alle Menschen«. Der logische, organische Aufbau der Melodie läßt nicht überall vollständige Deckung zu, mitunter werden auch Worte durch Tonlage und guten Taktteil gehoben, welche dies durch den Sinn nicht verdienen. Solche Stellen wird der Sänger diskret zu behandeln haben, damit die herrschende Melodie ihre Wirkung behalte. Wo ihn ein Wort besonders tief ergreift, da gibt er ihm auch seine volle Bedeutung.

Man wird noch fragen dürfen, nach welchen Grundsätzen Beethoven [48] bei Auswahl der Strophen von Schillers Gedicht verfahren ist. Als er in jungen Jahren zum ersten Male den Gedanken faßte, das Gedicht Schillers zu komponieren, wollte er nach dem Zeugnis Fischen ichs alle Strophen komponieren (S. I. 2. Aufl. S. 282). Dann war er 1812 darauf zurückgekommen, als er das Lied in eine Ouvertüre85 verweben wollte. Da findet sich in dem Petterschen Skizzenbuche von seiner Hand die Bemerkung »Freude schöner Götterfunke Tochter Overtüre ausarbeiten«, weiter: »abgerissene Sätze wie Fürsten sind Bettler u.s.w. nicht das ganze«, und nochmals »abgerissene Sätze aus Schillers Freude zu einem ganzen gebracht«. Diese Worte beruhen, wie es scheint, auf einer unsicheren Erinnerung an die erste Lesart bei Schiller »Bettler werden Fürstenbrüder« statt des späteren »alle Menschen werden Brüder«.86 Also schon damals wollte er nur einzelne Strophen in Musik setzen und blieb auch dabei, als er das Gedicht für die Symphonie bearbeitete. Nach Schindler (II S. 55) war er anfangs schwankend, welche Strophen er wählen sollte. Bei Schiller folgt den achtzeiligen Strophen jedesmal eine vierzeilige Chorstrophe. Beethoven hat die drei ersten Strophen, in denen das menschliche Freudegefühl steigend zum Ausdruck kommt, zu strophischer Komposition gewählt, hier bleibt trotz der Verzierung der Melodie und reicher Begleitung eine gewisse Einheitlichkeit der Stimmung. Die folgenden Strophen mit ihrem mehr gedankenmäßigen und spekulativen Inhalt, in denen ihn auch der Wortausdruck nicht überall musikalisch anregen mochte, hat er außer Betracht gelassen. Dann hat er von den Chorstrophen die erste und dritte (»Seid umschlungen« – »Ihr stürzt nieder«) selbständig behandelt, die zweite (»Was den großen Ring bewohnet«) weggelassen, aber die vierte (»Froh wie seine Sonnen fliegen«) wieder zu einem besonderen längeren Satze verwendet. Diese Worte schließen sich an die Strophe an, welche das Walten der Freude im Weltganzen besingt, der Freude, welche die Sonnen aus dem Firmament lockt und die Sphären im Weltenraum dahin rollt. So fordert er die Freunde [49] auf, den Sonnen gleich ihre Bahn fröhlich zum Siege zu durchmessen. Das ist ein abgeschlossenes Bild für sich, welches Beethoven wohl zu kühner Behandlung anregen konnte. Alles was noch folgt ist unberücksichtigt geblieben; so war ihm z.B. für einen Trinkchor (»Freude sprudelt in Pokalen«) die Sache zu heilig, und auch für den »Männerstolz vor Königsthronen« hatte er keine Töne. Er kehrt zu dem Hauptinhalt der Anfangsstrophe zurück; den Höhepunkt bilden die Worte der Kadenz: »alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt«, nach welchem nochmals das »Seid umschlungen« in vollem Glanze austönt. Demut vor Gott und Liebe zu den Menschen, das waren die Gesinnungen, die in seinem innersten Herzen lebten und die er auch hier zum Ausdruck bringen wollte; sie auch leiteten ihn bei der Auswahl.87

Wir gehen in der Beschreibung weiter. Nachdem der Bassist die erste Strophe zu Ende gesungen, wiederholen die Chorstimmen in tieferer Lage (ohne Diskant) die letzten vier Zeilen, worauf die kurze Orchester-Koda folgt. Dann singen die Solostimmen, nicht mehr unisono, die zweite Strophe, in den Stimmen durch Hervortreten einer Achtelbewegung zart belebt; die Achtelmotive in der Begleitung sind zu beachten; der Chor wiederholt wieder die letzten Zeilen. Die Worte »und wer's nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund« bekommen hier die höchsten Töne; Beethoven hat durch Betonung des »nie« und das diminuendo über den folgenden Worten seine Intention klar ausgedrückt. Die dritte Strophe (»Freude trinken alle Wesen«) bringt das Thema in belebter variierter Fassung, die Viertelbewegung ist in Achtel zerlegt, in der Begleitung tritt dem belebteren Charakter entsprechend eine Trillerfigur auf. Die Solostimmen bringen die Strophe, zuerst die beiden unteren, dann der Alt, dann der Diskant (»Küsse gab sie uns«) in hoher Lage (bis h), dann wieder der Chor. Die Stelle ist als weiter die Melodie belebend überaus sinnvoll gedacht; allerdings tritt hier die Hervorhebung minder betonungsbedürstiger Worte (z.B. »einen Freund«) stärker hervor. Es ist die Stelle, deren Abänderung die Sängerinnen nach Schindler (II S. 76) vergebens von dem Meister erflehten. Wir können ihnen nicht ganz unrecht geben. Die Worte mit diesen Achtelfiguren singen sich namentlich in der Höhe schlecht, und die Stelle tut, auch wenn sie ganz [50] korrekt zum Vorschein kommt, nicht die Wirkung, die sich Beethoven gedacht haben mag, der ja leider nicht mehr imstande war, sie genau zu hören; es sind Instrumentalfiguren, die gesungen nicht die gleiche Verständlichkeit erreichen und die gleiche Wirkung haben wie auf dem Instrument; das konnte Beethoven nicht mehr genau prüfen, sonst würde er erkannt haben, daß in hoher Tonlage diese Art der Variierung für die schlichte und einfache Melodie sich weniger gut eignet. Der Schwierigkeit Herr zu werden mögen sich die Sänger bei der Aufführung bemühen; den Genuß des Werkes soll uns dies nicht beeinträchtigen. Zu der wieder folgenden Koda singt der Chor die letzten Worte »und der Cherub steht vor Gott« in halben Noten mit voller Kraft, welche durch den Glanz der Instrumentation noch gehoben wird, und schließt überraschend und wuchtig mit dem F-Dur-Akkord, der einen weiten Ausblick auf weitere erhebende Betrachtungen eröffnet.

Diesem ergreifenden Höhepunkt der Stimmung, der für den Augenblick nicht zu überbieten scheint, setzt Beethoven ein wirksames Gegenbild entgegen, welches das Interesse erhält; mit bewunderungswürdigem künstlerischem Takte wählt er dazu die vierte Chorstrophe, in welcher die Helden zum Siegeslaufe angefeuert werden. In B-Dur (6/8), in raschem Marschtempo, hören wir kriegerische Musik – zum Orchester treten Trommel, Becken, Triangel, Pikkelslöte hinzu88 – anfangs wie aus der Ferne herankommend, dann mit einer lebhaften Melodie in den Blasinstrumenten – es ist Variation des Hauptthemas in veränderter Taktart – welche hier ganz kriegerischen Charakter erhält; die Streichinstrumente antworten nur mit der Wiederholung der beiden Schlußtakte des Themas, dann singt eine Tenorstimme in markigen, hellen Tönen die Aufforderung; zu dem fertigen als völlig klar und abgegrenzt dastehenden Thema erfindet der Meister für den Gesang ein ganz neues mit bestimmt ausgeprägtem Charakter; an Energie des Ausdrucks dürfte weniges diesem Satze gleichkommen. Der Chor (Männerstimmen) vereinigt sich mit dem Rufenden; hell und froh schließt der Gesang. Damit ist es aber dem Meister nicht genug; wir sollen den fröhlichen Siegeslauf auch selbst vor dem geistigen Auge sehen. Aus dem Rhythmus des Themas wächst ein kurzes, treibendes viertaktiges Motiv, dem sich ein Achtelthema zugesellt, welches sich in seiner Tonfolge eben falls aus dem Thema entwickelt; [51] diese beiden werden dann eine zeitlang doppelt-kontrapunktisch, oder wenn man will, doppelfugenmäßig (wiewohl das Ganze natürlich keine Doppelfuge ist) fortgeführt, mit wirksamen Abschlüssen und Ausweichungen, zuerst in viertaktigen, dann in kürzeren Rhythmen, wo (Part. S. 22) die zweite Hälfte des Motivs allmählich in höhere Lage versetzt wird, um das Ringen und Aufwärtsstreben zu veranschaulichen, bis schließlich die Achtelbewegung das Feld behauptet und in mannigfach imitierender Weise, wobei auch Engführungen auftreten, verarbeitet wird.89 Dabei tritt dann die Figur, welche in dem ganzen Satze immer den Anstoß zu weiterem Forteilen gibt: 1. Abteilung immer wieder als treibendes Element, und Beethoven schwebt das Bild eines ruhelosen Wettlaufes vor, bei welchem der eine dem andern zuvorzukommen sucht,90 und er bietet uns dabei ein Meisterstück polyphoner Behandlung und lebendigen Ausdrucks. Das wird mit einfachen Elementen ohne große Künstlichkeit erreicht, und die bei aller Lebhaftigkeit und Begeisterung frei gestaltende Kunst des großen Meisters feiert ihren Triumph. Man dürfte fragen, ob an dieser Stelle des Werkes, nachdem wir nach vieler Unruhe zum Frieden, zum inneren Siege durchgedrungen zu sein glauben, dieser stark bewegte Orchestersatz mit seiner Erinnerung an Kämpfe mitten in der Freudenfeier noch an seinem Platze ist. Nehmen wir hin, was uns der Meister, der gerade bei diesem Werke noch manchen inneren Kampf durchzumachen hatte, hier aus dem tiefen Schatze seiner Kunst bietet. Ohne Einfluß auf den Fortgang bleibt er nicht; der folgende Chorsatz steht unter dem Einfluß dieser stärkeren Belebung, wie man an dem Festhalten der schwirrenden Achtelbegleitung erkennt.

Ganz wunderbar ist der Übergang zu diesem Chorsatz. Nachdem längst nach H-Moll moduliert ist und die Violine aufsteigend die Dominante Fis erreicht hat, bleiben die Instrumente zuerst in großer Fülle, dann das Horn allein, gleichsam träumend (dimin.) auf dem Fis liegen. Bei völlig beruhigter Stimmung lassen jetzt die Blasinstrumente zuerst in H-Dur, dann in H-Moll, zuletzt in D-Dur die ersten Takte des Freudenthemas vernehmen, eine Stelle von unbeschreiblicher Wirkung;91 und [52] dann singt der ganze Chor, mit der schon erwähnten rauschenden Begleitung das Freudenlied, hier so recht als Jubel über einen errungenen Sieg. Was soll er für sich noch weiter ersehnen? Sein persönliches irdisches Wünschen ist erfüllt. Aber gerade hier tritt der ganze Mann und Künstler aus seinem tiefsten Innern heraus vor uns, Demut und Menschenliebe sprechen sich in einer Kraft und Fülle aus, wie wohl niemals vorher und nachher. Zuerst singen die Männerstimmen, von Bässen und Posaunen begleitet, in langen, wuchtigen Tönen (3/2) das »Seid umschlungen Millionen!« (die erste Chorstrophe bei Schiller), dann der Chor mit vollerer bewegterer Begleitung. Hier ist es ihm natürlich um nachdrückliches, sinngemäßes Hervortreten der Worte zu tun;92 der Nonensprung auf »Millionen«, die starke Hervorhebung des »der ganzen Welt« muß sich tief einprägen, noch tiefer das folgende »Brüder über'm Sternenzelt«, wo ein besonders feierlicher Ton angeschlagen wird. Hier steht Beethoven wirklich der ganzen Menschheit gegenüber und verkündet in ergreifendster Weise Menschenliebe und Ahnung des Höchsten. Mit richtigem Blick schließt er die dritte Chorstrophe (»Ihr stürzt nieder«) der ersten gleich an und läßt die demütige, ahnungsvolle Versenkung der stolzen Verkündigung gleich folgen. Das Orchester sinkt abwärts (G-Moll) in dunkler Färbung (Bratschen, Celli, Klarinetten, tiefe Flöten), und so auch der Chor; man fühlt, wie sich alles beugt und ahnend wieder hebt bis zu dem »über Sternen muß er wohnen«, welches nach energischem Emporsteigen in fast unvermittelten Übergängen durch die Tonarten G-Moll, [53] B, C, D nach Es gelangt und hier in größter Begeisterung, in hoher Lage, jene Worte ausruft.93 Und diese hohe, heilige Begeisterung, die doch nicht zum Schauen vordringen kann, muß sich in frommer, wenn auch banger Ahnung auflösen. Die Violinen treten hinzu, eine zitternde (»flimmernde«) Bewegung tritt im Orchester auf – Triolen der Holzbläser, Sechzehntel der Geiger, alles mit Ausnahme der leisen Posaunen und der leisen Paukenwirbel in hoher Lage – die Singstimmen, Männer- und Frauenstimmen durch weite Distanz getrennt, wiederholen zögernd, wie weltentrückt, das »über Sternen«; der ahnungsvolle Schauer wird durch die kleine None der zweiten Geige und Oboe noch erhöht. Hier hat sich Beethoven zu größter Höhe der Gottesbegeisterung emporgeschwungen, alles klingt wie eine höhere Offenbarung, und dabei übt er überall die wunderwürdigste Kunst der rhythmischen und tonlichen Gestaltung. Mag man im allgemeinen Gegner zuvielen Vergleichens sein, dessen man sich gerade bei Beethoven in der Regel enthalten sollte – wenn man uns die Frage vorlegen sollte, wo Beethovens Genius und seine Kunst im Verein wohl die höchsten Triumphe feiert, wir müßten neben dem Benedictus der großen Messe mit seiner Vorbereitung diese Stelle der neunten Symphonie nennen. Auch soll man zur Ergänzung des über die Messe Gesagten nicht übersehen, das bei aller Mannigfaltigkeit seine Inspirationen religiöse Empfindungen das sind, was ihn in höchste Begeisterung versetzt.

Darüber hinaus ist ein Überbieten kaum noch möglich; Beethoven versucht es auch nicht, sondern gibt uns ein kurzes Meisterstück seiner polyphonen Kunst, indem er in den beiden Hauptmotiven »Freude schöner Götterfunken« und »Seid umschlungen« mit einander verbindet und in der Weise der Doppelfuge mit rauschender Begleitung verarbeitet (Allegro energico, 6/4). Wenn auch bei dieser Verbindung zweier Texte nicht jedes Wort deutlich zum Verständnis kommen kann, so wird doch das »Seid umschlungen« mit seinem Motiv nachdrücklich eingeprägt. Von glänzender Wirkung ist das langgehaltene A des Soprans, zu welchem die andern Stimmen die übrigen Motive weiter verarbeiten, wirksam [54] auch das kurz, wie schreckhaft in den einzelnen Worten abgebrochene »Ihr stürzt nieder«, nach welchem die Stimmen sich vereinigen und mit dem »Brüder über'm Sternenzelt« überzeugt und friedlich (in G-Dur) schließen.94 Nachdem der Akkord lange ausgehalten, setzen die Streichinstrumente in raschem Tempo imitierend mit der Andeutung des Freudenmotivs überleitend wieder ein; dann bringen die Solostimmen wechselnd ein kurzes neues Motiv zu »Freude, Tochter aus Elysium«. Dieser Satz versetzt uns aus der höheren Sphäre wieder zur Erde zurück, er atmet wirklich menschliche Freude, neue Daseinslust. Mit den Worten »Deine Zauber binden wieder« kommt etwas längerer rhythmischer Bau, der Chor kommt unisono hinzu, die Solostimme jubelt in der Höhe, noch einmal tritt die »streng teilende Mode« nachdrücklich auf, wird aber vom Chor energisch zurückgewiesen, der das »Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt« ihr gegenüberstellt und in langsamem Tempo froh und ausdrucksvoll zu Ende führt. Hier hat Beethovens menschliches Fühlen sein Ziel gefunden; die angeführten Worte mit ihrer beruhigten Weise sind das, was er als Schluß seines Wünschens in eindringlicher Weise predigt. Und wie herrlich weiß er den Ausdruck noch zu steigern! Nachdem der Chorsatz kurz wiederholt ist, setzen die Solostimmen zu der wunderbaren Kadenz ein; die Tonart moduliert zu dem leuchtenden H-Dur, und die Stimmen erläutern in einander folgenden Triolengängen die Worte »sanfter Flügel« in unbeschreiblich schöner Weise; die so oft schon behandelten Worte erscheinen wie von einem Strahlenglanze umflossen.95 Wirklich ein idealer Abschluß dieser hohen Verkündigung! In gleich wunderbarer Weise wird dann beim Verklingen dieser begeisterten Stelle, in welcher der Sopran bis zum hohen h steigt, nach D-Dur leise und unvermerkt zurückgeleitet. Dann folgt in allmählicher Beschleunigung der rauschende Schlußsatz, in welchem mit dem zeitlich verkürzten Motive [55] in Singstimmen und Orchester96 das »Seid umschlungen«, »Brüder über'm Sternenzelt«, »Diesen Kuß der ganzen Welt«, nochmals kräftig eingeprägt wird, letzteres besonders durch die kühnen, schnell wechselnden Modulationen in den unaufhaltsam folgenden halben Noten gehoben. Dann gesellt sich das Motiv und der Gesang der Freude in gleicher Begeisterung nochmals dazu; es tritt noch einmal eine Verlangsamung des Tempos ein, und in einem gewichtigen Maestoso schließt der Gesang mit »Tochter aus Elysium«, »Freude schöner Götterfunken«! Das Orchester setzt in kurzem Nachspiele den frohen Jubel fort und klingt gewaltig aus.

