Der Faule und der Fleissige.

[97] Es war einmal ein fauler Mensch, der war gesund und kräftig. Jeden Tag, wenn er die Leute zu ihrer Feldarbeit gehen sah, pflegte er zu sagen: »Ich erwarte alles von Gott.«

Eines Tages kam sein Freund und sprach zu ihm: »Warum arbeitest Du nicht?« Er erwiderte: »Ich kann nicht arbeiten.« Sein Freund entgegnete: »Ich arbeite, und Gott der Allmächtige wird mir beistehen.«

Als die Leute ihren Reis und Hirse einernteten, sah jener Faule, wie sie ihre Ernte einthaten und zur Stadt zurückkehrten. Er aber legte sich jeden Tag hungrig zu Bette und stand hungrig wieder auf und sprach alsdann: »Gott möge es mir geben.« Sein Freund[97] sprach zu ihm: »Geh hin und arbeite auf dem Felde oder suche andere Arbeit, damit Du Geld verdienst, um davon zu leben.« Er wollte jedoch nicht arbeiten, da er viel zu faul war.

Eines Tages ging er zu seinem Freunde und sprach zu ihm: »Gieb mir irgend eine Kleinigkeit, damit ich mir Essen kaufe, denn ich habe weder zu essen noch Kleider zum Anziehen.« Jener fragte: »Warum hast Du kein Essen noch Kleider? Warst Du krank?« Er erwiderte: »Nein, ich bin gesund.« »Warum arbeitest Du denn nicht?« »Ich warte auf Gott den Allmächtigen, dass er mir etwas giebt,« entgegnete er. Sein Freund sagte: »Auch wir hoffen auf Gott, dass er uns gebe, denn einem Menschen, der immer arbeitet und zu Gott bittet, dem hilft er auch, aber wenn Du Dich hinsetzest und sagst: ›Ich warte auf Gott, dass er mir etwas gebe,‹ und Du arbeitest nicht, so giebt er Dir höchstens eine Krankheit, sonst nichts.«

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 97-98.
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