Siebenundfünfzigste Geschichte

[52] geschah: Der Kaiser fragt Rabbi Jehauschue: »Ich wollt gern euern Gott sehn.« Da sprach Rabbi Jehauschue wider den Kaiser: »Du kannst ihn nit sehn.« Da sprach der Kaiser: »Fürwahr, du mußt ihn mir weisen.« Da ging Rabbi Jehauschue hin, un führt den Kaiser mit sich hinaus auf das Feld. Un das war gleich im (Monat) Tammus, daß die Sonne gar heiß scheint. Da sprach Rabbi Jehauschue wider den Kaiser: »Nun sieh gegen den Himmel hinauf, so wirst du Gott sehn.« Un weiset dem Kaiser er sollt in die Sonn sehen. Da sprach der Kaiser wider Rabbi Jehauschue: »Ich kann nit über mich sehen in die Sonn.« Da sprach Rabbi Jehauschue wider den Kaiser: »Nun sieh, denselbigen Tag, daß einer von seinen Dienern, vor dem Heiligen, gelobt sei er, dient, un den kannst du nit sehn. Denn die Sonn is ein Diener vor dem Heiligen, gelobt sei er, mikolscheken (um wie[52] viel mehr), daß du den Heiligen, gelobt sei er, selbst nit sehen kannst.« Un wie das der Kaiser hört, so war er wol zufrieden.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 52-53.
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