Hundertsiebenundvierzigste Geschichte

[140] geschah an einem, der saß in Erez Iisroel un er war der Nächste bei dem König, un er war ein reicher frummer Mann. Un er wußt alle Dinge was geschehen sollten. Un er hat einen Sohn, der hieß Rabbi Chanine, der konnt die ganze Thauroh. Un da er nun alt war, daß er sterben sollt, da schickt er nach seinem Sohn un tät ihm, Zewoe (un sagte seinen letzten Willen), daß er Tag un Nacht sollt Thauroh lernen un Mizwes (Gebote) tun un den Armen getreu sein, denn er un seine Mutter werden an einem Tag sterben, un die schiwo Jomim (7 Trauertage) werden aus sein am Erew Pessach (Vorabend des Pessachfestes). Un du sollst nit viel trauern, un wenn du von den schiwo Jomim wirst aufstehn, so sollst du auf den Markt gehn. Un was du zum ersten zu Kauf findest, das sollst du kaufen, wenn man es noch so teuer sollt halten. Un wenn es eppes wär, daß man es könnt aufziehn, so soll er es mit großem Kowed (Ehre) aufziehn. Denn deine Müh wird dir wol belohnt werden. Aber er wollt ihm nit sagen was es sein wird. Un wie er nun hat seine Zewoe ausgetan so sturb er un sein Weib auf einen Tag gleich wie er es gesagt hat. Un sein Sohn Rabbi Chanine, der hielt, gleich ihm sein Vater hat zuletzt befohlen. Un wie es nun an Erew Pessach kam, da stund er von den schiwo Jomim auf, un ging auf den Markt. Da begegnet ihm ein alter Mann, der hat ein hübsches silbernes Keli (Gerät) feil. Da sprach Rabbi Chanine: »Wie teuer is das silberne Gerät?« Da sprach der alte Mann: »Um achtzig Gulden.« Da bot ihm Rabbi Chanine sechzig Gulden. Da sprach der alte Mann: »Ich geb es um das Geld nit.« Lesof (am Ende) kauft er es, wenn es schon zu teuer war. Er wollte seines Vaters Zewoe halten. Nun, am ersten Sederabend, so setzt er das Gefäß auf den Tisch, un wie er es auf tät, da fand er noch ein Gefäß drinnen un er tät das andere Gefäß auch auf. Da find er einen Frosch in dem Gefäß sitzen un der Frosch war fröhlich in dem Gefäß mit tanzen un springen. Un er gab dem Frosch zu essen un zu trinken. Un da Pessach (Ostern) nun aus war, da war der Frosch so groß, daß ihm das Gefäß zu klein war. Also macht Rabbi Chanine dem Frosch ein kleines Schänklein un tät ihn drein un gabt ihm essen un trinken, daß ihm endlich der Schank auch zu klein war. Also bauet er ihm eine Kammer un setzt den Frosch drein. Un hielt den Frosch so gar wol mit essen un trinken, daß er mit dem Frosch alles verzehrt, was er gehabt hat. Un das hat Rabbi Chanine als getan um seines Vaters Zewoe zu halten. Un er war so gar arm, daß er nix mehr hat. Da ging Rabbi Chanine mit seinem Weib in die Kammer bei dem Frosch un sagt: »Lieber Freund, wir können dir nit mehr zu essen geben, denn wir haben alles über dich verzehrt.« Da hebt der Frosch an zu reden mit ihnen un sprach: »Lieber Rabbi Chanine, sei dich[141] nit mezaar (kränke dich nit) derweil du mich hast aufgezogen un dernährt hast. Begehr du von mir, was dein Herz begehrt, so will ich dir's geben.« Da sagt Rabbi Chanine: »Ich begehr weiters nix mehr von dir, neiert du sollst mich die ganze Thauroh lernen.« Da sprach der Frosch: »Ja, das soll dir zugesagt sein«, un lernt ihm die ganze Thauroh un lernt ihm auch schiwim Leschaunes (70 Sprachen). So lernt der Frosch ihm: er nahm ein Papeir un schreibt etliche Wörter darauf un ließ es Rabbi Chanine einessen. Da konnt er die ganze Thauroh un konnt schiwim Leschaunes verstehn. Un lernt ihm auch die Sprache von den Tieren un Vögeln. Un dernach sprach der Frosch wider Rabbi Chanine sein Weib: »Du hast mich gar wol gehalten, un ich hab dir noch nit bezahlt. Derhalben will ich dich bezahlen. Seht, nun will ich von euch scheiden aber ihr sollt mich beleiten bis an den Wald hin. Un da werdet ihr sehen, was ich euch will geben.