Hundertunddreizehntes Capitel.
Von dem geistigen Kampfe und der Vergeltung für den Sieg.

[217] Der reiche Adonias herrschte einst, der Turniere und Waffenspiele sehr liebte: weshalb er ein Turnier ausrufen ließ, bei welchem ein Jeder, der es besser als Andere mache, von dem Könige einen würdigen Lohn erhalten solle. Wie das seine Edeln und Fürsten hörten, kamen sie zum Turniere zusammen, und der König befahl, es sollten sich die Ritter unter einander theilen; darum stellte er auf die eine Seite eine bestimmte Anzahl und eben so viele auf die andere auf. Jene aber, welche zuerst in Ordnung gestellt worden waren, legten ihre Schilde und Waffen an einem dazu bestimmten Platze in einer Reihe nieder. Nun befahl der König, daß wer von der andern Seite den Schild des Andern mit seiner Lanze berühren würde, mit dem solle der, dessen Schild berührt worden sey, ein Rennen abhalten und ein dazu bereits ausgewähltes Mädchen solle ihn waffnen: und also solle er gegen den Andern kämpfen, und so er den Andern im Waffenspiele besiegen würde, solle ihm die Krone des Königs aufgesetzt werden und er an der königlichen Tafel sitzen. Wie das nun ein gewisser Ritter erfuhr, so betrachtete er sich genau alle Schilder, und er ward eins gewahr, auf welchem drei goldene Aepfel angebracht waren; weil er nun dieses durchaus haben wollte,[217] so berührte er dieses Schild. Der Andere aber, dem das Schild gehörte, ließ sich alsbald von der Jungfrau waffnen, stieg auf den Kampfplatz hinab und kämpfte mit ihm, aber bei diesem Spiele hieb er dem, welcher sein Schild berührt hatte, den Kopf ab und erhielt den verdienten Lohn.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 217-218.
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