Die Bedingungen

[256] Eines Tages kam König Alexander der Große vor eine verfallene Stadt. Da erblickte er am Stadttor eine Schrifttafel, auf der stand folgendes zu lesen: »Diese Stadt wurde von sieben Fürsten beherrscht, und sie sind alle gestorben.« – Alexander betrachtete die Tafel, las die Inschrift und fragte dann seine Begleiter: »Wer haust denn jetzt in dieser Stadt? Ist noch ein Nachkomme der Fürsten vorhanden?« Einer erwiderte: »Ja, Majestät, es ist noch ein männlicher Nachkomme da, der wohnt bei all' den Gräbern.« –

Alexander der Große sprach: »Geh' und bring' ihn zu mir her!« Der Mann ging zu ihm und jener kam.

König Alexander fragte: »Nun, Diener Allahs, sag' an, weshalb weilst du beständig auf dem Friedhof?«

Der Nachfahre der Fürsten verbeugte sich und antwortete: »Majestät, großmächtigster Herr der Welt! Ich bemühte mich lange, den Unterschied zwischen den Gebeinen der Könige und ihrer Sklaven herauszufinden. Es gelang nicht. Sie sind einander gleich, und ich vermag sie nicht zu unterscheiden.«

Da sagte König Alexander der Große: »Willst du mir folgen? Ich will dir ein Amt geben.« Der Nachfahre der Könige entgegnete: »Großmächtigster Herr und König! Zuvor möchte ich Euch um Verlaub bitten, an Euch einige Bedingungen stellen zu dürfen. Befriedigt Ihr dann mein Begehren, so will ich Euch gern folgen.« –

König Alexander fragte: »Wohlan, Herr Königssohn, nennt Eure Bedingungen.«

Der erwiderte: »O, Majestät! Erstlich: ein Leben ohne Tod. Zweitens: eine Jugend ohne Alter. Drittens: einen Reichtum ohne Armut. Viertens: stete Freude, in der kein Schmerz ist.« Nun meinte König Alexander: »Ei, Herr Königssohn, wer hat Macht über solches?«

Sprach der andere: »Großmächtigste Majestät, Herr und König! Habt Ihr keine Macht, mir solches zu gewähren, [257] dann schweiget und laßt mich nach solchem streben bei jemand, der die Macht hat, es zu vollbringen.«

Alexander der Große war betroffen, als er diese Worte des Königssprossen vernommen hatte.

Quelle:
Hambruch, Paul: Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde. Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 256-258.
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