Der kleine Carl

[17] Schon als kleiner Kerl, lange bevor ich die Volksschule besuchen mußte, zeigte ich nach Aussage meiner Mutter im Spiel ausgesprochene Eigenarten und Sonderheiten. Was ich auch zeichnete und malte – zuletzt gab's immer eine Lokomotive, wo der Rauch herauskam. Stühle wurden hintereinander[17] gestellt. Das waren Eisenbahnwagen. Und irgendein Spazierstock mußte die Rolle der Pleuelstange übernehmen. Fauchend wie eine Maschine sprang ich des Abends zu meinem Bettchen. Fauchend erhob ich mich des Morgens wieder. Die Lokomotive, ein Wagen ohne Pferde! Sie machte mich in meinen Bubenjahren namenlos glücklich – so wie sie meine Mutter namenlos unglücklich gemacht hatte. Sie war mein Höchstes und Größtes, mein alles!

Freilich sah die lebensernste Mutter diesen unternehmungsfrohen Spielereien und Träumereien nur mit gemischten Gefühlen zu. Sie achtete die Tradition, die möglicherweise im Blute steckte. Aber sie wollte nach der technischen Seite hin in ihrem Leben keine trüben Erfahrungen mehr machen. Sie ahnte nicht, daß aus diesem jungen Lokomotivenschwärmer die Freude des Erfinders herausjauchzte. Ein Beamter sollte aus ihrem Buben werden. Drum kam er mit neun Jahren aufs Gymnasium.

Quelle:
Benz, Carl Friedrich: Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Die Erfindung des Automobils, Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Leipzig 1936, S. 17-18.
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