« Un sie gingen mit dem Frosch bis an den Wald. Un da sie nun an dem Wald waren, da hebt der Frosch an, un schrie ein hoch (lautes) Geschrei un ruft allerlei Tiere. Eh er recht ausgeschrien hat, so kamen allerlei vielerlei Tiere un Vögel, die nit zu zählen waren. Da gebot ihnen der Frosch, daß ein jeglicher sollt Edelsteine genug bringen, die ein jeglicher tragen konnt. Un gebot ihnen auch, daß sie allerlei gute Kräuter un Wurzeln für das Weib sollten mit bringen, daß sie viel böse Sachen mit heilen konnt. Un lernt ihr auch, wozu daß ein jegliches gut war. Un heißt das alles in Rabbi Chanine sein Haus tragen. Un wie nun der Frosch wollt von hinnen gehn, da sagt er: »Der Heilige, gelobt sei er, soll sich über euch derbarmen, über die Arbeit, die ihr mit habt gehabt. Un ihr habt mich nit gefragt wer ich bin. Aber doch will ich es euch sagen. Ich bin Odom horischaun (des ersten Menschen) Sohn, un er hat mich mit Lilis gehabt, in die hundertdreißig Jahr, da er von Eva geschieden is worden. Un Gott hat mir gewollt geben, daß ich mich kann verändern, in was für Gestalt un Form ich will.« Un da nahm er Abschied von Rabbi Chanine un seinem Weib un ging von ihnen weg. Un sie gingen heim un waren gar reich un war gar wol gehalten bei dem König gleich wie sein Vater war gewesen. In denselbigen Tagen, da hat der König von Iisroel kein Weib un er war ein großer Rosche (Bösewicht). Da kamen die Ältesten von Iisroel zu ihm un sagten wider ihn, er sollt doch ein Weib nehmen, denn es wär nit hübsch, daß ein König sollt sonder Weib sein. Denn sie meinten, wenn er, ein Weib sollt haben, dann sollt er fromm werden. Da sagt der König wider sie, sie sollten in acht Tagen wieder kommen, so wollt er ihnen Antwort geben. Un in denselbigen acht Tagen lernt Rabbi Chanine Hilches Aufes (Abschnitt über die Vögel) un lernt seine Schüler aus. Da kam ein schwarzer Rab un betet, daß der Heilige, gelobt sei er, sollt Rabbi Chanine[142] behüten vor großem Mammon, das er haben wird. Da verwundert sich Rabbi Chanine gar sehr, daß die Rab solches tät reden, denn Rabbi Chanine hat solches verstanden. Über eine Weil kam wieder ein Vogel, un schreit auch gleich wie die Rab, un betet auch zu dem Heiligen, gelobt sei er, er sollt Rabbi Chanine behüten, vor dem großen Mammon, den er bekommen wird. Un Rabbi Chanine versteht wol was die Vögel miteinander geredet haben, denn der Frosch hat ihn gelernt gleich wie ihr oben geleint (gelesen) habt. Da nun die acht Tage um waren, die der König gesetzt hat, da gingen die Ältesten wieder zu dem König un wollten eine Antwort von ihm haben, von wegen einem Weib zu nehmen. Un wie sie nun mit ihm so reden, so kam da ein Vogel zu fliegen un trug ein großes Haar in seinem Mund, un das Haar war als wie Gold so gelb. So werft der Vogel das Haar auf dem König seine Achsel. So nahm der König das Haar un besah es. Da war das Haar so lang als der König war. Un sagt wider die Ältesten von Iisroel, er wollt kein ander Weib haben als die dasige, da das Haar von herkommt. Un sagt gegen die Ältesten von Iisroel, sie sollten sehen un gedenken um die dasige vor ihn zu bringen, wo das Haar auf gestanden is. Un wenn sie das nit werden tan, da will er sie, Gott behüte, alle lassen töten. Da derschraken die Iisroel gar sehr, denn sie wußten nit wo sie den Menschen gefinden sollten. Nun war ein Teil unter den Ältesten, die hatten Rabbi Chanine gar feind, derweil er bei dem König gar choschew (angesehen) war. Un sie sagten wider den König: »Es dient keiner besser derzu um diese Sach zu verrichten als Rabbi Chanine. Denn durch seine Chochme (Klugheit) wird er wol gewahr werden, wo die dasige Königin is.