Zweihundertdreizehnte Geschichte

[258] geschah an einem König, der hatte einen einzigen Sohn. Un der König hatt seinen Sohn sein Tag nit ausgeschickt, daß sein Sohn hätt können Tarbus (Lebensart) lernen, gleich wie andere Fürsten tunen. Denn er hat seinen Sohn so gar lieb, daß er ihm nit wollt getrauen. Derhalben war er gleich wie ein heimgezogenes Kalb. Denn er war ein großer Fresser un Saufer. Nun, es begab sich, daß der König Gäste aus fremden Landen hat, un wie sie nun über dem Tisch saßen, da fragten ihn die fremden Fürsten, warum er seinen Sohn auch nit hätt an dem Tisch sitzen, denn wir sähten ihn auch gern. Da sprach der König wider: »Meine lieben Freunde, was wollt ihr an ihm sehen? Ich hab ihn noch mein Tag nit von mir weg geschickt, daß er hätt übliche Zucht gelernt. Un ich mag ihn darum nit über meinen Tisch setzen, wenn ich fremde Leut bei mir habe.« Aber die Fürsten wollten ihn auch am Tisch sitzen haben. So heißt er ihn auch an den Tisch setzen. Wie er nun an den Tisch kam, da freßt un sauft er un schiebet ein als wie eine Kuh. Nun, die Fürsten sahen wol, was er für ein Vogel war, un waren ihn gar bald müd. Aber sie ließen sich nix merken. Wie nun der König sah, daß sie seinen Sohn nit achten,. da gedacht er sich, was werd ich aus meinem Sohn ziehn? Da gedacht er sich, daß er einen Stallmeister hat, der is ein großer Chochom (ein kluger Mann), den wollt er mit seinem Sohn weg schicken um die Welt zu besehen. Un er wollt ihnen Geld genug mitgeben. Also ließ er den Stallmeister rufen un sagt zu ihm: »Mein lieber, getreuer Stallmeister, nun bitt ich dich, daß du mit meinem Sohn sollst ausziehn um die Welt zu besehen. Un ich will euch Geld genug mitgeben, damit daß mein Sohn auch die Welt sollt sehen un was Zucht anzunehmen.« Der Stallmeister konnt es dem König nit abschlagen, un verheißt ihm sein Bestes bei ihm zu tun. So ließ der König zwei Pferde zurichten un gab ihnen Geld genugen mit un ließ sie weg ziehn. Also kamen sie in eine Stadt, da war ein König drinnen. Also lagen sie in einem Haus bei einem Jauez (Rat) von dem König. Also vernahm der Jauez, wie die zwei großen Herren waren zu ihm in sein Haus gekommen, un fragt sie, wo sie her sein. Also kam der Jauez bei sie un gab ihnen Willkommen. Da sagten sie, wir sind aus Bummern (Pommern). Also ging der Jauez zum König un zeigt es ihm an, wie zwei gewaltige Herren aus Bummern in sein Haus waren gekommen. Also befuhl ihm der König, daß er sie sollt auf die Nacht mitbringen um zu essen. Also brachte der Jauez seine Gäste zu Nacht nach dem Hof aus Befehl des Königs. Also ging man an den königlichen Tisch sitzen. Also is der Seder (Sitte), daß man einem jeglichen einen Brotteller vorsetzt, da er drauf eßt. Danach, wenn man gessen hat, da hebt man die Teller wieder auf un gibt das Brot den armen[259] Leuten. Nun, sobald als das Brot auf seinen Teller kam, da griff er dernach un eßt es auf. Da derschrak der Stallmeister. Un alle, die am Tisch saßen, sahen den jungen König an, denn sie wußten nit was sie gedenken sollten. Da nahm der Stallmeister seinen Beutel aus seinem Sack un zug ihn auf un wirft den Armen eitel Kronen dervor. Da meinten die andern Fürsten, er hätt es gern getan, um daß er Zdoke (Almosen) dervor will geben, dervor hätt er das Stück Brot aufgegessen. Nun ließ sich des Königs Sohn ein wenig von dem Stallmeister unterweisen, daß er nit mehr so ein großer Fresser war, gleich wie er gewesen is. Dernach zugen sie weiters, un kamen auf ein Schloß, da wohnt ein König drinnen. Da nun der König mit seinen Fürsten un der Stallmeister mit seinem jungen König am Tisch saßen un gar fröhlich waren, so hebt der König an un sagt: »Ihr liebe Herren, als wie wir hier beieinander sind, so wollt ich euch gebeten haben, daß ein jeglicher seine Ausfahrt soll sagen, damit daß wir unsere Zeit was kürzen sollen, gleich wie es die Sitte bei Fürsten un Königen is, daß jeder für Kurzweil seine Ausfahrt sagt.