Hundertachte Geschichte

[102] geschah: Es kamen einmal gefangene Weiber von Nehardea aus einer Milchome (Krieg) un sie waren getan in einem sein Haus, der heißt Rabbi Amrom Chasside, daß er sie sollt auslösen, wie man nun vorzeiten gar viel Gefangene ausgelöst hat. Da tät sie der Rabbi Amrom oben auf sein Boden un tät die Stieg weg, derwartend, daß Niemz (Niemand) sollt zu ihnen kommen, der mit ihnen, Gott bewahre, sündigen sollt. Indem da sah Rabbi Amrom eines von die Weiber, die ging oben vor dem Loch her, die war gar schön. Da kam ihm der Jezerhore (der böse Trieb) an Rabbi Amrom Chasside, daß er entzündet ward von wegen ihrer großen Schönheit an wollt bei ihr liegen. Da nahm Rabbi Amrom ein Steg, die sonst zehn Mannen hätten nit können dertragen, die trug er allein, denn der Jezerhore, der war so gar stark bei ihm, daß er wollt hinaufgehn un wollt bei ihr liegen. Un wie er die Steg halb oben war, besinnt er sich, wie das eine große Awere (Sünde) wär, un hebt an zu schreien: »Es brennt in Rabbi Amrom sein Haus.« Da kamen die Rabbonim un wollten löschen das Feuer. Da sahen sie kein Feuer nit. Da sagt Rabbi Amrom: »Ich hab's derhalben getan, daß ich den Jezerhore hab ausgelöscht.« Un sagt ihnen, was er hat im Sinn gehabt, denn er sagt, es is besser, daß ich soll werden verschämt auf dieser Welt, als daß ich, Gott bewahre, sollt verschämt werden auf Jener Welt. Da beschwor er den Jezerhore, daß er von ihm weggehn muß. Da ging der Jezerhore von ihm weg, als wie ein Säul Feuer (Feuersäule). Da sagt Rabbi Amrom: »Sieh, du bist doch Feuer, un ich bin eitel Blut un Fleisch, un ich hab dich doch kaufe gewesen (bezwungen). Un ich bin auch besser als du bist, du Jezerhore, du Satan.« Derhalben soll man sich nit lassen verführen von dem Jezerhore un soll ihn verschämen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 102.
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