Es ist neuerdings gesagt worden, Beethoven habe für diesen Satz die Rondoform gewählt, und dabei ist auch versucht worden, die Abschnitte desselben dieser Form anzupassen.97 Ob dies in Beethovens Absicht gelegen hat, ist uns zweifelhaft. Wir wenden nichts gegen das Bestreben ein, gegen das ehemalige Gerede von einem Sprengen der Form bei Beethoven Front zu machen; da er einmal einen Vokalsatz an den Schluß setzen wollte, so war es natürlich, daß dessen Inhalt die Form bestimmt; die Abschnitte des von ihm festgestellten Textes boten auch die formellen Abschnitte der musikalischen Bearbeitung. Das Tenorsolo (»Froh wie seine Sonnen fliegen«) und vollends das »Seid umschlungen«, ganz selbständige Stücke, nur zu Seitensätzen des großen Rondos zu machen, widerstrebt uns. Der Satz hat seine Form in sich, und seine Einheit ist durch die wiederholt wiederkehrende Freudenmelodie gewahrt. Von diesen Versuchen darf sicherlich abgesehen werden.

Bezüglich des Inhalts des Satzes und der Stellung der Symphonie überhaupt sei noch ein Wort des großen Beethovenkenners, des unvergeßlichen Otto Jahn angeführt. In dem Vorwort des Textbuchs zum niederrheinischen Musikfeste schrieb er 185698 über die Symphonie: »Dieses wunderbare Werk ist in einer Weise wie sie selten in den Gebieten der Kunst erscheint, der eigentümlichste Ausdruck der Individualität des Künstlers, und weit entfernt, einen Maßstab für andere Kunstschöpfungen [56] abzugeben, steht diese Symphonie allein für sich da und trägt ihre Norm nur in sich. Sie ist das Resultat eines langen, leidensvollen, in unablässigem Ringen nach dem Edelsten und Höchsten hingebrachten Lebens; ganz verstehen wird sie nur, wer dieses Leben genau kennt und innerlich mit durchlebt hat. Denn wie sich unsere Bewunderung vor dem Künstler, der sein tiefes Leid so zu verklären vermochte, daß er im eigenen wie im fremden Herzen eine sittliche Reinigung vollzog, mit der Rührung vermischt, welche uns der leidende Mensch einflößt, so wird auch das wahre Verständnis dieses Kunstwerks nur mit eigenen schweren Schmerzen erkauft.« Jahn erinnert dann an die Sehnsucht nach Freude, welche in Beethovens Heiligenstädter Testament über 20 Jahre vorher so ergreifend zum Ausdruck gekommen war, und die sein Leben erfüllt; dabei streift er auch die Stellung der drei ersten Sätze zur Darstellung dieser Sehnsucht.99 »Übermächtig«, fährt er fort, »ringt sich die Sehnsucht nach Freude hervor, und wie das Zauberwort erklingt, da braust und wogt der entfesselte Strom dahin, endlos, unaufhaltsam. – Und hat er sie gefunden, die Freude? Ach nein! Das erfüllt uns mit so tiefer Wehmut, daß in allem Jubel und Jauchzen, in der erhabensten Verzückung, im ausgelassensten Taumel die wahre Freude doch nicht erklingt. Dem naht sie nicht mehr, der sie suchen muß.« Aber doch empfindet der Hörer tief im Herzen »den Schmerz einer mit schweren Leiden kämpfenden und ringenden großen Seele«. Wir wollen hier auf das historisch Festgestellte nicht noch einmal zurückgreifen; durch die Einleitung zum Schlußsatze hat uns Beethoven gleichsam berechtigt, eine Beziehung der früheren Sätze zu dem letzten aufzusuchen, welche nach der anfänglichen Konzeption nicht bestand. Wir halten uns gegenwärtig, soweit wir das jetzt wissen können, was Beethoven wollte: er wollte nicht so sehr seiner subjektiven Freude oder der Sehnsucht nach ihr Ausdruck geben, er wollte etwas Festlich es schreiben, eine Freudenfeier veranstalten helfen, und dazu sollte ihm Schillers von jeher so hoch verehrte Poesie die Grundlage bieten. Was ihn in diesem Gedichte an die [57] Freude innerlich erfaßte, dem wollte er Töne leihen, und so hat er nicht sowohl subjektiv der Freude sich hingeben wollen, sondern er hat Höheres gesucht: den Einklang mit Gott, mit der Welt, mit sich selbst und seinen Mitbrüdern sucht er in seinem Innern und findet sie in seinen Tönen.

Es würde für den vorliegenden Zweck viel zu weit führen, wenn wir hier die vielen Deutungen und Erläuterungen des großen Werkes, welche seit seinen ersten Darstellungen versucht worden sind, besprechen wollten.100 Wir hatten hier nur Historisches mitzuteilen und das Werk selbst zu betrachten. Nur auf einen Hauptirrtum, der am entschiedensten von Marx vertreten wird, glauben wir noch mit einigen Worten eingehen zu müssen.

In seiner Biographie101 sucht er nicht nur die Einheit des Werkes, den Ideengang in demselben (trotz der Zusammenhanglosigkeit der ersten Sätze unter einander), sondern vor allem und als Folge davon die Notwendigkeit des vokalen Schlusses innerlich zu begründen. Der erste Satz, trotz aller Gewalt des Ausdrucks und des Reichtums und der Klarheit der Gestaltung, schließt unbefriedigt, es fehlt die Menschenstimme, die traute Sprache vom Menschen zum Menschen. Beethoven, vielleicht von der Ahnung baldigen Lebensendes erfüllt, gedrückt in seiner Vereinsamung, sehnt sich nach dieser trauten Gemeinschaft. Auch das Gaukelspiel des zweiten Satzes befriedigt nicht »das letzte Verlangen der Seele, das Verlangen des Menschen nach Menschen.« Auch das wehmuterfüllte Adagio erfüllt dieses Verlangen nicht, es ist gleichsam eine Scheidewort. Erst im letzten Satze, nachdem die Traumgestalten des vergangenen Lebens vorübergeflogen, kommt die Erfüllung, »Menschen, nur Menschen in brüderlichem Verein«, welche dann in der schlichten, anspruchslosen Volksweise das »Freude schöner Götterfunken« bringt. Der Grundgedanke des Werkes ist ihm ein dreifacher, ein biographischer: Das Lebenswerk Beethovens in all seiner Herrlichkeit und Würde, und daneben das ungestillte Verlangen des Einsamen nach Menschengemeinschaft, ein künstlerischer, die Abwägung der beiden Hälften des Tonreichs, und ihre Vereinigung mit gleichem Recht für jede, »so weit sie es hat und haben kann«, und ein humaner, das Menschliche im Gegensatze zu der Welt außer ihm, und seine Versöhnung mit dem Außermenschlichen. – [58] So mußte die neunte Symphonie die letzte sein, was Symphonisches hätte folgen können, wäre Rückschritt gewesen.

Das alles ist biographisch, und wie wir meinen auch künstlerisch ganz unhaltbar. Marx deutet in die ersten Sätze Empfindungen von der Sehnsucht nach der Verbindung mit Menschen hinein, die gar nicht daraus zu gewinnen sind. Das Gefühl der Sehnsucht und des Verlangens, sowie auch das Gefühl der Freude über ein Glück, welches in der Befriedigung eines Verlangens und Wunsches liegt, kann die Musik auch ohne Worte recht wohl ausdrücken, wofür Beispiele genug sich finden lassen. Aber Sehnsucht nach einem bestimmten Gegenstande greift in das Gebiet der Vorstellung und des Begriffs hinüber, und diese auszudrücken hat die Musik in sich selbst kein Mittel; die kann ein hinzugefügter Text hinzubringen, davon ist ja aber hier keine Rede, Beethoven hat für die ersten Sätze keine Texte und hat derselben auch nicht bedurft. Aber auch ohne sie, sind es denn etwa nicht menschliche Empfindungen, welche jene ersten Sätze uns bringen? was soll uns die Musik denn anders bringen? die ersten Sätze führen uns alle in schön und gesetzmäßig abgeschlossener Form deutliche und bestimmte Seelenzustände vors Gemüt, die keiner Erläuterung und Erklärung durch Worte bedürfen. Das will auch wohl Marx nicht sagen, er folgert nur aus der Stimmung innerer Unbefriedigung, in welcher diese Sätze schließen, und aus der Zufügung des Schlußsatzes, daß für Beethoven diese Nötigung bestanden habe, was wir aber nicht zugeben können. Wir fühlen mit dem großen Meister die Leidenschaften, die Schmerzen, die trüben und verzweifelten (keineswegs unklaren), dann wieder sehnsüchtigen und hoffenden Stimmungen, von denen uns die ersten Sätze in der an sich für das Gefühl klaren und bestimmten Tonsprache erzählen; diesen Stimmungen die tröstenden, erhebenden, siegreichen folgen zu lassen, dazu konnten ihm auch die Instrumente vollständig helfen, wie man wohl keinem Beethovenkenner noch besonders zu beweisen braucht. Wer sich der C-Moll-Symphonie erinnert, wird nicht darüber im Zweifel sein, daß ihm die musikalischen Mittel zu Gebote standen, um aus Kampf und Not zum Siege zu führen. Er konnte, wenn er wollte, die dunkeln Stimmungen der ersten Sätze auf rein musikalischem Wege zum Lichte führen; er konnte die Freude, auch wenn ihm das Wort Freude fehlte, rein musikalisch deutlich machen. Aber Schillers Ode gab ihm dieses Wort, und so setzte er die Komposition derselben an die Stelle des daneben ebenfalls geplanten Instrumentalsatzes; es kann ja kein Zweifel darüber bestehen, daß durch das Hinzutreten der [59] menschlichen Stimme der Eindruck außerordentlich gesteigert wird. Nur soll man daraus nicht voreilig musikästhetische Folgerungen ziehen. Insbesondere liegt in dem Hinzutreten der Stimme nicht die von Marx angenommene Sehnsucht nach Menschengemeinschaft.

Marx übertreibt überhaupt das Gefühl der Verlassenheit bei Beethoven. Beethoven dachte sich, als er die Symphonie schrieb, sein Lebensende nicht so nahe; es schwebten ihm noch Pläne vor – auch Vokalsachen, wenn sie auch nicht ausgeführt wurden – die beabsichtigte englische Reise war noch nicht endgültig aufgegeben. Es fehlte ihm auch nicht an Menschenverkehr, wenn er ihn nur haben wollte; mitunter floh er die Menschen absichtlich, wenn er ungestört schaffen wollte; aber ein heiterer Verkehr mit befreundeten Menschen wurde von ihm trotz der schmerzlich empfundenen Taubheit nicht gemieden, wie wir aus so manchen Erzählungen aus jener Zeit wissen.

Durch Marx' Erörterung zieht sich der Gedanke eines Gegensatzes von Instrumental- und Vokalmusik, der auch von andern seither öfter wiederholte Gedanke, daß die Instrumentalmusik allein, ohne Worte, nicht imstande sei, alles was den Menschen und speziell den Tondichter bewege, verständlich und eindrucksvoll zum Ausdruck zu bringen; sie bedürfe zu ihrer Ergänzung, zur Krönung ihrer Absicht des »erlösenden« Wortes und des Hinzutretens der menschlichen Stimme. Wir haben hier nicht die Aufgabe und nicht die Absicht, den Gegensatz zwischen diesen beiden Gattungen ausführlich zu erörtern, glauben aber aussprechen zu dürfen, daß Beethoven hier diesen Gegensatz nicht hat machen wollen. Hätte er solche Ansicht von dem Unvermögen der reinen Instrumentalmusik zum vollen Ausdruck der Seelenzustände gehabt – er hätte ja den größten Teil seiner bisherigen schaffenden Tätigkeit verleugnen müssen und würde nach Marx noch manchen Rückschritt gemacht haben. Die Musik kann auch ohne das Wort unsere Empfindung in ihrer Ursprünglichkeit und Wahrheit, in ihrer Entwicklung, ihren seinen Nuancierungen, ihren Gegensätzen so eindrucksvoll wiedergeben, daß ihr darin keine andere Kunst gleichkommt; das Wort, der Gedanke, nimmt eine andere Tätigkeit unseres Geistes, die Denktätigkeit, in Anspruch, welche zunächst nicht in den Tönen ihren Ausdruck findet. Die Tonwelt steht mit dem menschlichen Seelenleben in der innersten Beziehung, sie ist das Element, in welches sich dasselbe am ungehindertsten versenkt, von welchem es am unmittelbarsten berührt wird. Der Ton wirkt, mehr als das dem Gedanken entspringende Wort, unmittelbar auf die Seele, weil er das verwandte Element trifft. [60] Das war sicherlich auch Beethovens Glaubensbekenntnis. Wenn er einmal sich aufschreibt, daß überraschende Modulationen auch im Hörer eine Veränderung hervorbringen müßten, wenn er es beklagt, daß die Zeit, als er die meisten Sonaten schrieb, poetischer gewesen sei, als die spätere102, daß man z.B. aus dem Largo der D-Dur-Sonate den darin geschilderten Seelenzustand eines Melancholischen mit allen den verschiedenen Nuancen von Licht und Schatten im Bilde der Melancholie herausgefühlt habe (wo er ja gleich musikalisch das heitere Gegenbild findet), der wird nicht glauben, daß er zum Ausdruck besonderer Gefühle, nach denen er sich sehnte, des Wortes innerlich bedurft habe, daß er nach den ersten Sätzen, welche doch auch rein menschliche Empfindungen so eindringlich darstellen, für das Ergebnis seiner Wünsche und Hoffnungen eine Unzulänglichkeit der Instrumentalmusik habe aussprechen wollen. Das will man dem Schöpfer der C-Moll-Symphonie zutrauen!

