Der Drache.

[51] Auf dem »Lande« ist es Brauch, dass gewöhnlich die Hausfrauen das »Mittag« [Essen] besorgen. Deshalb gehen sie mittags früher vom Felde als die anderen weg. Eine Frau aber, die den Drachen hatte, blieb immer bis »hoch« in den Mittag auf dem Felde und ging erst kurz vor den anderen nach Hause. Dann stand jedesmal das Mittagsessen schon fertig auf dem Tische. Das kam so. Wenn sie zu Hause kam, ging sie gleich auf den Boden, da lag in einer grossen Tonne der Drache. Zu dem ging sie mit einer grossen Schüssel heran und sagte:

»Küllexe man [nur], Hänseken, külexe147 [kotze, brich aus, speie],

Backebirnen und Klösse [kulki]«.

Dann trug sie das Essen auf den Tisch und die Leute assen und wunderten sich. Eines Tages aber ging ihr der Knecht nach auf den Boden und sah heimlich zu. Sie aber kam wieder herunter, ohne es zu wissen. Dann erzählte es der Knecht der Magd und beide assen den Tag nichts. Da fragte die Frau: »Warum esst Ihr nicht?« und die Magd sagte: »Was Euch das alte bunte Kalb kulixt, das werden wir nicht essen«.

Dann ging die Magd hinaus nach der Küche. Im Schornstein sind doch zwei Stangen, an denen der Speck aufgehängt wird; auf denen nun sass der Drache im Schornstein und beschiss die Magd von oben bis unten. Dann war und blieb sie ganz blau, sie konnte machen, was sie wollte.

Darum sagt man noch, wenn einer so schwarzblau aussieht: »Du siehst aus wie vom Drachen beschissen«. G.-S.

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Anderwärts: kolxen.

Quelle:
Schulenburg, Willibald von: Wendisches Volksthum in Sage, Brauch und Sitte. Berlin: Nicolai, 1882, S. 51.
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