37. Betrug bringt keinen Segen

[129] Es war einmal ein Mann, der hatte kürzlich geheiratet. Da kam ein Geist, ein begu, der die Gestalt des Mannes angenommen hatte, und wollte ihm die Frau fortnehmen. Er behauptete, sie wäre seine Frau. Das wollte dem rechten Ehemann nicht behagen, und außer sich vor Zorn fiel er über den begu her und rang mit ihm, so daß sie sich beide auf der Erde herumwälzten. Von dem Lärm wurde der Vater der Frau herbeigerufen. Er kam mit einem großen Messer und wollte seinem Schwiegersohn beistehen. Als er aber zuschlagen wollte, konnte er nicht erkennen, wer sein Schwiegersohn, wer der begu war, denn sie hatten ja einerlei Aussehen und Gestalt. Nachdem sie lange ohne Entscheidung miteinander gekämpft hatten, brachten sie ihren Streit vor die Häuptlinge.

[129] Der Ehemann sagte: »Herr, ich heiratete vor kurzem. Da kommt dieser Kerl und behauptet, meine Frau sei seine Frau.« Darauf erwiderte der begu: »Herr, ich heiratete vor kurzem. Da kommt dieser Kerl und behauptet, meine Frau sei seine Frau.« Der Mann wollte schwören, doch der begu wollte den Eid nicht annehmen und sprach: »Wegen seines Meineides soll meine Frau doch nicht seine Frau werden.« So gelang es den Häuptlingen nicht, den Streit zu entscheiden.

Sie gingen nun vor einen schlaueren Häuptling. Der hieß zuerst den Ehemann eine schwere Kiste siebenmal auf einen Berg tragen. In der Kiste hatte er aber einen Mann versteckt. Das wußten die beiden nicht. Unterwegs stöhnte der Mann: »O weh, was muß ich wegen meiner Frau ausstehen! Aber ich will es gern ertragen, wenn ich sie nur wiederbekomme.« Der Mann in der Kiste hörte die Worte. Darauf ließ der Häuptling den begu die Kiste tragen, während der echte Ehemann unterdes angebunden wurde. Als nun der begu die schwere Kiste auf den Berg schleppte, wehklagte er: »O weh, was muß ich ausstehen! Aber ich will es tragen, wenn seine Frau nur mein wird!« Darauf band der Häuptling auch ihn besonders an, damit er sie unterscheiden konnte. Der Mann in der Kiste hatte ihm aber die Reden der beiden hinterbracht.

Nun ließ der Häuptling einen langen Bambus vor sie hinlegen und sagte zunächst zu dem Ehemann: »Wenn du durch diesen Bambus der Länge nach hindurchzukriechen vermagst, dann soll die Frau dir gehören.« Der versuchte es, konnte es aber natürlich nicht. Nun mußte der andere es versuchen. Der schlüpfte ohne Schwierigkeiten hinein, denn ein begu kann sich klein und dünn machen. Als er aber im Bambus war, verstopfte der Häuptling schnell beide Enden und verbrannte den Bambus samt dem begu, denn nun war der erkannt und durchschaut. Der Ehemann aber ging vergnügt nach Hause.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 129-130.
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