Daß daneben die singende, die Vokalmusik, ihre eigene Stellung und ihre besonderen Vorzüge hat, wird durch die vorherigen Bemerkungen nicht verkannt und in Frage gestellt. Daß das Tonmaterial der Menschenstimme schöner und voller ist wie das der Instrumente, gibt jeder ohne weiteres zu; nach der klanglichen Seite hat die Vokalmusik ein Wesentliches voraus. Aber nicht nur dieses äußerliche Moment gibt ihr diesen Vorzug. Daß der Ton eben vom Menschen hervorgebracht wird, daß er unter dem unmittelbaren Einflusse des Gefühls und Willens steht, gibt ihr jenen Eindruck der Unmittelbarkeit, verursacht eine Deutlichkeit des gewollten Ausdrucks und erhöht die überzeugende Kraft der darzustellenden Empfindung, wie es die Instrumente in dieser Weise nicht vermögen; Innigkeit, Freude, Trauer und alle menschlichen Empfindungen ergreifen uns schneller und wahrer, da wir empfinden, daß sie vom Menschen kommen. Dazu kommt dann, daß durch die Worte, an welche die Vokalmusik gebunden ist, gleich ein bestimmtes Gefühl, ein bestimmtes Gebiet des Gemütslebens angegeben ist, an dessen Nachempfinden wir gewiesen sind. Vollends wenn die Worte des Textes, sagen wir des Liedes, nach [61] Rhythmus und Wortausdruck der Musik gleichsam entgegenkommen und selbst ein bestimmtes Gefühl bezeichnen, daß daraus besonders eigenartige und schöne Wirkungen entspringen, weiß jeder, und man kann es an jedem Liede erleben. Aber gerade hier liegt die Beschränkung der Vokalmusik, in dem notgedrungenen Anschluß an Worte, da das Wort, welches einer andern Geistestätigkeit entspringt, sich mit dem Tone nie vollständig decken kann. Bei jedem längeren Texte, besonders bei dem mehrstrophigen Liede, wird man immer Stellen und Worte finden, die entweder zu gedankenmäßig sind oder aus anderen Gründen der gewählten Tonweise widerstreben, und wo daher die Musik sich anbequemen muß, oder umgekehrt, das Wort sich Umstellungen oder Wiederholungen gefallen lassen muß. So müssen also beide Einschränkungen erfahren. Wenn nun der ganze Gefühlsausdruck nicht in dem Worte oder der dasselbe wiedergebenden Tonweise zum Vorschein kommen kann, so tritt die in der Regel unentbehrliche Begleitung ein, in Vorspielen, harmonischem Schmuck, Ausführungen, Nachspielen, und so kommt auch hier die Instrumentalmusik mit ihrem weit größeren Reichtum an Mitteln in Form und Tongestaltung zu ihrem Rechte. Dies ist in noch viel höherem Grade bei den großen und mehrstimmigen Gesangswerken, Kantaten, Oratorien, Opern der Fall, bei denen die Instrumentalmusik in mannigfachster Weise auf dem ihr eigenen Gebiete wirken kann. Wenn man daher in der Verbindung der Vokal- und Instrumentalmusik den Höhepunkt in den musikalischen Kunstformen erblickt, so werden wir im Hinblick auf Werke wie Bachs Passionen, Mozarts Requiem und Zauberflöte, Beethovens große Messe dagegen nichts einwenden. Man muß sich vergegenwärtigen, daß es sich um zwei verschiedene Kunstgattungen handelt, welche jede in ihrer Weise und jede in vollkommener Weise unser Gemüt in Anspruch nehmen, wenn auch die Tonmittel und die Vorschriften nicht durchweg dieselben sind; ob einer derselben und welcher der Vorzug gebühre, ist eine ästhetische Frage, die wir hier nicht zu entscheiden haben.103 Aber eben darum muß die künstlerische Forderung erhoben werden, daß die beiden Gattungen nicht miteinander verwirrt und vermischt werden, daß nicht in demselben Kunstwerke beide nebeneinander gestellt und gleichsam gegeneinander abgewogen [62] werden. Das würde die innere Einheit des Kunstwerks zerstören.104 Das hat auch Beethoven nicht gewollt; er hat sicherlich nicht gewollt, daß die in sich abgeschlossenen ersten Sätze durch den letzten Satz in den Schatten gestellt würden, und was wir von der sehr langsamen und allmählichen Entstehung des Werkes und dem erst gegen den Schluß zur Reise gediehenen Entschluß, den Chor beizufügen, wissen, kann uns in dieser Annahme nur bestärken. Beethoven hat ja, wie wir sehen werden, auch nach der Vollendung noch gezweifelt, ob er den richtigen Weg eingeschlagen habe.

Die Annahme, daß Beethoven durch dieses Werk ein ganz neues Muster habe aufstellen wollen, an welches die Zukunft sich zu halten habe, also gleichsam eine künstlerische Belehrung habe geben wollen, wird auch biographisch als unhaltbar erwiesen. Schon 15 Jahre früher (1808) hatte er die Phantasie für Klavier, Orchester und Chor geschrieben, in welcher in viel kürzerem Umfange, aber in ähnlicher Weise der Chor mit den Worten der instrumentalen Vorbereitung angeschlossen wird und mit welcher Beethoven selbst in seinen Briefen den Schlußsatz der neunten Symphonie in Vergleich gesetzt hat. Hier ist Einheit vorhanden, die Instrumentalpartie ist wirklich deutlich fühlbare Vorbereitung des Schlußchors; nach den weit ausgreifenden unruhig suchenden Gängen des Soloinstruments und der Ausführung und Variierung des Themas durch Orchester und Klavier erscheint der Gesang in der Tat als das Ziel des [63] Suchens; der Eindruck der einfach schönen Melodie, die Wirkung der Musik mit den Worten ist die Krönung des kleinen Baues. »Wenn der Töne Zauber walten und des Wortes Weihe spricht, muß sich Herrliches gestalten.« Hier bleibt alles einheitlich, klar und wahr, und wir werden zu keiner Vergleichung der Kunstgattungen aufgefordert, wenn ihm auch das Hinzukommen des Wortes wichtig war, um die beabsichtigte Verherrlichung seiner geliebten Kunst deutlich zu machen; das beruht auf dem von uns bereits hervorgehobenen Vorzuge der gesungenen Musik, und eine Inkongruenz mit einer anderen Gattung tritt nicht ein. Es ist ein einfach gedachtes Werk, und gar nicht bestimmt, für andere symphonische Werke ein neues Muster zu geben oder ein neues Prinzip aufzustellen. Beethoven hat noch nach demselben die 7. und 8. Symphonie und noch manche Instrumentalstücke geschrieben; noch neben der 9. Symphonie plante er eine zweite, nur eine dieser beiden sollte Singstimmen haben (Notteb. S. 163), die andere nach dem anfänglichen Plane, soviel wir erkennen, nicht. Aber er hat noch nach der Beendigung der 9. Symphonie eine 10. skizziert, – soweit wir uns auf Schindler verlassen dürfen, ohne Chor.105 Und in dem letzten Jahre seines Lebens hat er Vokalwerke überhaupt nicht mehr komponiert, obwohl ihm annehmbare Texte mehrfach vorlagen, sondern ist ganz zu seinen Instrumenten zurückgekehrt, die ihm alles sagten, was sein Herz bewegte. Die letzten 5 Quartette – und es kommt ja hier nicht bloß auf Orchesterwerke an, sondern auf das Instrumentale überhaupt – erzählen uns nicht minder deutlich und eindrucksvoll von den inneren Kämpfen und Leidenschaften, die der Meister durchzuleben hatte, von seinen Leiden, aber auch von Hoffnungen und Freuden; hier besteht nirgendwo das Verlangen, den Instrumenten eine Singstimme beizufügen. Auch hier findet er jene Gewalt der Tonsprache, die wir immer an ihm bewundern. Niemals empfindet er das Bedürfnis, ein Prinzip zu betonen, welches man ihm seit der 9. Symphonie andichtet. Ihm ist der Unterschied der Wirkungen, welche von den beiden Kunstgattungen ausgehen, wohl bekannt; er wendet sie in seinem Schaffen naiv und unbefangen an; wollte er irgendwie die Tendenz verfolgen, ein Übergewicht der einen über die andere zu betonen, oder [64] gar eine Unzulänglichkeit der Instrumentalmusik anzudeuten, so würde er mit seinem eigenen Schaffen in Widerspruch geraten.

Sind die Marxschen Aufstellungen außer den inneren Gründen schon durch das, was wir historisch über die Entstehung des Werkes wissen, hinlänglich widerlegt, so werden sie es noch mehr durch die wohl beglaubigten Nachrichten, die wir über Beethovens spätere Stellung zur Sache erhalten.

Schon 1852 erzählte C. Czerny bei seiner Unterhaltung mit O. Jahn, Beethoven habe nachträglich, wie der Zusammenhang zeigt, daran gedacht, für die 9. Symphonie ein Finale ohne Chor zu schreiben.106 Das bestätigt L. Sonnleithnerin einer Zuschrift an den Herausgeber der Allgemeinen Musikalischen Zeitung (1864 S. 245) mit folgenden Worten: »Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin eines Umstandes zu erwähnen, welchen mein verstorbener Freund Carl Czerny (ein Lieblingsschüler Beethovens) mir wiederholt erzählt und als zuverlässig richtig bestätigt hat. Einige Zeit nach der ersten Aufführung der 9. Symphonie soll nämlich Beethoven in einem kleinen Kreise seiner vertrautesten Freunde, worunter auch Czerny war, sich bestimmt ausgesprochen haben, er sehe ein, mit dem letzten Satze dieser Symphonie einen Mißgriff begangen zu haben; er wolle denselben daher verwerfen und dafür einen Instrumentalsatz ohne Singstimmen schreiben, wozu er auch schon eine Idee im Kopfe habe.« Dasselbe hat Czerny auch Nottebohm erzählt (II. Beeth. S. 182). Diese bestimmten Angaben eines Kundigen wird man doch wohl nicht in Zweifel ziehen dürfen. Auch Nottebohm tut das nicht; er meint nur, Beethoven sei von diesem Vorhaben zurückgekommen, oder es sei ihm damit nicht Ernst gewesen; denn er habe noch nach sechs Monaten das Manuskript, wie es war, dem Verleger übergeben. Darum konnte er aber doch ernstlich daran gedacht haben; nach einer »Idee« brauchte er nicht lange zu suchen, er hatte ja schon früher einen Instrumentalsatz geplant. Beethoven hat in seiner Äußerung gewiß ein richtiges Gefühl bewiesen. Er mochte empfinden, daß eine Komposition von Schillers Freudenode die besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als die Hauptsache erscheinen mußte, und daß dafür drei so inhaltreiche und dabei so verschiedene Einleitungssätze zu viel waren, zumal eine innere [65] Beziehung derselben zum Schlußchore nicht bestand, sondern erst künstlich hergestellt werden mußte; daß also die Gefahr nahe lag, dieselben möchten in den Schatten gestellt werden, so daß ein einheitliches Kunstwerk nicht mehr vorhanden war. Mögen nun seine Empfindungen gewesen sein welche sie wollen: jedenfalls haben die, welche am Schlusse des großen Werkes lieber einen Instrumentalsatz sehen möchten, so sehr sie auch von den hohen Schönheiten des jetzigen Schlußsatzes ergriffen sind, Beethoven selbst als authentischen Zeugen für sich, an dessen Worten zu zweifeln kein Recht besteht. Daß er nach dem großen Eindruck, den das Werk gemacht hatte, welches nun einmal in der gegebenen Gestalt in das Gemüt der Hörer übergegangen war, mit der Ausführung jener Absicht nicht Ernst machte – zumal ihn wieder andere Arbeiten beschäftigten – kann uns nicht wundern. Aber den Ausführungen von Marx und derer, die ihm etwa folgen, ist, wie wir glauben, damit der Boden entzogen. Wir genießen das Werk wie wir es haben, und es wird heute wie damals Tausende erfreuen und erheben. Auch darf uns, indem wir uns ans Gegebene halten, der Schlußchor immer als die Krönung des Werkes gelten, wenn wir auch wissen, daß das nicht Beethovens erste Intention war, und daß er mit dem Werke nicht eine besondere Tendenz verfolgte. Er wollte einen Festgesang zu einer von ihm angenommenen Veranlassung schreiben. Dazu wählte er die Dichtung des von ihm so hoch verehrten Schiller. Dieser brachte ihm das Wort »Freude«, und nach dieser strebte er. Die ersten Sätze waren konzipiert; er stellte eine innere Beziehung zu denselben, da sie anfangs einen andern Schlußsatz haben sollten, in genialer Weise her. Weiter dürfen wir nicht gehen, ohne der Gefahr haltlosen Phantasierens zu verfallen.


Nach der Beendigung der beiden großen Werke, deren Geschichte uns bis in den Februar 1824 geführt hat, mußte Beethoven daran liegen, eine Aufführung derselben herbeizuführen. In der Erzählung dieser Angelegenheit sind wir vorzugsweise auf Schindler angewiesen, der ja nun freilich Augenzeuge der meisten Ereignisse und selbst in hervorragender Weise dabei tätig war; doch bedürfen seine Angaben auch hier mehrfach der Berichtigung. Ergänzt werden sie durch die gerade hier sehr ausgiebigen Konversationshefte, in denen Schindler mehrfach das Wort nimmt.

Beethoven war durch den Enthusiasmus für Rossini und das dadurch geringer gewordene Interesse für deutsche Werke verstimmt; er war [66] mutlos und bedenklich geworden.107 In solcher Stimmung wandte er sich, wie Schindler erzählt, an den Grafen Brühl in Berlin mit der Frage, ob er dort eine Aufführung bewirken könne; dieser riet zur Ausführung dieser Idee.108 Als man hiervon in Wien erfuhr, vereinigte sich eine Anzahl von Kunstfreunden und Künstlern, um eine Adresse an Beethoven zu richten, die uns Schindler (II. S. 60) aufbewahrt hat, und die auch hier nicht fehlen kann.


»An den Herrn Ludwig van Beethoven.


Aus dem weiten Kreise, der sich um Ihren Genius in seiner zweiten Vaterstadt in bewundernder Verehrung schließt, tritt heute eine kleine Zahl von Kunstjüngern und Kunstfreunden vor Sie hin, um längst gefühlte Wünsche auszusprechen, lange zurückgehaltenen Bitten ein bescheiden freies Wort zu geben.

Doch, wie die Anzahl der Wortführer nur ein geringes Verhältniß ausdrückt zur Menge derer, die Ihren Werth, und was Sie der Gegenwart und einer kommenden Zeit geworden sind, freudig erkennen; so beschränken auch jene Wünsche und Bitten sich keineswegs auf die Zahl der Sprecher für so viele Gleichgesinnte, und es dürfen diese Namens Aller, denen Kunst und Verwirklichung ihrer Ideale mehr als Mittel und Gegenstand des Zeitvertreibes sind, behaupten, daß, was sie wünschen, von Unzähligen gewünscht, was sie bitten, von jedem, dessen Brust ein Gefühl des Göttlichen in der Musik belebt, laut und im Stillen wiederholt wird.

Vorzüglich sind es die Wünsche vaterländischer Kunstverehrer, die wir hier vortragen, denn ob auch Beethovens Name und seine Schöpfungen der gesamten Mitwelt und jedem Lande angehören, wo der Kunst ein fühlendes [67] Gemüth sich öffnet, darf Ostreich ihn doch zunächst den Seinigen nennen. Noch ist in seinen Bewohnern der Sinn nicht erstorben für das, was im Schooße ihrer Heimat Mozart und Haydn Großes und Unsterbliches für alle Folgezeit geschaffen, und mit freudigem Stolze sind sie sich bewußt, daß die heilige Trias, in der jene Namen und der Ihrige als Sinnbild des Höchsten im Geisterreich der Töne strahlen, sich aus der Mitte des vaterländischen Bodens erhoben hat.

Um so schmerzlicher aber müssen Sie es fühlen, daß in diese Königsburg der Edelsten fremde Gewalt sich eingedrängt, daß über den Hügeln der Verblichenen und um die Wohnstätte des Einzigen, der aus jenem Bunde uns noch erübrigt, Erscheinungen den Reihen führen, welche sich keiner Verwandtschaft mit den fürstlichen Geistern des Hauses rühmen können; daß Flachheit Namen und Zeichen der Kunst mißbraucht, und im unwürdigen Spiel mit dem Heiligen, der Sinn für Reines und ewig Schönes sich verdüstert und schwindet.

Mehr und lebendiger als je zuvor fühlen sie daher, daß gerade in diesem Augenblick ein neuer Aufschwung durch kräftige Hand, ein neues Erscheinen des Herrschers auf seinem Gebiete, das Eine sey, was Noth thut. Dieses Bedürfniß ist es, was sie heute zu Ihnen führt, und Folgendes sind die Bitten, die sie für Alle, denen diese Wünsche theuer sind, und im Namen vaterländischer Kunst an Sie richten.

Entziehen Sie dem öffentlichen Genusse, entziehen Sie dem bedrängten Sinne für Großes und Vollendetes nicht länger die Aufführung der jüngsten Meisterwerke Ihrer Hand. Wir wissen, daß eine große kirchliche Komposition sich an jene erste angeschlossen hat, in der Sie die Empfindungen einer, von der Kraft des Glaubens und vom Lichte des Überirdischen durchdrungenen und verklärten Seele verewigt haben. – Wir wissen, daß in dem Kranze Ihrer herrlichen noch unerreichten Sinfonien eine neue Blume glänzt. Seit Jahren schon, seit die Donner des Sieges von Vittoria verhallten, harren wir und hoffen, Sie wieder einmal im Kreise der Ihrigen neue Gaben aus der Fülle Ihres Reichthums spenden zu sehen. Täuschen Sie nicht länger die allgemeine Erwartung! Erhöhen Sie den Eindruck Ihrer neuesten Schöpfungen durch die Freude, zuerst durch Sie selbst mit Ihnen bekannt zu werden! Geben Sie es nicht zu, daß diese Ihre jüngsten Kinder an ihrem Geburtsorte einst vielleicht als Fremdlinge, vielleicht von solchen, denen auch Sie und Ihr Geist fremd sind, eingeführt werden! Erscheinen Sie baldigst unter Ihren Freunden, Ihren Verehrern und Bewunderern! – Dies ist unsere nächste und erste Bitte.

