Von vorn und von hinten

[118] Ein junger Mann aus gutem Hause machte seiner Nachbarinnen einer den Hof, die er wohl zu heiraten hoffte. Als er sich eines Tages allein mit der Schönen im Hause befand, hub er an sie zu umarmen, zu liebkosen, sie zu entblößen und dann ohne priesterliche Einwilligung eine kräftige Lanze zu brechen, deren er sich übrigens zum ersten Male bediente.

Das Mädchen war sehr erstaunt ob dieses Vorgangs gewesen. So sagte sie denn auch zu ihrer Mutter bei deren Rückkunft:

»Mein Bräutigam ist vorhin gekommen und hat mir einen langen Gegenstand zwischen die Beine geschoben, der mir wohl Furcht eingeflößt hat. Der war wie ein Tier, das zwei Begleiter bei sich hatte, und die sprangen und tanzten. Das große rauche Tier konnte nur mit Mühe in das gelangen, was uns zum Wasserabschlagen dient. Endlich kam es doch zum Ziel, während die beiden anderen an meinen Steiß trommelten. Schließlich spie das große Tier und besänftigte sich alsbald, um dann noch zweimal in Wut zu geraten. Ich glaubte, es sei rasend.«

»Ach, du Unglückswurm; und du hast nicht um Hilfe geschrien?«[119]

»Ich hatte solche Angst. Und dann machte es mir endlich großes Vergnügen!«

»Schweig, du Hündin, Hure, Luder du! Bist deine Jungfernschaft ledig. Kommst unter die Räder. Dein Bräutigam ist ein Räuber. Nie, nein, niemals soll er dich heiraten!«

»Also soll ich mich nicht verheiraten?«

»Du wirst heiraten, aber einen anderen Burschen. Ich will den Schweinehund nicht mehr sehen, der deine Geisteseinfalt also ausgenutzt hat. Was geschehn ist, ist geschehn. Sprich mit niemandem darüber, wenn du uns nicht durch Schande umbringen willst!«

Die Tochter dachte nach. Selbigen Abends richtet sie es ein, daß sie heimlich den trifft, der ihr die Jungfernschaft genommen hat.

»Hast du keine Scham im Leibe!« spricht sie zu ihm. »Wie ein Dieb hast du dich bei mir eingeschlichen, Ich hab' alles meiner Mutter erzählt. Und nun werden wir uns nicht heiraten!«

»Törin, Närrin,« brüllt der Bursche, »mußtest du das bei deiner Mutter anbringen? Was man sich eingebrockt hat, muß man auslöffeln. Wir werden uns jeder nach seinem Belieben verheiraten, aber vorher will ich dir zurückgeben, was ich dir genommen habe.«

»Kann man das?«

»Gewiß. Um dir die Jungfernschaft zu nehmen, hast du dich auf den Rücken und ich mich auf deinen Leib gelegt. Tun wir das gleiche nur umgekehrt. Ich will[120] mich auf den Rücken, du sollst dich auf meinen Leib legen. So wirst du das wieder erlangen, von dem deine Mutter soviel hält!«

Das Mädchen ist ganz glücklich. Hebt ihr Hemdchen und weist dem wilden Tiere seinen Weg, das sich schließlich nach mehreren Angriffen besänftigt.

»So, jetzt laufe zu deiner Mutter und sage ihr, ich hätte dir deine Jungfernschaft wiedergegeben. Sie könnte dich verheiraten, mit wem sie wollte!«

Natürlich hat die Törin nichts eiligeres zu tun, als hinzugehen und ihrer Mutter freudestrahlend das neue Erlebnis mitzuteilen.

Die gute Frau hebt die Hände gen Himmel:

»Ich sehe, Nichtsnutz, daß wir dich ohne Verzug verheiraten müssen, sonst würde ja das ganze Dorf bei dir liegen. Eine Gevatterin hat mir von einem jungen Burschen gesprochen, der ebenso dumm ist wie du, aber doch Geld hat. Wir werden die Heirat der größten Toren feiern, die man je gesehn!«

Bald war das Mädchen unter der Haube. Ihr alter Verlobter beeilte sich seinerseits ebenfalls einen Schuh für seinen Fuß zu finden.

In der Hochzeitsnacht fragt ihn sein junges Weib zwischen zwei Liebesspielen, warum er seine erste Braut nicht geheiratet habe.

»Die Geschichte ist sehr unterhaltsam,« sagt er. Und erzählt, wie er der Unschuld die Jungfernschaft geraubt und wiedergegeben. Die Frau lacht wie besessen.[121] Spricht: »Daran hast du recht getan, die Dumme nicht zu nehmen. Erzählt man solche Geschichten denn seiner Mutter? Bei mir hat mehr denn fünfzigmal unser Knecht gelegen, hab' ich mir das Vergnügen gemacht, es meinen Eltern anzuvertraun?«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 118-122.
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