« Un das rateten sie dem König, denn sie vermeinten nit, daß die dasige Königin zu finden wär. Alsdann wird ihn der König feind bekommen. Da nun der König solches hört, da ließ er Rabbi Chanine bei ihm kommen, un sagt zu ihm, daß er müßt ausziehn un müßt die Königin suchen. Da war der Rabbi Chanine nit nein derzu sagen, sonst hätt ihn der König gleich töten lassen. Da wollt ihm der König einen Mann mit geben, aber er wollt keinen Mann mit sich nehmen. Also ging Rabbi Chanine heim un gesegnet (verabschiedet) sich mit seinen Weib un Kinder un nahm mit sich zwölf Gulden un drei Laib Brot auf Zehrung, un damit nahm er seinen Abschied. Un seine Talmidim (Schüler) begleiteten ihn bis vor die Stadt. Da hieß Rabbi Chanine seine Talmidim wieder heimgehn. Un er ging so fort alleins im Schnee bis über die Knie, daß er nebbich gar müd war, un lehnt sich an einen Baum um ein wenig zu ruhen. Da hört er ein Rab schreien un sagt wie sie in drei Tagen nix gegessen hätte. Da das Rabbi Chanine hört, da ging er hin un gab die Rab ein Stück Brot zu essen, daß sie ihr Leben behält. Den andern Tag hört Rabbi Chanine einen Hund schreien, der klagt sehr[143] jämmerlich, wie er in sechs Tagen nix gegessen hätt. Da ging Rabbi Chanine hin un gab dem Hund auch ein Stück Brot zu essen, daß er das Leben behielt. Da hät Rabbi Chanine keinen Bissen Brot mehr. Den dritten Tag kam er aus dem Wald. Da scheint die Sonn gar heiß. Da kam er auf ein schön großes Feld. Da fand Rabbi Chanine allerlei gute Kräuter drauf wachsen. Da eßt er dervon. Da verquickt er sein Leben wieder. Dernach kam er an einen großen Bach. Da gefand er Fischer, die fischten nach Fisch un fingen einen großen Fisch, daß sie ihn nit konnten aus dem Wasser ziehn. Da half er ihnen, daß sie den Fisch auf das Land brachten. Da war es ein schöner, großer Fisch un Rabbi Chanina kauft ihnen den Fisch ab, um zwölf Gulden, un warf ihn wieder in das Wasser. Da war der Fisch wieder derlöst worden. Also ging Rabbi Chanine weiter, da sah er eine Stadt vor ihm liegen. Da ging er hinein un das war eben die Stadt, wo die Königin drinnen wohnt, da das hübsche Haar war dervon gekommen. Un Rabbi Chanine hat so lang gesucht nach der Königin, bis er gewahr ward, wo die Königin war. Un er ging vor das Haus, wo die Königin innen gewohnt hat. Da sah die Königin ungefährt zum Fenster hinaus. Da sah sie den Rabbi Chanine vor ihrem Haus stehn. Da erkennt sie ihn, wie er so ein großer Chochom (Weiser) sei mit allen Sachen. Da sagt sie wider ihre Jauezim (Räte): »Unten steht ein köstlicher Mann, laßt ihn vor mich kommen.« Also ward er gerufen, um hineinzukommen vor die Königin. Wie er nun vor sie kam, da tät er sein Wort gegen die Königin gar wol, wie ihr es wol könnt gedenken, wie es sich tut gebühren gegen eine Königin. Un hielt der Königin auch die Sach vor, wie es mit den Jehudim steht, wenn sie den König nit nimmt, da kämen, Gott bewahre, alle Jehudim um ihr Leben. Da sagt die Königin: »Ja, ich hab deine Rede wol verstanden. Ich will mit dir ziehn, daß ich neiert die Jehudim rette. Aber ich weiß wol daß du ein großer Chochom bist, so will ich dich zwei Bitten bitten. Wenn du willst mir sie zuwegen bringen, so will ich mit dir ziehn. Wo nit, so will ich nit mit dir ziehn. Die erste Bitt will ich dich bitten, daß du zwei Krüglich mit Wasser zuwegen bringst. Eines mit Gan Eden-Wasser (Paradies) un das andere mit Gehinnem-Wasser (Hölle). Un wenn das geschehen is, so will ich um die andere Bitt bitten.