Zweite Geschichte

[2] geschah: Er sagt, Rabbi Jehauschue ben Lewi: In der Zeit, da Mojsche Rabbenu (unser Lehrer Moses) aufging in den Himmel, un wollt die Thauroh mekabel sein (empfangen) von dem, dessen Namen gelobt sei, da hebten die Malochim (Engel) an wider Gott: »Herr all der Welt, was soll uns ein Mensch auf den Himmel?« Da sagt Gott wider: »Er will die Thauroh mekabel sein.« Da sagten die Engel wieder: »Heiliger, gelobt seist du, das verborgen Keli (Werkzeug), das du hast gehabt verborgen neun hundert un vierunsiebenzig Dauraus (Geschlechter), ehe du die Welt hast beschaffen, un nun willst du sie einem Menschen geben? Was is der Mensch, den du beschaffen hast? Gib deine Schönheit auf den Himmel, laß die Thauroh oben. Nit gib sie einem Menschen.« Da sprach Gott wieder: »Mojsche, gib ihnen Tschuwe (Antwort), was sie wider mich gesagt haben.« Da sprach Mojsche wieder: »Herr all der Welt, ich wollt ihnen wol antworten, neiert ich fercht mich, sie verbrennen mich mit dem Rauch, der ihnen aus ihren Mäulern geht.« Da sprach Gott wider: »Mojsche, begreif dich an dem heiligen Thron un gib ihnen Tschuwe auf ihre Red.« Wie Mojsche Rabbenu das hört, da hebt er an un sprecht: »Herr all der Welt, die Thauroh, die du mir willst geben, was steht drinnen: ›Ich bin dein Gott, der dich hat ausgezogen aus Mizrajim‹. Seid ihr denn in Mizrajim geniedert, habt ihr dem Pharaoh gedient? Un warum soll denn der Heilige, gelobt sei er, die Thauroh euch geben? Oder noch mehr, was steht mehr noch in der Thauroh geschrieben? ›Du sollst keinen anderen Gott haben, denn mich‹. Seid ihr denn zwischen Gojim (fremden Völkern), daß ihr könnt andern Göttern dienen? Oder noch mehr, was steht mehr geschrieben? ›Gedenkt den Schabbes, zu ruhen‹. Tut ihr denn Meloche (Arbeit), daß man euch braucht zu verbieten, daß ihr sollt ruhn? Un was steht noch drin geschrieben? ›Ihr sollt nit schwören‹. Handelt ihr denn, daß man euch bedarf gebieten, daß ihr nit schwören sollt?[2] Was steht noch in der Thauroh geschrieben? – Vater un Mutter sollt ihr ehren. – Habt ihr denn Vater un Mutter, daß man euch bedarf zu gebieten, daß ihr sie ehren sollt? Noch mehr steht geschrieben: – Ihr sollt nit morden, ihr sollt nit unkeuschen, – ihr sollt nit stehlen. – Habt ihr Kine Sine (Neid un Zwietracht) unter euch, daß man braucht euch zu verbieten? Nun, was soll euch denn die Thauroh?« Wie die Engel das hören, da begegneten sie an Mojsche, un jeglicher Engel lernt ihm eppes. Un afilu (sogar) der Malach hamowes (Engel des Todes) lernt ihm auch eppes.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 2-3.
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