Sprichwörter der Tschwi-Neger1

[295] 1. Gott ist der Höchste.

Erklärung: Wenn dir jemand etwas thut, vergiltst du es ihm nicht, sondern du nimmst es alles, übergiebst es Gott, deutest (aber) ihm (dem Unrechtthuer) damit (mit dem Sprichwort) an, daß Gott ihm einst vergelten wird für dich (statt deiner und zu deiner Befriedigung).

2. Die Erde ist weit, aber Gott ist der Höchste.

Erklärung: Wollte ein Verbrecher in die weite Welt entfliehen, um der Strafe zu entgehen, so weiß ihn doch Gott überall zu finden. (Über der weit ausgebreiteten[295] Erde breitet sich der Himmel, die Wohnung Gottes, allenthalben und noch weiter aus.

3. Wenn du Gott etwas zu sagen begehrst, sag es dem Wind.

Erklärung: Gott umgiebt dich allenthalben wie die Luft; du kannst, wo du immer bist, dich an ihn wenden; der Wind führt ihm deine Bitte zu.

4. Niemand zeigt eines Schmiedes Sohn das Schmieden; wenn er zu schmieden weiß, so ist es Gott, der es ihn lehrte.

Erklärung: Wenn du eine Arbeit thust und einen Knaben hast, den du solcher Arbeit zusehen lässest, so lernt er es leicht (wörtlich: er ermüdet nicht und er erkennt es). Gott hat dem Kinde die Fähigkeit zu beobachten und nachzuahmen eingepflanzt; wenn der Sohn also das, was er oft sieht, wie von selber lernt, so ist es eigentlich Gott, der es ihn lehrt.

5. Wenn Gott der kecken Schwalbe nichts (sonst) gegeben hat, so gab er ihr (doch) leichte Beweglichkeit (wörtlich: sich hin- und herwenden).

Erklärung: Jedes Geschöpf hat seine besondere Gabe und Vorzug.

6. Wenn die Henne Wasser trinkt, so zeigt sie es Gott.

Erklärung: Für alles, was du genießest, danke Gott, von dem es kam.

7. Weil Gott keine schlechten Sachen will, giebt er jedem Einzelnen einen Namen.

[296] Erklärung: Wenn dein Nächster dir Böses thut und auf dein Untersagen nicht abläßt, sagst du: so thu es eben, aber du allein wirst (von Gott) dafür zur Verantwortung gezogen werden. (Jeder wird seine Last tragen.) – Wenn der Urheber einer bösen That nicht gleich bekannt ist, so kommt man durch Nachfragen mittelst der Namen, durch die sich nach Gottes Ordnung jeder einzelne von den anderen unterscheidet, doch endlich auf den Thäter.

8. Was Gott vorher bestimmt hat, läßt sich nicht umgehen.

Erklärung: Seinem Schicksal kann niemand entrinnen.

9. Eine Sache, die Gott zum voraus entschieden hat, ändert der Erdenbewohner nicht. (Sprichwort der Asanteer).

10. Wenn Gott dich nicht tötet und ein Mensch tötet dich, so stirbst du nicht.

11. Wenn Gott dir eine Kalabasse voll Palmwein einschenkt und ein Erdenbewohner stößt daran und verschüttet ihn, so füllt Er sie dir wieder auf.

Erklärung: Wenn Gott dich segnen will und ein Mensch flucht dir, so segnet er dich doch. (Was dir Gott beschert, bleibt dir unverwehrt).

12. Wenn du vorübergehst und jemand lacht dich aus, so übergiebst du es Gott.

Erklärung: Räche dich nicht selbst, sondern stelle es Gott anheim.[297]

13. Wenn Gott dir Krankheit giebt, giebt er dir (auch) Arznei.

14. Gott stößt der Einarmigen Tufu für sie.

Erklärung: Zum Stampfen des Tufu (ausgesottenem Jams oder Pisangfrüchten) zu der täglichen Hauptmahlzeit des Negers braucht das betreffende Weib beide Arme, Gott sorgt aber auch der Einarmigen für ihr täglich Brot.

15. Gott schuf Reiche und Arme.

16. Alle Menschen sind Gottes Kinder; keiner ist der Erde Kind.

Erklärung: Da alle Völker von Gott geschaffen sind, hat keines das Recht, aus Vorurteil die andern zu verachten.

17. Alle Menschen sind böse Menschen, wenn aber gerade dein Böses zum Vorschein kommt, so sagen die Leute, dieser Kerl ist ein böser Mensch!

Erklärung: Von sich selber läßt es der Einzelne nicht gern gelten oder sagen; wenn du aber Anlaß giebst, sagen's die Leute doch.

18. Der Mensch wird fertig mit Essen, aber nicht mit Reden.

19. Der Mensch magert nicht ab ohne Ursache; leidet er nicht Hunger so hat er Schulden.

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Gesammelt und erklärt von J.G. Christaller. Auch die Erklärungen rühren von Eingeborenen her.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 295-298.
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