« Denn sie meint es wär nit zu kriegen möglich, gleich wie die Wahrheit is. Nun, mein guter Rabbi Chanine, der war gar traurig. Denn sie sagt zu ihm: »Ich weiß wol, daß das Haar von mir is gewesen, denn ich hab mich einmal gezwogen (gewaschen) in meinem Garten. Da is ein Vogel gekommen un hat mir ein Haar genommen. Darum sieh auch, daß du mir das zuwegen bringst, so will ich mit dir ziehn.« Nun, was tät der Rabbi Chanine? Er ging vor die Tür, un war gar traurig. Un betete vor dem Heiligen, gelobt sei er, daß er sollt doch das Wasser bekommen,[144] daß er die Jehudim könnt retten vor dem Tod. Un er war so einen weiten Weg gegangen un hat viel Sakone (Gefahr) gehabt un er sollt nix ausrichten. Un wie er nun so betet, so kam der Rab zu fliegen, dem er hat ein Stück Brot zu essen gegeben, der in drei Tag nix hat gegessen, un ruft Rabbi Chanine mit seinem Namen un sprach: »Lieber Rabbi, kennt ihr mich nimmer? Ich bin der Vogel, den ihr dernährt habt im Wald, mit euerm Brot, das ihr mir habt zu essen gegeben. Un nun hab ich gehört euere Klag von wegen dem Wassern. Derhalben hängt ihr mir zwei Krüglein an meinen Flügel, so will ich fliegen un will euch das Wasser zuwegen bringen, damit ihr die Gesero (das Leid) könnt los werden.« Also war der Rabbi Chanine gar froh, da er das hört un band dem Vogel die zwei Krüglich an die Seit gleich es gehört zu sein. Un bald fliegt der Vogel in das Gehinnem un füllt das eine Krüglein, un vor großer Hitz da verbrennt er seine Federn. Da fliegt er flugs zu dem Bach, der aus dem Gan Eden kommt, un war sich darein waschen. Da waren ihm seine Federn wieder weiß wie vor, un er war geheilt. Da füllt er auch das Krüglein voll, un er fliegt also fort un bracht es zu Rabbi Chanine mit großer Freud. Un Rabbi Chanine bracht es zu der Königin mit großer Simche (Freude). Da sagt die Königin wieder: »Ich will versuchen ob die Wasser gleich sind, wie sie gehören zu sein.« Un ging hin un nahm die Wasser aus dem Krügel von dem Gehinnem, un schüttet es auf ihre Hände. Da verbrennt es ihr die Händ gar schier ab. Da nahm sie geschwind wieder das Wasser aus dem Gan Eden un schmiert sich die Händ wieder dermit, da war sie geheilt, un die Hand war wie vor. Da derkennt sie wol, daß die beiden Wasser recht waren, un hub wieder an: »Jetzund will ich dich um die andere Bitt bitten. Ich bin einmal auf dem Meer gefahren, da hab ich ein schön golden Fingerl (Ring) mit einem köstlichen Edelstein aus der Hand lassen fallen in das Meer. Wenn du es mir kannst wieder zuwegen bringen, dernach will ich mit dir ziehn wohin du willst.« Denn sie meint es wär nit möglich wieder zu kriegen. Aber der Heilige, gelobt sei er, der hulf ihm doch. Also ging der Chanine wieder traurig vor die Stadt an das Wasser un betete wieder vor dem Heiligen, gelobt sei er. Da kam der große Fisch, den er derlöst hat von den Fischern, un sagt: »Mein lieber Rabbi Chanine, alles was ihr begehrt, das will ich euch bringen.« Da sagt Rabbi Chanine: »Ich muß das Fingerl haben, das die Königin hat einmal in das Meer lassen fallen.