« Wie nun solches der Stallmeister hört, da gedacht er, wie wird nun mein junger König wissen seine Ausfahrt zu sagen. Denn er weiß noch nix dervon, denn er is sein Tag noch nit aus seinem Land gewesen. Also gedacht sich der Stallmeister einen andern Rat, un nahm den jungen König mit vom Tisch herfür un sprach zu ihm: »Vernimm nun noch meine Rede, denn jetzunder wird ein jeglicher seine Ausfahrt sagen. Nun sag mir, was wollst du sagen? Denn du weißt noch nix, du bist noch nit gewandert. Derhalben folg du mir, so will ich dich wol lernen, wie du diesesmal dervon kommst. Geh du nun wieder an den Tisch sitzen, da werden dir die andern Fürsten zu bringen, so will ich dir auch eins zubringen. So sag du: Mein lieber Herr Stallmeister, wollt ihr mich noch voller machen? Bringt man mir nit für genug zu? Un dann fall ein wenig auf deinen Arm dernieder un mach dich schlafen. So werden sie dich liegen lassen sonder deine Ausfahrt.« So ging der junge König wieder an den Tisch. Un wie sie nun so saßen, da brachten die Fürsten dem jungen König zu, un begehrten ihn voll zu machen. Dernach hebt der Stallmeister auch an un bracht dem jungen König auch eins zu. Da sprach der junge König: »Mein lieber Stallmeister, bin ich nit vor voll genug un ihr bringt mir noch einen zu?« Nun er tät ihm auch Bescheid. Un wie er getrunken hat, so fiel er nieder auf seinen Arm als wenn er schlief. Da verdrießt es die andern Fürsten, daß der junge König schlaft, un sprachen: »Wir wollen den jungen König aufwecken.« Aber der Stallmeister sprach: »Nein, er is nun voll, wir wollen unsre Ausfahrt auf einandermal halten.« Also kam der junge König dervon. Nun, zu morgens ziehten sie weiter un kamen in ein Schloß, da war eine Mühle drinnen, da man Edelsteine mit löchert. Un da innen[260] wohnt ein Graf. Un derselbige Graf hat die schönsten Töchter, als daß man ihresgleichen in weiten Landen nit finden könnt. Un da sie der junge König sah, so kriegt er eine große Lust zu den Töchtern. Nun, er hätt gern eine von den Töchtern gehabt, aber der Graf wollt ihm keine geben. Nun, es begab sich in derselbigen Zeit, daß eben Jahrmarkt bei dem Schloß war. Also kamen viele Sauchrim (Kaufleute). Also war einer unter den Sauchrim, der hat drei Karfunkelsteine zu Kauf. Un der junge König hätt die Karfunkel gern gehabt, un wußt aber nit wie er dran kommen sollt. Denn er hatt ja so viel Geld nit als sie wertig waren. So ging der König hin un ließ sich ein Narrenkleid machen von allerlei Farben un sprach wider seinen Stallmeister: »Seht ihr mir neiert zu, wie ich Karfunkel will kaufen.« Un sprach: »Seht da her, wie ich Narrenkleider über meine königlichen Kleider antue. Nun seht wol auf, wenn ich die drei Steine werd in meiner Hand haben un werd sie feilen, also werd ich den Preis stracks zuschlagen, so wird der Kaufmann mir sie wollen wieder nehmen, so steht nahend bei mir un kommt mir zu Hilf. Un fragt den Kaufmann ob ich die Karfunkel nit redlich gekauft hab. Un sagt weiters gegen ihn: Gibst du deine Steine einem Narren oder einem Kaufherrn her zu Kauf?