[85] Im Jahre 1696, Anfangs August, begegnete dem Barth. Alegro von Ponte (Veltlin), welcher auf einer Weide der Gemeinde Stuls bei Bergün, im Gebirge das Vieh hütete, ein seltsames Abenteuer.
Er erblickte nämlich hoch oben am Gipfel des Berges in einer Höhle ein großes, zusammengerolltes Thier. Dasselbe ruhte, und gewahrte anfänglich ihn nicht.
Wiewohl das Thier ganz feuerroth strahlend glänzte, und den Hirten blendete, war Derselbe doch neugierig, zu wissen,[85] was das für ein Ungeheuer sei, das diese Höhle bewohne, und er trat behutsam näher.
Nunmehr hatte das Thier auch ihn erblickt, und richtete sich empor.
Der Hirte wußte nun, daß er einen gewaltigen Drachen vor sich habe. Der war zwei Klafter lang, hatte einen gedrungenen Kopf, der einem Katzen-Kopfe glich, mit granat-funkelnden Augen, einem weißen Streifen um den Hals, Schuppen an den Füßen, wie ein Fisch, und mit Anhängseln versehen, die Zunge war wie die einer Schlange, und auch der Schwanz war doppelt.
Durch diesen Anblick erschreckt, suchte der Hirte sein Heil in der Flucht, aber das Ungeheuer verfolgte ihn mit der Schnelligkeit eines Pfeiles.
Der Flüchtling fand Schutz hinter einem Steinblocke, um welchen herum der Drache nicht schnell sich bewegen konnte. So rannte das Unthier immer vergebens dem Hirten nach, um den Stein herum, bis es endlich, vor Zorn, mit großer Gewalt gegen den Stein anrannte, um Denselben zu stürzen.
Dieß hatte zur Folge, daß der Drache am harten Stein den Kopf so beschädigte, daß er vor Schmerz am Boden sich wand, und in der Betäubung nicht mehr vermochte, den Hirten für den Augenblick weiter zu verfolgen.
Der hülflose Zustand des Drachen gab dem Hirten Zeit, seine Flinte zu laden, und auf den Feind zu schießen. Die Kugel traf den Drachen aber nicht mit dem Erfolge, daß Derselbe kampfunfähig wurde. – Vielmehr hatte die Verwundung den betäubten Drachen wieder belebt, und die Bestie in solche Wuth gebracht, daß Diese wieder wie ein Pfeil hin und herschoß, zu Seiten des Steinblockes, um den Hirten zu ereilen; dann zum andern Male heftig gegen den Stein anrannte, und wiederum zu Boden fiel.[86]
Da der Hirte im Laufen um den Stein herum die Munition verschüttet hatte, nützte auch das Gewehr ihn nichts mehr. Er nahm daher Steine vom Boden auf, und tödtete mit Diesen den Drachen.
Nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Drache todt sei, wollte er Denselben den Berg hinunter schleppen, aber er war zu schwach dazu. Er mußte ihn liegen lassen.
Am dritten Tage nach diesem Ereignisse stieg er mit einigen Cameraden hinauf, wo der todte Drache lag, Denselben zu holen, aber da war dessen Körper mit unzähligen Fliegen bedeckt. –
Andere Hirten behaupteten, solche Drachen öfters gesehen zu haben, welche von einem Felskopfe nach dem Andern in schlängelnder Bewegung die Luft durchsegelten.
Von einem andern Drachen in erwähnter Gegend erzählt Augustin Salis in Bergün um die Mitte des 16. Jahrh.
Dieser Drache war ein Wurm von entsetzlicher Größe, und lag auf einem steilen Hügel, an der Sonne.
Durch eine Flintenkugel erlegt, rutschte er von dem Hügel herab. –
Aber seine Ausdünstung war so widerlich und giftig, daß dem, welcher ihn tödtete, durch den pestilenzartigen Hauch das Augenlicht geraubt wurde, und des Mannes Körper so stark anschwoll, daß viele Monate lang sein Leben auf dem Spiele stand. –