Aber auch andere Ansprüche an Ihren Genius sind laut geworden. – Die Wünsche und Erbietungen, die vor länger als einem Jahre von der Leitung unserer Hofopernbühne, dann von dem Vereine östreichischer Musikfreunde an Sie gelangten, waren zu lange der stille Wunsch aller Verehrer der Kunst und Ihres Namens, erregten der Hoffnungen und Erwartungen zu viele, als daß sie nicht nahe und ferne die schnellste Verbreitung gefunden, nicht die allgemeinste Theilnahme erweckt hätten. – Die Poesie hat das ihre gethan, so schöne Hoffnungen und Wünsche zu unterstützen. Ein würdiger Stoff, von geschätzter Dichterhand, gewärtiget, daß Ihre Phantasie ihn ins [68] Leben zaubere. Lassen Sie jene innigen Aufforderungen zu so edlem Ziele nicht verloren seyn! Säumen Sie nicht länger, uns die entschwundenen Tage zurückzuführen, wo Polyhymniens Gesang die Geweihten der Kunst, wie die Herzen der Menge gleich mächtig ergriff und entzückte!

Sollen wir Ihnen sagen, mit wie tiefem Bedauern Ihre Zurückgezogenheit längst gefühlt worden? Bedarf es der Versicherung, daß, wie alle Blicke sich hoffend nach Ihnen wandten, Alle trauernd gewahrten, daß der Mann, den wir in seinem Gebiete vor Allen als den Höchsten unter den Lebenden nennen müssen, es schweigend ansah, wie fremdländische Kunst sich auf deutschem Boden, auf dem Ehrensitz der deutschen Muse lagert, deutsche Werke nur im Nachhall fremder Lieblingsweisen gefallen, und wo die Trefflichsten gelebt und gewirkt, eine zweite Kindheit des Geschmackes dem goldenen Zeitalter der Kunst zu folgen drohet?

Sie allein vermögen den Bemühungen der Besten unter uns einen entscheidenden Sieg zu sichern. Von Ihnen erwarten der vaterländische Kunstverein und die deutsche Oper neue Blüthen, verjüngtes Leben und eine neue Herrschaft des Wahren und Schönen über die Gewalt, welchem der Modegeist des Tages auch die ewigen Gesetze der Kunst unterwerfen will. Geben Sie uns Hoffnung, die Wünsche Aller, zu denen je die Klänge Ihrer Harmonien gedrungen sind, baldigst erfüllt zu sehen! Dies ist unsere angelegentlichste zweite Bitte. – Möge das Jahr, das wir begonnen, nicht endigen, ohne uns mit den Früchten unserer Bitten zu erfreuen, und der kommende Frühling, wenn er der ersehnten Gaben eine sich entfalten sieht, für uns und die gesamte Kunstwelt zur zweifachen Blüthenzeit werden.«


Wien, im Februar 1824.


(Gezeichnet:)


Fürst C. Lichnowsky.Prof. Deinhardtstein.

Artaria und Comp.Ch. Kuffner.

v. Hauschka.J. N. Nehammer,

M. J. Leidesdorf. ständ. Secretär.

J. E. von Wayna.Steiner von Felsburg,

Andreas Streicher. Bank-Liquidator.

Anton Halm.M. Graf v. Dietrichstein.

Abbé Stadler.Jg. Edler von Mosel,

von Felsburg, Hofsekr. k. k. Hofrat.

Ferd. Graf von Stockhammer.Karl Czerny.

Anton Diabelli.M. Graf v. Lichnowsky.

Ferd. Graf v. Palsy.v. Zmeskall.

Ed. Frh. v. Schweiger.Hofrath Kiesewetter.

Graf Czernin,L. Sonnleithner, Dr.

Oberst-Kämmerer.Steiner und Comp.

Moritz Graf v. Fries.Lederer.

J. F. Castelli.J. N. Bihler.


Die Namen der Unterzeichner sind uns fast alle als die von Freunden und Gönnern Beethovens wohl bekannt und sprechen für sich selbst; bei der Sammlung der Unterschriften war Graf Lichnowsky tätig gewesen.109 [69] Zu Beethoven begaben sich an einem Nachmittage Hofsekretär v. Felsburg und Bihler, um ihm die Adresse zu überreichen und die Sache zu besprechen; Beethoven aber erklärte ihnen, er wolle erst lesen, wenn er allein sei. Später ging Schindler zu ihm und fand ihn mit der Schrift in der Hand. Beethoven, von dem Inhalte sichtlich ergriffen, erzählte ihm den Zusammenhang und gab ihm das Blatt, trat dann ans Fenster und blieb so einige Zeit; dann trat er auf Schindler zu und sagte kurz: »Es ist doch recht schön! – Es freut mich!« Als ihm Schindler auch seine Freude ausgedrückt, sagte er: »Gehen wir hinaus ins Freie!« Er blieb auch während des Ganges in Gedanken versunken. Den Eindruck auf Beethoven mögen wir uns leicht vorstellen; die ausgesuchte Huldigung, die ihm dargebracht wurde, war wohl geeignet, ihn in seiner gedrückten und zweifelnden Stimmung aufzurichten. Genug, sie brachte den Entschluß zur Reife.110

In Wien rief die Angelegenheit, sobald man davon erfahren, große Befriedigung hervor, wie wir den Konversationsheften entnehmen. Alles sprach darüber, freute sich darauf, und wer konnte, wünschte mitzuwirken. Es wurde nun die Ausführung unter Beethovens Freunden lebhaft verhandelt und mancherlei Vorschläge wurden laut; da galt es zunächst festzustellen, an welchem Orte das Konzert stattfinden solle; dann die Feststellung des Programms, die Beschaffung der Chor- und Orchesterkräfte, besonders die Frage, wem die Solostimmen zu übertragen seien, das [70] Kopieren der Musik, wobei Beethoven durch das Nachsehen der Stimmen stark in Anspruch genommen wurde, die Preise der Plätze, die Festsetzung des Tages und die Zahl der Proben. Beethoven, selbst unschlüssig und stets voller Bedenken, mußte über alle diese Dinge vielerlei Ratschläge hören und wurde dadurch vielfach hin- und hergezerrt, wodurch viel Verzögerung eintrat; wir stehen im Anfang des Monats März und die Jahreszeit der Konzerte näherte sich ihrem Ende. In Beethovens Interesse war namentlich Schindler tätig, daneben Graf Lichnowsky und Schuppanzigh; dann aber bringt auch der Bruder Johann fortgesetzt Vorschläge und ist in der Sache tätig, und auch den Neffen Karl läßt er mehrfach zu Worte kommen.111 Schindler zeigt sich mehrfach unwillig, daß Beethoven so vielen Gehör schenke. Über den Bruder Johann fallen ungünstige Äußerungen, als wenn er durch unberufene Einmischungen andere Absichten durchkreuze. Schindler, scheint es, möchte Bruder und Neffen fernhalten und womöglich der alleinige Ratgeber sein. Daß Beethoven, nachdem man über den Ort vorläufig im Reinen war, Schindler die Ausführung des Unternehmens ganz in die Hand gegeben (a.a.O. S. 65), ist doch nur cum grano salis zu verstehen.

Man hatte sich nunmehr für das Theater an der Wien entschieden, dessen Direktor damals Graf Ferdinand Palsy war, dessen Name auch unter der Adresse stand. Dieser war, wie Schindler erzählt, sofort [71] bereit auf Beethovens Wünsche einzugehen, und stellte eine Forderung von 1200 Gulden112, für welche er ihm das Haus und alle Opern- und Orchesterkräfte zur Verfügung stellen wollte. Beethoven konnte also so viele Proben wünschen als er bedurfte, er konnte die Preise festsetzen und durfte auf eine gute Einnahme rechnen. Da erhob sich die Schwierigkeit wegen der Leitung. An der Wien wirkte Seyfried als Kapellmeister, Clement als Orchesterdirektor. Beethoven wünschte Umlauf als Leiter des Ganzen und Schuppanzigh als Orchesterdirektor, dem er verpflichtet war und der dies selbst wünschte. Palsy war bereit seinen Kapellmeister zu opfern, nicht aber, wie Schindler erzählt, seinen verdienten Orchesterdirektor. Beethoven bestand aber auf Schuppanzigh, und daraus ergaben sich Weiterungen, welche einstweilen wenigstens ein Übereinkommen mit dem Wiedener Theater fraglich machten.

Wir sind bisher im wesentlichen Schindlers Biographie gefolgt, welche durch die unten folgenden Mitteilungen aus den Konversationsbüchern ergänzt und zum Teil berichtigt werden. Aus denselben geht hervor, das Palsy durchaus nicht abgeneigt war, auf Clement zu verzichten, es müsse ihm nur auf gute Art beigebracht werden, um ihn nicht zu verletzen; Beethoven möchte ihm daher einen Brief schreiben, um ihm die Sache klar zu stellen. Dieser Brief ist auch geschrieben worden, fand aber nicht die Aufnahme, welche erwartet wurde. Auch fanden sich Anstände, weil die Personen fehlten, welche die Solopartien in Beethovens Sinne übernehmen konnten. Es wurde daher gleichzeitig durch Schindler beim Kärnthnerthor.Theater verhandelt, dessen Verwaltung in den Händen Duports war, bei welchem ein Bedenken wegen Schuppanzigh nicht vorlag und der auch sonst ganz dafür eingenommen war;113 hier aber ergaben sich andere Verhandlungen wegen des Lokals, der Preise, der Personen der Sänger, der Zahl der Proben; man glaubte, sagt Schindler, die Verwaltung wolle von Beethovens Lage Vorteil ziehen. Die Erörterungen und Zweifel Beethovens mußten die ganze Sache in Frage stellen. Daher verabredeten die Freunde eine Intrigue. Zu derselben Zeit sollten sich Lichnowsky, Schuppanzigh und Schindler scheinbar zufällig bei Beethoven einfinden und ihn halb im Scherz anhalten, sich über die »fraglichen Punkte« zu äußern; dies sollte dann aufgeschrieben werden [72] und Beethoven das Blatt unterzeichnen. Dieser Plan schien anfangs zu gelingen; dann aber merkte Beethoven den Verrat und erließ noch an demselben Tage drei geharnischte Zuschriften, welche Schindler mitteilt:


1) »An den Grafen Moritz Lichnowsky. Falschheiten verachte ich. Besuchen Sie mich nicht mehr Akademie hat nicht statt. –


Beethoven.«


2) »An Herrn Schuppanzigh. Besuche er mich nicht mehr. Ich gebe keine Akademie.«


Beethoven.


3) An Schindler. »Ich ersuche sie nicht mehr zu kommen, bis ich sie rufen lasse. Akademie hat nicht statt.«114


B–n.


Über den Gegenstand der Besprechungen können wir Bestimmtes nicht wissen; auch genügen Schindlers Mitteilungen nicht, um bestimmt festzustellen, in welchem Zeitpunkte der Verhandlungen die Besprechung stattfand. So viel darf man annehmen, daß sowohl mit Palsy als auch mit Duport bereits verhandelt war. Es kam wohl vorzugsweise darauf an, Beethoven überhaupt bei seiner Absicht festzuhalten, und die Frage, ob die Akademie überhaupt stattfinden sollte – was Beethoven in seinen Zuschriften schroff ablehnt – konnte gegen Ende März kaum noch zweifelhaft sein, da man ihm schon den 8 April als Konzerttag empfiehlt. Dadurch werden wir für die Unterhaltung in eine verhältnismäßig frühe Zeit gewiesen. Der Zorn Beethovens endete übrigens bald und eine Unterbrechung der Vorbereitungen trat nicht ein.

Nun schreibt Schindler in einem Konversationsbuche aus jenen Tagen folgendes auf:115


»Protokoll vom 2. März116


Anwesende


H. L. van Beethoven, ein Musikus.

H. Graf v. Lichnowsky, ein Liebhaber.

Hr. Schindler, ein Fiedler.


Noch nicht anwesende heute:


Hr. Schuppanzigh, ein Fiedler und Stellvertreter des Mylord Fallstaff.«


[73] Also dieselben Personen, wie in der oben nach Schindler mitgeteilten Unterredung, nur daß Schuppanzigh noch erwartet wurde. Es knüpft sich an diese Einzeichnung eine Unterhaltung (auf Bl. 3), in welcher Schindler in etwas förmlicher Weise das Wort nimmt:


»Abermahls ein neuer und nicht unwichtiger Vorschlag. – Der Erzengel Gabriel überschattete auch heute im Traum mich bei Palsy wegen Ihrer Angelegenheit anzufragen. Deshalb waren wir beide jetzt bei Palsy, der dann mit Vergnügen Ihnen sein Theater, Orchester, Chor, Beleuchtung etc. appertinentia hergibt. Dafür verlangt er 1000 fr. [fl] für den Abend. Sie müssen sich aber entschließen eine 2te oder 3te Akademie dort zu geben. Also lesen Sie unterdessen dieß. – Wenn die Preise mäßig erhöht werden, was geschehen muß, so geht über 4000 fl. ein, daher können Sie bei 2009 fl. bey der ersten gewinnen, aber bei der 2ten wo die Kopiatur-Kosten wegfallen, können Sie bei 3000 fl. rein gewinnen. – Das geschieht bei jedem Benefice im Theater an der Wien, dort ist es schon so angeordnet, deshalb sind die Preise noch nicht so hoch als im Redoutensaale. – Wenn Duport nur 309 fl. nimmt, so kostet das Gerüstaufschlagen auch 300 fl.; nun sind schon im Redouten Saal 960 fl. sichere Auslagen und viel Secatur und Lauferey und Verdruß. Ich sprach mit Palsy zugleich wegen Schuppanzigh und vielleicht Umlauf, wovon er gar keine Notiz nimmt, und es Ihnen überläßt wie Sie es arrangiren. – Da haben Sie nichts zu besorgen wegen Klement. – Er überläßt es schon Schuppanzigh. – Das Beste ist, Sie drehen H. Duport u. Polizey u. Zuchthaus Nasen.117 – Palsy will von Ihnen keinen Vorteil, sondern nur daß seine Auslagen bestritten werden. – Mit den Logen und gesperrten Sitzen können Sie allein nur disponiren. – Wie macht es jeder Benefiziant? entweder verkauft er die Logen zu Hause oder läßt sie durch einen vertrauten Freund verkaufen an einem bestimmten Ort. – Nun ist die große Frage, ob sie darüber einverstanden und dem Graf Lichnowsky und mir Vollmacht geben mit Palsy das Weitere in Ordnung zu bringen. – Nur die Mitglieder die bezahlt werden müssen, nicht das Orchester an der Wien – und die früheren Annoncen der Akademie, diese müssen Sie bestreiten. – Das Theater Orchester kostet keinen Kreuzer. – Ohne dieses Orchester müssen Sie es gar doppelt bezahlen. – Palsy weiß, daß der Verein mitwirkt.118 – Darum ist es nothwendig früher mit Palsy im Reinen zu seyn, ohne ihn früher bezahlen zu dürfen, zurücktreten können Sie jederzeit. – Schuppanzigh wird davon benachrichtigt und konsultirt, allein er wird auch keine Schwierigkeiten finden. – Auch ist wegen dem Einstudiren höchst nöthig, alsogleich einen Oberaufseher zu bestimmen, sei es Umlauf oder einen anderen, damit jetzt schon die Proben des Chors anfangen. – Um [74] dieses wird sich Schuppanzigh nicht bekümmern, und wer soll es denn besorgen. – Schuppanzigh hat dann zu viel, u. wenn es nicht gut geht, so gibt dann der Dirigirende die Schuld dem schlechten Einstudiren.«


Es sieht fast so aus, als erzähle hier Schindler die erste Besprechung mit Palsy. Dann kommen wir aber in Konflikt mit seiner Erzählung in der Biographie. Es war bei diesen Mitteilungen schon bei Duport »sondirt« und über die Schwierigkeit wegen Clement war Beethoven schon unterrichtet. Es handelt sich also hier um die ersten festen Abmachungen mit Palsy wegen des Theaters an der Wien. Die Unterhaltung, welche zeitig im März stattfand, geht noch etwas weiter. Lichnowsky fährt fort:


»Das Orchester doppelt besetzen ist recht, aber überflüssig mehr zu nehmen als nöthig ist, wenn Schuppanzigh und Umlauf wissen was Ihnen am Wiedener Theater zu Gebote steht, so ergibt sich daraus was noch gebraucht wird – dann um – Schindler: Lichnowsky sagt, daß an der Wien ein weniger besetztes Orchester mehr effektuirt, als ein großes im Redoutensaal.119 – Sie dürfen nicht alle nehmen an der Wien, auch gar keine, wenn sie keine bedürfen, so ist das mit Palsy abgethan. – Lichnowsky: Man muß eben die unnöthigen Kosten vermeiden. – Schindler: Das Personal an der Wien überhaupt bezahlen Sie ja nicht, also das fällt schon weg. – Die Tage der Aufführung wären, wenn Sie es wünschen der 22. oder 23. oder 24. dieses Monaths.120Lichnowsky: Sie gewinnen dabey, und noch mehr, wenn Sie bestimmt eine 2te Akademie geben, wozu Sie ein neues Duett schreiben. In der 2ten Akademie, wo nicht lauter neue Sachen nöthig sind, haben Sie schon die nehmliche Sinfonie, die 2 anderen Meßstücken. – Schindler: Der Eintrittspreis ins Parterre ist sehr gemäßigt mit 2 fl., die Gallerie zu fl. und die Sitze zu 3 fl. – Sie müssen nur selbst nicht Schwierigkeiten finden, die nicht sind, oder doch wenn es daran geht, lassen sich alle applaniren. – Es ist nicht die Frage, wo mehr Schwierigkeiten im Theater oder im Redoutensaale. – Mit Schuppanzigh spreche ich noch heute Mittags; früher aber geht Lichnowsky zu Palsy um ihm vorläufig Ihren Entschluß zu präveniren. – Es ist jetzt Generalprobe, so wie Morgen Mittags. – Im Redoutensaale. – Morgen kommt der Graf Lichnowsky auch im Redoutensaale u. Schuppanzigh bestelle ich auch hier [hin?], da werden wir alsogleich die Geschichte beendigen. – Nach 10 Uhr.« – Darauf notiert Beethoven selbst: »10 Uhr, nach 10 Uhr.«


Dann folgen kurze Bemerkungen Karls über den Kopisten und äußeres und Schindlers über den Kanon auf Mälzl. Wir erkennen, [75] welche Schwierigkeiten die Freunde mit dem unschlüssigen Meister hatten, dessen Gemüt von der Geldfrage und von persönlichen Fragen beherrscht war; doch gelang es ihnen für jetzt, ihn bei dem Wiedener Theater festzuhalten. Den weiteren Verlauf spiegelt folgende, bald nachher (vielleicht am folgenden Tage) stattgehabte Unterhaltung wieder:


Schindler (Bl. 9b desselben Hefts): »Schuppanzigh war sehr erfreut, daß Sie sich mit Palsy resolvirt haben. Er wird das ganze Orchester des Theaters verwenden. Er kommt heute im Redoutensaal, indem er Sie dort zu finden hofft.121 – Die Chöre sind im Theater auch gut; auch sagt Schupp., daß der Weiberchor des Vereins nicht der beste ist, weil lauter sehr junge Mädchen sind, und dies ist wahr.« Nach einer Besprechung über die Kopiatur (mit Frau Schlemmer?) fährt Schindler fort: »Der Herr Baron122 hat das Tempo gerade noch einmahl so schnell genommen, daher war Ihre Angabe höchst wichtig; erst beim 2ten Mahl ging es gut. – Übrigens ist der Weiberchor herzlich schlecht. Auch Fallstaff überzeugte sich davon, und ist nun froh, daß man nichts mehr davon braucht, bis auf die Männerchöre. – Die Solostimmen sind aber für dieses Lokal gar zu schwach und zu – jung. – Die Sopransängerin ist höchstens 16 Jahr. – Palsy läßt Ihnen durch Lichnowsky melden, daß er Ihnen Morgen seinen Antrag, wie Sie ihn schon wissen, samt der Versicherung seines gegebenen Wortes schriftlich übermachen wird. – Sie wählen unter 2 Übeln das kleinste. – 20 bis 24 per Part im Chor sind schon beysammen. – Von den 12 Violinen bei jeder Stimme haben wir heute die 6 besten ausgewählt, die in Reihe und Glied eingetheilt werden. – Der einzige Wunsch des Palsy ist nur dieser, wie er heute Lichnowsky gestand, daß man den Klement so delikat als möglich behandelt, daß er sich nicht beleidigt fühlt. Deshalb bitten wir Sie insgesamt an Klement ein Billet zu schreiben und ihm die Wahrheit zu sagen, so wie sie ist.123 – Da es aber ohne Zweifel ist, daß es zur 2ten Akademie kommt, so mache ich den Vorschlag, ihm dann die Direktion zu übertragen. Schuppanzigh stimmt diesem bey. – Und da Piringer auf der Wieden als K. K. Oberbeamter nicht mitwirken [zu können] vorgibt, so könnte Klement den 1ten Platz bei der 2ten Violine einnehmen; bei der 2ten Akademie aber Schuppanzigh. – Palsy will ja nicht, daß Sie den Klement nehmen sollen, sondern nur, daß Sie sich be mühen, ein Billet an ihn zu schreiben, und selbst von der Sache unterrichten. Er wird es gewiß sehr willkommen aufnehmen. – Er [Schuppanzigh] ist seit er in Rußland war viel ruhiger und kommoder geworden, denn sein Bauch genirt ihn jetzt schon. – Böhm spielt beym Prim – Piringer [76] spielt nicht mit an der Wien, unterdessen ist es Schuppanzigh als eins. – Heute bitte ich Sie um ein Billet an Vater Hensler, damit er die Ouvertüre von Presburg kommen läßt; sonst könnte es damit zu spät werden.«


Nachher sagt Schindler noch einmal: »Dagegen ist das Singinstitut des Palsy unter Schwartzböck im besten Stande, die alle mitwirken werden.« Schwarzböck war Chordirektor beim Theater an der Wien.

So leicht war nun aber die Sache mit Clement doch nicht. Schindler erzählt ihm etwas später, als schon weitere Erwägungen Platz gegriffen hatten, insbesondere auch mit Duport weiter verhandelt war, folgendes:


»Nun aber müssen Sie wissen, daß es mit Schuppanzigh an der Wien den größten Anstand hat. Klement will sich diese Ehre Ihre Akademie zu dirigiren nicht streitig machen lassen, das Orchester ist auch ganz auf seiner Seite und soll erklärt haben, es wolle unter Schuppanzigh nicht spielen, dieses besprach ich dann auch mit Palsy – u. dieser war über diesen Punkt sehr betroffen, denn ob er gleich befehlen kann, daß das Orchester spielen muß, so kann er doch nicht für die Ca balen und Sauereyen einstehen, die das ganze Personale H. Schuppanzigh machen will.«


Dieses hat Schindler von den Mitgliedern des Orchesters selbst gehört. Sollte daher Palsy auf seinen Wunsch wegen Clements bestehen, so sei er dafür, die Sache Duport fürs Kärntnertortheater zuzusprechen, wo diese Hindernisse nicht beständen.

Diese Unterhaltung fand aber ersichtlich etwas später statt; wir sind den Ereignissen schon etwas vorausgeeilt.

Über die anfänglichen Verhandlungen gewähren die zuerst gegebenen Mitteilungen Aufschlüsse; ob dieselben und das »Protokoll« mit den geharnischten Zuschriften Beethovens (s. o. S. 73) gleichzeitig sind, wollen wir bei der Beschaffenheit unserer Quellen nicht entscheiden. Damals glaubten jedenfalls die Freunde, daß die Wahl des Theaters an der Wien gesichert sei, wie es ja (nach den späteren Unterhaltungen) noch im April feststand, daß die Aufführung dort stattfinden werde. Für Beethoven war dies aber damals noch keineswegs sicher, sein Zögern und seine Bedenken dauerten fort. Auch andere Ratgeber mischten sich in die Sache, unter denen außer dem Bruder auch die »Paternostergäßler« eine Rolle gespielt zu haben scheinen. Die Frage wegen Gewinnung des Redoutensaals war nicht aufgegeben; mit Duport wurde verhandelt; Schuppanzigh, dem nach einer an deren Äußerung die Bestimmung des Tages als die Hauptsache erschienen war, fragt (etwa im März): »Ist der Tag des Concerts schon bestimmt? – Der beste Tag ist am 8. April. – Es wäre schon besser, wenn er von Duport die Theaterbillets dazu nähme,[77] denn mit den Billeten macht das eine höllische Konfusion und es ist dabei viel erspart.« Schindler fügt noch hinzu, ob es Abends statthaben würde, »was schon zu wünschen wäre.«


»Es käme bloß darauf [an] sich mit Düport einzuverstehen. Wenn er Ballet gibt, so macht es keinem Teile Schaden. – Mehr frägt es sich, woher die guten Orchester Individuen ersetzen, die auf diese Art abgehen. – Es kommt ja bloß darauf an, um sich darüber zu besprechen, einrichten läßt es sich dann, wie Sie es wünschen und es nöthig ist. – Kommen Sie nur wieder einmal hervor; es ist Zeit und thut Noth. Wozu die spanische Wand? Ihren Freunden und Verehrern kann es aber nicht gleichgültig sein zu wissen was fertig ist und [durch?] Ihre unverzeihliche Zurückgezogenheit nicht gehört werden kann. Ebenso unangenehm ist es, Ihre Werke vom Ausland erst hier eingeführt zu sehen.«


Kurz nach dieser Unterhaltung sagt ihm der Bruder Johann, mit Bezug auf dieselbe Zeit und Angelegenheit:


»Mit Schuppanzigh habe ich schon gesprochen. War infolge dieses gestern bei Duport. Dieser ist ganz für Dich und die Akademie eingenommen, sagte mir aber, daß er es nicht in der Gewalt hat, sondern der Graf Dietrichstein. Du mußt also gleich ein höfliches Schreiben an den Graf Dietrichstein schreiben, worin Du diesen bittest, daß er Dir die Bewilligung geben soll, daß Du am 8. April Abends den großen Redoutensaal für die Akademie haben kannst; indem Du weißt, daß es ganz allein von ihm abhängt. – Das übrige werde ich mündlich mit ihm alles abmachen. – Der Abend ist um 1500 fl. mehr wert. – Allein es darf nicht ohne den Grafen. – Wir versuchen es, geht es nicht, so bleibt uns sicher der Mittag.124 – Duport sagte mir, daß er den Abend eine alte Oper oder ein altes Ballet geben wird.« – Und gleich darnach der Neffe Karl: »Der Bruder war hier? – Soll also der Redoutensaal der Ort der Aufführung sein? – Es war die Rede vom Theater an der Wien. – Der Redoutensaal ist, glaube ich, am besten. – Am Sonntag sollst du mit mir in den Verein gehen.125 Es ist gut, wenn die Leute Dich sehen. – Wie theuer denkst Du das Billet zu machen? Für Gallerie und Parterre (im Redoutesaal).«


Beethoven war also entschlossen, hervorzutreten und das Konzert am 8. April im großen Redoutensaale zu geben. Wir entnehmen dies einem kurzen an Schindler gesandten Zettel, der den Entwurf eines Gesuches an einen höhergestellten Beamten, der die Erlaubnis zu geben hatte, zu enthalten scheint:126


[78] »Da ich vernommen habe, daß ich zu meiner Akademie den 7ten April nicht erhalten werde, so bitte ich S. D. mir den 8ten April im großen R. S. zu einer Akademie mir zu gestatten, und zwar um Mittagszeit, wodurch weder die Theater noch ich gefärdet werden. – So sehr bin ich S. D. verbunden für die mir allzeit bezeigte Bereitwilligkeit und welches noch schmeichelhafter ist vielleicht, daß S. D. nicht ganz unteilnehmend an meiner Kunst sind, ich hoffe Gelegenheit zu finden, besonders S. D. meine Hochachtung zu beweisen.« –


Schindler glaubte sich nach einer Beischrift zu diesem Briefe zu erinnern, daß Beethoven hier den Fürsten Trautmannsdorf meint, der 1824 Oberst-Kämmerer des Kaisers war und über die Redoutensäle zu verfügen hatte. Da liegt vielleicht eine Verwechslung (vielleicht Beethovens selbst) vor, die Erlaubnis hatte nach anderer Nachricht Graf Dietrichstein zu geben. Freilich sagt Karl später einmal, bei Erwähnung des Gesprächs Johanns mit Duport wegen des Redoutensaales, als mit einer Beschwerde gedroht worden sei und Duport gesagt habe: »Thun Sie das!«, die Sache sei dann zu Trautmannsdorf gekommen. Wir müssen das auf sich beruhen lassen.

Dieser Plan kam jedoch nicht zur Ausführung, warum, wissen wir nicht. Außerdem taucht jetzt wie ein Intermezzo die Frage auf, ob nicht der landständische Saal in der Herrengasse gewählt werden könne, in welchem auch die Spirituel-Konzerte gehalten wurden. Dann wäre die Stätte des Vereins der Musikfreunde verwendet worden. Dieser Saal war, da er nicht groß war, vielleicht des geringeren Preises wegen in Frage gekommen. Über dieses Schwanken und Abspringen waren die Freunde des Meisters, welche der Sache so viele Mühe zugewendet hatten, nicht mit Unrecht ungehalten.


»Lieber Beethoven« schreibt Lichnowsky auf »bloß für Ihr Wohl besorgt muß ich Sie doch fragen, wie Sie denen Gründen Ihre Akademie in einem so kleinen Lokale zu geben nachgeben konnten, wo aller Effekt verloren gehen muß. – Im Theater an der Wien sind gar keine Schwierigkeiten, und Sie nehmen mehr. – Es hat schon Kapellmeister Seyfried Kirchensachen im Theater gegeben« [wohl auf ein diesfallsiges Bedenken Beethovens]. – »Das ist Sache der Theaterdirektion.«


Auch Schindler spricht sich gegen den landständischen Saal aus und beschwört Beethoven, sich nicht von den Parteien umgarnen zu lassen.


»Am selben Tag, wo Sie die Akademie im ständ. Saal geben wollen, ist das Concert des Damenvereins im kleinen Redoutensaal, wo die Unger und Sonntag und die italienischen Sänger singen, daher sind die Mädchen in Verlegenheit. Dieser Tag ist daher beinahe verloren, denn der Adel geht [79] in den Redoutensaal, sowie der Hof, weil das ganze so zusammenhängt. – Die Wiener wissen schon ein hübsches bon mot, daß der – Beethoven in einer Nußschale Concert geben will.«


Und Lichnowsky betont noch einmal:


»Sie riskiren daß Ihre neuen [Werke] allen Effekt verlieren.«


Sehr ernst schreibt dann noch einmal Lichnowsky, da Beethoven nicht an das Theater an der Wien zurückkehren will:


»Nachdem ich in Ihrem Namen mit Graf Palsy contrahirt, so sagen Sie mir, was ich jetzt an Graf Palsy antworten soll, da ihm doch eine Antwort gebührt. – Wenn Sie denen Menschen mehr Zutrauen schenken, als mir, so haben Sie Recht. – Nur muß Graf Palsy bei Zeiten von Ihrem Entschluß verständigt werden, weil ich mit im Spiel bin.«


Auch Schindler spricht darauf nochmals gegen den landständischen Saal:


»Wenn nur dort nicht herauskommt: Parturiunt montes etc. Die Kräfte dieses Vereins sind ja für diese kolossalen Werke viel zu schwach, wo bleibt die Kraft, der Effekt, der darin liegt, ist es möglich, ihn mit diesem Orchester zu bezwecken? Bei Gott nicht. – Blahetka versicherte uns vor einer halben Stunde erst, daß im Concerte seiner Tochter127 540 Menschen drin waren, und der Saal ganz gesteckt voll – also was kann eingehen? Das Orchester muß vergrößert werden, daher weniger Menschen Platz. – Überlegen Sie es wohl mein Herzens Guter, ehe Sie einen festen Entschluß fassen. Überlassen Sie es dem Grafen, Ihnen hier mit Rath zu helfen – es wird was besseres herauskommen, als die Freunde des Paternostergäßchens.«128 – – »Ich werde jetzt einen Entwurf des Anschlagzettels aufsetzen, den ich heute noch an Vogel übergebe.129 – In längstens 2 Tagen wissen Sie woran Sie sind.«


Jetzt spricht auch der Neffe Karl, der früher (gewiß als Organ anderer) für den landständischen Saal gesprochen hatte, im Sinne des Grafen.


»Darin, daß im Theater die Akademie Deiner würdiger wäre, kann ich nicht dem Grafen widersprechen. Die Erfahrung hat bestätigt, daß der Landständische Saal nur 500 Menschen faßt. – Vom hohen Adel kommt niemand. Vom Hof noch weniger. – – – Der Hof kommt gewiß ins Theater«.


[80] Aus den weiteren Unterhaltungen und aus dem Resultat ersehen wir, daß das Projekt mit dem landständischen Saal aufgegeben wurde. Aber auch aus dem mit dem Wiedener Theater wurde nichts. Noch am 21. April hatte die Wiener Allg. Zeit., als sie die Adresse an Beethoven abdruckte, gesagt, die Aufführung werde am 22. oder 23. April im Theater an der Wien stattfinden. Auch nach den Unterhaltungen waren die Tage 22.–24. April in Aussicht genommen. Ob nun Palsy, wie Schindler in der Biographie (S. 66) erzählt, seine Forderungen steigerte, ist aus den Konversationen nicht zu ersehen; aus einer Stelle derselben scheint vielmehr hervorzugehen, das ihm das Fehlschlagen der Hoffnung sehr unangenehm war. Schindler hatte wieder mit Duport wegen des Kärnthnerthortheaters verhandelt, was auch vorher schon geschehen war. Duport war, wie Schindler in den Konversationen erzählt, mit den Bedingungen einverstanden, wünschte aber, daß Palsy davon benachrichtigt werde. Das muß also nach den früheren Abmachungen mit Palsy geschehen sein. Dieser klagte sehr über die Änderung und sagte, er verliere lieber die 1000 fl. als die Ehre, diese Akademie in seinem Theater zu haben. Dann erzählt er ihm von den Kabalen des Orchesters gegen Schuppanzigh wegen Clement, die er erst jetzt erfahren, denen Beethoven sich nicht aussetzen könne. Damit war, was mit den Resultaten bei Schindler sich vereinigen läßt, das Theater an der Wien für Beethoven erledigt, Schindler sprach nun nicht mehr für dasselbe.130

Ernstliche Verhandlungen wurden jetzt nur noch mit Duport geführt. In den Unterhaltungen wird mit größerer oder geringerer Schärfe über seine Winkelzüge geklagt, was wir im Einzelnen nicht beurteilen können; es scheint sich um das Lokal,131 das Personal, die Zahl der Proben, die Preise usw. zu handeln. Beethoven wendete sich, wohl auf Zureden der Freunde, persönlich an Duport. Dieser hatte ihm, wie es scheint, den kleinen Saal zur Verfügung stellen wollen. Nun findet sich in den Konversationen das Konzept eines Briefes an Duport, französisch mit [81] untermischtem Deutsch, inkorrekt und unvollständig, daher nicht festzustellen und nicht mitteilbar, in welchem sich Beethoven mit einiger Ironie gegen das Angebot des kleinen Saales zu erklären scheint; lieber wollte er die ganze Sache aufgeben. Ob dieser Brief abgegangen ist, wissen wir nicht, jedenfalls hat Beethoven noch nachher an Duport über die Differenzpunkte geschrieben. »Sie müssen den großen Redoutensaal verlangen,« hatte ihm Bernard gesagt; über diesen war auch früher schon mit Duport gesprochen worden; jetzt wurde, so viel wir sehen, über denselben einstweilen nicht verhandelt. Den endgültigen Entschluß Beethovens ergibt nachstehender Brief Schindlers an Duport vom 24. April:132


»Euer Wohlgeboren!


Ich habe die Ehre als Organ des Herrn Ludwig van Beethoven E. W. seinen Wunsch hiermit zu eröffnen, daß er gesonnen sei seine große musikalische Academie im k. k. Theater a. d. Kärnthnerthore abzuhalten, gegen dem, daß Ew. W. ihm zu diesem Zwecke sämmtliche Solo-Sänger, das sämmtliche Orchester und Chor Personale, nebst der nöthigen Beleuchtung für die Summe von 400 fl. C. M.133 gütigst überlassen. – Sollte der Erfolg dieser Academie Herrn van Beethoven veranlassen, selbe ein oder zweimal in Zwischenräumen von 8 oder höchstens 10 Tagen zu wiederholen, so wünscht er hiezu das k. k. Hoftheater a. d. Kärnthnerthore unter obigen Bedingungen wieder zu erhalten. Ferner hat Herr van Beethoven beschlossen, die Leitung dieser Academie den Herrn Umlauf u. Schuppanzigh zu übertragen, deshalb wünscht er auch, daß von Seite der Administrazion das Nöthige verfügt werde, daß ihm hierin von dem Orchester keine Schwierigkeiten gemacht werden.

Die Soloparten wünscht Herr v. Beethoven den Delles Sontag und Unger, und Herrn Preisinger zu übergeben und hofft die Administrazion werde auch in Rücksicht dessen seinem Wunsche entsprechen.

Der musikalische Verein hat aus Gefälligkeit für Herrn Beethoven übernommen, das Orchester mit seinen vorzüglichsten Mitgliedern zu verstärken, so daß also im Ganzen 24 Violinen, 10 Violen, 12 Bassi und Violoncelli nebst doppelter Harmonie zusammen kommen, daher es auch nothwendig ist, das ganze Orchester auf die Bühne zu stellen, so wie es bei großen Oratorien überhaupt der Fall ist.

Schließlich habe ich nur noch hinzuzufügen, daß das frühere Arrangement mit Seiner Excellenz dem Grafen von Palsy sich aus dem Grunde zerschlagen hat, weil gegenwärtig wegen Mangel an tüchtigen Sängern an der Wien die Soloparten nach dem Wunsche des Herrn v. Beethoven nicht besetzt werden konnten, so wie daß Seine Excellenz ausdrücklich wünschten, daß [82] Herr Klement das Orchester dirigiren sollte, welches H. v. Beethoven schon längst Herrn Schuppanzigh zugedacht, und davon aus vielen Rücksichten nicht mehr abgehen konnte.

Ich ersuche E. W. nun noch inständigst sich über alles dieses alsbald schriftlich an Herrn van Beethoven zu erklären, so wie den ersten Abend zu dieser Academie sobald als möglich zu bestimmen, und selben nur nicht über den 3. oder 4. März134 hinaus zu schieben.

Ich habe die Ehre mich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung zu nennen


E. W.

ergebenster

A. Schindler.«

Wien 24/4 824.


Dieser Brief wirst noch einiges Licht auf das Vorhergegangene; was aber die Hauptsache ist, er brachte die Sache im wesentlichen zum Abschluß; die Frage des Lokals war damit erledigt, und auch bezüglich des Tages machte Duport keine besonderen Schwierigkeiten, er kam vielmehr gern entgegen. Der Tag wurde bekanntlich wegen mancher Umstände auf Freitag den 7. Mai festgesetzt. Auch war die Frage der Leitung nunmehr entschieden, gegen Umlauf und Schuppanzigh bestand kein Bedenken. Doch gab es noch allerlei Überlegungen mit dem klugen und sparsamen Theaterdirektor, in welche wir nicht mit voller Klarheit hineinsehen, über den Tag, den Preis, die Solisten, die Proben, die Beethoven stark beschäftigten, so daß er sogar selbst einzugreifen sich veranlaßt sah.135 In einem kurzen Schreiben an Schindler, welches in diese Zeit (vielleicht in die letzten Apriltage) gehört, äußert er sich so:136


»Wenn etwas zu berichten, so schreiben Sie, machen jedoch ein Siegel darauf, weswegen obladen u. Petschaft auf dem Tische steht –

Schreiben Sie auf, wo Duport wohnt, wann er gewöhnlich zu sprechen, ob man mit ihm allein sprechen, und wenn Menschen zugegen – welche? – ich befinde mich nicht wohl Portez vous bien – ich überlege noch ob ich mit Duport selb. spreche oder ob ich ihm schreibe, welches nicht ohne eine Bitterkeit hergehen wird –

[83] Warten Sie ja nicht auf dem Essen, lassen sie sichs wohl schmecken, ich komme nicht, ich bin von unserer gestrigen schlechten Kost krank.

[Außenseite] Ein Seitel Wein steht da für Sie.«


Schindler bemerkt zu diesem Schreiben, daß es aus der Zeit der Verhandlung mit Duport 1824 stamme und sich auf die bevorstehende Aufführung beziehe, und fügt hinzu: »Der an Duport endlich geschriebene Brief hat diesen Fuchs scheinbar ganz außer sich gebracht, er schrieb an Beethoven, dieser wolle den Brief noch einmal schreiben, jedoch an jemand andern adressiren, er (Duport) werde ihn dann zum Vorteil Beethovens benutzen können. Beethoven that, wie D. wünschte, setzte jedoch noch äußerst scharfe Ausdrücke, auch Duport betreffend hinzu und adressirte an mich. Ich übergab selber an Duport diese seltsame Epistel, er äußerte sich damit zufrieden, selbst die ihn betreffenden Hiebe fand er wohl interessant. Wirkung aber? Keine! Dieser Brief existirt in Wien, in wessen Händen?« Das fragen wir auch heute noch.

Die Vermutung aber darf geäußert werden, daß eine Äußerung Schindlers im Konversationsheft, gerade aus diesen letzten Tagen vor dem Konzerte, mit diesem Brief zusammenhängt. Um den ersten Mai schreibt Schindler: »Der gestrige Brief hat D. ganz entsetzlich afficirt. Er fühlte sich sehr gekränkt dadurch, allein, ›weil is 1. Abteilung [Künstler] muß man nicht übel nehmen.‹ Den Dienstag hat er also gleich geben wollen, allein nur mit einer großen Probe, weil das Theater nur 1 Tag frei sein kann.« Dienstag war der 4. Mai, um welchen eventuell schon anfangs gebeten war; wir wissen, daß es noch einige Tage (bis zum 7.) hinausgeschoben wurde, und daß zwei Gesamtproben bewilligt wurden (Schindler II S. 72). Also der Tag und die Zahl der Proben war es, um das es sich damals zwischen Beethoven und Duport handelte.137

Ein anderes Bedenken war die Festsetzung der Preise; darüber geben uns die Zeilen Beethovens Aufschluß, welche Schindler (II S. 69) aus einem Briefe, den wir im übrigen nicht kennen, aufbewahrt hat. »Ich bin nach dem sechswöchentlichen Hin- und Herreden schon gekocht, gesotten und gebraten. Was soll endlich werden aus dem vielbesprochenen Conzert, wenn die Preise nicht erhöht werden? Was soll mir bleiben nach so viel Unkosten, da die Copiatur allein schon soviel kostet? usw.« [84] Dafür will sich auch Duport höheren Orts verwenden; nachher schreibt Schindler: »Der Polizei-Minister soll es nicht zugegeben haben, daß sie erhöht würden. – Der steckt seine Nase in alles, was ihn auch nichts angeht.« Wenn wir dies, wie wohl natürlich, auf die Preise beziehen, so trifft also in diesem Punkte Duport keine Schuld.

Für Chor und Orchester hatte er nun weitere wesentliche Schwierigkeiten nicht. Der erstere wurde durch Kräfte von der Gesellschaft der Musikfreunde verstärkt. Die Vorproben leitete Dirzka, der Chordirektor des Kärnthnerthortheaters. Für das Orchester sorgte Schuppanzigh; die Orchestermitglieder waren sehr willig, auch hinsichtlich der Mitwirkung bei den Vorproben. »Gefreut hat es mich doch,« sagt Schindler im Konversationsheft, »daß mehrere von den Bläsern im Kärnthnerthor erklärten, daß sie für die Probe Morgen nichts nehmen. – Sie sagten ausdrücklich, für Beeth (oven) alles.«

Die Bestimmung der Solisten war bis zuletzt Schwankungen unterworfen; Beethoven erhielt die mannigfachsten Ratschläge, wie die Konversationen ergeben. Die Beratung hierüber gehen noch in die frühere Zeit der Pläne wegen des Konzerts zurück. Für das Altsolo war früh Caroline Unger (vom Hoftheater) gewonnen, welche sich auch mit Freuden bereit erklärt hatte (sie war eine große Verehrerin Beethovens);138 als Sopranistin die noch junge, sehr beliebte Henriette Sonntag, welcher die auch zur Sprache gebrachte Frau Therese Grünbaum weichen mußte.139 Die beiden Sängerinnen Ungar und Sonntag, die »schönen Hexen«, wie er sie nannte, hatte Beethoven einmal zu sich zu Tisch eingeladen; das war vermutlich noch im März. Wir widerstehen der Versuchung, über ihre Unterhaltung, von der das Konversationsbuch Kunde gibt, hier Näheres mitzuteilen, da wir weiter eilen müssen. Als Tenorist wurde Anton Haitzinger vom Wiedner Theater gewählt, der sich auch der Sache gewachsen erwies; man hatte dem Meister anfangs Jäger als besser genannt, der aber am Kärthnerthor aus Rücksicht auf die dortigen Sänger nicht singen wollte. Für die Baßpartie schwankte man zwischen [85] Forti und Preisinger; der letztere galt aber als musikalischer und für Beethovens Musik geeigneter; er wirkte bis in die ersten Proben mit. Es fehlten ihm aber bei seinem schönen tiefen Baß die hohen Töne, die schon in dem ersten Rezitativ (»O Freunde«) der Symphonie verlangt werden, und Beethoven hatte sich schon bereit gefunden, zu seinen Gunsten eine Änderung eintreten zu lassen; da diese sich nicht als ausreichend erwies und man nicht wohl auf Forti zurückgreifen konnte, so trat noch zuletzt der »stark näselnde« Seipelt vom Wiedener Theater an seine Stelle.

Das Programm des Konzerts haben wir unten noch mitzuteilen; dasselbe war schon in der früheren Zeit der Erwägungen besprochen worden, wobei besonders Schuppanzigh sich beteiligte, während auch Bruder und Neffe mit ihren unberufenen Ratschlägen nicht fehlen. Es war natürlich vor allem auf die beiden neuen großen Werke, Messe und Symphonie, abgesehen, denen die Ouvertüre in C (Op. 124) vorhergehen sollte. Die Ouvertüre befand sich noch in den Händen Henslers, des Direktors des Josephstädter Theaters; von ihm sie sich zu erbitten, wird Beethoven in den Konversationen wiederholt aufgefordert, damit es nicht zu spät werde. Darauf bezieht sich der kurze Brief Beethovens an Hensler, den Frimmel (Neue Beeth. S. 138) mitgeteilt hat.140 Mit Rücksicht auf die voraussichtlich lange Dauer des Konzerts entschloß sich Beethoven zunächst, das Gloria aufzugeben, dann, nachdem die Vorproben schon begonnen hatten, auch das Sanctus.141 Beethoven sollte, meinte der Bruder, noch eine Arie oder ein Duett dazu schreiben, wozu er auch bereit zu sein scheint; natürlich wurde daraus nichts.

Viel Zeit und Aufwand machte noch die Abschrift und Durchsicht der Stimmen, wobei eine größere Anzahl von Kopisten herangezogen werden mußte.142 Mehrere derselben arbeiteten in ihren Wohnungen,[86] weil sie dort früher an die Arbeit kamen und Beethoven ihnen zu weit wohnte; andere bei Beethoven selbst, was ihm natürlich lieber war, da er seine Manuskripte ungern weggab. T. Haslinger riet ihm, wie Schuppanzigh ihm in einer Unterhaltung an öffentlichem Orte erzählte, die Chorstimmen stechen zu lassen; da nimmt Beethoven entrüstet den Bleistift und schreibt selbst hin: »Sprecht nichts von Stechen der Messe ich schicke sie so fort.« Doch scheint er einverstanden gewesen zu sein, daß die Stimmen lithographiert würden. – Auch Geigeninstrumente waren noch zu beschaffen (es ist nicht ganz klar, ob zur ersten oder zur zweiten Akademie), wegen deren sich Beethoven an Rzehaczek wandte.143

Noch eine Schwierigkeit war zu überwinden, nämlich die Erlaubnis zur Aufführung der Messe zu erwerben, welche die geistliche Behörde und mit Rücksicht auf diese die Zensur im Theater nicht wollte. Schon im April, als das Theater an der Wien noch für das Konzert in Aussicht genommen war, hatte man ihn darauf aufmerksam gemacht. Er schrieb daher an den Zensor Sartorius:144


»Euer Wohlgeboren


Indem ich höre, daß es Schwierigkeiten verursachen werde, einige Kirchenstücke Abends in einer Akademie an der Wien zu geben, von Seite der k. k. Censur, so kann ich nicht anders als Ihnen sagen, daß ich hiezu aufgefordert worden bin, daß schon alles hiezu abgeschrieben und beträchtliche Kosten verursacht hat und die Zeit zu kurz andere neue Werke zum Vorschein kommen zu machen. – Übrigens werden nur drei Kirchenstücke und zwar unter dem Titel Hymnen aufgeführt werden ich ersuche E. W. dringend sich [87] um diese Angelegenheit anzunehmen da man ohnehin bei jedem Unternehmen der Art mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, sollte die Erlaubnis hiezu nicht gestattet werden, so kann ich versichern daß es nicht möglich sein wird eine Akademie zu geben und die ganzen Copiatur Kosten für nichts ausgelegt worden, ich hoffe sie erinnern sich noch meiner


Euer Wohlgeboren

mit Achtung ergebenster

Beethoven.«


Diese Sache ging nicht rasch von statten; noch in letzter Stunde mußte durch Vermittlung Lichnowskys Rekurs an den Polizei-Präsidenten Grafen Sedlnitzky ergriffen werden (Schindler II S. 63), worauf dann die Aufführung gestattet wurde.