« Un auch mußt du sehen, was für einen Vogel du im Garn hast. Nach diesem ging der junge König zu dem Kaufmann mit seinen Narrenkleidern an. Un ging bei dem Kaufmann stehn un nahm die drei Karfunkel in seine Hand. Un frägt den Kaufmann: »Wie teuer gebt ihr mir die drei Feuersteine?« Da sagt der Kaufmann: »Um hundert Gulden«, denn der Kaufmann meint es wär ein Narr. Da sagt der junge König: »Ach Herr, gebt mir sie um zehn Gulden, anders sind sie mir gar zu teuer.« Da sagt der Kaufmann: »Kommt geschwind, zählt mir das Geld auf, sie sollen dein dervor sein.« So zählt er ihm geschwind die zehn Gulden auf un nahm seine Karfunkel un wollt damit weg gehn. So wollt ihn der Kaufmann nit lassen, un schrie: »Ach un weh, ich hab es nit ernst gemeint. Denn der Herr kann wol gedenken, ich hab es um das Geld nit geboten, wenn es mein Ernst wär gewesen. Denn sie sind wol ein ganzes Königreich wert.« Da tät der Narr seine Narrenkleider aus. So stund er da gleich wie ein König. Un sprach wider den Kaufmann: »Siehst du wol, wer ich bin, un wem du deinen Stein verkauft hast? Derhalben laß mir meine Steine, denn ich hab sie dir redlich abgekauft. Oder wir wollen andere Sachen derzu tan, die du nit vermeinen wirst.« Indem kam sein Stallmeister auch derzu mit vielen Nachtretern, welche die er vom Schloß hat mitgenommen, un sprach: »Was is da für ein Geschrei über meinem Herrn?« Un wollt mit Gewalt den jungen König von dem Kaufmann wegziehen. Da sprachen die Leut, die da derbei stunden, sie sollten es doch bleiben lassen. Denn sie wollen sehn ob man sie vergleichen könnt,[261] welcher gerecht werde sein. Damit war der Stallmeister zufrieden. Wie nun die andern Fürsten solches hörten, da hebten sie an: »Der König hat die Steine redlich gekauft, er sollt sich aufrecht berufen.« Wie auch geschah. Also kamen sie vor das Gericht. Also ward erkannt, daß der König die Steine hat mit rechten gekauft. Aber doch soll der junge König dem Kaufmann noch bezahlen zweitausend Gulden, damit der Schaden nit so gar groß sollt sein. Da das der arme Kaufmann hört, da schrie er un weint un wollt nix heraus haben. Da sagten die Fürsten, die im Gericht sind gewesen: »Is das nit genug von dem König? Denn er war dir nichts schuldig zu geben. Derhalben nimm das Geld un pack dich weg.« Un der Kaufmann war betrübt. Nun hatt sich der junge König bedacht, wie er es sollt angreifen, daß er möcht eine von dem Grafen seinen Töchtern bekommen. Also begab es sich, daß der König mit seinem Stallmeister wieder weg zieht. Un kam nit lang dernach wieder in das Schloß, da der Graf drinnen wohnt, mit den Töchtern. Un es war dem jungen König ein besonderes Cheder (Zimmer) angegeben, daß er innen liegen soll. So behielt er die drei Karfunkel bei sich in seinem Zimmer, derwartend das Zimmer sollt hell leuchten. So ging der König mit seinem Stallmeister einmal spazieren. Derweil waren die Töchter hingegangen un hatten das Zimmer aufgemacht un haben die schönen Steine gesehen. Un haben große Lust derzu bekommen. So kamen die zwei wieder heim zuhause un spürten wol, daß jemand war in dem Zimmer gewesen. Aber sie durften sich keines was annehmen, daß jemand war drinnen gewesen. Nun kamen die drei Töchter zum jungen König un sagten zu ihm: »Mein Herr König, wollt ihr uns jeglicher einen Stein schenken, so wollen wir jegliche besonders, mit euch eine Stunde der Frauen Spiel spielen, wie es sich von rechten gehört, wie man denn die Gaben geben soll.« Nun, sie waren den Kauf eins, daß sie eine Stunde miteinander spielen sollten. Dieweil ging die älteste Tochter zum Glöckner un sprach zu ihm: »Sieh, daß du zweimal geschwind nacheinander die Glocke läßt schlagen, denn ich will mit dem jungen König eine Stunde der Frauen Spiel spielen. Da sieh, wenn ich zu ihm in das Bett steig, so schlag die Glock, so will ich wieder aus dem Bett heraus steigen. Un gib du Achtung drauf, wenn er mir eine falsche Gabe will geben, so schlag die Glocke, so hab ich mein Geld verdient.« Also gingen sie zum jungen König in sein Zimmer. Da konnt der Glöckner eben sehen, wenn sie in das Bett herein stieg. Un sie spielten der Frauen Spiel miteinander. Nun er wollt ihr eine falsche Gabe geben. Da dersah das der Glöckner un ließ geschwind die Glocke schlagen. Da sprach sie: »Dasmal hab ich mein Teil verdient, denn die Stunde is nun aus. Denn die Glocke hat nun geschlagen. Derhalben gib mir meinen Karfunkelstein her.« So[262] gab er ihr den Stein. Da lauft sie bald zu ihren andren Schwestern, un sagt, wie sie nun hat das ihrige verdient. So machten die beiden andern Schwestern auch mit dem Glöckner wie die Älteste. Nun, die Mittelste kriegt es auch auf die Weis. Wie nun die Jüngste wollt auch wieder aus dem Bett steigen, da der Glöckner hat geschlagen, da derwischt sie der junge König un gab ihr eine falsche Gabe gleich wie oben steht. Un dernach gab er ihr auch den Karfunkel. Also kam sie zu ihren Schwestern und sagt, wie sie war bei ihm gewesen. Da sagten die andern Schwestern: »Es schadet dir nix. Du hättest auch sollen tun gleich wir getan haben.« Dernach ging der junge König zu den andern beiden Schwestern un sprach zu ihnen: »Liegt ihr auch bei mir, oder gebt mir meinen Karfunkel wieder.« Da nahmen sie es für eine gute Pschore (Vergleich) an, un lagen auch bei ihm. Un da er sein Sach mit ihnen verrichtet hat, da sprach er zu allen drei Schwestern: »Gebt mir meine Karfunkel wieder, oder ich will es euerem Vater sagen.« Nun, sie ferchteten sich vor ihrem Vater gar sehr, un gaben ihm alle drei wieder. Bekizer (Kurz) die Jüngste war tragen von ihm geworden, daß sie gar bleich war, wie das wol zu gedenken is. Da sah der Vater, wie seine Tochter so bleich war. Da frägt der Vater: »Meine liebe Tochter, was is dir geschehen, daß du all so bleich bist un du pflegst die allerhübscheste unter meinen Töchtern zu sein?« Da sagt sie dem Vater, wie es ihr gegangen is. Da sagt der Vater: »Wiewol daß du bist von ihm tragen worden, so will ich dich doch ihm nit geben zu einem Weib.« Wie nun solches die junge Tochter von ihrem Vater hört, daß sie den jungen König nit bekommen sollt, da war sie gar traurig. Un sie ging hin un sagt es dem jungen König, wie solches der Vater geredet hat, das ihr ein großes Herzbruch war. Denn sie hatten sich gar lieb miteinander. Nun war der junge König auch gar traurig, denn er hätt die Tochter gar gern gehabt un wußt nit, wie er sie bekommen sollt. So klagt er dem Stallmeister. Da sprach der Stallmeister: »Ich will dir eine gute Ezeh (Rat) geben, wie du die Tochter bekommen kannst. Geh hin, un nimm einen Karfunkelstein un mach ein klein Ritzchen drein, daß man es nit sieht. Un geh zu dem Grafen, un sag ihm: Lieber Graf, ich wollt euer Gnaden gebeten haben, ihr sollt mir auf euerer Mühlen ein Loch in meinen Karfunkelstein machen. Denn ich weiß wol, sie werden ihn mechule machen (zerbrechen). Dann kannst du deinen Stein schätzen so hoch du selbert willst, un der Graf wird nichts ihn zu bezahlen haben. Alsdann muß der Graf tun was du willst.