Hundertfünfundvierzigste Geschichte

[139] geschah: Alexander Mukden, der war ein gewaltiger König, daß er den ganzen Aulom (die Welt) bezwingt. Un wie er nun den ganzen Aulom bezwungen hat, da sagt er zu seinen Knechten, sie sollten ihn für einen Gott halten un sollten ihn anbeten. Da sagten seine klugen unter den Knechten wider ihn, er gewaltigt nit über Jeruscholajim, un über das Bethhamikdosch (Tempel). Da zog er hin un bezwang auch Jeruscholajim. Un wollt haben sie sollten ihn auch anbeten für einen Gott. Da saßen drei Chachomim (Weise) vor ihm. Da sagt der eine: »Willst du wider deinen Herren tun in seinem Haus? Geh aus seinem Haus, so will ich dich für einen Gott halten. Denn sein Haus is Himmel un Erd un du bist drinnen. So lang als du drinnen bist, kann ich dich für keinen Gott halten.« Der andere sprach: »Du bist Gott? Der Gott hat Himmel un Erd beschaffen un dich. Un du bist nix.« Der dritte sprach: »Wart eine kleine Weil. Ich hab noch eppes zu schicken, dernach will ich dich für einen Gott halten.« Da sprach der Alexander: »Was is es denn das du tun mußt?« Da sprach der Chochom (Weise): »Ich hab ein Schiff auf dem Jam (Meer) gehn, un das Schiff will jetzunder untergehn.« So sprach der König: »Ich will dir flugs mein Schiff entgegen schicken, daß sie deinem Schiff sollen eine Hilf sein.« Da sprach der Chochom: »Lieber König, eh dein Schiff kommt, so is mein Schiff untergegangen. Tu mir die Freundschaft un schick mir ein wenig Wind, daß es flugs hinweg kommen kann.« Da sprach der König: »Wo soll ich den Wind nehmen?« Da sprach der Chochom: »Lieber König, wenn du ja keinen Wind zu Gewalt hast, so bist du auch kein Gott,[139] denn es steht geschrieben, daß Gott hat geschaffen Himmel un Erd un die Leut auf der Erden.« Da stund der König auf un ging heim zu seinem Weib un sagt ihr, wie es ihm gegangen war, un bittet sein Weib, sollten ihn für einen Gott halten. Da sagt sein Weib: »Lieber Mann, das will ich gern tan, aber du hast einen Pikodaun (Deposit), den hat man dir aufzuheben gegeben, den gib du vor wieder. Dernach will ich dein Willen tan un will dich für einen Gott halten.« Da sagt der König: »Was is es denn für ein Pikodaun?« Da sprach das Weib: »Deine Neschome (Seele), die dir der Heilige, gelobt sei er, hat gegeben, die sollst du vor wieder geben.« Da sprach der König wieder gegen sein Weib: »Wenn ich die Neschome sollt wieder geben, was soll ich denn tan, wenn ich werde keine Neschome haben?« Da sagt sein Weib: »Mikolscheken (Um wie viel mehr), wenn du deiner nit selbert mächtig bist, wie willst du denn eines andern mächtig sein, un willst ein Gott sein?« Da der König nun das hört, da schämt er sich, un ließ von seinen bösen Gedanken ab.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 139-140.
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