Hundertvierzigste Geschichte

[133] geschah: Er sagt, Rabbi Jojsse ben Kisma. Ich bin einmal gegangen über Feld, da is mir einer begegnet, der hat mir Scholaum (Friedensgruß) gegeben. Also hab ich ihm wieder Scholaum gegeben. Da hat er mich gefrägt: »Lieber Rabbi, wo seid ihr her?« Also hab ich ihm wider gesagt: »Ich bin aus einer Stadt, da eitel Talmidimchachomim (Schriftgelehrte) un Soferim (Schreiber) drinen wohnen.« Da sagt der Mann wider mich: »Lieber Rabbi, wollte Gott, ihr sollt bei uns wohnen in unserer Stadt, also wollt ich dir geben hunderttausend Gulden un Edelsteine un Perlen genügen.« Da hab ich ihm wider gesagt: »Mein lieber Sohn, wenn du mir schon gebest all das Geld un all die Edelsteine un Perlen, die in der ganzen Welt wären, da wollt ich nit wohnen in einer Stadt, wo keine Thauroh is, neiert in einer Stadt wo man Thauroh lernt. Denn wenn ein Mensch sterbt, da beleitet ihn kein Geld noch Silber oder Edelsteine oder Perlich. Neiert die Thauroh, die geht mit ihm auf Jene Welt. Wie der Posuk (die Schrift) sagt: In deinem Gehn auf Jene Welt, da wird dich die Thauroh führen, un wird mit dir gehn in dein Grab. Da wird dich die Thauroh hüten. Un in deinem Aufwachen, das meint auf Jener Welt, da wird die Thauroh dein Fürsprecher sein vor Gott. Derhalben fräg ich nix nach Geld, gleich als König David in seinem Sefer Thillim (Psalmen) gesagt hat.« Gott spricht wider den König David: »Es is mir viel lieber deine Thauroh, die du vor mir lernst, als deine hunderttausend Gulden.« Un Gott spricht: »Zu mir is all das Silber un Gold. Ich kann einen reich machen wenn ich will.« Derhalben soll ein Mensch allzeit Thauroh lernen un soll nit nach Geld stehn. Denn wenn einer schon meint er hätt viel Geld, da kann ihm der Heilige, gelobt sei er, gar bald zuschicken, daß er flugs darum kommt. Un auch wenn einer die Thauroh lernt, so kann ihn der Heilige, gelobt sei er, bald reich machen, wie wir wol von den zwei Maassim (Geschichten) haben gehört. Derhalben soll ein jeglicher sehn, daß er die Thauroh mehrt. Un soll sich verlassen un vertrauen auf Gott den Allmächtigen, der ihm's bescheren kann allezeit.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 133.
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