Dreiundvierzigstes Capitel.
Wie Christus durch sein Leiden und durch seinen freiwilligen Tod die Hölle verschlossen hat.

[65] In der Mitte der Stadt Rom an einem gewissen Orte öffnete sich auf einmal die Erde und von unten[65] sperrte sich eine gähnende Oeffnung auf. Als nun darum die Götter befragt wurden, antworteten sie: dieser Schlund wird sich nicht schließen, bevor Jemand freiwillig hineingesprungen seyn wird. Allein da man nun Niemanden hierzu bereden konnte, so sprach Marcus Aurelius: Wenn Ihr mich ein Jahr lang in Rom nach meinem Gefallen leben laßt, so will ich nach Verlauf desselben freudig und freiwillig mich hinabstürzen. Wie das die Römer hörten, freuten sie sich sehr und einstimmig beschlossen sie, es solle ihm nichts verboten seyn. Er aber, der ihr Eigenthum und ihre Weiber nach Gutdünken und mit völliger Freiheit benutzte, stürzte sich nach Verlauf eines Jahres mit seinem edlen Rosse in schnellem Sprunge hinab und sogleich schloß sich hinter ihm die Erde.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 65-66.
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