Der schwarze Wagen.

[106] Alte Leute erzählen, daß in der Prager Neustadt zweimal in der Woche ein schwarzer Wagen durch die Postgasse fahre. Obwohl er von vier Pferden gezogen wird, so hört man doch keinen Hufschlag; nur die schweren Räder des Wagens verursachen[106] auf dem Pflaster ein starkes Getöse. Im Innern des Wagens sitzt eine Gestalt, die ganz in einen Mantel gehüllt ist, so daß nur die feurigen Augen sichtbar sind, die rasch hin und her rollen und das Innere des Wagens erleuchten. Auf dem hohen Kutschbock sitzt kein Kutscher, so daß das gespenstige Fuhrwerk ohne Führer durch die Gasse fliegt. Es fährt immer vom Karlsplatze und vom Wissehrad und verliert sich in den engen Gäßlein der Gärbergassen.

Der Mann im Wagen soll ein Müller gewesen sein, der seine Diener streng behandelte, den Armen nie ein Almosen gab. So sammelte er sich ein großes Vermögen und kaufte sich einen herrlichen Wagen, was damals für einen Bürger eine Verschwendung war. Da verfluchte ihn das Volk, das er bestohlen hatte. Vor seinem Tode vergrub er noch seine Schätze. Aber der Fluch des Volkes gieng in Erfüllung. In demselben Wagen, den er sich hatte bauen lassen, muß nun der Müller ruhelos umherfahren und zwar vom Wissehrader Kirchhofe bis zu dem Ufer der Moldau, wo seine Mühle gestanden und wo seine Schätze begraben sind. Dann wird er erlöset sein, bis seine Schätze aufgefunden und zu guten Zwecken verwendet sind. Sie sind aber in unzugänglichen Felsen verborgen und so wird es noch lange dauern, bevor er Ruhe finden wird. (Jos. Dauscha.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 106-107.
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