Hundertundeinundachtzigstes Capitel.
Vom Ehebruch.

[132] Man liest, daß sich einst ein König einen Löwen, eine Löwin und einen Leoparden hielt, die er sehr lieb hatte. Wenn aber der Löwe nicht da war, beging die Löwin mit dem Leoparden Ehebruch, und pflegte, damit der Löwe ihre Treulosigkeit nicht spüren möchte, sich in einer Quelle in der Nähe des königlichen Schlosses zu baden. Wie aber der König das öfters bemerkt hatte, ließ er einstmals, als die Löwin wiederum treulos gegen ihren Mann gewesen war, den Brunnen verschließen. Als nun der Löwe zurückkam und den geschehenen Ehebruch spürte, hat er sie in Gegenwart Aller, wie ein Richter nach gesprochenem Urtheile zerrissen.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 132.
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