« Also ging der junge König zu dem Grafen un bracht ihm den Karfunkelstein, un sagt ihm gleich, wie ihm sein Stallmeister hat Rat gegeben zu tun. Also schickt der Graf den Stein auf seine Mühle un entbot derbei, man sollt bei Leibstraf zusehen, daß man kein Loch derneben machen sollt, damit dem Stein kein[263] Schaden getan werden sollt. Der Mühlherr nahm den Stein zu sich un sprach, er wollt seinen Fleiß tun, soviel ihm möglich wär. Denn er versichert sich, er wollt es wol können machen, daß kein Mangel sollt daran sein. Un der Mühlmeister gab den Stein dem Mühlknecht, er sollt ein Loch drinnen machen sonder Schaden, daß kein Loch derneben möcht drein kommen. Nun, der Mühlmeister ging derweil spazieren auf das Feld un dieweil wollten die Knechte ein Loch in den Karfunkelstein bohren. Da brach der Stein mitten voneinander. Wie nun die Knechte das sahen so machten sie alle Pleite (liefen fort) von der Mühle, denn sie konnten ihn nit bezahlen mit all ihrem Gut. Nun schickt der Graf einen Knecht nach dem Karfunkelstein in der Mühle. Un es war niemand in der Mühle. Derweil kam der Mühlmeister auch heim un der Knecht wollt den Stein haben. Denn der Graf will ihn sehn ob ihr in habt eingelöchert. Da sah der Mühlmeister niemand in der Mühlen. Da sucht er den Stein. Da lag er dorten zubrochen voneinander. Da gab der Mühlmeister dem Knecht die Stücker un er macht derweil auch Pleite. Denn er vermögt ihn auch nit zu bezahlen. Also bracht der Knecht die Stücker seinem Herrn. Wie nun der Graf die Stücker von dem Stein sah, da war er sehr derschrocken, denn er wußt nit wie er vor den jungen König sollt kommen. Derweil kam der junge König auch zu gehn un wollt seinen Stein sehn, ob er recht gemacht is. Da sprach der Graf zum König: »Hochgeborener König, ich kann euch nit verschweigen, was mir geschehen is. Euer Stein is mitten voneinander gebrochen.« Un der Graf trieb einen großen Jammer, un sprach zu dem jungen König: »Ich weiß euch diesen Stein nit zu bezahlen.« Un rupfet sich vor großem Leid sein Haar aus seinem Kopf. Da sprach der junge König zu dem Grafen: »Nit tut so scheizlich. Man kann euch noch helfen. Gebt ihr mir derfür euere jüngste Tochter zu einem Weib, so will ich euch auf den Stein verzeihen.« Wie der Graf solches hört von dem König, so war er gar froh, daß er's mit seiner jüngsten Tochter bezahlen konnt. Also gab der Graf dem König seine Tochter zu einem Weib. Also war die Hochzeit mit großen Freuden, un ein jeglicher sagt seine Ausfahrt über den Tisch. Da hebt der junge König an un sagt seine erste Ausfahrt: »Ich ging einmal auf einen Acker. Da begegneten mir drei schöne weiße Tauben un eine unter den dreien war gar weiß. Da schuß ich nach einer. Da konnt ich sie nit treffen. Dernach schießt ich nach der anderen, da konnt ich auch nit treffen. Dernach schießt ich nach der dritten, da trefft ich sie zwischen die Flügel, daß ihr der Bauch auflief.« Wie solches die andern Grafen hörten, lachten sie un merkten es gar wol un waren fröhlich. Also bekam der junge König die hübsche Tochter un lebt mit ihr in Freuden.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 258-264.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon