Achtundvierzigste Geschichte

[43] geschah: Es sagt der Kaiser wider Rebben Gamliel: »Euer Gott is ein Ganew (Dieb) denn es steht geschrieben in der Thauroh: ›Un Gott, der Herr, macht einen Schlaf auf Odom un er schlufte. Un Gott, der Herr, nahm eine Rippe aus seinem Leib un macht ihm ein Weib daraus.‹« Da sprach dem Kaiser seine Tochter wider Rebben Gamliel: »Schweig du still. Ich will meinem Vater antworten auf die Frage.« Un sprach wider ihren Vater: »Mein lieber Vater, gebt mir einen Grafen oder einen Fürsten, der mir Beistand tut, un der mir eine Nekome (Rache) an meinen Feinden tut.« Da sprach der Kaiser: »Meine liebe Tochter, wer hat dir eppes getan?« Da sprach sie: »Lieber Vater, es sind diese Nächte Gaslonim (Räuber) in meinem Gemach gewesen un haben mir meine silbernen Kelim (Gefäße)[43] genommen un haben mir goldene Kelim in den Platz gestellt.« Da das der Kaiser hört, da lacht er un sprach: »Meine liebe Tochter, ich wollt als, solche Ganowim (Diebe) alle Tage zu mir kommen sollten.« Da sprach sie wieder zu ihm: »Mein lieber Vater, das war Odom horischaun (der erste Mensch) auch ein Dienst, daß er ihm eine Rippe aus seinem Leib nahm un macht ihm ein Weib draus, die ihm dient mit kochen un waschen un mit alle Sachen.« Da sprach der Kaiser wider: »Ich hab es so nit gemeint. Ich hab so gefrägt: Warum nahm er Odom nit die Rippe da er wacht; warum nahm er sie, da er schluft?« Da sprach die Tochter wider zum Vater: »Laß mir ein Stück Fleisch bringen, das noch roh is.« Da brachte man ihr ein Stück Fleisch. Da nahm sie das Stück Fleisch un stößt es in die Asch, daß es braten sollt. Wie es nun gebraten war, so tät sie es wieder heraus un gab es ihrem Vater, er sollt es essen, eh sie es wäscht von der Asch. Da sprach der Kaiser: »Ich mag es nit essen, denn es is mir mius (mieß, unangenehm) um zu essen, weil es noch nit zubereitet is. Denn ich hab es gesehen, daß man es hat in der Asch tun braten.« Da sprach sie wider den Kaiser: »Mein lieber Vater, also war dem Odom auch gewesen. Wenn er hätt sollen sehn, daß ihm Gott hätt eine Rippe genommen, un hätt ihm ein Weib draus gemacht, so wär ihm vor seinem Weib auch mius gewesen. Derhalben bat Gott nit wollen das Weib von die Rippe machen weil er gewacht hat.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 43-44.
Lizenz:
Kategorien: