[95] 36. Wie die Fischgifte in die Welt kamen

[95] Es war einmal eine Frau namens Keyulewä. Diese hatte einen kleinen Sohn, der jeden Tag viel weinte. Seine Mutter war seines Weinens überdrüssig. Sie ergriff den Knaben und führte ihn aus dem Haus, ließ ihn mitten auf dem Weg stehen und verschloß das Haus. Dann sagte sie: »Friß diesen Knaben, Fuchs!« In der Nacht, als die Tür verschlossen war, und der Knabe draußen weinte, kam der Fuchs. Er schleppte den Knaben mit sich und sagte: »Die Mutter hat mich gerufen, und ich habe das Kind geholt.«

Da rief die Mutter: »Gib mir meinen Sohn zurück, Fuchs!« Der Fuchs aber lief mit dem Knaben weg. Er gab ihm Früchte des Muriti-Baumes zu essen und zog das Kind auf. Der Fuchs aß von demselben Baum, von dem auch der Tapir aß, aber sie begegneten sich nicht.

Eines Tages begegnete der Fuchs dem Tapir. Dieser sagte zu ihm: »O Schwager, gib mir das Kind!« Doch der Fuchs wollte ihm das Kind nicht geben. Der Tapir bat und bat, aber der Fuchs ließ sich nicht erweichen und lief mit dem Kind weg. Der Tapir lief hinter ihm her, nahm ihm das Kind ab und trug es davon.

Der Tapir gab dem Kind zu essen und zog es auf. Der Knabe hieß Kuläwönte. Er wurde groß. Der Tapir gab dem Knaben viele Zecken, die dem Tapir als Perlenschmuck gelten. Er setzte sie ihm an den Hals, an die Beine, an die Ohren, in die Achselhöhlen, an den ganzen Körper. Der Tapir war ein Weibchen. Er fand den Knaben, der schon ein Jüngling geworden war, schön und gab sich ihm zur Ehe.

Der Jüngling ging mit dem Tapir als sein Mann. Er schritt vor dem Tapir her. Dieser folgte ihm nach. Der Jüngling begegnete einer Klapperschlange und rief: »Achtung! Eine Schlange!« und lief weg. Der Tapir lief hinter ihm her.[96] Dann blieben sie stehen und sagten: »Wir wollen sehen!« Sie gingen zurück zu der Schlange. Da sagte der Tapir: »Das ist keine Schlange! Das ist mein Ofen!« Er nahm die Schlange in die Hand und sagte: »Siehe, das ist keine Schlange; das ist mein Ofen!« Dann fuhr er fort: »Die Schlange, so sagen sie, läuft hinter den Leuten her. Aber dies ist keine Schlange! Für den Tapir ist der Hund eine Schlange! Die Schlange läuft hinter den Leuten her, und wo sie beißt, da schmerzt es. Die Schlange ist für uns ein Ofen. Die Menschen sehen sie als Schlange an und leiden unter dem Biß gerade so, wie wir unter dem Biß des Hundes leiden.« Dann ging der Tapir mit dem Jüngling weiter, und dieser wußte nun auch, daß die Schlange ein Ofen war und erschrak nicht mehr vor ihr.

Der Tapir fand eine verlassene Pflanzung und aß dort Ananas. Es war die frühere Pflanzung der Mutter des Jünglings. Was machte nun der Tapir? Er schickte den Jüngling in das Haus seiner Mutter, um seine Familie zu besuchen. Er sagte zu dem Jüngling: »Erzähle nichts von mir deinem Vater, deiner Mutter, deinem Bruder und deinen Schwägern, damit sie mich nicht töten!«

Der Jüngling ging voll Zecken in das Haus seiner Mutter. Er trat ein, und seine Mutter erstaunte. Sie erkannte ihren Sohn nicht. Er nannte seinen Namen Kuläwönte. Da erkannte ihn seine Mutter und sagte: »Warum bist du so voll von diesen Zecken? Ziehe sie ab!« Da suchte ihm seine Mutter alle Zecken ab und fragte ihn, wo er gewesen sei. Er sagte: »Ich bin ohne Zweck im Wald herumgelaufen.« Er erzählte gar nichts.

