Hundertfünfzigste Geschichte

[149] geschah in Zeiten König David, er ruhe in Frieden. Da schickt er aus seinen Hauptmann Joow ben Zeruja, ein starker Held, er soll ihm die große Stadt Rabath bene Amon gewinnen. Un da belagert Joow die Stadt sechs Monate. Un er hat bei sich zwölftausend ausderwählte Mannen von Iisroel. Also konnt er der Stadt nix tun. Un nach den sechs Monaten sammelten sich zusammen alle die Roschim (Hauptleute) von Jisroel un sprachen gegen Joow: »Wir sind nun eine lange Zeit hier im Feld gelegen un haben nix ausgerichtet un wir können der Stadt doch nix tun. Un die Häuser rund um die Stadt sind verwüstet. Was sollen wir länger tun?« Da fragt Joow die Roschim: »Was habt ihr denn im Sinn?« Da sagten die Rochim: »Wir haben im Sinn, daß wir wieder heim ziehen, denn wenn wir schon länger da liegen, so richten wir doch nix aus.« Da sprach Joow gegen die Roschim: »Meine lieben Brüder, ihr sollt das nit tan, daß ihr sollt heim ziehen zu unserm König David un das sonder unverrichten Sach. Fürwahr alle die Völker sollten auf uns spotten un über uns ziehn. Neiert hört mir zu, un folgt mir zu meinem Rat. Werft mich mit dem Baum in die Stadt hinein un bleibt ihr noch vor der Stadt liegen vierzig Tage. Wenn ihr in der Zeit kein Blut seht aus der Stadt laufen, also sollt ihr wissen, daß ich bin zu tod gefallen. Seht ihr aber in der Zeit das Blut ja heraus fließen, so seid wissen, daß ich das meiste von der Stadt hab umgebracht. So stürmt ihr dann auch tapfer auf die Stadt. Dann werden wir sie, will's Gott, gewinnen, denn ich will meinem König nit leer heimkommen. Ich will die dasige Stadt erwerben, oder ich will dervor sterben.« Da nun die Roschim das hörten, da gefiel es ihnen gar wol. Da nahm[149] Joow bei sich tausend rote Goldgulden un sein gut Schwert un ließ sich mit einem hohen Baum in die Stadt schleudern un fiel vor ein Witwenhaus gar hart herab un fiel auf sein Schwert, daß es in zwei Stücker bricht. Nun diese Witwe hat eine junge Tochter, die hat einen Mann. Un dieselbige Tochter gefand den Joow liegen in ihrem Hof. Un er war gar schwach von dem Fallen geworden, daß er schier tot war. Da nahm sie ihn un führt ihn in das Haus hinein un labten ihn, daß er wieder zu sich selbert kam. Da fragen sie ihn, wer er wär un wo er her kam. Da sagt Joow: »Ich bin vom Geschlecht Amalek un die Jehudim haben mich gefangen gehabt un sie brachten mich vor ihren Hauptmann. Da gebot er, daß man mich sollt in die Stadt herein werfen. Derhalben bitt ich euch, laßt mich bei euch hinnen bleiben.« Un zug aus seinem Beutel zehn Goldgulden heraus un gab ihr's daß man sollt ihm gute Speis drum kaufen. Un Joow bleibt bei der Witwe sieben Tag. Un nach den sieben Tagen da wollt Joow heraus aus der Stadt gehn, um sie zu besehen. Da wollten sie ihn in seinen Kleidern nit lassen gehn. Neiert sie leiheten ihm andere Kleider. Da ging er in die Stadt un besah sie gar wol, wie groß un wie stark sie war. Da gefand er wol hundert un vierzig Mark (Märkte) drinnen un als einer schöner als den andern. Un er ging auch alle die Pforten besehen. Da kam er bei einem Schwertmacher sein Haus. Da ging Joow hinein un fragt ihn: »Kannst du mir so ein Schwert machen, gleich als das dasige Schwert is gewesen, welches ich zubrochen hab?« Da derschrak der Schwertmacher un verwundert sich gar sehr un sprach: »Solches Schwert hab ich mein Tag nit gesehen.« Da sprach Joow: »Mach mir so ein Schwert, ich will dir's redlich bezahlen.« So macht der Schwertmacher ein gut Schwert. Un wie es Joow in seine Hand nahm, da zerbricht er es in zwei Stück. So tät Joow an drei Schwertern nacheinander, die er alle zerbrach. Dernach macht er eines, daß seinesgleichen nit war gesehen worden, viel besser un stärker als das seine war gewesen. Da sprach Joow wider den Schmied: »Wen willst du zum liebsten haben, den ich soll mit dem Schwert zu tot schlagen?« Da sprach der Schmied: »Ja, der Juden Hauptmann.« Da sprach Joow: »Sieh, was dorten hinter dir liegt.« Da sah der Schmied hinter sich. Da schlug ihm Joow seinen Kopf ab. Da sprach Joow wider den Schmied: »Wie is dir?« Denn der Kopf is ihm nit gar abgewesen. Da sagt der Schmied: »Mir is gleich als ob ein kalter Schnee dran möcht laufen.« Da gab ihm Joow noch einen Tritt, daß ein Stück dahin fiel, das andere Stück dorten hinaus. Un dernach ging Joow in einen Hof da fand er fünfhundert starke Mannen drinnen, die da wol gerüstet sind gewesen zu der Milchome (zum Krieg). Die schlug er all zu tod, daß keiner über bleibt dervon. Dernach steckt er sein Schwert wieder ein, un ging wieder heim. Da kam das Geschrei in die Stadt, wie fünfhundert Mann[150] in einem Hof zu tod wären geschlagen worden un niemand wußt, wer es getan hätt. Un sie sprachen, das hat kein anderer getan als Aschmedaj. Un Joows Wirtin fragt Joow ob er nix gehört hat, wer es getan hat. So sprach er: »Nein, wer will mir's sagen, wer es getan hat?« Un nahm zehn rote Gulden aus seinem Beutel un gab es seiner Wirtin, daß man ihm sollt gute Speis darum einkaufen, was man bedarf. Un blieb noch zehn Tage bei ihr, un ging dernach wieder aus dem Haus auf den Markt un hat sein Schwert in seiner Hand un schlug wieder fufzehnhundert Manen zu tod. Un das Schwert klebt ihm an seinen Händen fest von dem, daß er's nit konnt herabbringen. Un luf flugs heim un er fand die junge Frau im Haus. Da sprach er wider sie: »Mach mir das Wasser warm, daß ich das Schwert wieder ledig mach.« Da sprach sie wider Joow: »Soll ich dir Wasser warm machen un du eßt un trinkst mit uns, un du schlagst unsere Leut hie in der Stadt tot? Ich will dir nix warm machen.« Da das Joow hört, da ging er hin un schnitt ihr den Bauch auf, un stieß seine Händ in ihren Bauch, un macht das Schwert ledig un lauft wieder aus dem Haus. Da hört er ein Geschrei in der Stadt un sagt: »Wer einen fremden Gast in seinem Haus hat, den soll man vor den König bringen.« Da begegnet Joow demselbigen, der so ausschreit. Da ging Joow hin un schlug ihn zu tod. Un zu wem er kam, den schlug er zu tod. Un schlug so lang bis er an das Tor kam. Da tät er das Tor auf. Un das Dam (Blut) lauft zum Tor heraus un Iisroel die hätten nun geweint um Joow, denn sie meinten er wär lang tot. Un da sie nun sahen, daß das Dam zu dem Tor heraus lauft, da schreien sie all mit großen Freuden un mit großen Stimmen: »Schma Iisroel (Höre Iisroel).« Da das Joow hört, da ging er auf ein hohes Tor un ruft den Posuk (Vers): »Er verblaßt nit, der Heilige, gelobt sei er, sein Volk Iisroel.« Un Joow sprach: »Gott, er sei gelobt, der wird für uns streiten, un ihr sollt still schweigen.« Un jetzunder schickt behend einen zum König David, daß er kommt, denn wir haben gewonnen die Stadt ganz. Un wie Joow unter sich sah, da stund geschrieben auf seiner rechten Hand: »Er wird dir antworten, der Heilige, gelobt sei er, Hilf von Kodesch.« Un darauf kam König David un macht den Psalm vollends aus. Da sagt David wider Joow: »Hast du die Amalekiten all zu tod geschlagen?« Da sagt Joow: »Mein Herr der König, es lebt nix mehr in der Stadt, neiert der König un etliche Leut.« Da bracht man sie gleich vor den König außen. Da ließ er sie alle zugleich tot schlagen. Un der König David nahm die Krone von dem König seinem Haupt. Die wog ein Zentner Gold un sonst auch viel Edelsteine, die in der Krone stunden. Un David ging hin un verbrennt all ihre Götzen. Un dernach nahm er alles was in der Stadt war, un zug mit Frieden heim.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 149-151.
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