Um hier das Äußerliche soweit nötig zu erledigen, sei noch erwähnt, daß auch die Frage des Anschlagszettels mit Beethoven besprochen wurde. Es kam darauf an, ob man seinem Namen einen Titel beifügen solle. Schindler sagt in den Tagen der Proben:


»Meister! Höre! ich sag Euch etwas und folgt mir – wie soll ich den Zettel drucken lassen (denn das geschieht schon heute) soll ich dazu setzen: Mitglied der Königl. Akademie zu Stockholm u. Amsterdam: Erklären Sie sich ganz kurz. – Welch großer Titel!!!« Da erwidert denn Schuppanzigh die Beethovens viel würdigeren Worte: »Ich bin nicht dafür: Beethoven ist Dictator und Präsident aller Akademien der Welt und gescheite Menschen werden diese Titel für eine Eitelkeit ansehen.« Schindler stimmt ihm im Prinzip bei: – »Mylord hat nicht Unrecht. Denn das wird später ohnehin durch die letzten Blätter bekannt gemacht werden. Der Nahme Beethoven prangt ohne allen Zusatz am allerhellsten und am aller anspruchlosesten; es ist ja aller Welt kund was und wer Sie sind. Ihren Nachkommen frommt dies nichts – wer weiß wie die Zeiten später sind.« – – Dann aber wieder gegen Schuppanzigh: »Mylord spricht wieder mit vollen Backen von [Ihnen, u. das ist dummes Zeugs. Ich habe ihm verwiesen. – Ich muß mich nun empfehlen, denn ich muß zu D. um den Zettel noch für morgen in Ordnung zu bringen. – Es ist schon halb 6 Uhr.« Kurz vorher, auch in der Zeit der Proben, hatte Schindler geschrieben: »Also steht es morgen schon auf dem Zettel Mitglied der Königl. Akademien zu Stockholm u. Amsterdam. Nichts mehr. So klingts am besten. – Es müßte dann heißen: der Künste u. Wissenschaften. – Wenn man aber sagt, der Königl. Akad. so versteht man schon das Epitheton: Künste und Wissenschaften.«


Diese Unterhaltungen fanden vermutlich zwei Tage vor dem Konzert statt; sie scheinen zu zeigen, daß Beethoven in aller Ruhe auf die Frage einging, wenn sie auch schließlich zu keinem positiven Ergebnisse führte. Nach der Erzählung Schindlers (S. 75) hatte Bernard in der Anzeige für die öffentlichen Blätter dem Namen Beethovens hinzugesetzt [88] »Ehrenmitglied der königl. Akademien der Künste und Wissenschaften zu Stockholm und Amsterdam, auch Ehrenbürger der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien« und erfuhr dafür von Beethoven bittere Vorwürfe, der »solch einfältiges, ihn lächerlich machendes Spielzeug« nicht in den Anschlagzettel haben wollte. In einem Programm des zweiten Konzertes, welches O. Jahn aus der Fuchsschen Sammlung kopierte, steht allerdings auch dieser Zusatz, er ist aber auf dem Anschlagszettel (vgl. S. 96) weggeblieben. Das ist dann wohl nach Beethovens Willen geschehen, wenn wir auch die Bemerkung über die heftigen Vorwürfe gegen Bernard mit etwas Zweifel begleiten, da Beethoven mit seinen Freunden, von denen wohl Bernard die Anregung hatte, die Sache besprochen hatte und, wie es scheint, von Haus aus nicht dagegen gewesen war.

Die Proben konnten beginnen; außer den Vorproben fanden nach Schindler zwei Gesamtproben statt. Mit dem Fortgange der Chorproben war Dirzka zufrieden; Quartettproben hielt Schuppanzigh (der Absicht nach im Probezimmer des Redoutensaales) ab. Die Solistinnen hatten besondere Proben am Klavier auf Beethovens Zimmer; auch der Hauptleiter Umlauf nahm sich ihrer an; es wurde ihnen, die an Rossinische Musik gewöhnt waren, nicht leicht und sie wünschten an verschiedenen Stellen Abänderungen, besonders im letzten Satz der Symphonie. Beethoven blieb bei den meisten Wünschen unerbittlich. Die Unger wurde energisch und nannte ihn einen Tyrannen aller Singorgane.145 Die hohen Chorstellen imCredo, wo der Sopran auf 1. Abteilung das Fugenthema einsetzt, wünschte auch der Chordirektor abgeändert, und Umlauf schloß sich dem an; Beethoven aber willigte in nichts, alles mußte sich seiner musikalischen Idee unterordnen. Die Sänger, erzählt Schindler, halfen sich selbst, und jene, welche die Höhe nicht erreichen konnten, schwiegen einfach; ähnlich machten sich die Solisten Erleichterungen, Beethoven hörte es ja nicht. Nur für den Bassisten Preisinger willigt er in eine kleine Abänderung des Rezitativs »O Freunde«146, das genügte aber nicht, um ihn vor Erlahmung seines Organs zu schützen, man konnte Forti nicht wohl nachträglich engagieren, und so übernahm Seipelt nach einer einzigen Probe das Solo.147

[89] Die Hauptproben, deren Duport zwei bewilligt hatte, brachten den Mitwirkenden und denen, die etwa dabei zuhörten, schon die Größe der neuen Werke zum Bewußtsein. Die Generalprobe war Donnerstag den 6. Mai. »Bei der Probe des Kyrie« erzählte K. Holz an O. Jahn, »war B. ganz aufgelöst in Andacht und Rührung.« Nach der Probe der neunten Symphonie, erzählte Al. Fuchs, stellte Beethoven sich in die Tür und umarmte alle Dilettanten, die Teil genommen.

Der Tag der Aufführung, der 7. Mai 1824, war herangekommen. Die Ankündigung lautete folgendermaßen148:


»Große

musikalische Akademie

von

– Herrn L. v. Beethoven

welche

morgen am 7. May 1824

im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore

abgehalten wird.


Die dabei vorkommenden Musikstücke sind die neuesten Werke des Herrn Ludwig van Beethoven.

Erstens. Große Ouvertüre.149

Zweitens. Drei große Hymnen mit Solo- u. Chorstimmen.

Drittens. Große Symphonie mit im Finale eintretenden Solo- u.


Chorstimmen auf Schillers Lied an die Freude.


Die Solo Stimmen werden die Delles Sonntag u. Unger u. d. Herren Haizinger u. Seipelt vortragen. Herr Schuppanzigh hat die Direktion des Orchesters, Herr Kapellmeister Umlauf die Leitung des Ganzen und der Musik Verein die Verstärkung des Chors und Orchesters aus Gefälligkeit übernommen.

Herr Ludwig van Beethoven selbst wird an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen.150


Die Eintrittspreise sind wie gewöhnlich.

Anfang 7 Uhr Abends.«


[90] Das Haus war, wie Schindler berichtet, überfüllt, nur die kaiserliche Loge blieb leer; Beethoven hatte die Mitglieder der kaiserlichen Familie persönlich eingeladen, wie auch andere hohe Personen der Residenz. Kaiser und Kaiserin hatten wenige Tage vorher Wien verlassen. Erzherzog Rudolph, der sich für die Sache interessiert hatte, war in Olmütz. Im übrigen war der Zudrang außerordentlich groß;151 Beethovens Freunde und Verehrer waren gewiß alle anwesend. Genannt werden in den Unterhaltungen ausdrücklich Beethovens innige Verehrer Wolfmayer, Seyfried, die Familie Giannatasio; der alte Freund Zmeskall, von dem wir in dieser Zeit wenig hören, ließ sich in einer Sänfte ins Theater tragen. Unter den Mitwirkenden befanden sich die ersten Künstler: Mayseder, Böhm, Jansa, Linke usw.152 Neben dem großen Eindrucke, den die Verehrer des Meisters erfuhren, verhehlten sich doch andere nicht die Folgen der raschen Einübung so schwieriger Kompositionen; nach einem übrigens begeisterten Berichte der Allg. Musik. Ztg. (vgl. Schindler II S. 71) war es durch die Schwierigkeit der Werke bei einer so geringen Zahl von Proben keine genugsam abgerundete Produktion; es fehlte imponierende Gesamtkraft, richtige Verteilung von Licht und Schatten, Sicherheit der Intonation und nuancierter Vortrag. So mögen manche kritische Stimmen laut geworden sein; es ist kaum anzunehmen, daß die Größe und Eigenart der neuen Werke den Hörern so rasch nach einer Aufführung aufgegangen wäre. Bei allen war die Wirkung eine mächtige und der Beifall enthusiastisch; leider bemerkte ihn der taube Meister nicht, da er beim Schlusse der Aufführung153 dem Publikum den Rücken zukehrte. Da wendete ihn Caroline Unger dem Proszenium zu, er verbeugte sich, und nun brach ein Beifallssturm aus, wie man ihn in den Räumen kaum gehört hatte. Begeistert schrieb der Sammler am 13. Mai:


»Es war ein Festabend für die zahlreichen Freunde des Hochgefeierten... Wenn man sein Haupt betrachtete, vom tiefen Studium der Geheimnisse der Kunst vor der Zeit gebleicht (Beethoven zählt erst 52 Jahre), wenn man dann die Fülle der vor uns ausgebreiteten Tonmassen, die jugendliche Kraft, [91] das ewige Feuer seiner Schöpfungen anstaunte, so stand unwillkürlich das Bild eines Vulkans vor der Seele, dessen Scheitel mit Schnee bedeckt ist, während das Innere in unerschöpflicher Thätigkeit sich neu zu gebären scheint....«


Auch in seiner engeren Umgebung hörte Beethoven davon. Bei dem Zusammensein nach dem Konzert sagte ihm Schindler:


»Ich habe nie im Leben einen so wüthenden und doch herzlichen Applaus gehört als heute. – Der 2te Satz der Symph. wurde einmal ganz vom Beyfall unterbrochen – u. hätte wiederholt werden sollen. – Der Empfang war mehr als kaiserlich....«, und am folgenden Tage: »Das ganze Volk ist gedrückt, zertrümmert über die Größe Ihrer Werke. – Diese Academie würde Ihnen in Paris und London gewiß 12 bis 15 Tausend Gulden eingebracht haben. Hier mögen es so viele hunderte sein. – Sie müssen doch seit gestern nur zu deutlich einsehen, daß Sie Ihren Vortheil mit Füßen treten, wenn Sie noch länger hier in diesen Mauern bleiben. Kurz, ich habe keine Worte, wie ich Ihr Unrecht gegen sich selbst fühle, auszudrücken. Wenn Karl zu Mittag nach Hause kommt, so seyen Sie so gütig, ihn nach den Collegien, also um 5 Uhr, in die Cassa zu bestellen, wo ich ihn erwarte. In seiner Gegenwart wird die Cassa abgeschlossen, u. er empfängt das Geld. – So hole [ich] ihn um 5 Uhr auf der Universität ab. – Haben Sie sich denn schon wieder erholt, von der gestrigen Anstrengung?«


Der Vollständigkeit wegen lassen wir noch zwei andere Stimmen zu Worte kommen. Im Jahre 1860 erzählte Thalberg in Paris Thayer, daß er in dem Konzerte 1824 im Kärnthnerthortheater gewesen sei. Beethoven war bekleidet mit einem schwarzen Fracke, weißer Halsbinde und Weste, kurzen schwarzen Beinkleidern aus Satin, schwarzen seidenen Strümpfen, Schuhen mit Schnallen. Thalberg sah, wie Beethoven nach dem Scherzo der neunten Symphonie da stand und die Blätter seiner Partitur umwandte, vollständig taub gegen den ungeheuren Beifall, und wie ihn die Unger am Ärmel zog und auf die Zuhörerschaft wies, worauf er sich umwandte und verbeugte. Umlauf habe erzählt, daß Chor und Orchester nicht die geringste Aufmerksamkeit auf Beethovens Taktschlagen richteten, sondern alle auf ihn (Umlauf) achteten. Konradin Kreutzer habe am Klavier gesessen.154

Der Violinspieler Böhm erzählte in seinen spätern Jahren seinen Gästen über seinen Verkehr mit Beethoven und kam dabei auf dieses Konzert zu sprechen;155 er begeht dabei auch Irrtümer und schreibt sich [92] bei Einrichtung der Sache einen Anteil zu, der ihm nach den andern Nachrichten nicht zukommt. Dann fährt er fort:


»Man studirte mit dem Fleiße und der Gewissenhaftigkeit die ein so riesiges und schwieriges Tonstück [die 9. Symphonie] erheischte. Es kam zur Production. Ein glänzendes, äußerst zahlreiches Auditorium lauschte mit gespanntester Aufmerksamkeit und spendete enthusiastischen rauschenden Beifall. Beethoven dirigirte selbst, d.h. er stand vor einem Dirigentenpulte und fuhr wie ein Wahnsinniger hin und her. Bald streckte er sich hoch empor, bald kauerte er bis zur Erde, er schlug mit Händen und Füßen herum als wollte er allein die sämtlichen Instrumente spielen, den ganzen Chor singen. – Die eigentliche Leitung war in Duports156 Hand, wir Musiker sahen bloß auf dessen Taktstock. – Beethoven war so aufgeregt, daß er nichts sah, was um ihn vorging, daß er auf den Beifallssturm, den er freilich bei seiner Gehörschwäche kaum hören konnte, auch nicht einmal achtete. – Man mußte es ihm immer sagen, wenn es an der Zeit war, dem Publikum für den gespendeten Beifall zu danken, was Beethoven in linkischster Weise that. – Beethoven feierte einen großartigen Triumph, doch konnte auch dieser ihm nur vorübergehend genügen und erheitern! Seine Taubheit machte ihn höchst unglücklich, der Trübsinn, der ihn befangen hielt, wich nicht mehr von ihm. – Es war ein trauriges, herzzerreißendes Bild, diesen großen Geist so der Welt abgekehrt, verschlossen, mißtrauisch und in seiner Häuslichkeit vernachlässigt zu sehen.«