« Da ging der gute Fisch geschwind wieder hinweg un ging zu dem Lewiathan un sagt ihm, wie ihm der Mann einmal geholfen hat von einem Fischer, un hätt ihm sein Leben behalten. Nun, er hat ihn gebeten um ein Fingerlein, welches die Königin hat einmal in das Meer lassen fallen. Das wollt er gern wieder haben. Derhalben bitt ich euch, daß ihr das Fingerlein[145] dem Rabbi Chanine wieder achtet. Da schickt der Lewiathan nach allen Fischen un frägt sie becherm (unter Bann) welcher das Fingerlein hat, der sollt es wieder geben. Da kam ein Fisch un spie das Fingerlein wieder aus. Also nahm der große Fisch das Fingerlein un bracht es Rabbi Chanine un spie es auf das Land. Da kam eben ein Wildchaser (Wildschwein) un schlang das Fingerl wieder ein. Da hub Rabbi Chanine wieder an zu schreien, un betete wieder vor dem Heiligen, gelobt sei er. Da kam der Hund, den er auch mit seinem Brot dernährt hat im Wald. Der sprach: »Lieber Rabbi, kennt ihr mich nit? Ich bin der Hund, den ihr dernährt habt im Wald. Darum bin ich jetzunder kommen, un will euch wieder dienen, wozu ihr meiner bedarft.« Da sagt Rabbi Chanine: »Jetzunder kommst du mir eben willkommen. Denn ich hab da ein Fingerlein verloren, da is kommen ein Wildchaser un hat mir's eingeschlungen. Da lauft der Hund dem Chaser nach un zuriß das Chaser in zwei Stücken un Rabbi Chanine fand sein Fingerlein wieder un zug dermit zu der Königin. Da derschrak die Königin gar sehr, denn sie hatt gemeint, es wär nit möglich, daß er's bekommen kann.« Un sagt wider Rabbi Chanine: »Ich hab dir's zugesagt, wenn du mir die zwei Stück zuwegen wirst bringen, so will ich mit dir ziehn, un du hast mir es geacht. Darum will ich auch halten, was ich dir hab zugesagt un will mit dir ziehn.« Un so zug sie mit ihren Jauezim (Räten) zum König. Un wie sie bei ihm kam, so gefielt ihm die Königin gar wol, un schickt Rabbi Chanine nach Leuten, die er sich soll bitten auf seine Chassene (Hochzeit). Un wie nun die Chachomim (Weisen) sahen, daß Rabbi Chanine wieder aus un ein ging bei dem König, da warteten sie auf ihn un schlugen ihn zu tod. Wie das die Königin ward gewahr, da derschrak sie gar sehr un ging behend zu ihm, un sagt: »Er is nit tot.« Un nahm Wasser aus dem Gan Eden un schmiert ihn darmit. Da ward er wieder lebendig als wär er nie tot gewesen. Da nahm es den König un die Chachomim (Weisen) groß wunder, daß ihn die Königin hat lebendig gemacht. Da sagt der König: »Ich will sie nit nehmen, oder sie schlagt mich auch zu vor tot un macht mich auch wieder lebendig.« Da sprach die Königin: »Mein lieber Herr König, ich bitt dich, tu es nit, denn wenn ich einen lebendig mach, so muß er ein ganzer Zaddik (Frommer) sein un gottesfürchtig sein.« Aber der König, der wollt es nit glauben un er gebietet einen von seinen Knechten, der ihn mußt tot schlagen. Da nahm die Königin das Wasser aus dem Gehinnem un gießt es auf ihn. Da verbrennt er un ward eitel Asch un Pulver. Da sagt die Königin: »Nun seht, lieben Herren, wär der König recht fromm gewesen, so wär er wieder lebendig geworden, aber ich sehe wol, daß er ein großer Rosche (Sünder) is gewesen.« Wie nun die Chachomim sahen, daß Rabbi Chanine ein solcher großer[146] Chochom war un derbei gar fromm war, un sein Weib war ihm derzu auch gestorben, da berateten sie sich miteinander, daß sie Rabbi Chanine zu einem König über Iisroel wollten machen. Un gaben ihm die Königin zu einem Weib un er richtet Iisroel lange Zeit. Derhalben hat er sein Zweck wol angelegt, daß er die Königin zu einem Weib bekam.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 140-147.
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