Hundertsechzigste Geschichte

[163] geschah an vier Juden, die gingen aus Jeruscholajim un sie übernächtigen bei einem Juden, der war ein sehr reicher Mann. Wie sie nun der reiche Mann sah, da waren sie gar willkommen bei ihm un ließ flugs Fleisch bei einem Kazew (Juden-Metzger) holen, un ließ auch Wein bei einem Juden-Wirt holen un sie aßen un tranken miteinander un der Baalhabajis (Hausherr) war gar fröhlich mit ihnen. Un dernach so sie gegessen un getrunken hatten, da ließ er sie schlafen weisen. Da ging der Baalhabajis vor die Kammer, un wollt doch hören, was sie doch miteinander redeten, denn der Baalhabajis konnt wol gedenken, daß sie große Chachomim (Weise) waren, dieweil sie von Jeruscholajim sind. Da hebt einer zu seinem Chawer (Gesellen) an zu reden un sprach: »Ich lieg in einem Bett, das is nit auf dem Himmel un auch nit auf der Erden«, denn das selbige Bett war an Seiler fest gemacht, un wie ein Schockel, daß man sanft sollt darinnen liegen. Da gedachte der reiche Mann, der hat schon den Emes (die Wahrheit) gesagt. Da sprach der andere Chawer: »Das Fleisch, das wir gegessen haben, das hat geschmeckt, als wenn es wär von einem Kelew (Hund) gewesen.« Da sprach der Dritte: »Der Wein, den wir getrunken haben, der hat geschmeckt nach einem toten Menschen.« Da sprach der Vierte: »Der Baalhabajis hinnen, der is ein Mamser (Bastard), denn seine Mutter hat ihn mit seinem rechten Vater nit gehabt.« Da sagt der Baalhabajis: »Das erste mit der Bettlade haben sie wahr gehabt, ich muß die andern auch gewahr werden.« Zu morgens früh ging er hin zum Kazew (Metzger) un sagt zu ihm: »Lieber, sag du mir, was hast du mir nächten (gestern) für Fleisch mit meinem Diener geschickt?« Da sagt der Kazew: »Was sollt ich dir für Fleisch haben geschickt? Ich hab dir gut Schafen Fleisch geschickt.« Da sprach er wider zu ihm: »Wo is dir aber das Fleisch hergekommen?« Da sagt der Kazew: »Ich will dir's sagen, ich hab gehabt ein Schaf, das hät ein jung Lämmchen gehabt, un das Schaf is gleich gepegert (krepiert). Da hab ich eben einen Hund gehabt, der hat junge Klowim (Hunde) gehabt. Da hab ich das junge Lämmchen eine Weil bei die alte Hund lassen säugen. Un wie du nach Fleisch hast geschickt aus deinem Haus, da hatt ich eben keins. Da tät ich flugs das Lämmchen schächten un hab dir es geschickt.« Da gedacht der[163] Baalhabajis, der andere Gast hat auch wahr gesagt, ich muß nun weiter gehn. Un ging so zum Weinschenk, un sprach zu ihm: »Lieber Wirt, was hast du mir nächten für einen Wein geschickt?« Da sprach der Wirt: »Ich hab dir guten Wein geschickt.« Da fragt er: »Wo is er aber dir hergekommen?« Da sagt der Wirt: »Ich will es dir sagen. Ich hab eben das selbigemal keinen Wein gehabt, da du mir geschickt hast. Neiert ein Faß hab ich nument gehabt, un das halt ich zu Gedächtnis, denn da mein Vater is gestorben, da hab ich ein Weinreb auf sein Kewer (Grab) gepflanzt un war der Reb für Wein tragen. Das tu ich mir besonders in ein Faß, meinem Vater zu einem Gedächtnis. Un derweil ich dasselbigemal keinen andern Wein hab gehabt, so hab ich dir den Wein zulieb geschickt.« Da gedacht der Baalhabajis, der dritte Mann hat auch recht. Nun will ich zu meiner Mutter gehn un will auch gewahr werden. Un ging zu seiner Mutter, un fragt sie: »Meine liebe Mutter, was für einen Vater hab ich gehabt? Oder wemens Sohn bin ich?« Da sprach die Mutter: »Was fragst du? Du bist mein Sohn, un ich hab dich mit deinem Vater gehabt.« Da sagt er: »Willst du mir nit sagen die rechte Wahrheit, so mußt du von meiner Hand sterben.« Un nahm ein Blut-Schwert un setzt ihr es auf ihre Brust. Da sagt sie: »Mein lieber Sohn, ich will dir die rechte Wahrheit sagen. Den Mann, den ich zu der Ehe gehabt hab, da hab ich keine Kinder mit ihm können bekommen. Un wenn er gestorben war sonder Kinder, dann wär mir das Mammon als aus meiner Hand gekommen. Also bin ich hingegangen un hab mit einem andern Mann zu tun gehabt, un mit demselbigen Mann hab ich dich gehabt. Also is mir das Mammon geblieben.« Da gedacht der Baalhabajis, der vierte hat auch wahr gehabt. Da gedacht der Baalhabajis auf die Weise werden uns die von Jeruscholajim zu eitel Mamserim (Bastarden) machen un machten einen Cherem (Bann) unter Kohel (in der Gemeinde), daß man keinen mehr von Jeruscholajim beherbergen soll. Derhalben soll man nit horchen. Hätt er nit gehorcht, also hätt er solches nit gehört von seinen Gästen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 163-164.
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