Der pekuniäre Erfolg der Akademie blieb weit unter Beethovens Erwartungen. Schindler, der ja bei dem Ganzen beteiligt war, berichtet, daß die Bruttoeinnahme 2200 Gulden W. W. betragen habe, daß aber nach Abzug der Kosten für die Administration und für das Kopieren Beethoven nur 420 Gulden übrig geblieben seien, wovon auch noch Kleineres zu bestreiten blieb. Er – Schindler – und Joseph Hüttenbrenner hatten den erschöpften Meister nach Hause gebracht. Schindler überreicht ihm den Kassenrapport, bei dessen Anblick Beethoven ohnmächtig zusammenbricht. Sie bringen ihn aufs Sofa und verweilen lange bei ihm; er spricht nicht mehr und verlangt auch nicht nach Speise; endlich, da sie sehen, daß er eingeschlafen, entfernen sie sich. Am Morgen finden ihn die Dienstleute noch in der Konzerttoilette. Thayer hat in seinem Handexemplar seinem Zweifel an der Richtigkeit dieser Erzählung Schindlers Ausdruck gegeben; auch wir haben schon bemerken müssen, daß in dieser Sache nicht alle Mitteilungen Schindlers unbedingten Glauben verdienen. Der Abschluß der Kasse fand nach den Unterhaltungen (s. oben) erst am Tage nach dem Konzerte statt; an diesem fragt ihn auch Schindler, [93] ob er sich von der gestrigen Anstrengung wieder erholt habe, wobei man außer der Akademie auch an das Zusammensein nach dem Konzert denken kann. Daß ein ihm bis dahin unbekannter Mann, Hüttenbrenner, so intim sich um ihn beschäftigte, ist auffallend; doch können wir uns immerhin denken, daß er nach dem Zusammensein mit unter seinen Begleitern war.157 Daß aber Beethoven von dem Ergebnisse aufs Peinlichste überrascht war, ist natürlich, er hat dem noch in anderer, weit unfreundlicherer Form Ausdruck gegeben. Schindler (II S. 88) erzählt uns folgenden Vorfall, dessen Augenzeuge er selbst gewesen. Kurz nach der Akademie158 hatte Beethoven die treuesten Helfer bei seinem Unternehmen, Umlauf, Schuppanzigh und Schindler, zu einem Mahle im Prater eingeladen. Er erschien mit seinem Neffen in übler Laune und »benahm sich kalt, bissig und krittlich in allen seinen Worten«. Bald nachdem man Platz genommen, brachte er das Gespräch auf den pekuniären Erfolg der Akademie und erklärte ohne Umschweife, »daß er dabei von Duport in Gemeinschaft mit Schindler betrogen worden sei.« Umlauf und Schuppanzigh bemühten sich ihm die Unmöglichkeit irgend eines Betrugs damit zu beweisen, daß jedes Geldstück durch die Hände der beiden Theater-Kassierer gegangen, die Rapporte genau übereinstimmten, überdies noch sein Neffe zufolge Auftrags des Bruders Apotheker den Kassierern gegen alle Sitte als Kontroleur zur Seite bleiben mußte. Beethoven verblieb jedoch bei seiner Beschuldigung mit dem Zusatze, »er sei von dem statt gefundenen Betrug von zuverlässiger Seite benachrichtigt«.159 Bei diesen Kränkungen entfernten sich Umlauf, Schindler und Schuppanzigh und fanden sich in einem Gasthause der Leopoldstraße zur Fortsetzung des unterbrochenen Mahles wieder zusammen, indem sie Beethoven mit dem Neffen allein ließen. In den Verkehr mit Schindler brachte dieser Vorfall eine empfindliche Störung. Schindler scheint sich dann später [94] über die kränkenden unverdienten Vorwürfe beschwert zu haben; auch wird sich Beethoven selbst von dem Ungrunde seiner Beschuldigungen überzeugt haben. Er sandte, noch vor der zweiten Akademie, folgenden Brief an Schindler:160


»Ich beschuldige sie nichts schlechten bei der Akademie, aber Unklugheit u. eigenmächtiges Handeln hat manches verdorben, überhaupt aber habe ich eine gewisse Furcht vor ihnen, daß mir einmal ein großes unglück durch Sie bevorsteht. – Verstopte Schleusen öfnen sich öfters plözlich u. den Tag im Prater glaubte [ich] mich in manchen Stücken sehr empfindlich angegriffen von ihnen; – überhaupt würde ich eher ihre Dienste, die Sie mir erweisen, gern öfter mit einem kleinen Geschenk zu vergüten suchen, als mit dem Tische, denn ich gestehe es, es stört mich zu sehr in so vielem, sehen sie kein heiteres Gesicht so heißt es ›heut war wieder übles Wetter‹ denn bey ihrer gewöhnlichkeit, wie wäre es ihnen mögl. das ungewöhnliche nicht zu verkennen?!

Kurzum ich liebe meine Freyheit zu sehr, es wird nicht fehlen sie manchmal einzuladen für beständig ist dies aber unmögl., da meine ganze Ordnung hiedurch gestört wird. – –

Duport hat künftigen Dienstag zur Akademie zugesagt, denn in dem landständischen Saal den ich morgen abends hätte haben können, gibt er die Sänger wieder nicht, auf die Polizei hat er sich auch wieder berufen, gehen Sie daher gefälligst mit dem Zettel und hören ob man nichts dagen [dagegen] das 2te mal hat – umsonst hätte ich nimmermehr diese mir erwiesenen Gefälligkeiten angenommen und werde es auch nicht. Was Freundschaft betrifft so ist dies eine schwierige Aufgabe mit ihnen. Mein Wohl möchte ich ihnen auf keinen Fall anvertrauen, da es ihnen an Überlegung fehlt, und sie eigenmächtig handeln, und ich sie selbst früher schon auf eine nachtheilige Weise für sie kennen lernte, sowie andere auch; – ich gestehe es, die reinigkeit meines Karakters läßt es nicht zu, bloß ihre Gefälligkeiten für mich durch freundschaft zu vergelten, ob ich schon bereit bin, ihnen gern zu dienen, wasihr Wohl betrift


B–n.«


Der Brief enthält trotz des unfreundlichen Tons und der Ablehnung eigentlicher Freundschaft doch Äußerungen, welche die Absicht einer Entschuldigung erkennen lassen; zu dieser passen die unfreundlichen Worte nicht recht. Daß wir von dem Briefe und den vorausgehenden Ereignissen nur mit dem tiefsten Bedauern Kenntnis nehmen, darüber bedarf es wohl keines Wortes. In demselben Atem sagt er Schindler die bittersten Dinge und nimmt doch seine Dienste wieder in Anspruch; die Schuld an Schwierigkeiten, die er selbst nicht hatte überwinden können, schiebt er auf diesen ihm nun einmal unsympathischen Mann, der ihm wohl durch seine Zudringlichkeit mitunter lästig fallen mochte, der ihm [95] aber in uneigennütziger, oft aufopfernder Weise fortgesetzt zur Hand war. Das kann unsere Sympathie nicht erregen. So tief auch in seinem Innern das Gefühl für das Gute und Edle lebte, in seinem alltäglichen Leben hatten Bedrängnisse und körperliche Leiden jenes Mißtrauen erzeugt, jene Zügellosigkeit im Verfolgen unmutiger und verdrießlicher Stimmungen hervorgerufen, die er nicht zu beherrschen verstand. In seinem an sich ja berechtigten starken Selbstgefühl, dem Erfülltsein von seinem persönlichen Interesse achtete er die in seiner Umgebung lebenden Menschen nicht genug, gab dem Verdachte und den Einflüsterungen anderer zu willig Gehör und scheute sogar vor Ehrenkränkungen nicht zurück. »Leichtgläubig, unerfahren, mißtrauisch, wie er war, hatten elende Menschen immer leichtes Spiel, jeden aus seinem Kreise anzuschwärzen; und solche Kreaturen waren außer seinen Brüdern fortan um ihn geschäftig.« Diese Worte Schindlers (II S. 88) mögen Übertreibung enthalten, zumal es ein selbst Gekränkter ist, der sie ausspricht; ganz unberechtigt sind sie nicht. Wir wollen nicht zu lange bei diesen trüben Bildern verweilen. –

Daß es nicht bei der einen Akademie bleiben sollte, hatte man schon früher in Aussicht genommen; jetzt nach der ersten wurde, allgemeinem Wunsche entsprechend, eine zweite bestimmt ins Auge gefaßt und zwar für einen möglichst baldigen Termin. Nach Schindler (II S. 73) wäre die Anregung von Duport ausgegangen; er habe eine Garantie von 1200 G. W. W. zugesagt, die Bestreitung der Kosten übernommen, der Überschuß der Einnahme sollte in die Administrationskasse zurückfließen; dabei wurde eine teilweise Abänderung des Programms gewünscht. Aus dem obigen Briefe ersehen wir, daß allerdings wieder mit Duport verhandelt wurde, ob aber von ihm die Initiative kam, erscheint zweifelhaft, da Beethoven auch von einem andern Saale spricht.

Die Wiederholung der Akademie fand am Sonntag den 23. Mai und zwar in der Mittagsstunde statt. Hier der Anschlagzettel:161


»Große musikalische Akademie, von

Herrn Ludwig van Beethoven,

worin die Herren David, Donizetti, Botticelli und Mad. Dardanelli singen werden, und welche Sonntag den 23. May 1824, im K. K. großen Redouten-Saale, um die Mittagsstunde abgehalten wird.


[96] Die dabey vorkommenden Musikstücke sind die neuesten Werke des Herrn Ludwig van Beethoven.

Erstens: Große Ouverture.

Zweitens: Neues Terzett, componirt von Herrn Ludwig van Beethoven162

gesungen von Mad. Dardanelli, Herrn Donzelli und Botticelli.

Drittens: Große Hymne163, gesungen von Dlles. Sontag, Unger, Herrn Haizinger, Seipelt und sämmtlichem Chorpersonale.

Viertens: Arie: Di tanti palpiti, gesungen von Herrn David.

Fünftens: Große Symphonie, mit im Finale eintretenden Solo- und Chor-Stimmen auf Schillers Lied, an die Freude.

Herr Schuppanzigh hat die Direction des Orchesters, Herr Kapellmeister Umlauf die Leitung des Ganzen und der Musik-Verein die Verstärkung des Chors und Orchesters aus Gefälligkeit übernommen.

Herr Ludwig van Beethoven wird an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen.

Der Eintritt in den Saal ist 1 Gulden, auf die Gallerie 2 Gulden C. M.

Eintrittskarten sind an der Theatercasse, Kärnthnerstraße No. 1038, im Eckhause beim Kärnthnerthore, im ersten Stocke, zu den gewöhnlichen Amtsstunden, am Tage der Akademie selbst aber Vormittag um 11 Uhr bey der Casse am Eingange des Saals zu haben.

Der Anfang ist um halb 1 Uhr.«


Es wurden also einige gefeierte Mitglieder der italienischen Oper herangezogen, von denen der Tenorist David die Rossinische Arie fast durchweg mit Falsettstimme sang, eine Parodie auf das ernste Konzert, die Beethoven zum Glück nicht hörte (Schindler). Sonst fehlen uns Nachrichten über die Ausführung und den Eindruck dieses Konzerts. Nachdem beide Konzerte vorüber waren, schrieb Karl Czerny am 8. Juni folgendes an Pixis in Paris:164


»Keine bedeutendere musikalische Neuigkeit aus unserm guten lieben Wien könnte ich Ihnen in diesem Augenblicke wohl nicht schreiben, als daß Beethoven endlich sein langerwartetes Concert wiederholt gab, und auf die frappanteste Art Jeden überraschte, welcher fürchtete, daß nach zehnjähriger Gehörlosigkeit nur noch trockne, abstrakte, fantasieleere Sätze hervorgebracht werden könnten. – Seine neue Sinfonie athmet größtentheils einen so frischen, lebendigen, ja jugendlichen Geist, so viel Kraft, Neuheit und Schönheit, als je etwas aus dem Kopfe dieses originellen Mannes; obschon er freilich manchmal die bejahrteren Perücken auch zum Schütteln verleitet.«


Unter den Personen, denen Billetts zu schicken waren, war Tobias Haslinger vergessen worden. Er scheint sich darüber aufgehalten zu [97] haben, daß das von ihm später verlegte Terzett (es war längst in seinem Besitze) als ein neues Werk bezeichnet worden war. Darauf bezieht sich ein zuerst von Nottebohm165 veröffentlichter Brief Beethovens:


»Lieber Freund! Sie würden mir wahrhaftig großes Unrecht thun, wenn Sie glaubten, daß ich aus Nachlässigkeit ihnen keine Billete geschickt habe, ich habe wohl daran gedacht, es ist wie so manches andere vergessen worden, ich hoffe daß eine andere Gelegenheit kommen wird, wo ich ihnen meine Denkungsart in Rücksicht ihrer zeigen kann. – Alles was übrigens Duport gethan hat, daran bin ich gänzlich unschuldig, so, wie er das terzett auch für neu ausgegeben, nicht ich – sie kennen meine Wahrheitsliebe zu sehr, jetzt aber ists besser, davon zu schweigen, indem nicht jeder die Lage der Sache weiß, und ich unschuldig verkannt werde. – Nach den übrigen Anträgen Duports frage ich gar nichts, da ich nur Zeit und Geld verlohren habe bei dieser Art Akad.


eiligst ihr Freund

Beethoven.


Pour Mr. de Haslinger géneral musicien et géneral lieutenant166


Nach Schindler (S. 74) war das zweite Konzert infolge der schönen Jahreszeit nur mäßig besucht,167 die Kasse hatte ein Defizit von 800 Gulden W. W., auch der Beifall entsprach der Erwartung nicht. Beethoven, gekränkt durch den Mißerfolg, wollte die garantierten 500 Gulden nicht annehmen und konnte nur durch eindringliche Vorstellungen dazu bewogen werden.

Einen ausführlichen und begeisterten Bericht über beide Akademien und Beethovens Kunst überhaupt brachte F. A. Ka nue in der Wiener Allg. Musik. Ztg. von 1824 Nr. 38, 40 und 44 (6. 9. 16. Juni), für jene Zeit von großem Interesse, wenngleich wir heutzutage nichts mehr von besonderer Bedeutung daraus entnehmen können. Er empfing einen großen Eindruck, verkannte aber z.B. beim Finale der Symphonie nicht die Schwierigkeit der Auffassung und beklagt mit Rücksicht auf einzelne Unebenheiten z.B. in den Chören der Messe die zu geringe Zahl der Proben. Diesem Umstande sowie ihrer sonstigen Gewöhnung an den[98] Opernstil schrieb er es auch zu, daß den Solisten ihre Aufgabe nicht immer gelang; am meisten genügte ihm Seipelt. Den beiden Leitern Umlauf und Schuppanzigh wird gebührendes Lob gezollt; auch die italienischen Sänger erhebt er in hohem Grade; das »in jeder Hinsicht schön componirte Terzett« war ein Glanzpunkt des Konzerts. »Auch Sign. David«, heißt es, »trat in einer sowohl ihm, als auch uns gar zu wohlbekannten Arie auf, und entwickelte seine Fertigkeit und künstliche Trillerketten.« Kanne sagt dann zum Schluß:


»Der berühmte Beethoven kann diesen Tag als einen seiner schönsten im Leben betrachten, denn der Enthusiasmus der Zuhörer erreichte nach jedem Tonstück von seiner Meisterhand den höchsten denkbaren Grad. – Es war ein Tag der Feyer für alle wahren Freunde der Musik.« –


Dieser Artikel ist noch in anderer Beziehung für uns wichtig, weil er uns mit einem neuen Bildnis Beethovens in Verbindung bringt. Der ersten Nummer (38) der Wiener Allg. Musik. Ztg., in welcher Kannes Artikel beginnt, war ein Porträt Beethovens beigegeben, welches, wie es dort heißt (S. 152), »wenige Tage nach der Aufführung seiner großen Academie im Monathe Mai 1824 gezeichnet wurde, und deshalb gewiß als das neueste Bild dieses großen Künstlers zu betrachten ist.« Nach Thayers Notizen war dieses Bild das von Decker (Thayer schreibt Daker).168 Frimmel erwähnt eine Lithographie mit der Bezeichnung »Decker 1824, Lith. Inst. in Wien«; im lithographischen Institut wurde auch die Allg. Musik. Ztg. ausgegeben, und dies war also wohl dasselbe Bild. Frimmel (S. 302) bezweifelt die Richtigkeit der Zeitbestimmung – die Originalkreidezeichnung ist nicht datiert – und erwähnt die Tradition, daß Decker es im Schwarzspanierhause gezeichnet habe, in welches Beethoven 1825 zog; er setzt die Entstehung in die Zeit zwischen 1825 und dem Todesjahre. Gegenüber der Angabe der Zeitung können wir an dieser Tradition nicht festhalten und bleiben bei 1824. Das Original sah Thayer bei Professor Spatzenegger in Salzburg, dem Schwiegersohn Deckers; dann besaß es dessen Sohn Georg Decker, von dem es Dr. Jurie von Lavandal erwarb. Nach diesem ist es in Werckmeisters Sammelwerk »Das neunzehnte Jahrhundert in Bildnissen« (Lief. 8 S. 66) [99] abgebildet. Der Kopf erscheint gegenüber andern Bildern schon etwas abgemagert, er zeigt uns »nicht mehr den stürmischen Künstler, sondern den gebrochenen Menschen, der den Keim des Todes in sich trägt.« Einen Stich nach Deckers Zeichnung fertigte Steinmüller für die Artariasche Verlagshandlung 1827, der sehr bekannt geworden ist. Nach Schindlers und Frimmels Ansicht ist auch das bekannte Bild von Kriehuber eine Nachahmung der Deckerschen Zeichnung. Durch das Bild Deckers ist ein nachmals sehr bekannt gewordener Typus für die Darstellung Beethovens begründet worden.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1908., S. 5-100.
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