Am anderen Morgen gingen sie zu der verlassenen Pflanzung, um Ananas zu holen. Sie fanden keine. Der Tapir hatte alle gegessen. Sie fanden nur die Spuren des Tapirs. Da kehrten sie nach Hause zurück und erzählten, der Tapir habe die Ananas gegessen.

Darauf sagten die Schwäger: »Morgen wollen wir den Tapir töten!«[97]

Am anderen Morgen sagte der Jüngling: »Nein! Dieser Tapir ist meine Frau! Wenn ihr den Tapir schießen wollt, so schießt ihn mit dem Pfeil in die Achselhöhle, nicht in den Bauch! Er trägt ein Kind von mir!«

Da sagte die Mutter: »Du gehst also mit dem Tapir? Du bist verheiratet mit dem Tapir? Ich dachte, du seiest ohne Zweck ganz allein gegangen!«

Da baten die Schwäger den Jüngling, den Tapir töten zu dürfen. Er sagte: »Ihr könnt ihn töten, aber schießt ihn nur in die Achselhöhle, nicht in den Bauch! Ihr könnt ihn in den Kopf und in die Beine schießen, aber nicht in den Bauch!«

Da gingen die Schwäger fort und nahmen zwei Hunde mit. Vorher fragten sie Kuläwönte: »Wo ist der Tapir?«

Er antwortete: »Er ist am Rande der Pflanzung nach Sonnenaufgang.« Zur Mutter sagte er: »Gehe hin! Wenn sie den Tapir getötet haben, so nimm seine Eingeweide heraus und ziehe das Kind heraus und wasche es! Tue es ganz allein! Du brauchst niemand dazu!«

Die Hunde trafen den Tapir. Die Schwäger schossen ihn mit ihren Pfeilen und töteten ihn. Die Mutter befahl, sofort den Leib des Tapirs zu öffnen und zog das Kind aus den Eingeweiden. Sie wusch es im Bach und nahm es mit nach Hause.

Vorher hatte Kuläwönte zur Mutter gesagt: »Wenn du das Kind im Bache wäschst, sterben viele Fische!« – Als sie es wusch, starben viele Fische, und sie fing viele Fische. Sie ging nach Hause mit den Fischen. Sie aßen den Tapir und behielten das Kind und zogen es auf.

Jedesmal, wenn sie das Kind wusch, starben viele Fische. Wenn sie Hunger hatten, wusch sie das Kind; dann hatten sie immer viele Fische zu essen.

Das Kind wurde größer. Der Vater des Kindes hatte zu seiner Mutter gesagt: »Wenn du das Kind im Bache wäschst, nimm niemand mit, auch kein Kind!« Eines Tages schickten die Schwäger einige Kinder heimlich hinter der Alten her,[98] um zu erfahren, wie Keyulewä die Fische fing. Als die Alte kam, versteckten sich die Kinder in einem Dickicht und sahen zu, wie sie den Knaben badete. Als sie den Knaben badete, starben viele Fische. Sie setzte den Knaben am Ufer des Baches nieder und sammelte die Fische. Die Kinder, die im Dickicht versteckt waren, sahen es. Bevor die Alte zurückkam, liefen sie heim und erzählten es ihrer Mutter. Auf diese Weise erfuhren es die Schwäger. Dann kam die Alte heim, und sie aßen die Fische, die sie mitgebracht hatte.

Am anderen Tag badete sie wieder den Knaben. Sie wußten es alle, daß sie Fische tötete, wenn sie den Knaben badete. Sie aßen alle Tage Fische, und die Alte lud alle Verwandten ein, mit ihr Fische zu essen. So verlebten sie gute Tage.

Alle Vögel, die Fische fressen, der Storch, der weiße Reiher, der Eisvogel und andere, erfuhren es, daß durch das Baden des Kindes so viele Fische starben. Da ging der Storch zum Hause des Vaters des Knaben und erbat sich das Kind zum Baden. Sie hatten gesehen, daß im Falle Pulo-melu sehr viele große Fische waren.

Kuläwönte antwortete: »Nein, ihr wollt meinen Sohn töten! Ich könnte ihn in einem Bach baden lassen, aber nicht in einem Fall!«

Da sagte der Storch, er habe viele Fische im Fall gesehen. Der Vater erwiderte, er gebe seinen Sohn nicht dazu her, im Fall zu baden. Der Storch bat und bat und bat. Schließlich wurde Kuläwönte seiner überdrüssig und sagte zu seinem Sohn: »Wohlan, wir wollen hingehen und die Fische sehen, die der Storch gesehen hat!« Sie gingen mit dem Storch, auch die Großmutter, die Schwäger und alle.

