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Wie es gekommen ist, daß ein Indianerstamm in Oregon kein Bärenfleisch ißt

[245] Die Rothäute waren einst sehr unfolgsam und hörten weder auf die Gebote des Großen Geistes noch auf die der heiligen Medizinmänner; sie verübten die schrecklichsten Greueltaten und schlugen sich gegenseitig tot, als ob sie nur Moskitos seien. Da schickte ihnen der Große Geist zur Strafe ein teuflisches Ungeheuer, das hatte so viele Arme wie eine Tanne Nadeln; wen es ansah, der starb, und wo es hintrat, da wuchs kein Gras mehr. Sein Atem machte das Laub der Bäume dürr, und sein Blick bestand aus giftigen Pfeilen.

Dieses Monstrum hätte nun sicherlich alle lebenden Wesen umgebracht, wenn es der Große Geist, dem seine Verheerungen mit der Zeit doch arg mißfielen, nicht zuletzt in einen Bären verwandelt und ihm die tödlichen Medizinkräfte wieder abgenommen hätte.

Ein kleiner Stamm in Oregon glaubt daher heute noch, daß durch jenes Ungeheuer alle Bären giftig geworden seien, und diese Leute rühren deshalb ihr Fleisch ebensowenig an wie das einer Klapperschlange.

Quelle:
Knortz, Karl: Märchen und Sagen der Indianer Nordamerikas. München: Verlag Lothar Borowsky, 1979, S. 245-246.
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