Eine Erzählung aus Madagaskar

Eine Erzählung aus Madagaskar.

[176] Einstmals ging Ikotafetsy in den Wald, um dort Laingo zu graben. Als er mit seiner Arbeit fertig war, brachte er die Frucht der schönen Rafotsibe, die sie in eine Schale legte. Darauf ging Ikotafetsy davon, kehrte aber bald wieder in das Haus zurück und fragte:

»Wo ist meine Laingo?«

»Ich habe sie für meine Zähne verbraucht,« erwiderte Rafotsibe.

Ikotafetsy wurde darauf sehr böse und schalt die schöne Rafotsibe; diese aber sagte:

»So werde ich dir eine kleine Nadel für deine Laingo geben.«

Der Knabe war dessen zufrieden, nahm die Nadel und ging mit ihr zu einem Fischer, dem er sie zeigte.

»Laß uns tauschen!« sprach dieser. »Wenn du mir die Nadel gibst, so werde ich dir einen Fisch geben.«

»Wirst du mir den Fisch auch wirklich geben?« fragte der Knabe.

»Ganz bestimmt.«

Da tauschten sie, und Ikotafetsy nahm den Fisch zu[177] einem Holzfäller, der ihm eine Axt dafür bot. Wiederum wurde der Knabe handelseinig mit dem Manne, nahm die Axt und zeigte sie einem Totengräber. Der sprach:

»Gib sie mir; damit ich mit ihr Vieh töten kann zum Schlachten.«

Ikotafetsy willigte ein.

»Doch,« sagte er, »ich kann nicht zugeben, daß du bei deiner Arbeit meine Axt zerbrichst; es ist die einzige, die ich habe.«

»Wie werde ich sie zerbrechen!« rief der Totengräber und begab sich an die Arbeit; indessen nach wenigen Minuten schon war die Axt entzwei.

Da sprach Ikotafetsy:

»Du hast meine Axt zerbrochen, und ist es nur gerecht, wenn ich das geschlachtete Vieh behalte.«

Da gab der Totengräber ihm, was er haben wollte. Das Fleisch brachte der Knabe einem alten Manne, der ihm dafür eine Trommel gab. Mit der Trommel lief Ikotafetsy nach dem Markt, und auf dem ganzen Wege trommelte er fortwährend, so daß die Leute stehen blieben und zueinander sagten:

»Seht, seht, was für eine schöne Trommel Ikotafetsy hat!« Und einer nach dem anderen nahm die Trommel und trommelte. Schließlich ging sie entzwei.

Ikotafetsy aber wurde sehr böse und rief:

»Als ich mir Laingo im Walde gegraben hatte, nahm Rafotsibe es und gab mir dafür eine Nadel, die gab ich dem Fischer für einen Fisch, den der Holzfäller mir für eine Axt eintauschte, die der Totengräber zerbrach, der mir für sie Fleisch gab; das Fleisch gab ich dem alten Manne, von dem ich diese Trommel bekam. Nun ihr mir[178] diese zerbrochen habt, seid ihr alle meine Sklaven und müßt mir gehorchen.«

Da gingen die Leute zu ihrem König und baten ihn, daß er sie schütze. Doch der König sagte:

»Wenn ihr ihm sein Eigentum zerstört habt, so kann ich euch weder helfen, noch euch schützen. Ihr seid sein.«

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 176-179.
Lizenz:
Kategorien: