Das Große

[255] In früheren Zeiten lebte ein König, der gab Befehl, einen prächtigen Palast zu errichten und ihn wunderschön auszuschmücken.

Als der Bau beendet war, ließ er alle Bewohner der Stadt zu sich kommen, um ihnen ein Fest zu geben.

[255] Sie erschienen alle und schmausten und freuten sich miteinander.

Dann gab der König dem Palasthüter den Befehl: »Wer hier das Tor verläßt, den sollst du fragen: ›Hat der Palast einen Fehler oder nicht?‹«

Einzeln kamen die Gäste heraus. Jeden befragte der Torhüter, wie ihm geheißen war. Und sie antworteten: »Wir finden am Palaste keinen Fehler.« –

Zuletzt kamen etliche Leute, die trugen grobe Kleider. Der Palastwächter fragte: »Seht ihr einen Fehler in diesem Bauwerk?« – Sie erwiderten: »Ja. Zwei Fehler sind uns nicht entgangen.« Als der Torhüter dies gehört hatte, hielt er sie an und berichtete dem König: »Großmächtigste Majestät, Herr der Welt! Ich habe Leute gefunden, die behaupten, daß dein Palast zwei Fehler besitzt.« Der König befahl: »Rufe sie her!« Sie kamen. Der König fragte: »Welche Fehler saht ihr an meinem Palast?« Da verneigten sie sich tief und antworteten: »Großmächtigste Majestät, Herr der Welt! Der erste Fehler des Palastes ist, daß auch er zerfallen und vergehen wird, und der zweite, daß auch alle seine Bewohner sterben werden.« Der König fragte weiter: »Kennt ihr denn einen Palast, der nicht vergehen wird, dessen Bewohner nicht sterben werden?« Sie antworteten: »Großmächtigste Majestät! Es gibt einen Palast, der nicht vergeht und dessen Bewohner nicht sterben, das ist der Himmel.«

Und sie erzählten ihm nun von all' den mannigfachen Freuden, bis im König die Sehnsucht nach dem Himmel erweckt war. Dann sprachen sie ihm von der Hölle und ihren Strafen, erweckten in ihm die Furcht und brachten ihn dahin, Allah, den Erhabenen, zu verehren. Als der Fürst ihre Rede vernommen hatte, ging er in sich und bekehrte sich; er verließ den Palast, verzichtete auf sein Reich und wandelte fortan auf Allahs Wegen.

Die Barmherzigkeit Allahs sei mit ihm!

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 255-256.
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