Am anderen Morgen gingen sie hin, um den Fall zu sehen. Da waren alle Vögel, die Fische fressen, versammelt, auch der Aasgeier. Sie waren eingeladen von dem Storch.

Sie kamen zu dem Fall. Da sahen sie sehr viele Fische. Dann befahl der Vater dem Knaben zu baden.

Dieser sagte: »Der Fall ist sehr häßlich, mein Vater!« Er hatte Furcht vor dem Fall.[99]

Kuläwönte antwortete: »Das schadet nichts! Gehe baden!«

Da wurde der Knabe zornig. Er sprang in das Wasser und tauchte hierhin und dorthin, im ganzen Fall herum.

Da sagte der Vater: »Es ist genug, mein Sohn! Es sterben schon viele Fische. Komm heraus!« Aber der Knabe wollte nicht herauskommen. Er war zornig. Es starben sehr viele Fische, und der Vater rief noch einmal.

Mitten in dem Fall war ein Felsen. Der Knabe stieg aus dem Wasser auf den Felsen und legte sich darauf mit dem Bauch nach unten. Er fror sehr, denn er war zornig und erhitzt ins Wasser gestiegen. Die Großmutter, die Schwäger und alle Vögel fingen Fische. Sie dachten, dem Knaben sei wohl. Der Vater stand am Ufer auf einem Felsen und schaute nach seinem Sohne hin. Der Knabe war tot. Köyemö hatte ihn mit einem Pfeil geschossen. Der Knabe hatte den Schmerz gefühlt und war aus dem Wasser gestiegen und auf dem Felsen gestorben.

Die Vögel, auch der Aasgeier, fingen viele Fische. Der Aasgeier und der Königsgeier standen dicht am Ufer und faßten die Fische, die ihnen der Wind zutrieb. Sie machten einen großen Bratrost.

Der Vater rief den Knaben. Er dachte, er sei lebend. Aber der Knabe blieb liegen. Der Vater rief und rief, aber der Knabe rührte sich nicht. Da ging der Vater hin, um zu sehen, was seinem Sohne war. Er fand ihn tot und schon ganz starr. Er ergriff ihn und weinte. Dann rief er den Storch, um den Knaben ans Land zu bringen. Sie legten ihn ans Ufer.

Darauf sagte Kuläwönte zu den Vögeln: »Ihr seid schuld daran! Köyemö hat meinen Sohn erschossen! Jetzt helft mir und tötet diese Köyemö!« Da flog der Storch bis zum Himmel und stieß herab, um in das Wasser einzudringen und Köyemö zu töten, aber er schlug auf das Wasser auf und blieb auf der Oberfläche des Wassers. Er konnte nicht eindringen. Dann flog der weiße Reiher zum Himmel. Er stieß herab, konnte aber auch nicht eindringen und blieb auf[100] der Oberfläche des Wassers. Darauf machte es der graue Reiher ebenso. Dann versuchte es der Sokoreiher, konnte aber auch nicht ins Wasser eindringen. Dann versuchte es der Eisvogel, aber auch er konnte nicht eindringen. Alle Vögel, Papageien, Arara, Aasgeier, Königsgeier, versuchten es, konnten aber nicht eindringen. Alle blieben auf der Oberfläche des Wassers und kamen dann zurück. Darauf versuchten es das Jakuhuhn, das Hokkohuhn, das Rebhuhn, die Tauben, konnten aber nicht eindringen. Dann versuchten es der Tapir und alle Jagdtiere, aber auch sie konnten nicht ins Wasser eindringen. Auch versuchte es die Nachtigall, aber sie konnte nicht eindringen und kam zurück.

Da blieben nur noch der Karara und der Taucher übrig. Sie saßen weitab auf einem Felsen und hatten keine Schuld an dem Tod des Knaben. Sie hatten den Vater nicht aufgefordert.

Da kam Kuläwönte und bat den Karara, Köyemö zu töten: »Schwager, hilf mir! Mein Sohn ist tot! Köyemö hat ihn mit einem Pfeil getötet!«

Der Karara sagte: »Gut, ich will dir helfen!« Er sagte, sie hätten keine Schuld, aber sie wollten ihm helfen, Köyemö zu töten. Dann stritten der Karara und der Taucher mit allen anderen Vögeln und schalten sie, weil sie schuld an dem Tod des Knaben hätten. Der Vater saß da und weinte.

Als sie mit dem Streit fertig waren, setzten sich der Karara und der Taucher nebeneinander nieder. Darauf sagte der Karara: »a-ta-ta-ta-ta-ta!« und schlug mit den Flügeln. Dann bückte er sich und verschwand in der Luft. Er flog zum Himmel.

Als er verschwunden war, sagte der Taucher: »o–!«, schlug mit den Flügeln auf den Boden und verschwand aufwärts.

Sie flogen sehr hoch und verweilten ein bißchen dort im Himmel. Sie verweilten und verweilten. Dann hörte man den Gesang des Karara: »ta-ta-ta-ta!« in der Höhe. Er kam herab, stieß in das Wasser und verschwand. Als er verschwunden[101] war, hörte man ein dumpfes Geräusch aus dem Wasser, und das Wasser zitterte. Dann kam der Taucher hinter ihm her, stieß auf das Wasser herab und verschwand im Wasser. Da hörte man wieder ein dumpfes Geräusch. Sie blieben lange Zeit unter Wasser. Man hörte fortwährend dumpfe Geräusche. Sie hatten Köyemö mit Pfeilen getötet und versuchten nun, sie ans Land zu ziehen. Sie blieben lange Zeit unter dem Wasser.

Dann kamen sie und sagten zu dem Vater: »Fertig, Schwager! Dort liegt sie tot! Wir wollen sie ans Land ziehen!« Kuläwönte antwortete: »Zieht sie hier auf den Felsen! Ich will eine Liane holen, um sie anzubinden.«

Der Vater ging weg und suchte eine Liane. Er band diese um den Hals der Schlange. Alle Vögel halfen, die Schlange ans Land zu ziehen. Sie zogen sie auf den Felsen und streiften ihr die Haut ab.

Sie zerschnitten die Schlange und verteilten sie unter sich. Jeder erhielt ein Stück von dem Fleisch und von der Haut. Dann sagten sie: »Laßt uns sehen, wer der Herr dieser Haut ist!« Da flog der Storch mit seinem Stück in die Höhe. Er hatte die Haut über seinen Rücken gelegt, aber die Haut sang nicht. Er kehrte zurück und legte das Stück Haut hin und sagte: »Sie hat nicht gesungen!« Er forderte den weißen Reiher auf, es zu versuchen. Der Reiher flog empor und sang: »a-a-,« denselben Gesang, den er noch heute hat. Dann kam der graue Reiher. Er nahm ein Stück Haut und flog empor und sang sehr häßlich: »a-(o)-a- (o).« Dann kam der Sokoreiher. Er nahm ein Stück Haut und legte es über Kopf und Flügel. Es sind die bunten Federn, die er heute dort hat. Er flog in die Höhe und sang: »koro-koro-koro.« Er flog ein Stück dahin, kehrte dann zurück und sagte: »Diese Flöte gefällt mir; sie ist schön.« Dann nahm der Eisvogel ein Stückchen von der Haut und legte es über Kopf und Hals; die roten Federn, die er dort hat. Er sang: »sä-tschä-tschä-tschä.« Er fand die Flöte schön und behielt sie. Dann kam der Tukan. Er nahm ein Stück Haut[102] und legte es über Hals und Bauch; die weißen und roten Federn, die er dort hat. Er sang: »kio-hä-hä kio-hä-hä.« Er fand die Flöte schön und behielt sie. Ein Stück Haut blieb über seiner Nase; der gelbe Schnabel. Dann kam das Hokkohuhn. Es nahm ein Stück Haut und legte es über seine Kehle. Es erstieg einen hohen Baum und sang: »hm-hm-hm-hm.« Es fand die Flöte schön und behielt sie. Ein Stück Haut blieb über seiner Nase, die noch heute die gelbe Farbe hat. Dann kam das Kujubim-Huhn. Es nahm ein Stück Haut und legte es über Kopf, Hals und Flügel; die weißen Federn, die es dort hat. Es sang: »krrrr,« wie es noch jetzt des Morgens singt. Es fand die Flöte schön und behielt sie. So empfingen alle Vögel ihre Flöte (ihren Ruf) und flogen davon. Der Arara nahm sich ein großes Stück Haut und bedeckte seinen ganzen Körper damit. Deshalb hat er noch heute so bunte Federn am ganzen Körper. Ebenso machten es die Papageien und die gelben Perikitos. Dann nahm sich der Vogel Oayabaka ein Stück Haut und seine Flöte. Er sang sehr schön: »oayabaka-oayabaka-ku-lu-lu-lu-lu.« Bei allen Vögeln verwandelte sich die Haut in bunte Federn und in ihre Flöte. So empfingen alle Vögel, auch das Jaku-Huhn und die Nachtigall, ihre bunten Federn und ihre Flöte.

Dann kamen die Jagdtiere, Tapir, Kapivara, Hirsch. Sie nahmen jeder ein Stück Haut. Der Hirsch setzte es als Kopfputz auf. Da verwandelte sich die Haut in das Geweih, das er noch jetzt hat. Der Waldhirsch hatte ursprünglich den Kopfputz, den heute der Savannenhirsch hat, und dieser hatte den Kopfputz, den heute der Waldhirsch hat. Da konnte der Waldhirsch im Walde nicht laufen. Er blieb in den Schlingpflanzen und an den Zweigen hängen. Da sagte er zu dem Savannenhirsch: »Laß uns den Kopfputz tauschen, Schwager!« Da gab der Waldhirsch seinen Kopfputz dem Savannenhirsch, und dieser gab seinen Kopfputz dem Waldhirsch. Der Waldhirsch ging hin, seinen Kopfputz zu erproben. Er lief in den Wald und verfing sich nicht in den[103] Schlingpflanzen und dem Gestrüpp. So behielt er ihn. Der Savannenhirsch ging, den Kopfputz des Waldhirsches zu erproben. Er lief mit ihm und fand ihn gut. Da behielt er ihn.

Dann kam die Kutia, nahm ein Stück Haut und legte es über die Brust und den Bauch. Es sind die rötlichen und weißen Haare, die sie dort hat. Sie erhielt eine kleine Flöte: »king-king.« So machte es auch die Paka. So erhielt der Tapir seinen pfeifenden Ruf. Dann kam des kleine Wildschwein. Es legte die Haut über die Schultern. Dort wurde sie in schwarze Haare verwandelt. Es erhielt auch seine Flöte: »hch-hch,« die es noch heute hat. Dann kam das große Wildschwein und erhielt seine Flöte: »rr-rr.« Dann kam der große Ameisenbär. Er legte sich das Stück Haut über das Rückgrat und über die Arme. Dort wurde es in die gelben Haare verwandelt, die er noch heute dort hat. Er erhielt seine Flöte: »rr-rr.« So erhielten alle Jagdtiere ihre bunten Haare und ihre Flöte. Der Vater des Knaben gab auch allen Affen ein Stück Haut der Schlange, dem Brüllaffen, dem Makako und dem Zwergäffchen, und sie fanden die Flöte schön und behielten sie bis auf den heutigen Tag.


36. Wie die Fischgifte in die Welt kamen

Dann machte Kuläwönte einen Tragkorb und legte den Körper seines Sohnes hinein. Er ging sehr weit. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Die Großmutter trug den Korb auf dem Rücken. Sie ging dahin und sang. Ich weiß nicht mehr, was sie sang; einen bestimmten Gesang. Das Blut des Knaben lief aus dem Tragkorb auf den Boden. Sie ging überallhin durch den Wald am Caroni, durch das Land der Ingariko[104] und Kamarakoto. Der Leib des Knaben verweste.


36. Wie die Fischgifte in die Welt kamen

Es fiel das Fleisch des Leichnams aus dem Korb, und es blieben nur die Knochen. Die Alte ging immer weiter. Wo das Blut und das Fleisch hinfielen, da wuchs Timbo (Fischgift). So blieb es bis auf den heutigen Tag. Die Knochen, die sie begruben, wurden schwacher Timbo. Das ist der Timbo, den wir heute haben.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 95-105.
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