Lob der Geliebten

[77] Ich habe Lieder und Worte zu Melodien gefertigt und bin mit ihnen unter die Schar der Liederdichter1 getreten.

Singbare Worte habe ich gefunden über die Schönheit meiner Liebsten mit den schwarzen Augen. Ich fühle die Liebe zu ihr wie den Stoß des Wurfspießes. Mitten im Herzen brennt die Liebe.

Heftig brennt sie, wie Reisig, das ohne Rauch emporlodert. Der Verlust meiner Trauten mit den schwarzen Augen hat das gethan: Geduld möge mir von Gott, dem Allerhöchsten, kommen! Das Reisig flammt! Die Trennung von meiner Holden, der Stolzesten auf der Welt, ist daran Schuld. Wenn sie mir einen Boten zusendete, so wollte ich zu der Schwarzäugigen hineilen trotz mühseliger Hindernisse.

Nach ihrer Behausung wollte ich eilen und mir mein dunkeläugiges Liebchen erobern, trotz der feindlich gesinnten Weiber und der Schar der argwöhnischen Männer[77] und wollte eine Nacht auf ihrem Lager schön zubringen, –

zusammen mit ihr, mit meinem schmachtenden Schätzchen! Blumen wollte ich in einem Garten pflücken: sie ist der Garten, deren Wangen Rosen gleichen, –

leuchtenden Rosen! Dein Haar wallt lang herab, und schwarz ist's und dunkel! Die Stirne gleicht dem Monde in dunkler Nacht, wenn er in seinem Glanze aus den Wolken hervortritt.

Ihre Augenbrauen entzücken mich! Ihre Augen peinigen mich wie eine Kugel am Tage des Kampfes unter den Beduinen, wo der Dampf der Salven ohn' Aufhören emporsteigt.

Weitere Vergleiche bringe ich! – Die Wangen schimmern wie Nelken. Die Nase gleicht dem Schnabel des mit der Lederkappe versehenen Falken, der von den Jägern wegfliegt und mutig die Vögel angreift, sie auseinanderjagend.

Ihre Lippe und das Zahnfleisch gleichen scharlachroter Seide, die immer weich anzufühlen ist. Ihre Tättowierung hebt sich mit der angenehmen Regelmäßigkeit einer schönen Handschrift von der Haut ab. Ihr Hals ist der der Gazelle, die in der Ebene grast, –

der jungen Gazelle! Ihre Brust ist üppig: da befindet sich der Garten mit reifen Äpfeln, Pfirsichen und Granatäpfeln, auch duftigen Birnen, zu Geschenken geeignet.

Deine Schönheit wäre das beste Geschenk! Eine zierliche Schärpe ist um deinen Leib gewunden. Meinen Verstand hast du geraubt, als ich dich jetzt unter der Schar der Schönen prangen sah, –[78]

prangen in deinen kostbaren Kleidern! Du hast eine Armspange und einen Armreif angethan. Schlank bist du wie ein Schiff, das vor Fes liegt, ausgerüstet mit Kugeln und Kanonen, am Tage des Kampfes.2

Du prangst vor der Welt! Lange Silbernadeln hast du oben durchs Hemde gesteckt. Du hast mein Herz vernichtet, junges Liebchen, du erste unter den Mädchen!

Worte im Versmaße habe ich über die Schönheit meiner schwarzäugigen Holden gedichtet. – Wenn du mir ein paar Pfänder überreichen willst, Liebste, so gieb mir einen Ohrring und eine Armspange, sowie von deinen Wohlgerüchen!

Worte habe ich zu einer Dichtung zusammengefügt. Meinen Namen kennt alle Welt als Zarhbîb. Mein Meer rauscht laut in mächtigen Wogen; es wirft die Schiffe ans Ufer, daß sie zu Trümmern werden.3

1

Wörtlich: Ich bin eingetreten ins Meer der Lieder der Art Hila. – Wenn dies Gedicht hier auch keine Hila ist, sondern eine Melzuma, so ist (n.d. Erklärung) dieser Ausspruch dennoch nicht unpassend, weil nämlich der Dichter gerade dadurch zeigt, daß er auch auf andere Art dichten kann.

2

Vor Fes oder richtiger Fäs kann nicht gut ein Schiff ankern, denn es liegt etwa 150 Kilometer vom Meere entfernt; wohl aber paßt Fäs in den Reim!

3

Dies richtet sich natürlich wieder gegen die konkurrierenden Sänger.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 77-80.
Lizenz:
Kategorien: